Genial Spektral
Fred’s Lab Manatee ist der neuste Desktopsynth des sympathischen Franzosen aus Bonn, der nun nach erfolgreicher Kickstarter-Kampagne auch bei den Musikhäusern zu haben ist (der Synth, nicht der Entwickler). Frédéric Meslin ist kein Unbekannter, arbeitete er doch u. a. für Arturia und war dort maßgeblich für die den Minibrute 2 zuständig und schrieb auch den Basis-Code für fünf DSP-Module, die später im MicroFreak zum Einsatz kamen. Auch den Braids für Mutable Instruments entwickelte er in Zusammenarbeit mit Émilie Gillet.
Inhaltsverzeichnis
Fred’s Lab Manatee Hardware
Im Gegensatz zu den vorigen Geräten, wie Buzzzy, Töörö oder Zekit, handelt es sich hier nun auch vom Bedienkonzept um ein professionelles Gerät. Der Sound war schon immer erste Klasse, die Präsentation aber hatte immer etwas von Hinterhofwerkstatt (was im Prinzip auch zutraf).
Nun kommt Manatee, der seinen Namen der Seekuh aus Monkey Island 4 verdankt (einem Computerspiel aus dem Jahr 2000, dessen Ursprünge bis zum Commodore 64 zurückreichen, Anm. d. Red.), in einem 1,5 kg schweren Stahlblechgehäuse und einer professionellen Verpackung ins Haus. Beim ersten Auspacken wird sofort klar: Hier haben wir es mit einem Gerät der Oberklasse zu tun. Das Gehäuse misst 267 x 140 x 60 mm und steht sicher auf vier Gummifüßen, die mit der Unterseite fest verflanscht sind.
Es liegt ein gefalteter Quickstart-Guide auf Englisch bei, der in aller Kürze alles Wichtige erklärt. Eine vollständige Anleitung gibt es noch nicht. Mitgeliefert werden ein Netzteil und zwei MIDI-Kabel von 0,75 m Länge.
Die 24 Potentiometer des Fred’s Lab Manatee sitzen sicher verschraubt auf der Frontplatte und bieten einen angenehmen Drehwiderstand. Viele der Schalter sind hintergrundbeleuchtet, es gibt aber auch einige Mikroschalter, die unter der Front hervorlugen. Obwohl die beleuchteten ovalen Schalter etwas Spiel haben, bieten Schaltvorgänge ein gutes taktiles Feedback mit einem einvernehmlichen Klackgeräusch.
Obwohl die wichtigsten Parameter direkt von den Potis verändert werden, ist das 2 x 16 Zeichen LC-Display mit blassblauer Hintergrundbeleuchtung wichtig für die erschöpfende Einstellung aller möglichen Parameter. Durch kleine Tricks mit einem angepassten Zeichensatz gibt es sogar an einigen Stellen grafische Darstellungen, so z. B. bei der Darstellung des Filter-Cutoffs oder der Spektren.
Das Netzteil liefert 12 V und neben der DC-Buchse gibt es noch einen eigenen Netzschalter. Des Weiteren beglückt uns ein MIDI-Trio (In/Out/Thru) und ein analoger Clock-Ausgang (PPQs von 1, 2, 3, 4, 6, 8, 12, 16, 24, 32 und 48 sind möglich) zusammen mit Anschlüssen für einen Stereokopfhörer und zwei Stereoausgängen im 6,3 mm Klinkenformat, bezeichnet mit Main und Aux.
Klangstruktur des Fred’s Lab Manatee
Bevor wir auf die spektrale Synthese eingehen, möchte ich zunächst den generellen Signalfluss des Fred’s Lab Manatee skizzieren. Der Fred’s Lab Manatee ist ein 4-fach multitimbraler Digitalsynth, der seine 16 Stimmen dynamisch auf diese vier Parts verteilt. Jeder Part enthält ein Preset, jede Stimme hat dabei einen Spektral- und einen VA-Oszillator, Gen und Sub genannt. Es gibt pro Stimme eine Hüllkurve für Amplitude und Filtersteuerung sowie ein Multimodefilter und noch drei LFOs und drei Modulationszuweisungen.
Das Filter beinhaltet eine digitale Drive-Emulation mit zwei Optionen oder wahlweise einen Bitcrusher. Der Part wird dann zur Effektsektion geschickt, die ein gutes Reverb und ein Delay enthält. Dieses Delay hat drei Betriebsarten, nämlich Echo, PingPong und Comb-Filter. Und gerade im letzteren Modus wird es interessant, dass die Delay-Time von einem Modulator gesteuert werden kann – es wird so zum Bestandteil der Synthese.
Der Fred’s Lab Manatee hat dabei vier unsymmetrische Line-Ausgänge, die zwar als zwei Stereopärchen ausgelegt sind, aber auch einzeln angesteuert werden können. So könnte jeder Part auf einen Ausgang geroutet werden, um die Sounds mit externen Effekten zu bearbeiten.
Der spektrale Synth ist vollständig über MIDI steuerbar und nutzt dafür CC und NRPN, wobei die letzte Option alle Parameter vollständig implementiert, die erstere die wichtigsten Parameter.
Fred’s Lab Manatee Bedienung
Die Bedienung des Synthesizers ist recht einfach, da es eben für die wichtigsten Parameter ein fest zugewiesenes Potentiometer gibt, diese haben keine Doppelbelegungen. Die drei Potis unterhalb des Displays bilden dabei die Ausnahme – ihre Funktionen ändert sich, je nachdem was gerade im LCD-Display angezeigt wird.
Die LFOs sind recht umfangreich und haben fünf Seiten, auf denen jeweils vier Parameter dargestellt werden. Die Seiten werden entweder mit den Pfeiltastern unterhalb der Parameter-Potis angwählt oder durch wiederholtes Drücken des entsprechenden LFO-Schalters. So verhält es sich auch mit allen anderen Einstellungen, die mehr als eine Seite bieten.
Der LFO bietet etwas Besonderes, da er nicht nur aus einer Schwingungsform, sondern aus bis zu drei aneinander gereihten bestehen kann. Vor allem im Clock-synchronen Betrieb bei langsamen Einstellungen können so recht einfach rhythmische Patterns erzeugt werden.
Apropos Patterns: Der Fred’s Lab Manatee wartet mit einem einfachen Arpeggiator auf, der bis über sieben Oktaven gehen kann und sieben verschiedene Abspielmodi kennt: (Play-) Order, Up, Down, Up& Down, Down&Up, Walking und Random.
Bei der Bedienung der beiden Hüllkurven fällt auf, dass diese miteinander gekoppelt sind. Attack, Sustain und Release wird immer für beide Hüllkurven eingestellt, lediglich Decay ist pro Hüllkurve vorhanden. Allerdings ist es möglich, die Parameter Attack und Sustain zu entkoppeln, so dass sie keinen Einfluss mehr haben und quasi noch eine Decay-Release-Hüllkurve übrigbleibt.
Persönlich hätte ich mir hier einfach zwei separate Hüllkurven gewünscht, da dieses Konzept einfach ungewohnt ist. In der Praxis war die tatsächliche Einschränkung aber zu vernachlässigen. Die Hüllkurven können auch geloopt werden und somit als weitere LFOs dienen.
Diese Loop-Funktion sowie alle anderen weiß hinterlegten Funktionen auf der Oberfläche werden immer mit dem ALT-Taster aktiviert. Dies gilt auch für die Einstellungen zum generellen Setup, MIDI, Reverb, Arpeggiator und dem Panel-Verhalten. Diese Taster direkt unter dem Display des Fred’s Lab Manatee schalten sonst die vier verschiedenen Parts um, die natürlich frei auf die 16 MIDI-Kanäle verteilt werden können. Vier dieser Parts bilden ein Multi, das mit einer Kopie der ursprünglichen Parts arbeitet, so dass auch bei Änderung eines Quell-Parts das Multi intakt bleibt – danke dafür.
Spektrale Synthese – was ist das?
Die Spektrale Synthese im Fred’s Lab Manatee ist eine Art der additiven Synthese und stellt eine Hälfte der Klangerzeugung dar. Mit ihr gelingen vor allem FM-ähnliche Klänge, ohne dabei FM zu programmieren zu müssen, generell ist sie ein findiger Ansatz, wie mit wenig Mitteln sehr viel Klangpotential aus einem (Spektral-) Oszillator herausgeholt werden kann. Schauen wir und das deswegen mal ein wenig genauer an.


Das Prinzip ist an sich recht einfach. Gehen wir mal von einer Grundschwingungsform aus, dem guten alten Sinus. Dieser ist eine der Optionen im Spektral Oszillator, der folgende Schwingungsformen bietet:
- Off,
- Sine,
- Saw,
- Pulse,
- Bell,
- Peak.
Das Spektrum unseres Sinus ist dabei ein Peak genau bei der Grundfrequenz. Über den Spectrum-Regler können nun verschiedene Spektren ausgewählt werden, mit denen der Sinus gefaltet wird (es ist dasselbe Prinzip wie bei einem Faltungshall, nur sind es hier Single-Cylce-Schwingungsformen und keine langen Hallfahnen).
Die Spektren des Fred’s Lab Manatee sind betitelt mit Part, Root, Even, Odd, 7-Up, 4 Sure, Tek 5, TX Bells, B-Split, Ana-Mix, Whats47, Aaaah, Early-V, Late-V, Oddstep, Everrise, Exponrg und Fullbar. Manche dieser Namen sind selbsterklärend, andere eher blumig. Jedes dieser Spektren beinhaltet die ersten acht Harmonischen und erzeugt so die Obertonspektren bei der Faltung.
Zum Verständnis nutzen wir das Spektrum „Root“. Deutlich zu sehen ist der einzelne Balken, der auf der Grundfrequenz (deswegen Root) hängt. Eine Faltung der Sinus-Schwingung mit diesem Spektrum ergibt logischerweise wiederum eine Sinus-Schwingung. Interessant wird nun die Manipulation des Spektrums. Dazu sind die Parameter Formant, Rotation und Inversion zuständig.
Der Formant-Regler verschiebt nun die Harmonischen langsam und drückt die dahinter liegendenden zusammen, was eben in dem Formant-Filter ähnlichen Effekt mündet (in diesem einfachen Beispiel nicht zu sehen). Zu sehen in der Abbildung ist eine Mischform. Ab einer bestimmten Stellung sind nur noch die nächsten Harmonischen zu hören. So wird dann ein Spektrum nahtlos gestaucht.
„Rotation“ rotiert die Harmonischen durch, so dass diejenigen, die hinten „runterfallen“ würden, einfach vorne wieder angefügt werden.
„Inversion“ schließlich kehrt die Amplitude der Spektrallinie um, so dass in diesem Fall die 1. Harmonische (also der Grundton, bitte nicht mit erstem Oberton verwechseln) verschwindet und alle sieben folgenden angehoben werden.
- Hier findet eine Inversion statt
Nehme ich also die fünf Basis-Schwingungsformen und die 17 zur Verfügung stehenden Spektren, komme ich auf 85 Grundklänge des Spektral-Oszillators. Und das ohne die Verbiegung über die Formant-, Rotation- oder Inversion-Parameter. Wird nun klar, dass diese über die LFOs und die Matrix angesprochen werden können, sollte es so langsam dämmern, welche Synthesepotential hier schlummert.
Auch Hüllkurven können diese Parameter ansprechen und so entstehen sehr präzise und knackige perkussive Klänge, die ihresgleichen suchen. Die Transienten des Manatee sind wirklich hervorragend. Aber auch gerade langsame Sweeps mit einem LFO bringen sehr interessante Flächen hervor.
Der VA-Oszillator des Fred’s Lab Manatee
Hier gibt es die Schwingungsformen Sine, Saw, Pulse und Saw. Der unscheinbare Content-Regler hat dabei, je nach ausgewählter Schwingungsform, eine andere Funktion. Im Falle von Pulse und Saw wird damit die Pulsbreite verstellt, bei der Saw klingt das sehr „rolandisch“.
Sine und Tri bieten jedoch eine einfache 2-OP-FM. In einem zweiten Menü wird hier das Teilerverhältnis des Moderators gewählt, sozusagen ein versteckter dritter Oszillator. Mögliche Teiler sind: /4, /2, x1, x2, x3, x4 und x5. So können sukzessive harmonische Obertöne hinzugefügt werden – vor allem in Verbindung mit dem Filter findet sich hier Brachiales. Für eine schnelle Zuweisung des Content-Parameters zur Filter-Hüllkurve steht im selben Menü auch eine Einstellung bereit. Die Zuweisung dieser ergiebigen Funktion zu LFO 2 besitzt sogar einen eigenen Regler, direkt neben dem Content-Poti.
Das Filter des Fred’s Lab Manatee
Das digitale Filter ist, wie bei allen Geräten von Fred’s Lab, wirklich hervorragend und mit den Drive-Möglichkeiten komme ich damit in Territorien, wo ich mich frage, ob es nicht doch ein analoges Filter ist. Das Multimode-Filter hat folgende Typen zur Auswahl:
- LP2,
- BP2,
- HP2,
- LP4,
- HP4 und
- Notch.
Alle sind resonanzfähig und klingen erstklassig.
Fred’s Lab Manatee Klang
In den Beispielen scheint es deutlich durch: Der Fred’s Lab Manatee ist ein vielseitiger Synth, der auch mit einer sehr guten Preset-Bank ausgeliefert wird. Für eigene Kreationen stehen dann noch vier Bänke (A bis D) zu je 64 Presets, also 256 Presets zur Verfügung. Die Factory-Presets dienen dabei als guter Ausgangspunkt für eigene Patches. Die leeren Presets sind mit einem einfachen Init-Sound belegt. In Zukunft sind auch Sound-Packs auf der Fred’s Lab Website geplant.
Von bedrohlichen Bässen bis zu glockenklaren Klängen und sich langsam entwickelnden Flächen gibt es nichts, was der Fred’s Lab Manatee Synthesizer nicht beherrscht. Durch seine Vier-Part-Struktur kann er auch als Hauptsynth im Setup dienen.
Wenn ich die Grundästhetik des Fred’s Lab Manatee Klangs beschreiben sollte, fallen mir am ehesten der originale Clavia Nord Lead und die Clavia Nord G2 Modular Synths ein.
Fred’s Lab Manatee auf YouTube
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Super, dass sich ein Hersteller mal an eine neue Synthese wagt, statt altes nachzuahmen, Klasse Fred!
Jetzt noch eine XL Version, die es ermöglicht eigene Spektren und Schwingungsformen zu nutzen, und fertig wäre die ultimative Sounddesign-Wundertüte.
( gerne mit eingebautem Netzteil : )
Gut ge- und beschrieben!
Ich habe den Manatee seit Monaten und bin begeistert. Man bekommt definitiv auch neue Klänge hin. Der Sub Oscillator kann neben VA Oszillator auch FM (nur mit Sinus und Dreieck Schwingung). Mit dem Sub kann man ganz gut die satte Bässe oder FM Plings hinbekommen. Der Regler für das Mischungsverhältnis der beiden Oszillatoren ist da ein gutes modulationsziel um einen besonderen Attack hinzubekommen.
Es sei noch angemerkt, dass man die Spektren auch auf Wunsch selber als Ausgangsbasis additiv erstellen kann. Dazu den Taster ALT drücken und dann den Taster zur Basis-Wellenformauswahl rechts neben dem SPECTRUM Poti kurz drücken (und dann beide Taster loslassen). Die dort in im Display mit den Potis unter dem Display erstellten Spektren werden mit dem Sound gespeichert. Da es ja nur 8 Harmonische mit jeweils 8 verschieden Amplituden sind, kann man das auch leicht durch aufschreiben in einen anderen Sound „kopieren“.
Es sei übrigens angemerkt, das die der Kurzanleitung entnommenen Grafiken zu den Spektren einen Fehler haben: Die Harmonischen sind „0, 2, 3, 4 …) beschriftet. Die 0 sollte eine 1 sein.
Und es sind maximal 16 Stimmen. Meistens 12-14 tatsächlich und nie weniger als 10. Leider wird das bei den großen Versendern falsch dargestellt. Auf Freds Seiten ist das aber richtig dargestellt.
Und Fred ist an der Anleitung dran!
Habe den Manatee auch schon seit der Kickstarter-Kampagne. Es macht unheimlich Spaß, an dem sehr hochwertigen Gerät rum zuschrauben und sich in den Klängen zu verlieren. Der Zugriff auf alle Parameter geht nach kurzer Zeit schnell, direkt und intuitiv. Mit der Multitimbralität hat man echt eine ganze Menge “Synthesizer”.
Die Klangbeispiele sind gut. Schön wären auch richtig multitimbrale Beispiele gewesen, also z.B. Percussions mit Flächen und Lead 🙂. Der Arpeggiator eines Parts läuft in hold-Einstellung coolerweise auch weiter, wenn man den Part wechselt. Mit sehr einfachem Keyboard und Manatee könnte man theoretisch schon einen sehr fetten Track hinbekommen 🙂.
@Lumm Stimmt, allerdings nutzen die ersten beiden Multi-Stack-Beispiele Flächen-Klänge auf allen Parts. So werden diese besonders „reichaltig“. 😀
Vielen Dank für den ausführlichen Test!
Klingt für mich sehr interessant. Ich habe schon von Plugins mit Spektral-Synthese gelesen, ist dieser Synth nur eine Hardware-Form von diesen oder etwas anderes, neues, eigenständiges?