Das feuerrote Spielmobil
Beim Auspacken des Golden Age Project Comp-54 Mk3 entfuhr mir ganz spontan ein „ach, hübsch“, gleich gefolgt von einem Blick auf die Thomann Produktseite. Ja, stimmt: 389,- Euro. Ich muss zugeben, ich hatte schon deutlich teurere Geräte in meinem Studio, die bei Weitem nicht so einen wertigen Eindruck gemacht haben. Zudem ich das halbe Rack-Format und die rote Lackierung des Gerätes sehr ansprechend finde. Wie schön, so geht ein Testertag doch schon mal gut los. Schauen wir uns also einmal an, was der Vintage-Style-Kompressor bringen soll und was er im Studioeinsatz tatsächlich bringt.
Wer ist Golden Age Project?
Das schwedische Unternehmen wurde 2005 als Seitenprojekt der Golden Age Music Gruppe gegründet. Hatte man sich anfangs auf High-End Studio-Equipment fokussiert, so erkannt man, dass sich der Markt mit der Zeit änderte. Ein „Studio“ war nicht mehr dieses elitäre Ding, vollgestopft mit teuerster Technik – nein, fast jeder konnte sich mit dem Wachsen der Digitaltechnik ein kleines Studio zuhause einrichten. Also verlegte man seinen Schwerpunkt auf das nachbauen, teurer Studiotechnik, beginnend mit einer Variante des RCA77 Studiomkrofons und dem PRE-73 Preamplifier. Seit Kurzem gibt es den Kompressor Comp-54 Mk3 (die 54 kommt natürlich vom Neve 2254) in der dritten Ausbaustufe.
Worum geht es beim Golden Age Project Comp-54 Mk3?
Der Golden Age Project Comp-54 Mk3 ist technologisch dem bekannten Neve 2254 Kompressor nachempfunden und somit handelt es sich auch ganz klassisch um einen Klon, wie wir es auch von Black Lion Audio, Klark Teknik und Warm Audio kennen.
Diese Geräte wurden zu dem Zweck gebaut, um den charakteristischen Klang des Vorbilds im Studio zu bekommen, ohne jedoch die mittlerweile exorbitant hohen Gebrauchtmarktpreise zu bezahlen. Ich habe bei einer bekannten Plattform einen originalen Neve 2254 aus Kanada für über 9.000,- Euro gesehen! Ohne die Diskussion jedoch unnötig befeuern zu wollen, kann man das auch mit einem guten Plug-in machen, wie es beispielsweise von Universal Audio oder anderen Herstellern gibt – und zwar zumeist zu nochmals deutlich günstigeren Konditionen. Dazu muss man ehrlich sein: Wenn man das Original nicht besitzt, dann muss man dem Hersteller ja sowieso glauben, dass das Gerät (nahezu) identisch klingt wie das Original.
Deswegen neige ich mittlerweile dazu, auch die sogenannten Klone als eigenständige Geräte zu betrachten und nicht nur am Vorbild zu messen. Denn „Wärme“, „Dynamik“ und „Schmelz“ sind ja keine Klangeigenschaften, die von einem LA-2A oder einem 1176 patentiert wurden. Wenn unser kleiner Kompressor-Hydrant das liefert, dann hat er doch eigentlich alles richtig gemacht, oder?
Die Ausstattung des Golden Age Comp-54 MK3
Threshold, Ration, Attack und Recovery – diese Regler geben einem „Kompressor-Profi“ im Studio weiß Gott keine Rätsel mehr auf. Die recht schwergängigen, aber sehr satt rastenden Potis bieten dabei praxisgerechte Einstellbereiche: Die Ratio von 1,5:1 bis 6:1, im Attack von 0,5 bis 50 Millisekunden und im Recovery (Sustain) von 25 ms bis 1,5 Sekunden und zwei Stufen, die als „Auto“ gekennzeichnet sind. Der SC-Regler ermöglicht ein frequenzabhängiges Sidechaining bei 50 Hz, 100 Hz und 7 kHz und mit dem stufenlosen Makeup-Gain-Regler ganz rechts wird das Ausgangssignal wieder angepasst.
Unter den Reglern haben wir dann den Power- und den Link-Schalter, um zwei Geräte zu einem Stereokompressor zu kombinieren und den In/Out-Schalter. Dieser ermöglicht das Ein- und Ausschalten der Kompression unter Beibehaltung der Farbgebung der Transformatoren und der elektronischen Schaltung.
Das hübsche VU-Meter kann zwischen Kompression und Ausgangssignal umgeschaltet werden. Und dann finden man rechts noch den Bypass-Schalter, um die komplette Kompressorelektronik zu umgehen – sehr gut, um zu vergleichen und den Makeup-Gain anzupassen.
Rückseitig finden wir die Buchse für das externe Netzteil und die Ein- und Ausgänge – jeweils als TRS (Klinke) und XLR ausgeführt. Dazu die Link-Buchse, für den erwähnten Betrieb in Stereo/2-Kanal und sogar eine 600 Ohm Terminierung. Diese verändert die Charakteristik des Ausgangsübertragers. Vintage-Geräte sind auf eine Last von 600 Ohm ausgelegt, während moderne Geräte mit Eingangsimpedanzen im Kiloohm-Bereich arbeiten. Mein Tipp: Experimentieren Sie! Kaputt machen können Sie nämlich nichts.
Die „Insert“-Buchse ermöglicht den Anschluss des hauseigenen EQ-73 Equalizers – ein toller Move, um Käufer für weitere Produkte von Golden Age Project zu gewinnen und – natürlich – um den hauseigenen 3-Band-EQ einzubinden. Gute Idee. Übrigens: Der Mk3 unterscheidet sich von der Vorgängerversion nur durch diese Insert-Buchse. Wer diese nicht benötigt, braucht nicht auf die Mk3-Version zu schielen.
Auf den Limiter des Originals muss man übrigens verzichten – dafür wurde aber die wirklich praxistaugliche Side-Chain-Option integriert.
Wie gut ist der Golden Age Project Comp-54 Mk3 verarbeitet?
Die Verarbeitung des Gerätes ist nicht nur preisbezogen wirklich sehr gut. Das Gehäuse, alle Schalter und Regler sitzen bombenfest und versprechen ein langes Studioleben. Auch das VU-Meter ist sauber eingelassen – mit dem Manko, dass es nur direkt von vorne wirklich gut abzulesen ist. Da die Skala sehr tief im Gerät verbaut ist, verdeckt die Frontplatte einige Ziffern – je nachdem, ob man von oben, unten oder von der Seite daraufschaut. Kein großes Ding, denn nach einiger Einarbeitungszeit wird man es sehr schnell in den Fingern haben, wie das Gerät eingreift. Das externe Netzteil ist der Größe und natürlich auch der Preisklasse geschuldet. Das Gerät wird in Fernost gefertigt – zu meckern gibt es aber nichts: Der Comp-54 Mk3 wirkt stabil und solide.
Apropos Preis: Natürlich kann man bei unter 400,- Euro nicht erwarten, dass der Hersteller die originalen Carnhill Übertrager verbaut. Die verwendete No-Name-Ware soll aber der Charakteristik schon sehr nahekommen. Wer aber wirklich „Vintage“ möchte, für den hat Golden Age Project die Platinen so konstruiert, dass man eine Modifikation mit den teuren UK-Übertragern vornehmen kann. Auch das finde ich sehr kundenfreundlich.
Klang: Was darf man erwarten?
Neve 2254 Kompressoren sind für ein warmes und ruhiges Klangbild bekannt. Also nix mit Lord-Alge & Co., sondern sanft und smooth. Heute werden die Neves als klangverändernde Komponenten eingesetzt, während man von modernen Varianten (Elysia, SPL, etc.) weniger Färbung, sondern in erster Linie neutrale Kompression erwartet.
Der Einsatz eines Neve Klons (oder eines entsprechenden Plug-ins) sollte also erfolgen, wenn Sie bei der Audiospur etwas vom Gas gehen wollen. Da der Golden Age Project komplett auf Class-A-Technik setzt, bin ich gespannt auf das Ergebnis. Denn gerade Class-A-Schaltungen sind für eine sehr saubere und „schnelle“ Charakteristik bekannt, während man dies dem Original ja wirklich nicht nachsagen kann. Also dann: Schließen wir den Comp-54 Mk3 einmal an!
Golden Age Project Comp-54 Mk3 – Der Klang: Was kommt tatsächlich raus?
Und hier schließt sich der Kreis wieder, denn absolut gesehen handelt es sich beim Golden Age Project Comp-54 Mk3 um einen wirklich sehr gut klingenden Kompressor in der Einsteigerklasse. Er punktet mit einem dynamischen und tendenziell hellen Klangbild und die Bedienung läuft flott von der Hand. Anders als der zuletzt von mir getestete Tierra Audio haben wir keinen schmalen Sweetspot, sondern können den Reglern viel Auslauf gönnen. Ob mit schnellem Attack, langem Sustain oder als De-Esser mit aktiviertem Sidechaining bei 7 kHz. Es ist wirklich eine Freude, mit dem Gerät zu arbeiten.
Nur … mit einem Neve 2254 hat das ja nicht wirklich was zu tun und somit haben wir hier eher einen „Marketing Fauxpas“, der den Versprechungen nicht standhält. Als Team zusammen mit dem PRE-73 Vorverstärker und dem EQ-73 Equalizer hat man eine tolle Grundausstattung, mit der man schon sehr ambitioniert arbeiten kann. Für Pop oder Rock, gerne auch Metal kann ich die Geräte auf jeden Fall gerne empfehlen. Wenn Sie aber den bestmöglichen Klang nach dem großen Vorbild suchen, dann wäre z. B. das tolle Universal Audio Plug-in (zusammen mit dem 33609 im Neve Dynamics Bundle) eine sehr gut gemachte Software-Variante, die es wahrhaftig mit dem historischen Vorbild aufnehmen kann.
Zusammen mit meinem Korg Grandstage Stagepiano habe ich die verschiedenen Klänge des Golden Age Project Kompressors getestet und konnte sehr positive Ergebnisse erzielen. Der Comp-54 Mk3 gibt dem Klang eine schöne Fülle, ohne das Signal im „pseudo-vintage-style“ anzudicken. Mit Attack und Recovery ist es möglich, einen sehr schönen Sweetspot zu finden und eine sehr balancierte Tonalität zu erreichen. Im Praxiseinsatz fand ich zwar die Rasterung der Encoder recht hart, aber in Sachen Einstellbarkeit gibt es nichts zu meckern. Gerade wenn man zwei 54er im Stereobetrieb betreibt, hilft die Rasterung sehr.
Mein einfaches „Joe Zawinul Intro“ zeigt die Stärken gerade in den Tiefen – sehr fein und detailreich komprimiert der Schwede sauber und ohne störende Artfakte.
Ein Dreh am Attack-Regler und der Anschlag wird härter oder weicher und auch im Ausklingen bewährt sich das Range in Sachen Sustain. Dies wird bei meiner einfachen Akkordfolge mit dem Korg Grandstage Piano sehr gut nachvollziehbar:
Auch harte Pianoanschläge meistert der Comp-54 souverän – vielleicht nicht mit der Leichtigkeit aktueller High-End-Kompressoren, aber trotzdem ohne dass einem etwas fehlt. Nur im direkten Vergleich mit Elysia und Co. oder gar den berühmten Vintage Vorbildern von Universal Audio merkt man, dass das „Glue together“ doch noch besser geht.
Gemessen am Preis, der Ausstattung und der Verarbeitung ist das Ergebnis aber wirklich überzeugend.
Mein Rat: Lassen Sie sich nicht vom Vintag- Anspruch des Comp-54 Mk3 blenden. Das hier ist ein verdammt guter Einsteiger-Kompressor, der Ihren Aufnahmen den nötigen Drive gibt. Unbedingt ausprobieren!
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Ich interessiere mich in letzter Zeit sehr für Outboard-Gerätschaften – da vor allem Kompressoren, Vintage-Reverbs und alles in Richtung »Overdrive« – ohne allerdings im Moment ganz konkrete Kaufabsichten zu hegen. Aber Interesse darf man ja haben.
Bei dem Comp-54 MK III wäre ich jetzt spontan schwach geworden … wenn das Wörtchen »wenn« nicht wäre. Ich verstehe es nicht so ganz: Warum kommen diese Geräte mehr und mehr in kleinen Desktop-Gehäusen daher und nicht in 19“-Rack-Einschüben. Die sind doch sooooooo praktisch. Die kleinen Gehäuse stellen einem dagegen den ganzen Schreibtisch voll oder man muss sich mehr oder minder frickelige – oder teure – Spezial-Lösungen einfallen lassen, damit das Ganze doch ins Rack passt.
@Flowwater Wir schreiben das Jahr 2021……..
@Flowwater genau mein reden… diese ganze „desktopisierung“ ist einfach nur noch nervig!
wobei ein 9,5“ rack mit dem passenden adapter ja durchaus noch akzeptabel sein kann.
Wenn das Rack im Studio bleibt, sind 19″-Rackböden praktisch. da kann man 2 halbbreite Geräte nebeneinander reinstellen, evtl. mit anzuklebenden Gummifüßen, damit sie nicht von der unteren Kante des Bodens teilverdeckt werden.
Irgendwie raff ich es nicht… Die Überschrift redet vom MKIII, die Herstellerbilder zeigen den MKII, die eigenen Bilder zeigen den MKIII, der Text redet vom MKII, die Audiobeispiele ebenfalls.
Aber der Test bezieht sich wahrscheinlich wie schon die Überschrift auf den MKIII :)
@network-909 Ich bin da genauso verwirrt…
@network-909 Entschuldigt dies bitte, da ist bei uns etwas durcheinander gekommen :-) Es handelt sich um die dritte Version des Comp 54.
@Felix Thoma Danke fuer die prompte Aufklaerung! Alles gut! ;-)
Vielen Dank für den Test .
Ich habe eine (evtl. blöde) Frage zum Thema Sidechaining: Ich kann keinen dedizierten Sidechain Eingang erkennen – wie soll denn dann das die Kompression ausführende Signal zugespielt werden (z.B. der Klassiker: Kick „duckt“ den Bass)?
Wird evtl. einer der beiden Eingänge dafür benutzt (und wenn ja, welcher?) oder wie soll ich mir das vorstellen?
Es gibt keine blöde Fragen…
Hier reagiert das Side Chaining nicht auf externe Signale, die man über einen Eingang einspeist, sondern das Side Chaining reagiert auf die (am SC Regler) eingestellten Frequenzen am Eingangssignal. Du kannst hier also nicht eine externe Quelle verwenden, um das Eingangssignal zu triggern.
Gruß, Jörg
@Jörg Hoffmann Hi Jörg,
vielen Dank für Deine Rückmeldung.
Das habe ich mir gedacht – bin mir nun nicht sicher, ob das Sidechaining dann genauso gut bzw. exakt funktioniert, wie mit einem extern zugeführten Triggersiganl. Insbesondere wenn sich zwei Instrumente (z.B. Kick Drum & Bass) im Frequenzsprekrum nahestehen.
Hast Du da Erfahrungen bzw. wie lautet Deine Einschätzung in diesem Zusammenhang?
Vielen Dank im Voraus für Dein Feedback.
Gerne!
Der „klassische“ Side Chain mit externer Signalzuführung ist natürlich viel akkurater – üblicherweise wird diese Methode auch nicht im Summensignal, sondern auf den einzelnen Kanälen verwendet. Du hast z.B. eine Bass-Spur und führst das Drumsignal extern rein, damit sich die beiden Signale nicht überlagern (oder ein gewünschter Effekt erzielt wird, wie das Pumpen)
Der interne Side Chain des Golden Age kann Drums und Bass nicht unterscheiden, da er nur auf Frequenzen reagiert und nicht selektiv auf einzelne Instrumente.
Das sind also genau genommen zwei unterschiedliche paar Schuhe.
Viele Grüße
@Jörg Hoffmann Ich habe mir das noch einmal genau überlegt und den Comp-54 inkl. Carnhill Modifikation bei Bo geordert. Der Gute hat mir ein faires Angebot diesbezüglich gemacht – konnte einfach nicht widerstehen. Passt ja auch gut in meine aktuelle Recording-Chain, die aus dem Pre-73 und dem EQ-73 (beide aus der Premier-Serie) besteht – wenn man jetzt von der Farbe einmal absieht ;-)
Diese in manchen Genres üblichen Pump-Effekte sind nicht mein Ding (das ist jetzt nicht wertend gemeint). Ich finde allerdings den Ducking Effekt ganz praktisch, den man über einen externen Trigger im Sidechaining realisiert. Denke aber, dass sich so etwas auch über ein Gate o.ä. realisieren lässt. Oder man achtet einfach im Mix schon darauf, dass sich Kick & Bass nicht ins Gehege kommen… für alles andere gibt es Automation ;-)
Nach einer Woche im Einsatz (Drum Machines, Synth, E-Gitarre) kann ich nur sagen: Ein geiles Kistchen! Macht sofort was mit dem Sound – egal was Du reinschiebst. Ob nun klassische Dynamikbearbeitung oder gezielte Soundverbiegung, klingt einfach immer amtlich und am Ende muss man ITB nicht mehr viel an den Einzelspuren machen. Somit setze ich meine Console1 nebst Softube Plugins nur noch auf Gruppenbusse und die Summe ein. Dieser hybride Ansatz funktioniert in meinem kleinen Bedroom Studio ziemlich gut, damit kann man arbeiten.
Bin also gerade ziemlich happy mit meiner „Carnhill getränkten“ Vintage Recording Chain bestehend aus PRE-73, Comp-54 und EQ-73 ;-)