Ja, sie können auch Gitarren bauen!
Dass Dave Friedman und sein Team erstklassige Gitarrenverstärker bauen können, hat der Friedman Small Box Combo bei uns im Test bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Bisher war das Kerngeschäft der Firma aus Los Angeles die Herstellung von Amps und den passenden Boxen dazu, doch insgeheim schlichen sich mehr und mehr Produkte aus dem Gitarrenbereich in das Portfolio ein. Aktuell produziert Friedman neben Verstärkern unter anderem auch Effektpedale, Pedalboards, Tonabnehmer und eben elektrische Gitarren, von denen wir euch heute das Modell Friedman Vintage-S APMPH+SS-P in einem Test vorstellen möchten.
Friedman Vintage-S APMPH+SS-P – Facts & Features
Momentan sind vier Gitarrenbaureihen von Friedman erhältlich, unser Testmodell stammt aus der Vintage-S Serie. Für die Entwicklung und den Bau der Instrumente hat sich Dave Friedman keinen Geringeren als Grover Jackson mit ins Boot geholt. Ja, genau dieser Grover Jackson von Jackson Guitars, einer Stil-Ikone in der Entwicklung der klassischen Superstrat – bei einer derartigen Kompetenz sollte ja eigentlich nichts schiefgehen!
Und die ersten Eindrücke nach dem Herausnehmen der Gitarre aus dem mitgelieferten Edelcase sind wahrlich beeindruckend. Es zeigt sich eine sehr wertige Strat-Kopie mit deutlichen Alterungsspuren (im Fachjargon „Aging“ genannt) in einem wundervollen Metallicblau, ausgestattet mit einem Humbucker am Steg bzw. Vibratosystem und zwei Singlecoils in der Mitten- und Halsposition. Das Finish unseres Testinstruments bezeichnet der Hersteller in einer fast schon kryptischen Bezeichnung als „APMPH+SS-P“, was auch immer sich dahinter verbirgt. Auffällig ist beim Hantieren der Gitarre sofort das leichte Gewicht, hier scheint man bei der Wahl für das Material des Korpus auf ein gut abgelagertes Stück Erle zurückgegriffen zu haben.
Aging in Perfektion
Ganz schön malträtiert wurde er, der Korpus der Friedman Vintage-S. Rund herum befinden sich Kratzer, Abschürfungen und mehr oder minder große Löcher in der Oberfläche des Nitrolacks. Das aber alles in einer täuschend echten Qualität, sodass man hier wirklich das Gefühl hat, eine über die Jahre gut abgehangene bzw. abgerockte Strat vor sich zu haben!
Der künstlich zugefügte Verschleiß macht auch an den Metallparts der Gitarre keinen Halt, so wirken auch die Oberflächen des hauseigenen Zweipunkt-Vibratos und der Mechaniken an der Kopfplatte so, als seien sie über Jahrzehnte der feuchten, schwitzigen Luft von Tausenden von Club-Gigs ausgesetzt worden. Die komplette Hardware stammt übrigens aus dem Hause Friedman, wie auch die drei Tonabnehmer, die in einem weißen, dreischichtigen Pickguard ihren Platz gefunden haben und über einen Fünfwegeschalter sowie ein Tone- und Volume-Poti angesteuert werden.
Die Potis und der Schalter der Friedman Vintage-S stammen ganz klar aus dem obersten Regal und werden dem neuen Besitzer sicher über viele Jahre auch im härtesten Gefecht treue Dienste leisten: Der Schalter rastet knackig in seinen fünf Positionen ein und die beiden Potis, Gott sei Dank hat man auf einen zweiten Toneregler verzichtet, laufen samtweich und ohne jegliches Spiel auf ihren Achsen. Eine von vielen Änderungen bzw. Verbesserungen gegenüber dem Original von Fender zeigt sich hier auf dem Pickguard bei der Anbringung der beiden Regler, die weit genug weg vom Aktionsradius der rechten Hand angebracht wurden. Viele werden das Problem bei der Strat mit dem ungewollten Zudrehen des Volume-Potis kennen, hier hingegen besteht zu keiner Zeit bzw. Spielsituation die Gefahr eines unerwünschten Kontakts.
Friedman Vintage-S – der Hals
Neben dem Korpus ein weiteres wahres Meisterwerk des „Aging“, das muss man schon so klar und deutlich sagen! Doch nicht nur die Optik des verwendeten Ahorns samt dem aufgeleimten Pau-Ferro-Griffbrett und den dezenten Inlays wirkt schon sehr appetitlich, die Bespielbarkeit ist nicht minder ein Genuss! Obwohl das Halsprofil nicht zu den schmalsten am Markt zählt, bietet die Oberfläche der Halsrückseite ein derart griffiges Spielgefühl, wie es besser kaum sein könnte. Zudem ist das Griffbrett der Friedman Vintage-S mit einem Compound Radius ausgestattet, der sich von 10″ am ersten bis zu 14″ am Halsfuß hinunterzieht.
Bestnoten erhalten auch die Bundierung und der penibel eingesetzte Sattel, der mit einer Breite von 42,8 mm ziemlich genau dem Format einer Fender Strat entspricht. Das gilt übrigens auch für die Mensur der Gitarre von 648 mm. Die Bünde wurden dem PLEK-Verfahren unterzogen und sind somit computergenau abgerichtet – bessere Voraussetzungen für eine vorzügliche Bespielbarkeit kann es wohl kaum geben.
Die Kopfplatte – ein gefährliches Terrain
Ein grundsätzliches Problem bei einer Kopie der Stratocaster ist ja das Design der Kopfplatte. Die Firma Fender versteht in diesem Punkt überhaupt keinen Spaß und schreckt auch davor nicht zurück, ganze Baureihen von Gitarren, deren Headstock-Design zu nah an den typischen Fender-Trademark heranreicht, per Gerichtsanordnung vom Markt nehmen zu lassen. In diesem Punkt kann Dave Friedman beruhigt weiterschlafen bzw. sein Design weiterhin auf den Markt werfen, denn die Kopfplatte der Friedman Vintage-S sieht da schon ein gutes Stück anders aus. Und dabei mal gar nicht so schlecht, wie ich finde.
Ein kurzes Zwischenfazit
Ich bin begeistert und verblüfft zugleich! Begeistert über die Optik und die Haptik, die die Friedman Vintage-S in den Händen versprüht und verblüfft über das unfassbar gut gelungene Aging, das dem Instrument einen ganz eigenen und nostalgischen Charme verpasst. Ob der Sound genau so charmant und nostalgisch ist, erfahren wir ab der nächsten Seite.
Gitarre mit massiven Lackschäden für ’nen dreifach genullten Dreierbetrag? ;-)
Heftig!
Nee, klingt zwar exzellent, aber diesem künstlichen Gitarrenaging kann ich echt nix abgewinnen. Dachte, diese Phase wäre jetzt auch mal überstanden. War wohl ein Satz mit x.
Zerrissene Jeans kosten auch Aufpreis, ist halt die Mode. Als nächstes kommen neue verbeulte Autos auf den Markt mit Aufpreis und der Schrotthändler macht Traumumsätze mit seinen Rostlauben…
Bin zwar kein Gitarrist, aber ich finde es viel reizvoller wenn die Alterung von einem selber durch jahre oder Jahrzehntelange Verwendung passiert.
@Numitron Bin ich voll dabei! Aber so eine „natürlich gealterte“ Strat, also so aus den 60er – 70er Jahren dürfte Minimum das Dreifache kosten … und dann sind die ganzen Dings und Dongs noch nicht mal selbst reingehauen! Ich hab meine PRS prefactory CE24 seit November 1991 und die reift schön vor sich hin mit ordentlich Patina und Kampfspuren von Liveeinsätzen ;)
Ich glaube Friedman übertreibt es, und das nicht nur bei den Amps. Ich mag tolle Sachen, aber in der Liga gibt es die ganz geilen Teile. Friedman konnte man bisher nicht befruchten. Dazu ist die Kongurrenz zu genial.
Konkurrenz
@Dirk Matten Kongruente Konkurrenz quasi in einem Wort. ;-) Intelligent Word Design.
Grüß Gott, die Damen … Aging ist natürlich Geschmackssache aber wer die Klampfe auch nur 5 Minuten in der Hand hält und antestet, der wird meinen Hype verstehen :D
Wie ich im Fazit schon schrieb: Für mich persönlich eine der besten Strats, die ich je gespielt habe. Und hier gehen auch Customshop-Strats ein und aus.
Aging ist seit Jahrzehnten ein nicht unwesentlicher Teil des Business von Markengitarren, ich kann nichts verwerfliches daran finden. Ganz im Gegenteil. Meine 92er Gibson Custom Black Beauty hat Schürfwunden am Hals, diese wurden von Gibson interessanter weise wieder überlackiert, solche Stilblüten gehören zum Geschäft, es macht aus einem Instrument etwas ganz besonderes, ein kleines Kunstwerk! Und friedman lädt den Besitzer quasi dazu ein, das aging „fortzuschreiben“, da freut man sich, wenn der eine oder andere Kratzer hinzukommt, den man sich selber hart erarbeitet hatte.
Friedman schreibt nur das fort, was vorher andere bereits im Program haben und friedman machts meiner Meinung nach besser: sie bieten Kunden an die Gitarre nach ihrem pers. Wunschsetting zu bauen… klasse!
Guude, danke für den Test….wie wäre der Vergleich mit der Haar Trad s und der Friedman Vintage ?…schon mal jemand gegen gespielt ? Danke Manfred