Vintage Magie aus Michigan, USA
Die Firma Harmony Guitars war bis in den 60er-Jahren eine der bekanntesten und wichtigsten Firmen überhaupt, wenn es um den Gitarrenbau ging. Sie war das Projekt des deutschen Immigranten Wilhelm Schulz, baute Anfang des 20. Jahrhunderts Ukulelen, Violinen und wagte sich dann immer selbstbewusster ins Fahrwasser der Gitarren, wo sie – unberechtigerweise – ein Schattendasein als „the poor man’s Gibson“ führten. Doch der Vintage Vibe ließ die Gitarren über die Jahrzehnte hinweg zu Kultobjekten werden, bis Dan Auerbach von den Black Keys sie recht prominent auf Alben und Live nutzte. Die Solid Body Paulas der 50er und 60er sind echte Sammlerschätze. Von den 90er-Jahren bis zu den späten 2000ern wechselte die Firma ein paar die Eigentümer, ehe sie jetzt seit 2009 Teil des Westheimer Corporation Northbrook ist. Und diese Firma hat 2011 die Harmony Vintage Reissue rausgebracht, die Harmony Guitars wieder ein bisschen ins Scheinwerferlicht zurückbrachten.
Es ist also de facto spannend, es mit einer Firma zu tun bekommen, deren über hundertjährige Geschichte nicht negiert wird: Die aktuellen Harmony Gitarren sind nämlich totale Vintage-Schönheiten, die der langen Geschichte der Firma Rechnung tragen und die wir, da waren wir uns in der Redaktion einig, euch nicht vorenthalten wollen. Neben den üblichen Namen wie Gibson, Epiphone, Fender uvm. wollen wir euch nämlich regelmäßig auf Produkte in der Peripherie hinweisen, die den einen oder anderen Geschmack perfekt treffen könnten. Ausgesucht haben wir uns hierfür die Harmony Guitar Rebel, ein Modell, das viele Merkmale der Vergangenheit in sich vereint.
Harmony Guitars Rebel, E-Gitarre – Facts & Features
Der Doublecut-Look erinnert mich am ehesten noch an die Revstar, mit der Yamaha zuletzt ein bisschen für Furore sorgten. Aber das ist nur mein Eindruck, bis ich die Rebel in die Hand nehme – die Gold-Foil-Pickups, das latente Champagne-Finish aus Nitrocellulose und die legendären, geriffelten Cupcake-Regler sind amerikanischer Vintage pur. Das ist eine zutiefst amerikanische Gitarre, made in the USA – genaugenommen in Kalamazoo, Michigan, mit gutem Holz und auf dem ersten Blick zumindest tadelloser Verarbeitung. Das Mono-Softcase, das mitgeliefert wird, wird dem Feeling, das die Gitarre ausstrahlt, nicht gerecht – ist aber definitiv besser als nichts.
In Sachen Tonhölzer ist die Mahagoni-Ebenholz-Kombination eine der verlässlichsten überhaupt und ein Garant für einen erdigen, resonanten Sound, der das Sustain begünstigt. Gleiches gilt für den sehr sauber verarbeiteten Knochensattel. Der Double-Cut Mahagoni-Korpus mach keinen massiven Eindruck – er ist schlank, verschmälert am linken Flügel, um eine ergonomischere Passung zu ermöglichen. In der Korpus-Tasche sitzt der geschraubte Mahagoni-Hals, der mit einem Ebenholz-Griffbrett ausgestattet ist – keine Lücken zu sehen, das Ding sitzt wie angegossen. Sofort gefällt mir der Hals: Das C-Shape füllt die Hand gut aus mit seinen 12 Zoll Radius und insgesamt 22 Medium Jumbo-Bünden. Die Nitrocellulose als Finish wird auch am Hals fortgeführt – nach einer gespielten Stunde fällt mir auf, weshalb ich das prinzipiell nicht sonderlich schätze: Schweiß und Nitrocellulose-Finish vertragen sich nicht sonderlich, der Lauf am Griffbrett wird spürbar widerspenstiger. Die Dot-Inlays und der verchromte Switch-Tip runden das Ganze ab – kommen wir zur Hardware.
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Harmony Guitars Rebel, E-Gitarre – Hardware & Elektronik
Die Gold-Foil-Pickups machen einen selbstredend neugierig. Nach ein bisschen Recherche stellt sich heraus: Die Einsteiger-Gitarren von Teisco und Harmony waren in den 50ern und 60ern Gitarren fest mit den Gold-Foils ausgestattet und verschwanden dann, ehe sie in der Boutique-Szene hier und da in den letzten 20 Jahren auftauchten. Jetzt setzt Harmony auf das Alleinstellungsmerkmal der Gold-Foils. Ihr Sound? Bissig und warm zugleich, mit einem wahrnehmbaren Peak im Top-End und einem deutlichen „Snap“. Diese Custom-Gold-Foil-Humbucker sind – da hat Harmony wohl zu Gibson geschielt – mit Orange-Drop-Kondensatoren ausgestattet, die in Kombination mit dem Tone-Regler hochklassiges Tone-Shaping erlauben sollen. Will heißen: Das Einstellen der Klangfarbe verläuft hier sauber und gleichmäßig. Der Toggle-Switch kann drei Positionen: Neck, Bridge sowie kombiniert.
Kommen wir zur Hardware: Die Tuning-Mechanismen sind ein puristisches Locking-System, ebenso verchromt wie die Bridge. Die T-Style-Brücke ist ebenfalls ein eher ungewöhnlicher Anblick, ist sie doch meistens bei Telecastern anzutreffen. Die kompensierenden Auflagen und die Schraubkonstruktion innerhalb der Bridge wirken für meinen Geschmack ein bisschen anfällig für Unfälle und Verschiebungen – Stimmstabilität hin oder her: Für die Bodythrough-Konstruktion der die Saiten nahm man eine offenliegende Bridge in Kauf. Sieht schön aus, aber unterstreicht insgesamt, dass man die Rebel nicht allzu grob behandeln kann. Kommen wir zum Sound und finden wir dort heraus, welche Akzente die Harmony Rebel setzen kann.
Harmony Guitars Rebel – in der Praxis
Wir unterziehen die Harmony Guitars Rebel per Profiler-Rack einem Test. Wir suchen zwei Amps heraus – den Bogus X-tasy und einen Plexi Profiler (nur für die Beispiele an der Bridge) – und kalkulieren mit der Gain-Einstellung, um das Klangspektrum der Harmony Guitars Rebel auszumerzen.
Als erstes teste ich im cleanen Bereich das Sustain – und bin beeindruckt. Der Frequenzgang im Abklang ist so ungemein gleichmäßig und fein in der Art, wie er die Harmonien beibehält, dass ich kurzer Hand meine Schecter zum unmittelbaren Vergleich herannehme. Tatsächlich liegen da Welten dazwischen. Sämtliche Obertöne und unteren Frequenzen sind in dem reichhaltigen Sustain gleichermaßen im Abklang vertreten.
Als nächstes vergleichen wir, was der Tone-Regler rausholt. Erst dunkeln wir den Klang auf äußerste ab – der Vintage-Touch wird greifbar, die höheren Frequenzen verschwinden hinter einem warmen Beet, das dennoch sehr differenziert anmutet. Die tiefen Frequenzen bleiben trotzdem sehr differenziert und vermengen sich nicht zu einem unbrauchbaren Brummen. Warmer Vintage par excellence. Im zweiten Beispiel drehen wir den Tone entsprechend hoch – die grundlegende Helligkeit der Harmony Rebel ist geerdet – die Gold-Foil-Pickups leisten ganze Arbeit und wirken stets warm und niemals muffig.
Wir nutzen den Gold-Foil in der Neck-Position und belassen es bei offenen Akkorden – tatsächlich grenzt sich die Harmony Rebel im Gegensatz zu anderen Solidbodys durch eine sehr deutliche Helligkeit ab – auch in der Neck-Position.
Jetzt drehen wir das Gain am Bogus-Profil ein wenig hoch – immer noch warmer Vintage, aber hier zeigt sich deutlich der Biss, den die Gold-Foils entfalten können. Der Peak im Frequenzgang der Pickups ist deutlich im oberen Drittel anzusiedeln. In moderaten Gain-Regionen ist die Transparenz auch bei offenen Chords absolut gewährleistet.
Wir wechseln das Profil auf einen britischen Plexi, der mit ein bisschen Reverb und Delay garniert ist. Tatsächlich handhabt die Harmony Rebel auch höhere Zerr-Regionen durchaus gut. Warmer Vintage-Sound tendiert bei höheren Gain-Regionen prinzipiell dazu, ein bisschen muffig zu klingen, aber die Harmony Rebel schlägt sich wacker. Im zweiten Beispiel drehen wir während des Spiels die Klangfarbe ein wenig runter, ein wenig hoch und stellen fest, dass trotz der Verlagerung des Frequenzspektrums die Rebel ihren Punch und Biss behält.
So ist in der unmittelbaren Praxis nur ein Minuspunkt anzumerken, der ins Gewicht fällt: die dann doch recht erhebliche Kopflastigkeit der Gitarre, denn die ist ein nervige Angelegenheit. Stimmstabil, mit wirklich ausgezeichnetem, harmonisch gleichmäßigem Sustain und einem toll arbeitenden Tone-Regler hat die Rebel einiges was, für sie spricht. Die Gold-Foils sind definitiv etwas Besonderes – sie kratzen am Paula-Charakter, sind aber nicht ganz so erdig und mittig, sondern offenbaren einen gewissen Biss in den höheren Frequenzlagen. Klanglich besitzt sie viele Gesichter – unverblümter Vintage funktioniert bestens und dreht man das Gain hoch, kann die Rebel mithalten und zeitgemäß klingen. Doch die Kopflastigkeit und das nicht immer ideale Spielgefühl am Hals aufgrund der Nitrocellulose mindern den Spaß nichtsdestotrotz ein wenig.