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Test: Heritage Audio 73EQ JR, 73JR Preamp, 2264JR Kompressor und Preamp

Ein amtlicher Kanalzug

29. Januar 2018

Heritage Audheritage audio moduleo

Die spanische Firma Heritage Audio hat sich zum Ziel gesetzt, mit ihrer Produktreihe den klassischen Klang der seit 1973 im Einsatz befindlichen Neve Konsolen nachzubauen. Es handelt sich tatsächlich um Klone der verschiedenen Komponenten jener klassischen Neve Konsole. Das spiegelt sich sowohl im Namen und Aussehen des Produkts wider als auch im Preis. Denn als günstig kann man die angebotenen Module nicht wirklich bezeichnen, halten sie sich doch alle so um die 1000-Euro-Marke auf. Im Vergleich dazu kosten die „Original-Klone“ von AMS-Neve, die ebenfalls EQ, Preamp und Kompressor für das 500er System anbieten nicht erheblich viel mehr.

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Denn es handelt sich bei den Testobjekten um Einschubkassetten für ein API 500er System, auch „Lunchbox“ genannt. Heritage Audio bietet auch passende 500er Racks an, die Teil des anderen Testberichtes auf Amazona.de sind.

Ein voller Kanalzug Heritage Audio

Alle drei zusammen

Um dem Test etwas näher an die Praxis zu binden, habe ich mir mit den drei Modulen einen kompletten Kanalzug zusammengestellt, bestehend aus 73JR Preamp, 2264JR Kompressor und 73EQ JR Equalizer. Da der Kompressor über ein Highpass-Filter in der Sidechain verfügt, ist mir die Reihenfolge lieber. Denn naturgemäß gehen mit einer Kompression immer Höhenanteile verloren, die man dann mit einem EQ wieder aufholen kann. Hardwaretechnisch gibt es, bis auf eine Ausnahme (siehe 73EQ JR), nichts zu meckern. Die Kassetten sind robust und die Frontplatte hat eine Dicke von über 0,5 cm. Die gerasterten Potis rasten allesamt satt ein und auch die Schalter vermitteln einen wertigen Eindruck bei Betätigung. Allerdings „tanzen“ die Schalterkappen ein wenig auf der Frontplatte. Zunächst möchte einmal kurz jeden der Kandidaten vorstellen.

73JR Preamp

Mit allen notwendigen Mitteln ausgestattet, präsentiert sich der Preamp schnörkellos im Konsolendesign, das auch aufgrund der Potiknöpfe echten Vintage-Charme versprüht. Es gibt einen Gain-Regler, der die Verstärkung von 30 dB bis 80(!) dB in 5 dB Rasterungen einstellt. Mit dem Output-Regler kann man das Signal dann genau auf die nächste Stufe abstimmen. Dabei fehlt keiner der üblichen Verdächtigen: Highpass-Rumpelfilter, ein PAD, um das Eingangssignal vor der Verstärkung um 20 dB abzusenken, eine Phasenumkehr sowie die Wahl des generellen Eingangspegels (Line bzw. Mic/D.I.) und der Schalter, mit dem die Eingangsimpedanz für Mikrofone von 1200 Ohm auf 300 Ohm herabgesetzt wird. Das ist vor allem für ältere niederohmige und Bändchenmikrofone von Interesse. Der Schalter für die 48 Volt Phantomspeisung ist nach der Aktivierung beleuchtet. Beinahe selbstverständlich ist die Verwendung von Ein- und Ausgangsübertragern und ein rein diskreter Signalpfad in Class A.

Heritage Audio 73 JR Preamp

Mit einem Frequenzgang von 20 Hz (+0,3 dB ) bis 20 kHz (-0,2 dB) und THD-Werten von weniger als 0,025% bei 1 kHz und weniger als 0,05% bei 100 Hz ist man wohl auf der sicheren Seite. Auch der maximale Ausgangspegel von 26 dBu ist mehr als ausreichend.

73EQ JR

Auch der 73EQ JR ist komplett trafosymmetriert und teilt sich THD und Ausgangspegelwerte mit dem 73JR Preamp. Die EQs arbeiten nach dem Shelf- bzw. Peak-Prinzip. Zur Verfügung stehen Bass Shelf (220, 110, 60 und 35 Hz), Mid Peak Band (7,2, 4,8, 3,2, 1,6, 0,7, 0,36 kHz) und High Shelf (10, 12, 16 und 20 kHz). Die beiden Shelf-Bänder sind in der bekannten aktiven Baxandall-Schaltung ausgeführt, das Mittenband als ein Spulen-basiertes Filter, ähnlich wie in einem Pultec-EQ. Dabei ist der gleiche Line-Preamp eingebaut wie im 73JR Modul, so dass kein eigener Vorverstärker benötigt wird. Dieser Line-Preamp kann Signale noch mal um 6 dB verstärken.

Heritage Audio 73EQ JR Equalizer

Um einfache A/B-Vergleiche machen zu können, verfügt der 73EQ JR noch über einen EQL In Schalter. Alle Bedienelemente des EQs sind als Doppelachsendrehschalter ausgeführt, wobei die Krampe die Frequenz und der Hut den Hub bzw. die Senkung einstellt. Um Einstellungen einfacher wiederherzustellen, sind beide Bereiche gerastert. Man kann so zwar nicht alle Werte kontinuierlich verstellen, bekommt aber den Vorteil der Reproduzierbarkeit. Beim Test fiel mir auf, dass die Drehschalter über Gebühr wackelten – fand ich nicht so schön.

2264JR Kompressor, Preamp

Der Letzte im Bunde ist der 2264JR, der ebenfalls auf dem Neve-Vorbild beruht. Nicht nur dadurch, dass er ein großes beleuchtetes VU-Meter beherbergt, ist er auch doppelt so breit wie die beiden anderen Module. Es handelt sich nämlich um ein Kombimodul, das sowohl den Kompressor als auch den 1073 Preamp beinhaltet. Dazu belegt das Modul von Heritage Audio zwei Lunchbox-Slots, um den verschiedenen Möglichkeiten gerecht zu werden. Der direkte Line-Eingang zum Kompressor führt über den linken Slot-Eingang, der für den Mic-Preamp über den rechten. Beide teilen sich als Ausgang den linken Ausgangs-Slot. Allerdings verfügt der Preamp lediglich über eine zuschaltbare Phantomspeisung, kein Pad, keine Phasenumkehr oder ähnliches. Dabei ist festzuhalten, dass bei der Benutzung des Mikrofoneingangs der Kompressor außen vor bleibt.

Heritage Audio 2264 JR Kompressor/Preamp

Und es gibt noch einen wichtigen Unterschied zum Original. Der 2264JR von Heritage Audio bietet keine extra Einstellungen für den Limiter. Dieser ist sowohl im Original als auch in der aktuellen AMS-Neve-Version vorhanden und kann unabhängig vom Kompressor aktiviert und eingestellt werden.

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Doch nun weiter mit dem Kompressor, der auf der originalen Neve Dioden-Brücken-Schaltung beruht und ebenfalls einen rein diskreten Class A Signalpfad besitzt, inklusive Übertragern am Ein- und Ausgang und den Zwischenstufen. Damit Basssignale den Kompressor nicht in unerwünschtes Pumpen bringen, gibt es ein festes Highpass-Filter in der Sidechain, das bei Bedarf aktiviert werden kann. Die Attackzeit kennt nur zwei Einstellungen: fast und slow. Wenn der Hersteller wie angegeben die gleichen Werte des Originals verwendet, sind das 3 ms respektive 10 ms. Dyn nimmt den Kompressor ganz aus dem Signalpfad. Hinter Link verbirgt sich, wenig überraschend, eine Koppelungsfunktion für mehrere 2264JR über den LINK-Bus der Lunchbox.

Die restlichen Werte werden über die gerasterten Drehschalter eingestellt. Recovery, also Release-Zeit, gibt es in vier festen Längen: 100, 400, 800 und 1500 ms. Und in zwei automatischen Versionen: A1 und A2. Diese variieren die Recovery programmabhängig in einem Bereich von 100 ms bis 2 s (A1) oder 50 ms bis 5 s (A2).

Das große VU-Meter zeigt die Pegelreduktion an

Der Threshold kann von -12 bis +12 dBu verstellt werden. Das Eingangssignal sollte also nicht zu leise sein, sonst kommt der 2264JR nicht recht ans Arbeiten. Gain Makeup hübscht den Ausgangspegel in 10 Schritten um bis zu 20 dBu auf. Der Ratio-Regler hat dabei eine doppelte Beschriftung. Einmal für den Einsatz als Mic-Preamp, ein anderes Mal als Ratio für den Kompressor. Diese geht von sehr moderaten 1,5:1 über 2:1, 3:1 4:1 und 6:1 in die „härteren“ Regionen. Und obwohl der Limiter nicht wie Original einzeln einstellbar ist, hat man wenigstens mit der Ratio-Einstellung LIM die Möglichkeit, den Kompressor als Limiter mit einer hohen Ratio zu nutzen (wie hoch genau, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, aber vermutlich etwas zwischen 20:1 und 100:1).

Bedienung

Die Beschriftungen und Belegungen der einzelnen Elemente folgen der Konsolenvorgabe und können auf den ersten Blick tatsächlich etwas verwirrend sein, vor allem wenn es sich um ein Doppelachsendrehschalter handelt. Das wird noch erschwert dadurch, dass bei den Modulen 73JR und 73EQ JR, die Farbe Weiß für Pegel steht; beim 2264JR ist es jedoch die Farbe Orange, die Markierungen für den Pegel angibt. Ansonsten liegen die Bedienelemente ausreichend entfernt voneinander und versehentliches Verstellen ist durch die gerasterten Drehschalter nicht möglich.

Die muss man sich vorknöpfen – Drehschalter der Heritage Module

Einsatz

Wie in der Einleitung erwähnt, habe ich alle drei Geräte in Serie geschaltet, um so einen kompletten Kanalzug Preamp – Kompressor – EQ zu realisieren. Das würde auch der Konfiguration beim Tracking entsprechen, nimmt man gleich mit EQ und Kompression auf. Was sofort auffällt, wenn man die Geräte so hintereinander schaltet: Es ist deutlich ein Grundrauschen zu vernehmen. Dieses ist je nach Anwendung unerheblich, kann aber bei der Arbeit mit sehr leisen oder dynamischen Klangquellen schon ins Gewicht fallen. Arbeiten im Rock/Pop/HipHop-Alltag sind davon jedoch nicht betroffen. Für Klassikaufnahmen würde es da schon brenzliger werden.

Ich habe mal wieder mein Arsenal an Klangerzeugern ausgepackt, um den Heritage Audio Kanalzug möglichst zu fordern. Darunter auch wieder die niederohmige Les Paul Professional, aber auch einen Moog und einen Roland Synthesizer. Selbstverständlich wurde auch eine Snare aufgenommen und ein E-Bass komprimiert. Alles zu hören in den Klangbeispielen.

Klang

Da es sich explizit um Nachbauten der originalen Neve Geräte handelt, verwundert es nicht, dass es nach Neve klingt. Alles andere wäre wohl auch nur mit „Thema verfehlt“ zu bezeichnen. Der Preamp ist durch die Impedanzumschaltung flexibel und die Auflösung klar und durchsetzungsfähig. Die Höhen bekommen keinen extra Feinschliff, sondern sind einfach da, wo sie hingehören. Die Mitten sind zugleich straff, schmiegen sich an den Rändern aber perfekt an die Höhen und die Bässe. Gerade die Bässe klingen sehr vintage. Wem das zu viel ist, aktiviert das HP-Filter, das ein moderneres Klangbild ermöglicht.

Der 2264 JR Kompressor benötigt zwei Lunchbox Slots und kann mit anderen Geräten verlinkt werden

Dem EQ könnte ich beim Verstellen stundenlang zuhören, fast schade, dass man ihn letztendlich nur jeweils in einer Position benutzt. Wie er die Frequenzen verbiegt, ohne dabei aufdringlich zu sein, kann besonders gut in den Soundbeispielen Channel J6 73EQ ff. hören. Die Bedienung ist nach kurzer Zeit kein Problem mehr, auch für „ungeübte“ Neve Benutzer.

Der Kompressor ist das dickste Teil und schlägt sich auch durch dick und dünn. Er kann sehr behutsam eingreifen, aber die weiten Regelbereiche sorgen dafür, dass man ihn auch richtig plakativ einsetzen kann, siehe Soundbeispiel Channel EBass 2264 JR Slow Attack. Natürlich wäre ein Threshold-Range von mehr als 24 dB schon wünschenswert gewesen.

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Fazit

Das Fazit muss eigentlich durchweg positiv ausfallen. Bis auf kleine Einschränkungen: Die Regler beim EQ, die nicht ganz gerade sitzenden Druckknöpfe, die eingeschränkte Threshold-Range. Aber das ist in Anbetracht des Klangs eher nebensächlich. Zur Bewertung muss allerdings dazugehören, dass sich die Hertitage-Module preislich nur unerheblich von den aktuellen Originalproduktionen von AMS-Neve unterscheiden. Aber hier bekommt man dennoch sehr viel Klang für das Geld.

Das einzige, das die Heritage Audio Module nicht haben, ist die Routing-Konfiguration der AMS-Neve-Kassetten. Bei diesen ist es nämlich möglich, den 2264 Kompressor und den EQ in den Signalweg des Preamps einzuschleifen, so dass die verschiedenen Wandlungen mittels Übertrager umgangen werden können und man einen Signalweg wie in den Originalkonsolen erhält. Hätte Heritage Audio bei seiner 500er JR-Serie das auch noch vollbracht, gäbe es ein sehr gut. So reicht es aber immer noch zu einem hervorragendem gut ohne Abstriche.

Plus

  • amtlicher Neve Klang
  • robust verarbeitet
  • trafosymmetriert
  • Kompressor 2264JR mit anderen verlinkbar

Minus

  • Kassetten können nicht „ineinandergeschaltet“ werden
  • Kompressor bietet keine eigene Einstellungen für Limiter
  • EQ-Potis wackeln

Preis

  • Ladenpreise:
  • Heritage Audio 73JR Preamp: 899,- Euro
  • Heritage Audio 73EQ JR Equalizer: 949,- Euro
  • Heritage Audio 2264JR Kompressor und Preamp: 1299,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Sex in the Tonstudio, sieht einfach genial aus und klingt sicher auch sehr gut. Für den erfolgreichen Produzenten der Neuzeit sicher eine Investition wert. Gäbe es davon eine Studioleiche die ohne Funktion ist und billig zu haben, jaaaa das würde ich mir als Gag da rein stellen. Jedoch in Echt leider zu dekadent, also unnötig in Ruin getrieben.

  2. Profilbild
    AMAZONA Archiv

    Ein schöner knackiger kurzer Testbericht. Angesichts der Vielzahl an Studioequipment und Herstellern würde ich es begrüßen, wenn man mehr solcher Berichte hier bei Amazona lesen könnte.

    Die Heritageprodukte wissen sicher zu überzeugen, aber der Klang und das Spiel an den Reglern hat mich zum Kauf anderer Produkte bewogen. Für mich sind die Tiefmitten etwas zu überzeichnet. Ich habe mich daher für API und Electrodyne Hardware entschieden, die ihre Vor- und Nachteile untereinander sehr gut ausgleichen.

    Wie immer ist das alles sehr subjektiv und ich möchte Heritage nicht schlecht reden.

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