Elektrische Konzertgitarre für kleines Geld
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Die Thomann Hausmarke Harley Benton gönnt sich keine Auszeit und zeigt nun auch Präsenz in einem weiteren Gitarrensegment, der „Hybridgitarre“. Soll heißen, eine Symbiose einer klassischen, mit Nylonsaiten bespannten „E-Gitarre“ mit Tonabnehmersystem und einem E-Gitarren-Feeling bei weitgehender Feedback-Unempfindlichkeit. Eines der ersten Modelle in diesem Segment war die Godin ACS Nylon, für unsere Testkandidatin ist aber weit weniger zu berappen, wie man dies von sämtlichen Harley Benton Produkten kennt. Natürlich ist hier nicht zuletzt auch die vergleichsweise günstige Fertigung in Fernost ein entscheidender Faktor.
Die Hybrid Nylon kombiniert einen Konzertgitarren-Sound mit dem Handling einer E-Gitarre. Decke, Zarge und Rücken wurden aus massiver Fichte gefertigt.
Das Spielgefühl entspricht dem einer klassischen Konzertgitarre, da eine Sattelbreite von 52 mm gewählt wurde. Ein Piezo-Pickup mit Preamp an Bord bereitet den Boden für das Spiel über einen Akustikgitarrenverstärker oder natürlich auch eine D.I.-Box ins Mischpult oder die DAW. Schauen wir uns die „nice“ anmutende Testkandidatin nun genauer an.
Harley Benton Hybrid Nylon NT – Facts & Features
Aufgrund des moderaten Preises wird kein Gigbag, geschweige denn ein Koffer mitgeliefert. Der erste Eindruck beim Freilegen des Testobjekts ist sehr positiv. Der Look dieses Instrument erinnerte mich im ersten Moment an ein Danelectro Singlecut-Modell, nur das diese Gitarre einen typisch klassischen Kopf besitzt, der sich seit Jahrhunderten für Konzertgitarren mit Nylonsaiten bewährt hat. Natürlich besitzt unsere Testkandidatin auch eine frappierende Ähnlichkeit mit einer Taylor T5z, dies ist sicher auch nicht ganz unbeabsichtigt, denn die „f-Löcher“ (die eine „Schnabelform“ besitzen) sowie die Potis sitzen hier an den gleichen Stellen in einem für eine Konzertgitarre relativ flachen Korpus (etwas dicker als z. B. bei einem gewöhnlichen Les Paul Modell).
Ein Ausstattungsmerkmal, was man bei Konzertgitarren selten findet, ist die Möglichkeit, die Halsspannung zu regulieren. Hierfür befindet sich im Lieferumfang auch ein entsprechender Inbusschlüssel, der in die kleine Ausfräsung korpusseitig am Hals eingeführt werden kann, wenn eine solche Einstellung überhaupt vonnöten sein würde.
Korpus
Die Gitarre ist ein sogenanntes Hollowbody-Modell, das bedeutet, sie ist innen hohl und besitzt keinen Sustain-Block. Der Korpus wurde abgesehen von der Decke aus massivem afrikanischen Mahagoni gefertigt. Diese bedient sich massiver Fichte.
Die Gitarre wurde hochglänzend naturfarben lackiert, was sehr ansprechend aussieht. Das Holz der Decke und des Bodens ist schön gemasert, was bei einer transparenten Lackierung natürlich gut zu sehen ist. Die Verarbeitung inklusive der Lackierung des Instruments ist gut, ein kleiner Mangel ist jedoch auszumachen: Der Ausschnitt für die f-Löcher in der Decke wurde an der Innenseite nicht sauber lackiert bzw. abgeschliffen, das Ganze sieht also nicht perfekt aus und könnte den Instrumentenbauern „mal gesteckt werden“, damit die in der Zukunft zu fertigenden Modelle diesbezüglich sauberer aussehen.
Der Palisandersteg wurde mit einer Stegeinlage aus Knochen bestückt. Das beim Korpus zum Einsatz kommende Mahagoni ist gut ausgewählt und wirkt fast schon luxuriös, optisch wirkt das Ganze sehr anziehend. Beide Elektrikfachabdeckungen aus Kunststoff sitzen stramm und sauber in ihren Fräsungen und schließen plan mit dem Deckenniveau ab.
Hals
Der Hals aus Mahagoni wurde mit dem Korpus verschraubt. Das Griffbrett aus Palisander wurde an den üblichen Positionen mit Griffbretteinlagen (Dots) bestückt. Die 21 Bünde sind perfekt in das Griffbrett eingesetzt. Auch die Griffbrettkanten wurden sauber verarbeitet, hier sind keinerlei Grate oder raue Stellen festzustellen. Auch das Polieren der Bünde erfolgte einwandfrei. Die Mensur der Hybrid Nylon beträgt 628 mm. Das Halsprofil wird vom Hersteller schlicht mit „C“ umschrieben. Der Hals ist recht kräftig, wie man dies auch bei vielen Konzertgitarren antrifft. Ein Gitarrist, der eine gewisse Erfahrung im Spiel klassischer Stücke besitzt, wird sich sicher sofort wohlfühlen. Der ABS-Sattel besitzt eine Breite von 52 mm, auch dieses Maß kennt der klassische Gitarrist gut.
Elektrik & Hardware
Der Gitarre wurde ein sogenanntes „Custom System“ mit einer Kombination aus Piezo-Tonabnehmer und Preamp spendiert. Die meisten Piezo-Systeme machen allgemein einen recht guten Job, wobei eine Abnahme mit einem Mikrofon bzw. ein eingebautes Mikrofon den Klang oft noch etwas verbessert. Unsere Testkandidatin wurde natürlich speziell für die Bühne entwickelt, da sie ja nicht auf Lautstärke, sondern eher auf Feedback-Unempfindlichkeit ausgelegt ist. Die zwei Potis auf der Decke bieten erwartungsgemäß die Kontrolle über die Lautstärke und den Höhenanteil des Ausgangssignals. Mir gefiel bei der Aufnahme ein leichtes Zurücknehmen des Höhenreglers, da der Klang dann etwas wärmer und natürlicher wurde.
Die verbauten offenen Deluxe DieCast Mechaniken machen optisch einiges her und arbeiten gleichfalls sauber. Da die Gitarre im Auslieferungszustand mit völlig entspannten Saiten (Daddario Pro Arte Nylon) ins Haus kam, konnte ich dies genau überprüfen. Wer einmal frische Saiten auf eine Konzertgitarre aufgezogen hat, weiß, dass bis zu einer Stimmstabilität einiges an „Kurbelei“ anfällt und neue Nylonsaiten stets etwas Zeit brauchen, um sich zu dehnen und letztlich in Stimmung zu bleiben.
Harley Benton Hybrid Nylon NT – Handling
Das Instrument liegt gut in der Hand und ist erfreulicherweise nicht kopflastig, was durchaus zu erwarten wäre, da der Korpus hohl und der Hals recht massiv ist. Die Saitenlage ist recht komfortabel, etwas Spielraum wäre noch gegeben, wenn man sich daran machte, die Stegeinlage herauszunehmen und von unten noch 1-2 mm abzuschleifen. Auch die Sattelkerben könnten noch minimal vertieft werden, um wirklich eine traumhafte Bespielbarkeit zu erreichen. Das wäre ein Job für den Fachmann, der dies für ca. 40,- Euro über die Bühne brächte.
Durch das Cutaway sind natürlich auch die hohen Lagen problemlos zu bespielen, ein Feature, das einer gewöhnlichen Konzertgitarre natürlich abgeht. Die beiden Regler sind gut positioniert und erlauben einen schnellen Zugriff auf die Parameter Lautstärke und Ton. Die gummierten Knöpfe der Potis sind angenehm griffig, wobei das Gummi erfreulicherweise nicht minderwertig oder unangenehm riecht. Das kennt man bei Kunststoff oder Gummi aus Fernost auch anders.
Die Stegeinlage aus Knochen besitzt eine „Kompensation“ der G-Saite. Der Auflagepunkt der G-Saite wurde etwas nach hinten versetzt, was dafür sorgt, dass diese somit eine minimal höhere Mensur als die weiteren fünf Saiten besitzt. So ist auch in hohen Lagen eine gute Bundreinheit zu attestieren. Im ersten Klangbeispiel arbeitete ich mich bewusst auch in hohe Lagen, um dies zu überprüfen. Der hohe E7b9-Akkord am 12. Bund (bei 1:38 min.) intoniert sauber. Konzertgitarren haben gelegentlich mit einer nicht perfekten Bundreinheit zu kämpfen, hier wurde das Problem durch die kompensierte Stegeinlage gut gelöst.
Sound
Für das Klangbeispiel wurde schlicht ein Klinkenkabel in die Ausgangsbuchse gesteckt und direkt in das Interface (MOTU M4) eingeklinkt. Natürlich braucht eine extrem trocken aufgenommene Gitarre mit Nylonsaiten etwas Hall, der in der DAW (Logic) hinzugefügt wurde.
Für die Klangbeispiele wurde der Volume-Regler voll aufgedreht und der Tone-Regler etwa um 5-10% zurückgenommen, da der Klang dann etwas natürlicher wurde. Die Klangbeispiele erfuhren, abgesehen vom Hinzufügen von etwas Halls keine nachträgliche Bearbeitung durch etwa einen EQ oder Kompressor.
Wir hören einige spanisch orientierte Flamenco-ähnliche Phrasen, die mit einem Plektrum gespielt wurden. Mit den Fingern gespielt, würde dies evtl. noch etwas natürlicher klingen, leider sind meine Fingernägel nicht hart genug, um einen schönen Ton zu erhalten, deswegen musste das Pick ran. Die Klassikfreunde mögen mir dies verzeihen.
Der Klang des Piezo-Tonabnehmersystems ist sehr ordentlich, wobei beim Anhören und Betrachten der Pegel bzw. digital dargestellten Audiosignale auffällt, dass der Pegel der Töne, die auf der tiefen E-Saite gespielt wurden, verglichen mit den Pegeln der höheren fünf Saiten etwas abfällt.
Das zweite Klangbeispiel hat einen jazzig angehauchten Charakter. Auch hier leistet Harley Benton Hybrid Nylon NT einen guten Job.
Das Instrument bringt Spielspaß, besitzt ein modernes und schönes Design und funktioniert zuverlässig. Nun kommt auch der klassisch- bzw. Bossa-orientierte Gitarrist an ein günstiges Arbeitsgerät für Bühne und Studio.
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen:
Harley Benton Hybrid Nylon NT – MOTU M4 – iMac mit Logic (etwas Hall hinzugefügt).
Wunderbarer Testbericht und Klangbeispiele – vielen Dank!
Die elektrische Tonerzeugung als auch das verwendete Plektrum hört man sehr deutlich raus. Ein echter Klassik-Ersatz ist eine solche Gitarre kaum, sogar innerhalb des Jazz oder Flamenco nicht, aber wem an einem echten Ersatz nicht gelegen ist, zudem von E-Gitarren kommt, mag Gefallen daran finden. Ich habe, neben meiner Klassik-Gitarre, immer noch das Silent-Modell von Yamaha zu Hause.
Warum sprecht ihr in euren Beiträgen immer noch von Bundreinheit statt Oktavreinheit? Durch ständiges wiederholen wird es nicht wahrer und besser, außerdem spricht es nicht gerade für eure Kompetenz. Bitte achtet doch da mal drauf. Die Anfänger werden es euch danken…
Gruß Magnus
@Magnushori Zur Begriffsklärung:
Bundreinheit bedeutet, dass bei Saiteninstrumenten die verwendeten Bundstäbchen auf den Griffbrettern korrekt platziert wurden. Bei Abweichungen Korrektur nicht oder kaum möglich.
Oktavreinheit ist das korrekte Verhältnis zwischen Mensur einer einzelnen Saite und den Bünden. Bei Abweichungen Korrektur durch verändern des Abstandes vom Steg zum Sattel möglich. (Verstellbare Saitenreiter oder kompensierte Stegeinlage)