Eine SG für 400,- Euro? Wo Gibson so was?
Der Name Gibson war sicherlich eines der Dauerthemen im Musikbusiness in der ersten Hälfte dieses Jahres. Es gab ja auch genug über die US-Traditionsfirma zu berichten, deren Stern ganz schön ins Wanken geriet. Bis zur Pleite führte der Schlingerkurs der letzten Jahre, in dem man mehr auf fragwürdige Innovationen setzte, statt sich auf das eigentliche Kerngeschäft, der Weiterentwicklung und vor allem der Qualitätssicherung der produzierten Instrumente zu konzentrieren. Eigentlich kaum vorstellbar, dass man solch eine traditionsreiche Firma derart gegen die Wand fahren kann. Doch trotz aller Querelen konnte Gibson mit Unterstützung von Investoren und einer internen Umstrukturierung den Kopf vorerst wieder aus der Schlinge ziehen und die Produktion von Gitarren und Bässen aufrechterhalten.
Nun wird aber nicht mehr nur für das obere Preissegment produziert, auch im Low-Budget-Bereich möchte Gibson ein Stück vom Kuchen bzw. dem dortigen Markt abhaben und stellt seine Evergreens, wie die Les Paul und die SG, in einer sehr günstigen Variante vor. Nur knapp 400,- Euro werden für die Gibson SG Fusion aufgerufen und das trotz der Fertigung in den USA. Das überrascht und ruft uns auf den Plan – was gibt eine Gibson zu diesem Preis für ein Bild ab?
Gibson SG Fusion – Facts & Features
Erhältlich ist die Low-Budget-SG in acht verschiedenen Farben, unser Testmodell trägt die Farbbezeichnung „Orange Solid“, was in Natura aber auf den Betrachter eher wie ein blasses, ausgeblichenes Rosa wirkt. Der Lack wurde nur hauchdünn auf den Mahagonikorpus aufgetragen, was zum einen natürlich dem Holz die Luft zum Atmen lässt, zum anderen aber eine extrem offenporige Oberfläche verursacht. Bei genauer Betrachtung der Lackoberfläche könnte man fast zu der Annahme kommen, dass beim Lackiervorgang einfach 2-3 Gänge vergessen wurden. Sind das bereits erste Indizien für den erstaunlich günstigen Preis einer „Gibson made in USA“? Offenporige Lackierungen sind ja bei Gibson nichts Neues, sondern eher die Regel bei vielen Modellen. Das hier aber ist meines Empfindens nach schon ziemlich extrem, wie man auf dem folgenden Bild ganz gut erkennen kann:
Ansonsten aber ist der Korpus sauber verarbeitet, die wenigen Fräsungen sitzen dort, wo sie bei einer SG immer schon saßen und auch in puncto Gewicht tritt unser Testmodell nicht aus der Reihe ihrer Brüdern und Schwestern. Insgesamt ist das Instrument sehr leicht, was für ein gutes Handling natürlich immer von Vorteil ist – und seit jeher im krassen Gegensatz zum Auftreten der „sackschweren“ Paula steht. Ganz traditionell eingeleimt wurde auch der Ahornhals, der nicht nur aus einem Stück besteht, sondern auf seiner Rückseite auch eine durchaus attraktive Flammung besitzt. Zudem hat Gibson dem Hals der SG Fusion einen Compound Radius spendiert, der die Stärke der Halsrückseite vom ersten Bund bis zur Oktavlage abflachen lässt.
Gibson SG Fusion – Mängel beim Hals
Am Hals-Korpus-Übergang gibt es nichts zu bemängeln, wohl aber am Griffbrett, das nicht ganz mittig aufgeleimt wurde und daher eine leicht spürbare Kante am unteren Rand hinterlässt. So etwas sollte selbst bei Gitarren dieser Preisklasse heutzutage nicht mehr vorkommen. Ähnliches gilt für die Bundstäbchen, deren Flanken nur unzureichend abgerichtet wurden: Die Gefahr des „in die Finger schneiden“ besteht zwar nicht direkt, unangenehm ist es aber allemal, vor allem bei Slides mit der Greifhand. Dem hingegen wurde der Sattel absolut sauber in seiner Position eingelassen, dort sind keine Kanten oder sonst irgendwelche Unsauberkeiten in der Verarbeitung feststellbar. Er besitzt eine Breite von 43 mm und fügt sich somit dem Standard der klassischen SG, so auch die Mensur von 628 mm.
Gibson SG Fusion – Pickups und Hardware
Die beiden Pickups stammen aus Gibsons eigener Produktion und werden wie üblich über einen Dreiwegeschalter angesteuert. Der Schalter sitzt zusammen mit einem Tone- und einem Volume-Poti sowie der Ausgangsbuchse auf einem schwarzen, dreischichtigen Pickguard, das rund ein Drittel der Decke bedeckt. Die zwei Potis geben eine gute Figur ab, sie laufen sauber und ohne Spiel auf ihren Achsen, sind aber aufgrund ihrer glitschigen (und meinem Geschmack nach etwas zu klein geratenen) Kunststoffkappen nicht immer zuverlässig zu bedienen. Der Schalter hingegen dürfte dem Besitzer nicht allzu lange Freude bereiten, denn er wackelt deutlich in seinem Sitz. Aber geschenkt, das sind Dinge, die man mit wenig Aufwand ersetzen kann und bei der Gelegenheit nach Möglichkeit auch gleich einen Typ von höherwertiger Qualität einbaut.
Die Hardware ist wie immer bei einer SG sehr sparsam ausgefallen und bei der Gibson SG Fusion ganz besonders, denn auf ein Tailpiece, wie es in aller Regel bei einer Gibson SG verbaut wird, wurde wohl aus Kostengründen verzichtet. Somit werden die Saiten direkt in der Brücke arretiert und finden von dort ihren Weg zu den sechs Mechaniken an der Kopfplatte, die während der Testdauer ein überraschend positives Bild abgaben. Nachgestimmt werden musste die SG Fusion nur ganz minimal und wenn es an der Zeit war, dann sorgen die Tuner ohne großes Spiel und damit recht präzise für ein entspanntes Stimmen der Gitarre.
Gibson SG Fusion – Zwischenfazit
Ich muss gestehen: Auf den ersten Blick hat mich die Optik der Gibson SG Fusion schon sehr irritiert. Abgesehen von der gewöhnungsbedürftigen Farbe ist es primär die Art und Weise, wie die Lackschicht aufgetragen wurde. Bei allem Verständnis für den Kostendruck, aber da habe ich schon chinesische Klampfen der 100-Euro-Klasse in der Hand gehabt, deren Finish dagegen wie das eines Premiuminstruments wirkt. Offenporig schön und gut, etwas mehr hätte es dann aber doch sein dürfen. Weiterhin gibt es Verarbeitungsmängel an Hals bzw. dem Griffbrett, wo hingegen der Rest, die Hardware im Speziellen, einen recht soliden Eindruck hinterlässt. Kommen wir also nun zum Soundcheck mit der 400-Euro-SG: Was hat sie drauf?
Da würde mich jetzt echt mal der direkte Vergleich mit einer Epiphone SG in der Preisklasse interessieren, auch gerade in Hinsicht der Verarbeitung.
Hehehe, die suboptimale Lackierung kann man ja dem Käufer als „Vintage Style“ unterjubeln. Komischerweise finde ich dieses Orange an sich gar nicht mal so übel, hat irgendwie ’nen 70s Charme.
Einige Aspekte gefallen mir an diesem Modell ganz, z.B. dass es nur je einen Volume- & Tone-Regler gibt. Mit dem klassischen 4er-Setup bin ich noch nie klargekommen. Dass der Hals nicht genauso wie der Koprus lackiert ist, gefällt mir als stratgeprägtem Menschen auch. Meine 2014 SG Special hat auch so eine merkwürdige Lackierung. Einerseits zu offenporig um eine gute deckende Lackierung zu sein, andererseits nicht offenporig genug, um als gutes Satin-Finish durchzugehen (wie z.B. bei meiner PRS S2, deren Satin sich hinreißend gut anfühlt). Aber eine SG ist doch ohnehin ein Workhorse, die kauft man sich ja eigentlich sowieso nicht aus ästhetischen Gründen….
Ja, eine epiphone sg ist eine wesentlich bessere Wahl.
Gibson verramscht sich selbst. Da kauf ich mir lieber eine gute Fälschung und verzichte auf den Gibson Kult. Denn Gibson schafft sich damit praktisch selbst ab. Good bye.
Mir gefällt orange prima
@Tai Auf jeden Fall sehr 70er Jahre mäßig. Damals war fast alles orange. Küchengeräte plattenspieler…… Bei uns in wien haben wir noch alte ubahnen (in schönem Porsche design) die sind innen auch Orange.
@Numitron Wir hatten daheim auffällig gebeizte Türen, aussen dunkelblau innen orage. Ja, hat vielleicht damit zu tun. Oder mit einer Zeit, in der der ausgeflippte es wagt, neben schwarz weiss oder silber einfach mal ein blaues Auto zu kaufen, nachdem er nachts von einem roten oder gelben geträumt hat.
@Tai Mit dem Orange bin ich ja komplett bei euch … aber so, wie das dort ausgeführt wurde, hat das nur wenig mit dem Charme farbig gebeizter Türen aus der Kindheit zu tun. Das ist einfach zu krass :D
@Stephan Güte Ordentlich was einwerfen, pinke Hose wie der Gitarrist anziehen. orangenes Hemd wie der Drummer, als zweiter Gitarrist neben den Basser stellen und dann als Farbtwin von Ihm mit dem Teil mukken. Dann passt das. ;-)
https://www.youtube.com/watch?v=zL_6eSWHM3I
Ja, der Sound ist gut, und das Orange ist mal was Geiles. Man muss es ja nicht mögen, sondern nur respektieren, es kann ja nichts dafür… :-)
Aber die Lackierung hat leider echt viel von „Tante Manfred hat ihre Türen und Küchenstühle immer selbst angemalt, was soll das Gejammer?“
Ich sehe mich da schon mit den Micro Meshs ‚drübergehen. Mal schauen…
@Codeman1965 Sehr schön beschrieben, das mit der Tante Manfred … ich wollte es im Artikel nicht ganz so rüde ausdrücken ;) Onkel Horst hat nach dem Gartenzaun auch mal kurz über die SG gepinselt, wäre auch passend. Trotzdem unterm Strich eine gute Gitarre, sie klingt echt unerwartet passabel!
@Stephan Güte Ja, scheint mir so.
Und ’ne SG gehört ja eigentlich auch in jede gute Sammlung, wg. Diversität un so. :-)
Ich bin echt am Überlegen, vielleicht sollte ich sie selbst mal in die Hand nehmen.
Und Danke für den Testbericht…!