Offset-Klassiker zum schmalen Kurs
Die Harley Benton MR-Modern ist eine optisch ansprechende, sehr gut verarbeitete Gitarre fernab des Mainstreams. Wer Strat und Les Paul nicht mehr sehen kann, sollte hier mal ein Auge drauf werfen.
Inhaltsverzeichnis
Kurz & knapp
-
- Design: Retro-inspirierte Optik mit modernen Features, die auffällt.
- Verarbeitung: Hochwertige Verarbeitung mit präzisen, sauberen Bünden und Lackierung.
- Spielbarkeit: Komfortabler Hals, angenehmes Griffgefühl und gute Bespielbarkeit.
- Sound: Vielseitige Humbucker mit Coil-Split, geeignet für Rock, Punk und Alternative.
- Preis-Leistung: sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis mit solider Ausstattung und Charakter.


Harley Benton hat sich in den vergangenen Jahren einen festen Platz in der Gitarrenwelt erarbeitet. Was einst als Geheimtipp unter Einsteigern und Sparfüchsen galt, hat sich zu einer ernst zu nehmenden Marke mit enormer Bandbreite entwickelt. Von klassischen Designs, über moderne Multiscale-Modelle, hin zu ungewöhnlichen Shapes mit Boutique-Anmutung reicht mittlerweile das Sortiment. Und das zu Preisen, die in dieser Form selten zu finden ist und der Konkurrenz immer wieder die Schweißperlen auf die Stirn treibt.
Auffällig ist die stetige Verbesserung der Verarbeitungsqualität und Ausstattung, was auch uns in unseren Testreihen nicht verborgen bleibt. Features wie Locking-Tuner, Graph-Tech-Sättel, Edelstahlbünde oder Push-Pull-Schaltungen sind längst keine Ausnahmen mehr, sondern werden zunehmend zum Standard, selbst bei Modellen unter 300,- Euro. Harley Benton gelingt es dabei, optisch und funktional Trends aufzugreifen und sie in einem zugänglichen Preisrahmen umzusetzen – mit durchaus eigenem Charakter.
Besonders interessant sind dabei Serien wie die MR-Reihe, die mit einem Retro-inspirierten Design zwischen Surfrock und Alternative punkten will. Die aktuelle Harley Benton MR-Modern PWH kombiniert diesen Look mit moderner Hardware und Elektronik – ein interessantes Gesamtpaket, das wir uns im Test einmal genauer ansehen.
Facts & Features
Optisch ist die Harley Benton MR-Modern PWH ein echter Blickfang. Kein Wunder, erinnert die extravagante Korpusform doch unübersehbar an die legendären Mosrite-Gitarren der 60er-Jahre. Die charakteristischen, spitzen Cutaways, das versetzte Schlagbrett und die geschwungene Form verleihen der Gitarre ein markantes Retro-Flair, ohne jedoch angestaubt zu wirken. Stattdessen kombiniert sie diese visuelle DNA mit modernen Features und zeitgemäßer Ausstattung.
Die hochglänzende Perlweiß-Lackierung wirkt edel und ist makellos aufgetragen, selbst in den kritischen Bereichen wie Halstasche und den Fräsungen der Decke sind keine Lacknasen oder Verarbeitungsmängel zu entdecken. Auch die farblich angeglichene Kopfplatte mit den pistazienfarbenen Flügeln der Mechaniken trägt zur stimmigen Gesamtoptik bei.
Der Korpus besteht aus Erle, ein traditionelles Tonholz mit ausgewogenem Klangbild, das in vielen klassischen Gitarrendesigns Verwendung findet. Der Hals aus kanadischem Ahorn ist geschraubt und trägt ein dunkles Macassar-Ebenholzgriffbrett, das sich angenehm griffig anfühlt. Die Griffbrettkanten wurden sauber abgerundet, was einem komfortablen Spielgefühl zugutekommt.
Eingesetzt sind 22 Edelstahlbünde von Blacksmith – und die sind, wie man es sich wünscht, absolut präzise abgerichtet, gratfrei und auf ihren Oberflächen ausreichend poliert. Dinge, die in dieser Preisklasse definitiv nicht selbstverständlich sind. Dank Glow-in-the-Dark-Dots am Rand des Griffbretts behält man selbst auf dunklen Bühnen die Orientierung – ein praktisches Detail, das Profis wie ambitionierte Einsteiger gleichermaßen zu schätzen wissen.
Das Halsprofil zeigt ein modernes C mit eher flacher Ausprägung – angenehm schlank, aber nicht zu dünn geraten. In Verbindung mit dem 305 mm Griffbrettradius ergibt sich ein komfortables Spielgefühl, das sich sowohl beim Akkordspiel als auch bei schnell gespielten Single-Note-Linien bewährt. Die Sattelbreite liegt bei den üblichen 42 mm, die Mensur bei klassischen 648 mm. Der verbaute Graph-Tech TUSQ-Sattel bringt nicht nur saubere Intonation, sondern unterstützt auch das Sustain spürbar. Und das ist besonders erfreulich, denn: Die Gitarre klingt bereits trocken angespielt recht ausgewogen, resonant und direkt.
Werkseitig ist die Saitenlage der Harley Benton MR-Modern eher konservativ eingestellt – für Shredder-Hände definitiv zu hoch, für klassische Rocker aber noch im Rahmen. Eine Justierung am Wilkinson VS-50 II Precision Tremolo bringt hier rasch Abhilfe. Dieses moderne Zweipunkt-System erlaubt butterweiches Vibrato und bietet insgesamt gute Rückkehrgenauigkeit. Klar, bei extremer Beanspruchung gerät es etwas ins Schwitzen, aber das ist bei Gitarren dieser Preisregion kaum zu vermeiden.
Die Kluson-Style Locking-Tuner von Wilkinson tun zuverlässig ihren Dienst und sorgen für eine schnelle und reibungslose Saitenmontage. Zudem besitzen sie ein kaum spürbares Spiel auf ihren Achsen, was das Stimmen schnell und unkompliziert gestaltet.
Soapbar-Pickups mit Coil-Split
Zwei Soapbar-formatige Artec AHC-90 Humbucker mit Alnico-5-Magneten sind für die Tonwandlung zuständig. Die Pickups liefern einen angenehm druckvollen und durchsetzungsfähigen Sound mit einem kräftigen Mittenbild, bestens geeignet für Rock, Punk und Alternative, aber auch Clean durchaus brauchbar. Über den Tone-Regler mit Push-Pull-Funktion lässt sich zusätzlich eine Coil-Split-Schaltung aktivieren, was den Klangbereich um typische Singlecoil-Sounds erweitert.
Diese klingen zwar nicht ganz so spritzig und glasig wie bei einer Strat, machen im Bandgefüge aber eine solide Figur und erweitern die Flexibilität deutlich. Gesteuert wird das Ganze über einen klassischen 3-Wegeschalter – Bridge, Neck oder beide – mehr braucht es bzw. gibt es nicht.
In Sachen Verarbeitung gibt sich unsere Harley Benton MR keine Blöße. Alle Schrauben sitzen fest, die Elektrik ist sauber verlötet, das Elektronikfach ist abgeschirmt und auch die Wilkinson Hardware macht einen stabilen, langzeittauglichen Eindruck. Wer bereit ist, ein paar Minuten in Setup und Saitenlage zu investieren, bekommt hier eine absolut bühnentaugliche Gitarre für unter 300,- Euro. Und das mit Stil, Charakter und einem Design, das garantiert nicht jeder an der Wand hängen hat.
In der Praxis mit der MR-Modern PWH
Die Harley Benton MR-Modern PWH zeigt sich im Spielbetrieb als angenehm zu handhabende Gitarre mit hohem Komfortfaktor. Die von Mosrite inspirierte Korpusform schmiegt sich sowohl im Sitzen als auch im Stehen sehr gut an den Körper an, das Gewicht ist ausgewogen und auch bei längeren Sessions ermüdungsfrei tragbar. Der geschraubte Ahornhals mit C-Profil bietet eine komfortable Bespielbarkeit und das matte Finish der Halsrückseite setzt der Greifhand keinen nennenswerten Widerstand entgegen.
Besonders positiv fällt die sorgfältige Verarbeitung des Griffbretts ins Auge: Die Blacksmith Edelstahlbünde sind präzise eingesetzt und sauber abgerichtet – auch bei vergleichsweise flacher Saitenlage bleibt das Instrument frei von Schnarrgeräuschen. Das Wilkinson VS-50 II Vibratosystem lässt sich weich und exakt führen, zeigt bei intensiver Nutzung allerdings eine gewisse Tendenz zum Verstimmen. Ein Verhalten, das in dieser Preisklasse nicht unüblich ist, aber fairerweise erwähnt werden sollte.
Durchdacht gelöst ist hingegen die Arretierung des Vibratohebels: Eine kleine Inbusschraube im Suastain-Block erlaubt es, den Hebel individuell festzusetzen. So bleibt er angenehm spielfrei, ohne unkontrolliert in der Hand zu baumeln – und verlässt nach der Benutzung elegant den Aktionsbereich der rechten Hand.
Soundtechnisch gibt sich die MR-Modern flexibel, ohne in Extreme zu verfallen. Die beiden Artec AHC-90 Soapbar-Humbucker liefern einen recht warmen, runden Ton mit ausgewogenem Mittenanteil und einer gesunden Portion Druck, der sich bestens für Classicrock, Bluesrock oder Alternative-Sounds eignet. Die Nebengeräusche halten sich dabei im Rahmen, auch im Overdrive-Bereich. Mit aktiviertem Coil-Split öffnet sich das klangliche Spektrum weiter, auch wenn die Einzelsounds tonal eher in Richtung „okay“ als „überragend“ tendieren. Für diese Preisklasse jedoch ein absolut solides Paket mit mehr Nutzwert, als man erwarten würde.
Erfreulich ist zudem, dass weder das Klangbild noch die Dynamik beim runterregeln des Volume-Potis merklich leiden. Somit steht einer dynamischen Interaktion mit dem angeschlossenen Amp nichts im Wege.
Harley Benton MR Modern PWH Klangbeispiele
Für die nun folgenden Klangbeispiele habe ich die Harley Benton MR-Modern PWH zusammen mit einem Orange Micro Dark Gitarren-Top verwendet. Als Box kam eine 1× 12″ mit Celestion Vintage 30 Speaker zum Einsatz, vor dieser wurde ein AKG C3000 Mikrofon in Position gebracht. Effekte wurden keine benutzt, lediglich ein Summenkompressor kam zum Einsatz, um die Pegelspitzen abzufangen.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.