Muss es immer Gibson sein?
Nachdem sich Gibson ja mit der Qualität ihrer Gitarren momentan nicht gerade mit Ruhm bekleckert, ist es durchaus legitim, sich nach adäquaten Alternativen umzuschauen. Besonders die Les Paul ist ja nach wie vor eines der gefragtesten Instrumente am Markt und die im folgenden Artikel besprochene Heritage Guitar H-150 OSB hat ja auch ihre Wurzeln mehr oder weniger bei Gibson. Heritage Guitars entstand Mitte der 80er-Jahre durch ein paar der wichtigsten Mitarbeiter von Gibson, die den Umzug der Firma vom Kalamazoo bis nach Nashville nicht auf sich nehmen wollten und sich fortan in einem kleinen Teil der ehemaligen Produktionsstätte einrichteten.
Obwohl der überwiegende Teil der Instrumente von Heritage Guitars auf den bekannten Designs der Gitarren von Gibson basieren, entstanden in den frühen Jahren auch Kopien der Fender Strat und der Telecaster. Die hier getestete H-150 OSB ist jedoch eine reinrassige Les Paul – zum großen Teil in Handarbeit hergestellt und preislich betrachtet daher im selben Bereich angesiedelt, wie es die Originale von Gibson sind.
Heritage Guitar H-150 OSB – Facts & Features
Ausgeliefert wird die Heritage Guitar H-150 OSB in einem hochwertigen Form-Case, was man bei einem Preis von deutlich über 2500,- Euro auch erwarten kann. Abgesehen von der Form der Kopfplatte gibt es rein optisch betrachtet zur Gibson Les Paul keinerlei Unterschiede festzustellen und auch beim Betrachten der Spezifikationen des Instruments ändert sich das nicht. So besteht der Korpus aus einem dicken Stück einteiligen Mahagoni, auf das eine ebenso massive Ahorndecke aufgeleimt wurde. Unser Testinstrument besitzt ein Finish mit der Bezeichnung „Original Sunburst“, zu bekommen ist die Heritage-Paula darüber hinaus noch in den Farben „Dirty Lemon Burst“, als Gold-Top, in „Vintage Cherry Burst“ sowie in Schwarz mit der Bezeichnung „Ebony“. Die Preise der einzelnen Modelle sind dabei identisch, um genau zu sein, muss man 2633,- Euro über den Tresen schieben, um die Gitarre mitnehmen zu können. Das entspricht in etwa dem Kurs, der auch für eine Standard-Paula aus dem Hause Gibson aufgerufen wird.
Ein cremiges Weiß ist die Farbe der Wahl für das Binding der Decke, des Pickguards, für die Rahmen der Pickups, den Dreiwege-Toggle und auch für das Panel an der Unterseite, in das die Klinkenbuchse eingesetzt wurde. Lediglich die vier Regler setzen sich durch ihre goldfarbenen Knöpfe davon ab. Der Korpus besitzt keine Hohlkammern („Weight Relief“), sodass man hier wieder ein ordentlich schweres Stück E-Gitarre in den Händen hält, auch darin besteht kein Unterschied zu den (nicht gekammerten) Modellen von Gibson.
Eingeleimter Hals aus Mahagoni
Weiter geht es mit alten Bekannten. Der eingeleimte Hals der Heritage besteht, man ahnt es bereits, aus einem Stück Mahagoni. Er besitzt ein aufgeleimtes Griffbrett mit 12″ Radius aus Palisander (Dalbergia latifolia), in das Trapez-Inlays aus hochwertigem Perlmutt eingesetzt wurden. An den Rändern des Griffbretts finden wir erneut die Farbe Cremeweiß in Form eines Bindings, das die 22 sauber eingesetzten und vorbildlich abgerichteten Bundstäbchen im Medium-Jumbo-Format umschließt. Das Standard-Halsprofil lässt sich gut bespielen und würde sich sicher noch besser bespielen lassen – wenn man es mit einem anderen Lack überzogen hätte. Die Zusammensetzung der aufgebrachten Nitrozelluloselackierung schützt den Korpus und den Hals sicher ausreichend, allerdings neigt die Halsrückseite deutlich zu unangenehmem Ankleben der Greifhand und das natürlich besonders, wenn es mal etwas feuchter zugehen sollte. Auch das ist bei Instrumenten von Gibson oft nicht anders, manch einer hat sich daran gewöhnt, einige andere werden es hingegen nie können, mich eingeschlossen.
Unser Blick wandert weiter hoch in Richtung Kopfplatte, über deren Design man sich sicherlich streiten kann. Sie wurde schwarz lackiert, trägt den Firmenschriftzug und bietet unter einer Abdeckung aus Kunststoff den Zugang zum Halseinstellstab. Die dort montierten Mechaniken stammen aus dem Hause Grover und sind von erstklassiger Qualität. Sie ermöglichen ein enorm präzises Stimmen ohne jegliches Spiel auf ihren Achsen, Probleme mit dem Halten der Stimmung ist der Heritage Guitar H-150 OSB ohnehin fremd, während des Testzeitraums gab es diesbezüglich rein gar nichts zu beanstanden.
Pickups und Hardware
Bei den Tonabnehmern gibt es dann doch noch einen eklatanten Unterschied zu den Paulas aus dem Hause Gibson, die ja mit Pickups aus eigenem Hause ausgestattet werden. Die Heritage Guitar H-150 OSB besitzt hingegen einen Satz Seymour Duncans, sowohl am Steg als auch am Hals wurde das Modell „59“ unter einer Blechkappe eingesetzt. Die Schaltung bietet keine Überraschungen, ein Dreiwege-Toggle an bekannter Stelle sowie je ein Volume- und Tone-Regler für jeden der Duncans bestimmen das Bild. Eine Singlecoil-Schaltung gibt es nicht, somit stehen dem Benutzer die klassischen Optionen einer Les Paul, nämlich Hals-Pickup, beide Pickups oder Steg-Humbucker zur Verfügung. Die Qualität des Schalters und die der vier Regler können jedoch überzeugen.
Blieben noch die Brücke und das Tailpiece als Hardware zu erwähnen. Hier kommt eine Kombination von Tone Pros zum Einsatz, die sauber in die Decke eingesetzt wurde.
Die H-150 OSB in der Praxis
Akustischer Grundsound und Handling
Nun, wie klingt eine Les Paul? Ich würde sagen, die H-150 OSB überzeugt mit den gleichen Attributen, mit denen uns auch die Paulas aus dem Hause Gibson seit Jahrzehnten faszinieren. Der Grundsound ist ungemein druckvoll und von einem satten Sustain geprägt, hinzu kommt ein überbetontes Mittenbild, was für eine gute Durchsetzungskraft ja von großer Bedeutung ist. Über die Bespielbarkeit des an sich sehr schlanken Halses habe ich ja bereits berichtet, wirklich schade, dass seine lackierte Rückseite der Greifhand nicht gerade entgegenkommt. Musiker, die die H-150 OSB etwa für erdigen Blues oder Classic-Rock einsetzen möchten und sich ohnehin bereits an das Bespielen solcher Oberflächen gewöhnt haben, werden von diesem Problem vielleicht noch nicht einmal Kenntnis nehmen. Der ausgewiesene Flitzefinger wird diesen Punkt ganz sicher bemängeln und vermutlich eher Abstand von der Gitarre nehmen. Aber welcher Flitzefinger spielt schon eine Les Paul?
Elektrischer Sound
Der durchaus überzeugende akustische Grundsound der Konstruktion wird von den beiden ’59 Duncans ausreichend an den Amp weitergetragen. Obwohl man sich etwas mehr Höhen im Klangbild wünschte, die beiden Humbucker fügen dem sowieso schon mittenlastigen Klang noch eine Portion Mitten hinzu. Das beste Bild geben sie bei den Crunchsounds ab, bei höherer Verzerrung treten nämlich Nebengeräusche in Form von Brummen auf, die das Klangerlebnis doch deutlich schmälern. Mir persönlich gefallen allerdings die Original-PAFs aus dem Hause Gibson ein Stück besser, besitzen sie doch den gewissen „Vintage-Schmatz“, der hier nicht besonders gut zur Geltung kommt. Obwohl die Schaltung nicht besonders flexibel ist, bieten die Duncans dennoch ein breites Einsatzspektrum, da sie auch beim Absenken der Volume-Regler kaum Einbußen in puncto Dynamik und Frequenzspektrum offenbaren. Das macht die Sache vor allem für die Spieler interessant, die Wert auf eine gute Interaktion zwischen Gitarre und angeschlossenem Amp legen.
Heritage Guitar H-150 OSB – Klangbeispiele
Für die Klangbeispiele habe ich die H-150 OSB an einen Mesa/Boogie Studio 22+ Combo angeschlossen. Vor dem Amp wurde ein AKG C3000 Mikrofon platziert, ehe das Signal mit Logic Audio ohne weitere Effekte aufgenommen wurde.
Müssen es immer Anglizismen sein?
Eine Gitarre hat keine Brücke, sondern einen Steg.
Anstatt PUs würde ich lieber TA benützen füt Tonabnehmer.
@pootnik „Brücke“ ist kein Anglizismus.
Das englische Wort „bridge“ lässt sich übrigens sowohl mit Steg als auch mit Brücke übersetzen.
Man kann es mit der Sprachkorrektheit auch übertreiben.
Jeder Mensch weiß auf Anhieb, was mit PU gemeint ist, bei TA muss man doch nochmal nachfragen, weil vollkommen ungebräuchlich.
@pootnik Weil ich gerade beim Thema war…
wie würdest du politisch korrekt „Aftertouch“ übersetzen?
My lovely mister singing club!
Weil mir das keine Ruhe liess, habe ich eben doch noch mal in England angerufen:
1. Ja, es regnet immer noch, und es ist sehr neblig dort.
2. Bridge hat mit ’ner Gitarre überhaupt nix zu tun, es ist vielmehr ein dröges Kartenspiel für Witwen ab 80 Jahren, die nur einen Grund suchen, sich Pfefferminzliköre reinzuziehen.
3. Angesprochen auf die Übersetzungs-Problematik wurde mir glaubhaft zugesagt, daß der Begriff „Aftertouch“ zeitnah in „Later Contact“ abgeändert werden soll.
Ansonsten:
Danke an Stephan für den Testbericht.
Auch, wenn mich so etwas nicht vom Kauf abhalten würde, finde ich es denkwürdig, daß es immer noch so oft „klebrige“ Halslackierungen gibt. Muss ja nicht so sein…
Wie dem auch sei, hier ein Gesangsstück für Gottfried, wenn man mal die Anglizismen weglässt.
https://bit.ly/3hb0nUM