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Test: Haken Audio Continuum Fingerboard Half Size & Full Size

(ID: 478)

Es gibt im Haken Audio Continuum Fingerboard die Möglichkeit, die Spielfläche mit einer gewählten Stimmung zu skalieren, so dass gerade am Anfang das Spiel einfacher ist. Es lassen sich sogar Mikrointervalle einstellen und das Glissandi- und Vibrato-Spiel geht dabei auch nicht flöten. Bevor ich das Continuum zum Test bekam, war ich davon überzeugt, das Instrument nur so spielen zu können. Diese Funktion habe ich nach kurzer Zeit abgestellt. Erstens habe ich es auch so schnell beherrscht und zweitens war mir, wie oben beschrieben, die musikalische Ausdruckskraft ohne Skalierung enorm wichtig. Wie man im Folgenden hört, konnte ich nach kurzer Zeit Clara Rockmore auf ihrem Theremin Konkurrenz machen:

Ok, zugegeben, ist nicht alles perfekt intoniert, aber eine gute Grundlage, um daran weiterzuarbeiten.

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Was das Haken Audio Continuum Fingerboard aber historisch so besonders macht ist, dass es polyphon gespielt werden kann. Meines Wissens gibt es weder ein elektronisches noch ein akustisches Instrument, was dies ansonsten beherrscht, wenn man vom recht begrenzten polyphonen Spiel der Streichinstrumente absieht. Bis zu 16 Stimmen bzw. Fingerpositionen (bei zweihändigen Spiel) kann es verarbeiten. Und für polyphones Spiel ist die Skalierung der Spielfläche auch wichtig. Dass es auch anders geht, möchte ich im nächsten Soundbeispiel zeigen. Ohne Skalierung gespielt, hört man hier sehr gut, was ich die ganze Zeit mit Klangfärbung umschrieben habe, ansonsten wäre der gesamte Drehorgeleffekt nur halb so schön gewesen.

Die Y-Achse (von oben nach unten bzw. umgekehrt) auf der Spielfläche verarbeitet MIDI-Control-Change-Daten, in der Grundstellung ist dies CC#74 – also die Filtergrenzfrequenz/Cutoff. Die Spielfläche reagiert aber auch auf Druck (Z-Achse), so dass sie anschlagdynamisch gespielt werden kann. Die Daten der Y- und Z-Achse werden natürlich auch polyphon ausgelesen. Genial!

Eaganmatrix – der modulare Synthesizer

Um das spielerische Potential des Haken Audio Continuum Fingerboard völlig auszuschöpfen, wurde auf dem DSP-Chip des Instruments von Edmund Eagan (Musiker und Komponist) der modulare Synthesizer Eaganmatrix programmiert.

Haken Audio Continuum Fingerboard

Software-Editor – in der unteren Hälfte wird der Eaganmatrix und in der oberen Hälfte alle weiteren Einstellungen editiert

Als ich das erste Mal den Software-Editor geöffnet habe, war ich positiv überrascht über die Patch-Matrix des Synthesizers, die natürlich vom EMS VCS 3 und EMS Synthi 100 inspiriert ist. Aber wie soll man hier die Parameter einstellen? Einfach ausgedrückt: mit den Fingern auf der Spielfläche!

Die einzelnen Patch-Punkte werden nicht mit Pins, sondern entweder mit einem konstanten Zahlenwert (was den Widerständen der Pins in den EMS Synthesizern entspricht) oder mit sogenannten Formulas verbunden. Die einfachsten Formulas habe ich schon beschrieben – das sind die resultierenden Daten, die der jeweilige Finger durch Position (X- und Y-Achse) und Druck (Z-Achse) auf der Spielfläche generiert. Nun lassen sich diese Daten durch mathematische Verknüpfungen weiter verarbeiten. Auf dem folgenden Bild sieht man, wie es gemeint ist.

Haken Audio Continuum Fingerboard

Die einzelnen Patch-Punkte werden nicht mit Pins, sondern entweder mit einem konstanten Zahlenwert oder mit sogenannten Formulas verbunden

Ganz rechts neben der Patch-Matrix sind rote Buchstaben von A bis O aufgelistet. Im jeweiligen Patch sind nur die Formulas A bis H in Gebrauch und somit deutlich hervorgehoben. Wenn ich beispielsweise auf das Formular A klicke, erscheint ganz unten im Editor das Formular A mit seinen mathematischen Verknüpfungen. Das Formular A ist gleich W (hiermit ist das jeweilige Gate durch Berührung der Spielfläche gemeint) plus Y. Die Daten der X- und Z-Achse sind hier nicht in Gebrauch und somit ausgegraut. Die vier einfachen Formulas (W, X, Y und Z) lassen sich in den jeweiligen Formulas miteinander addieren, subtrahieren, multiplizieren usw. Zusätzlich können die einfachen Formulas noch bearbeitet werden – statt eines linearen Datenverlaufs kann ein exponentieller gewählt werden, die Daten der einfachen Formulas können umgekehrt, multipliziert, quantisiert oder nur begrenzt werden. Hier ist sehr viel möglich und eine Beschreibung im Einzelnen würde den Rahmen des Tests sprengen.

Das Formular A verknüpft, wie man auf dem Bild sehen kann, den Audioausgang des Rauschens mit dem Audioeingang der ersten Filterbank. Die Fingerposition auf der Y-Achse kontrolliert in diesem Fall, wie viel Rauschen in die Filterbank gelangt. Das Spielen der Finger auf der Spielfläche bestimmt den resultierenden Klang des Instruments und macht jeden Sound sehr lebendig. Dabei kann der jeweilige Sound viel subtiler und gleichzeitig drastischer verändert werden, als dies mit Potentiometern (Drehreglern) der Fall wäre. Ach ja, man kann es nicht oft genug erwähnen, der jeweilige Sound wird natürlich polyphon designt – also pro Finger!

Der modulare Synthesizer des Haken Audio Continuum Fingerboards enthält 3 Oszillatoren, 2 Filter (Lowpass, Hipass, Bandpass, Lowpass Shelf, Highpass Shelf, Notch und Allpass), 2 Filterbänke (die sich entweder als Filterbank mit 8 Bandpässen, Vocal Formant Filterbank, 16-fache Sinus-Oszillatoren Bank oder Granular Synthese Bank [die sich aus den Audiodaten – siehe digitaler Eingang – des Delay-Moduls bedient] konfigurieren lassen), ein Delay-Modul, 4 LFOs, ein Resonanzkörper- und ein Reverb-Modul. Wer sich fragt, warum es keine Hüllkurven gibt, kann getröstet werden, die braucht es beim Continuum einfach nicht, da das Spiel mit den Fingern die Hüllkurvenverläufe generiert.

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Was hierbei klanglich möglich ist, möchte ich an einem Soundbeispiel andeuten. Der folgende Sound besteht eigentlich nur aus einem einfachen Sinus-Oszillator. Die verschiedenen Formulas, Verknüpfungen und vor allem das Spiel der Finger machen es zu einer Musik, die an die Neue Musik der 50er und 60er Jahre, sprich Karlheinz Stockhausen und Morton Subotnik erinnert.

Der Editor des Haken Audio Continuum Fingerboard

 

Haken Audio Continuum Fingerboard

Alle Einstellungen lassen sich bequem über den Software-Editor bewerkstelligen. Mit StrikeSpd, SweepSpd und Res sind Barrels benannt, die zusätzliche Controller zur Verfügung stellen.

Der Software-Editor, der sowohl für PC als auch für Mac zur Verfügung steht, beinhaltet aber nicht nur den Eaganmatrix, sondern im Editor können alle Einstellungen des Gerätes bequem und übersichtlich vorgenommen und mit dem jeweiligen Patch gespeichert werden. So lässt sich die Polyphonie (16 Stimmen) und die verschiedenen Verhaltensweisen bei monophonem Spiel einstellen. Die Skalierung und ihre Wirkungsstärke kann programmiert werden. Die Spielfläche lässt sich transponieren und splitten, so dass es auch möglich ist, auf dem Continuum gleichzeitig einen internen und externen Sound zu spielen.

Apropos externe Soundquelle. Das Continuum Fingerboard lässt sich mit jedem MIDI-Klangerzeuger spielen. Einziges Problem ist die Menge an Controller-Daten, die das Continuum sendet. Deshalb muss für jede gespielte Stimme eines Sounds auf dem Continuum ein MIDI-Kanal und damit ein Patch zugeordnet werden. Wenn man also polyphon spielen möchte, dann funktioniert es nur mit multitimbralen Klangerzeugern, ansonsten leider nur monophon. Nicht zu vergessen, die meisten Klangerzeuger sind auf eine normale Tastatur hin optimiert, so kann es sein, dass nur eine beschränkte Spielmöglichkeit besteht.

Im Map-Mode können die Presets des Eaganmatrix in Gruppen gefasst werden und stehen beim Live-Spiel über einen MIDI-Controller zur Verfügung. Links kann ein Joystick programmiert werden.

Dabei ist das X-Formula fest mit der Tonhöhe, das Y-Formula und das Z-Formula sind standardmäßig mit Filterfrequenz und Anschlagdynamik verbunden, diese beiden können durch andere Control-Changes ersetzt werden, aber nicht durch alle. Im Editor gibt es aber dennoch zusätzlich die Möglichkeit, Formulas auf drei freigewählten MIDI-Control-Changes zu routen.

Für das Kyma Sound Symbolic System, ein modularer Software-Synthesizer mit DSP-Hardware, der häufig in der experimentellen Elektronik oder in der Neuen Musik benutzt wird, ist schon alles fertig vorkonfiguriert und braucht nur noch über MIDI dem Continuum zugeordnet werden. Anscheinend stand das Kyma System zumindest bei der Ideensuche Pate beim Eaganmatrix, einige Module lassen dies zu mindestens erahnen.

Haken Audio Continuum Fingerboard

Im Global-Mode wird das interne und externe MIDI-Setting (Kyma und ExtDevice) bestimmt. Der Reverb lässt sich glücklicherweise global abschalten.

Zusatzequipment zum Haken Audio Continuum Fingerboard

Aber nicht nur für Weichware oder digitale Klangerzeugung kann das Continuum Fingerboard genutzt werden. Lippold Haken hat für alle analogen Freunde einen MIDI-CV-Converter namens CVC gebaut, der speziell für die Nutzung mit dem Continuum konzipiert ist. CVC stellt 12 CV-Spannungen und 4 Gates zur Verfügung, ordentlich aufgeteilt auf die Standard-Formulas X, Y, Z und W (Gate). So lässt sich ein 4-stimmiges polyphones Spiel auf einem modularen oder analogen Synthesizer mit entsprechen Eingängen realisieren. Der Converter stellt dabei die volle Ausgabeauflösung des Continuums von 1 Cent für alle CV-Spannungen zur Verfügung. Abhängig vom jeweiligen analogen Synthesizer mit seinem spezifischen Spannungsbereich stellt der CVC unterschiedliche CV-Setups zur Verfügung – und ja, das Continuum kann dann auch über den CVC auf analogem Weg mit einem Buchla 200e kommunizieren. Es können nicht nur die Standard-Formulas integriert werden, sondern auch die erweiterten Formulas können die Steuerspannungen beeinflussen. Alles lässt sich im Eaganmatrix konfigurieren und man ist nicht gezwungen, polyphone Klänge zu produzieren, sondern kann natürlich jede CV-Spannung dorthin patchen, wohin man möchte. Was dabei möglich ist, kann sich jeder Freund des modularen Handwerks in seiner Phantasie selbst ausmalen.

Zusätzlich zum CVC gibt es von Haken Audio noch einen passenden Ständer. Der ist sehr massiv und verhindert, dass das Instrument beim Spielen verrutscht. Noch viel wichtiger für ein gutes Spiel der Finger ist die „Schrägstellung“ des Instruments, die dadurch erreicht wird, dass das Continuum mit dem Ständer verschraubt wird. Auf dem Ständer lassen sich Laptops, MIDI-Controller oder Klangerzeuger deponieren.

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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    RhodesChroma

    Während der Superbooth 2017, wo es mir nicht gelang, das Teil mal inRuhe zu spielen, fand ich zufällig bei JustMusic die große Version zum Sonderpreis. Immer noch zu teuer für einen Spontankauf, aber ich war fast alleine in der Abteilung und konnte das Teil ausgiebig spielen. Noch nie hat mir eine „Tastatur“ so einen Spaß gemacht!!!!! Alle Töne und jeder Akkord klangen völlig anders als gewohnt und es war die reine Freude! Man kann sich zwar auf YouTube viele Videos dazu ansehen, aber weder die noch der beste Bericht darüber können das Erlebnis des Spielens vermitteln. Für mich ein ganz heisser Kaufkandidat (wenn es mal finanziell passen sollte)

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Ich glaube Bernd Michael Land hat son Ding bei sich stehen. Interessantes Produkt.

  3. Profilbild
    Numitron AHU

    Interessantes gerät, leider unerreichbar.
    Ich würde gerne wissen, wielange das neopren hält.
    Kann man es neu bespannen lassen?

    • Profilbild
      j.rauner AHU

      @Numitron Also die Neopren-Oberfläche ist sehr robust. Sie lässt sich aber auch leicht selbst austauschen. Lippold schickt eine Oberfläche zu.

  4. Profilbild
    Tolayon

    Puh, der Preis gerade für die große Version ist wirklich heftig. Für fast 7000 Euro müsste man eigentlich glatt einen echt analogen Trautonium-Klon erwarten können, die entsprechende „Tastatur“ ist ja ohnehin schon vorhanden.

    Eventuell ließe sich durch automatisierte Massenfertigung der Preis noch einmal deutlich drücken, aber dann müsste auch die Nachfrage entsprechend da sein.

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