Back in Black
Die Harley Benton DC-DLX Gotoh Black huldigt in Konstruktion und Design einem der unterschätzteren Designs der E-Gitarrengeschichte. Nachdem Gibson in den späten 50er-Jahren gegenüber dem direkten Konkurrenten Fender, deren moderne Formen der Stratocaster und der Telecaster die E-Gitarrenwelt umkrempelten, deutlich an Boden verlor, nahm man das einstige Flaggschiff, die Les Paul, aus dem Programm und versuchte es mit einem etwas moderneren Design. Die beiden Cutaways der SG, deren Kürzel schlicht für „Solidbody Guitar“ steht, sollten das etwas angestaubte Image aufpolieren und neue Kunden generieren. Grundsätzlich ist die Ur-SG der Les Paul gar nicht so unähnlich, das Konzept der Brücke, die beiden Humbucker und deren Schaltung und der eingeleimte Hals unterscheiden sich nicht wirklich vom Vorgängermodell. Auch wenn verschiedene Entwicklungsstadien der SG immer wieder Versuche mit einem Vibratosystem zeigen, hat sich letztendlich, daran dürfte ein gewisser Angus Y. aus Down Under wahrscheinlich nicht ganz unbeteiligt gewesen sein, das Design mit der festen Brücke durchgesetzt. Eins kann man jedenfalls sicher sagen: Das jazzige Image Gibsons, das die Les Paul und die Marke Gibson immer unbeliebter machte, hat Angus mit seinen Jungs dank der SG gehörig umgekrempelt. Es gibt wohl kaum eine Band auf diesem Planeten, die mit der SG so sehr identifiziert wird, wie AC/DC. Die Thomann Hausmarke Harley Benton hat nun ebenfalls eine SG im Programm, die neben den Farben Pelham Blue, Daphne Blue und Shell Pink auch in klassischem Schwarz zu bekommen ist. In diesem Fall sogar noch mit goldener Hardware veredelt. Doch der Reihe nach …
Harley Benton DC-DLX Gotoh Black – Facts & Features
MIt 3,5 kg Kampfgewicht schält sich die Harley Benton DC-DLX aus dem Karton. Das ist keine wirklich hohe Last angesichts der soliden Konstruktion und der fehlenden Ausfräsungen für Federn auf der Rückseite, wie sie z. B. Stratocaster-artigen Gitarren zu Eigen ist. Möglich macht dies unter anderem wohl auch der Korpus aus Nyatoh, einem mittelgewichtigen Holz, das in der fernöstlichen Gitarrenproduktion zunehmend beliebter wird. Bedenkt man, dass eine aus Mahagoni gefertigte Les Paul schon mal satte 5 kg auf die Waage bringen kann, ist das bereits ein deutlicher Schritt in die richtige Richtung. Der Korpus ist deckend in hochglänzendem Schwarz lackiert, der Lackauftrag ist perfekt ausgeführt. Die goldene Hardware kontrastiert den tiefschwarzen Lack, sogar die Schrauben, die das schwarze Pickguard mit dem Korpus in Verbindung halten, sind in goldener Version am Start. Der eingeleimte Hals aus Mahagoni ist ebenfalls rückseitig deckend schwarz lackiert und trägt ein Griffbrett aus nahezu schwarzem Palisander. Die 22 Medium-Jumbo-Bünde sind aus Edelstahl und sind sauber abgerichtet. Ein weißes Binding umläuft Hals und Kopfplatte. Zur Optik der SG gehören auch die trapezoiden Blockinlays aus Perlmutt, die hier höchstwahrscheinlich aus Kunststoff bestehen, die gewünschte Optik aber erstklassig und keineswegs billig aussehend imitieren. Die nach hinten abgewinkelte Kopfplatte trägt sechs (natürlich goldene) Tuner der Firma Gotoh im Kluson-Style. Der Übergang vom Hals zur Kopfplatte wird durch einen kleinen Holzkragen verstärkt. Sehr gut, diese Verstärkung der bruchgefährdeten Stelle einer Gitarre sorgt bei mir immer für Pluspunkte. Die Saiten laufen oberhalb des GraphTech Tusq Sattels V-förmig zu den Tunern, eine Abdeckplatte aus Kunststoff verbirgt die Double Action Trussrod. Der Hals verfügt über die Gibson-typische Mensur von 628 mm.
Da der Korpus der Gitarre ein nahezu ringsherum laufendes Shaping aufweist, wird auf weitere ergonomische Eingriffe ins Design verzichtet. Lediglich am Hals-Korpus-Übergang verjüngt sich der Korpus ein klein wenig und sorgt somit für komfortableres Spiel in den hohen Lagen. Korpusseitig nimmt ein Gotoh Tune-o-Matic-Steg die Saiten auf, diese Konstruktion ist millionenfach bewährt und gehört zu den beliebtesten Steg Konstruktionen der E-Gitarrengeschichte. Die goldenen Gurtpins sind nicht als Security-Locks ausgelegt, was ich in dieser Preisklasse zu akzeptieren bereit bin, aber trotzdem schade finde. Der vordere Gurtpin befindet sich auf der Rückseite des Korpus, ganz so wie beim Original.
Harley Benton DC-DLX – die Elektrik
Zwei Humbucker arbeiten in der Harley Benton DC-DLX, diese sind von der Firma Tesla Pickups und stammen aus der „Vintage Reflexion“ Serie. Dabei handelt es sich um AlNiCo Pickups von gutem Ruf, die mir allerdings bisher noch in keiner Gitarre untergekommen sind. Verwaltet werden die beiden Tonwandler von einem 3-Wege-Toggle-Switch, der zwischen dem Volume- und dem Tone-Poti Platz gefunden hat. Dies ist der wohl deutlichste Unterschied zur klassischen SG, denn dort arbeiten die Tonabnehmer in der Regel nach dem Les Paul Prinzip, also mit vier Reglern. Ergonomisch ist das wohl so ziemlich das Beste, was man einer SG spendieren konnte, zumal der Toggle-Switch jetzt ohne großartige Verdrehung des Handgelenks erreicht werden kann. Wer gern mit unterschiedlichen Volume- oder Tone-Einstellungen je Pickup arbeitet, wird hier also eher nicht glücklich. In der Praxis reicht ein solches abgespecktes Reglerkonzept allerdings meist völlig aus. Ich möchte ja behaupten, dass die SG von Angus die meisten Knöpfe auch nur noch zur Zierde beherbergt. Um die Soundpalette der Harley Benton DC-DLX zu erweitern, sind die Tonabnehmer mittels der Pull-Funktion des Tone-Reglers splitbar, was uns sechs unterschiedliche Sounds zur Verfügung stellt. Die Klinkenbuchse sitzt an der unteren Zarge, die Abdeckung des Elektrikfaches auf der Rückseite des Korpus ist bündig ins Holz eingelassen, das ist bei Gitarren dieser Preisklasse definitiv nicht der Standard.
Die Harley Benton DC-DLX in der Praxis
Hat man die Harley Benton DC-DLX auf dem Schoß, macht sich eine leichte Kopflastigkeit bemerkbar, die wohl von der großen Kopfplatte herrühren dürfte. Aber keine Angst, alles im Rahmen, mit der Hand am Hals und in der Praxis stört das nicht. Die Gotoh Tuner arbeiten sauber und gleichmäßig und lassen die Gitarre schnell in der gewünschten Stimmung erklingen. Wer die rechte Hand gerne auf dem Steg ablegt, findet hier keine störenden Kanten oder Grate. Der Hals mit seinem C-Profil liegt gut in der Hand, die Werkseinstellung bezüglich der Saitenlage ist gut gewählt. Wer es etwas flacher mag, kann hier aber ohne Probleme (und vor allem ohne großen Aufwand) noch etwas tunen. Trocken angespielt erklingen die Töne drahtig bei schneller Tonansprache, die Gitarre schwingt schnell ein und lässt die Töne lang und gleichmäßig ausklingen. Sehr gute Voraussetzungen also, die jetzt von den Tonabnehmern umgesetzt werden wollen.
So klingt die Harley Benton DC-DLX
Für die Klangbeispiele spiele ich die Gitarre direkt in meinen Kemper und lade zunächst einen cleanen Sound. Ein Bogner Shiva Profile von Guido Bungenstock kommt zum Einsatz. Im ersten Beispiel spiele ich mich durch die drei Positionen des Toggles vom Hals zum Steg und lasse dabei die Humbucker ungesplittet. Der Sound erscheint ein wenig muffig bei satten, vor allem beim Hals-Pickup etwas überbetonten Bässen. Die Tonabnehmer scheinen das Potential der trocken gespielten Gitarre im cleanen Kontext nicht so wirklich übertragen zu wollen. Irgendwie erscheint es mir, dass im oberen Mittenbereich, irgendwo um die 1-2 kHz, ein Loch klafft. Bei gesplitteten Humbuckern tritt das Phänomen noch stärker hervor. Richtig warm wird der Sound nicht, zumal im Bereich um die 3 kHz der Sound dann unnatürlich spitz wird. OK, das ist jetzt schon Jammern auf hohem Niveau, aber ein schöner, glockiger Cleansound will damit nicht gelingen. Natürlich ist es möglich, den EQ am Amp zu benutzen oder in der DAW einzelne Frequenzen zu boosten oder zu cutten, ich spiele ja schließlich mit meinem Referenzsound, durch den nahezu alle Testgitarren gejagt werden. Und vielleicht ist ja genau dieses Frequenzbild für angezerrte oder höher verzerrte Sounds ideal?
Zeit also, eine leichte Zerre im Amp zu produzieren. Ich lade das Profile eines angezerrten Soldano und spiele mich wieder nach obigem Muster durch die Schalterstellungen. Und siehe da, bei diesem Sound beginnt die Gitarre schon etwas mehr zu leben. Die Bässe drücken, ohne zu mulmen, die Höhen leben auf. Das eben noch als problematisch eingestufte Mittenloch verändert sich zum Vorteil. Vor allem beim Steg-Humbucker sind wir schon da, wo wir diese Gitarre zu Recht vermuten. Die Option, die Humbucker zu splitten, kommt dem angezerrten Sound auch sehr entgegen. Ich bin gespannt, ob noch mehr Zerre noch mehr Spaß macht.
Die richtige Keule ist am Start, für das Highgain-Demo lade ich einen Bogner Shiva, zunächst ohne Effekte, lediglich ein bisschen Raumsimulation ist zu hören. Sowohl die ungesplitteten als auch die gesplitteten Humbucker machen richtig Spaß. Die Nebengeräusche halten sich absolut im Rahmen. Zum Schluss folgt noch ein Leadsound. Wieder röhrt das Shiva Profile, allerdings jetzt noch mit ein paar Effekten.