Sound/Praxis
Wenig überraschend, und auch hier konsequent traditionell, zeigt sich die Les Paul 12-String hinsichtlich des Gewichts. Ist dies bei einer normalen Les Paul schon kein Pappenstil, so werden hier natürlich noch ein paar Gramm draufgelegt und verlangen vom Benutzer schon etwas Kondition. Aber das ist natürlich Gewöhnungssache, jahrelange Les Paul-Spieler verschwenden an diesen Gedanken sicher keine Zeit mehr.
Der akustische Grundsound unserer Les Paul ist sehr laut und ausgewogen. Schon ohne angeschlossenen Verstärker bemerkt man einen warmen und zugleich höhenreichen Grundsound mit einer guten Portion druckvoller Mitten und genügend Brillanz, um auch das durch die zwölfsaitige Bespannung vielfach gesteigerte Obertonspektrum ausreichend würdig abbilden zu können. Die Breite des Griffbretts bewegt sich ja bei den Les Paul-Instrumenten schon immer in moderaten Regionen und auch bei der Les Paul 12-String ist dies nicht anders. Allerdings ist der Platzbedarf nun natürlich größer und gerade das könnte für viele Spieler, welche auf diese Gitarre umschwenken oder sie parallel in ihrem Setup benutzen möchten, das größte Problem werden, denn es geht schon sehr eng zu auf dem Griffbrett. Aber auch das dürfte wohl, ähnlich wie das „Kampfgewicht“ des Instruments, eine Sache der Gewöhnung sein – das betrifft natürlich auch die lackierte Halsrückseite. Der eine wendet sich ab, der andere nimmt vielleicht nicht einmal Notiz davon.
Am Verstärker angeschlossen präsentiert sich die 12-String Traditional exakt so, wie man es von einer Les Paul erwartet. Druckvoll, sustainstrotzend und durchsetzungskräftig für alle Bereiche der Rockmusik. Das ist seit mehr als 60 Jahren so und auch unser Testmodell macht dabei keine Ausnahme. Doch was im rockigen Bereich mit sechs Saiten gut funktioniert, muss nicht auch zwangsläufig mit doppelter Besaitung funktionieren. Konkret bedeutet dies, dass sich die Tonabnehmer einer Les Paul naturgemäß nicht unbedingt für die Wiedergabe von cleanen Sounds empfehlen, eine zwölfsaitige Gitarre aber doch eher (wenn nicht ausschließlich) überwiegend clean gespielt wird. Von daher muss man schon einige Kompromisse in Kauf nehmen, da die Brillanz und der Obertonreichtum, welche das Instrument im akustischen Grundsound zweifellos besitzt, nicht wirklich durch die beiden ’57 Classic-Pickups wiedergegeben werden. Wirklich schade!
Dennoch verbietet es einem natürlich keiner, die 12-String Traditional mit Distortion zu benutzen. In den tiefen Lagen am Hals und möglichst auf den tiefen Saiten gespielt, sind ohne Probleme Riffs und druckvolle Linien spielbar. Erst beim Hocharbeiten am Hals, und vor allem beim Bespielen der drei hohen Saiten, offenbart das Instrument seinen zwölfsaitigen Charakter. Dann ist der Sound nicht mehr warm und druckvoll, sondern erinnert eher an „Cat Stevens entdeckt den Verzerrer“. Aber auch Folk-Sounds können ja verzerrt sein. Musik ist ja schließlich immer noch Kunst!