Der neue Alleskönner aus der Black Spirit Serie!
Es gibt immer wieder Themen, die nicht eindeutig zu betrachten sind. Eins dieser Themen ist die allgemeine Abkehr von der klassischen Klangerzeugung eines Vollröhrenamps hin zum kleiner-leichter-mehr Sounds Modeler/Sampler. Ich will gar nicht das große Fass des besseren Klangs aufmachen, diese Runde ist ohnehin schon lange entschieden, Fakt ist aber auch, dass Transportabilität in Zeiten immer stärker schrumpfender Gagen ein wichtiger Faktor geworden ist. Den Verstärker als Tragetasche, die Gitarre im Gigbag, evtl. ein paar wenige Pedale plus Bühnengarderobe in einen Trolley, fertig ist die Anreise per ÖNV. Der aktuelle Trend lässt den Verstärker auf den Boden gleiten, der aktuelle „heiße Scheiß“ heißt Floor-Amp, womit wir bei unserem heutigen Testkandidaten, dem Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor, angekommen sind.
Das Konzept des Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor
Die Gitarristenwelt ist uneins. Unterhalb der Profiliga, wo bei Tourneen mit eigener Produktion ohnehin alles von Technikern transportiert und verwaltet wird, möchte eigentlich niemand mehr die massiven Vollröhren-Heads, am besten noch im Heavy-Duty-Flightcase in die Hand nehmen, wäre da nicht der meist um Klassen bessere Sound. Die Modeler trumpfen hingegen mit internen Effekten und großer Soundvielfalt auf, leiden aber nach wie vor im A/B-Vergleich unter der geringeren Soundqualität. P.S. Das Argument „das hört der Zuschauer live ohnehin nicht“ lasse ich nicht gelten.
Sich dieses Umstandes bewusst, hat Hughes & Kettner vor einiger Zeit die Black Spirit Serie als Head und als Combo herausgebracht. Beide Produkte wurden bereits für AMAZONA.de getestet, die schaltungstechnischen und klanglichen Besonderheiten sind in beiden Artikeln ausführlich dokumentiert. In diesem Test soll es vielmehr um die Unterschiede der bisherigen Modelle zum Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor gehen.
Die Unterschiede des Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor zum Head/Combo
Fangen wir zunächst mit dem Offensichtlichen an. Die Tatsache, dass der Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor als Flooramp ausgeführt wurde, beinhaltet den Vorteil, dass der MIDI-Fußschalter, der bei der Head- bzw. der Comboausführung zusätzlich erworben werden muss, bei diesem Amp gleich mit verbaut wurde. Dies bedeutet weniger Kabelage und weniger Transportvolumen. Außerdem kann man über einen Schalter an der Seite neben den bekannten Preset- und Stompbox-Modi einen weiteren Modus namens „Direct 7“ wählen. In diesem Modus lassen sich die sieben wichtigsten Sounds, die man während einer Show benötigt, auf die sieben einzelnen Druckschalter legen. Eine sehr sinnvolle Zusatzfunktion!
Mit den Abmessungen von 450 x 445 x 290 mm (B x H x T) verfügt der Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor über den Platzbedarf eines ambitionierten Notebooks und lässt sich sehr leicht in entsprechenden Backpacks oder Transportaschen transportieren. H&K hat für eben diese Zwecke auch eine gepolsterte Tragetasche im Angebot. Mit einem Gewicht von 4,1 kg ist der Amp um ca. 600 g schwerer als die Head Ausführung, was dem integrierten Fußschalter geschuldet ist.
Wie bei allen Flooramps muss auch Hughes & Kettner einen Kompromiss in Sachen Schutz der Regler und Transportabilität eingehen. Die insgesamt 10 Regler plus einem Drehschalter stehen trotz der versenkten Platzierung leicht nach oben hervor und laufen so natürlich eher Gefahr, durch grobe Fußarbeit unbeabsichtigt verdreht, verschmutzt oder beschädigt zu werden. Würde man allerdings alle Regler entsprechend versenken, würden die Abmessungen und das Gewicht des Amps deutlich zunehmen, was auch nicht im Sinne des Users sein dürfte, von daher erscheint die gewählte Variante ein praxisgerechter Kompromiss.
Etwas gewöhnungsbedürftig gestaltet sich die Tatsache, dass die Bedienungselemente im direkten Vergleich zur Head- und der Combo-Ausführung spiegelverkehrt angeordnet wurden. Sollte man Erfahrungswerte mit den beiden Protagonisten haben, nicht wundern, wenn man die Gesamtlautstärke verändern möchte und stattdessen am Verzerrungsgrad herumschraubt. Im Prinzip wurde der Amp aus der Head-Entwicklung übernommen und für den Floor-Betrieb gedreht. Dies spart Entwicklungsarbeit und -zeit. Das Gehirn braucht allerdings nur einen kurzen Zeitraum, um sich an die Tatsache zu gewöhnen und da der Input an der Seite des Gehäuses angebracht wurde, läuft man auch nicht Gefahr, die Gitarre versehentlich in den Kopfhörerausgang zu stecken.
Zwei weitere, sehr sinnvolle Weiterentwicklungen befinden sich auf der Rückseite des Gerätes. Mir persönlich hat es insbesondere der zweite Lautsprecherausgang angetan. Da die Head-Variante nur über einen Lautsprecherausgang verfügt, konnte ich bisher auf der Bühne immer nur ein Cabinet anschließen. diese Einschränkung ist mit der Floor-Variante nun mehr auch Geschichte, 8 Speaker atmen halt doch ganz anders als „nur“ 4. Nach wie vor können nur Cabinets mit einer Gesamtimpedanz von 8 bis 16 Ohm angeschlossen werden, bei zwei Cabinets mit nur 8 Ohm ist demnach Vorsicht geboten! Im Übrigen, die Wahrscheinlichkeit, dass man einmal die maximale Leistung von 200 Watt des Amps voll ausfährt, liegt selbst bei Open-Air-Bühnen von Wacken Ausmaßen nahe null, man sollte aber sicherheitshalber darauf achten, dass man zumindest 4x 60 Watt oder 8x 30 Watt Speaker verbaut hat, um dem Schwingspulentod vorzubeugen.
Eine weitere Neuerung ist der Monitor-Input, der als XLR ausgeführt wurde. Mittels eines kleinen Drehreglers unterhalb der Buchse kann man stufenlos das Mischverhältnis zwischen Gitarrensignal und Monitorsignal einstellen. Auf einen externen Mischer für das persönliche Inear-Signal kann daher in vielen Fällen verzichtet werden, insbesondere wenn man die Red Box als Ausgangssignal verwendet.
Die eigentliche Sensation des Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor befindet sich jedoch auf der linken Seite des Gehäuses. Viele Gitarristen haben im Laufe ihres Lebens einige externe Zerrpedale lieben gelernt, die sie gerne in ihr Amp-Setup integrieren würden. Für genau diesen Zweck hat Hughes & Kettner nunmehr zwei Pre-Loops in dem Verstärker verbaut, die genau für diese Zwecke ausgelegt worden. Die Loops liegen vor der Vorstufe, sind voll programmierbar für alle Sounds und werden auf einen echten Stand-by geschaltet, wenn sie aus der Signalkette herau genommen werden. Da diese Funktion auch mit dem seriellen FX-Loop auf der Rückseite des Gehäuses umgesetzt werden kann, potenzieren sich die Variationsmöglichkeiten bezüglich der Verwendung externer Pedale nahezu ins Grenzenlose.
Natürlich verfügt der Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor auch wieder über eine eigene iPad App, mit der man die bisher gespeicherten Sounds der Head- und Combovariante importieren kann. Die App kann auch weiterhin als Remote-Control verwendet werden, wenn der Amp nicht auf der Bühne stehen soll bzw. stehen muss.
Die Praxis
Da der technische Aufbau des Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor mit der Head- und Combovariante identisch ist, ist auch der Klang der Verstärker identisch. In den oben genannten Tests ist der Klang ausführlich beschrieben und bedarf keiner weiteren Erläuterungen. Na wie vor, mit einem Wort, insbesondere im Bezug auf das Preis-Leistungs-Verhältnis: fantastisch! Im Zusammenspiel mit den Preloopes setzt der Amp noch mal einen oben drauf, allein um diese Wechselwirkung aufzuzählen, würde es drei Testberichte bedürfen. Ein Tipp vorneweg, noch nie war es so wichtig, die Regler Gain und Volume am Zerrpedal mit dem Gain-Regler des Amps abzustimmen. Was allein ein hochwertiges Distortion-Pedal vor dem cleanen Kanal mit den unterschiedlichen Einstellungen dieser Regler für eine Variationsbreite bietet, ist atemberaubend!
Dass der Hughes & Kettner Black Spirit 200 Floor bereits jetzt innerhalb der schon sehr erfolgreichen Black Spirit Serie in Sachen Umsatz nochmals einen oben drauf setzt, zeigt die Tatsache, dass auch die zweite Charge, die aus China geliefert wurde, binnen kürzester Zeit ausverkauft war und die Lieferzeit sich aktuell erneut zwischen 7 und 8 Wochen bewegt. Es ist allerdings auch sehr selten, dass ein Produkt dermaßen „komplett“ daher kommt und es schafft, sowohl im „True“- als auch im „Modeling“-Lager ordentlich zu wildern und viele User abzugreifen.
Bestimmt gut das Ding, aber es sieht so billig aus. Da Teil hat einen hohen Preis, da will man doch was schönes ?
@Zwo5eins das kann ich nicht unterschreiben. Die Verarbeitung ist hervorragend und nichts an dem Produkt wirkt plastikeresk oder minderwertig. Lass dir das Teil doch mal zuschicken und mache dir ein eigenes Bild.
Hi Axel,
soll jetzt nicht polemisch klingen!
„P.S. Das Argument „das hört der Zuschauer live ohnehin nicht“
stimmt unter Garantie, der Zuhörer hört auch nicht welche Mikros ich verwende oder mit welchem Pult ich fahre. Muss er auch nicht.
Aber wie ist es für dich als Profi-Musiker? Leidet das Spielgefühl oder lässt sich das kompensieren?
Ich bin ja ein besch… Gitarrist, aber weg vom Röhrenamp und den analogen Pedalen hat bei mir nicht funktioniert, kam einfach kein Feeling auf. Hat nicht mal für Zuhause zum Proben genügt.
Grüße Armin
@Armin Bauer Hi Armin
schwieriges Thema. Die Modeler / Sampler sind letztendlich entstanden wie damals die Keyboards. Wer wollte denn noch ein Fender Rhodes mit 70 kg oder eine B3 mit über 100 kg schleppen, wenn es doch alles in einer Plastikleiste geht. Das Feeling ist natürlich anders, aber „es hört ja keiner den Unterschied“. Für das Geld, was man mit der Plastikleiste einspart, kann man dann mehr Pyros oder andere optische Unterhaltungsprodukte einsetzen.
Die gleiche Entwicklung hat jetzt die Gitarristen ereilt. Es ist wie überall in der Gesellschaft, man will das „Große“ und „Beeindruckende“ von gestern, aber es darf nicht mehr weh tun, bzw. es ist kein Budget mehr für den Transport etc. da. Ich glaube, es muss jeder für sich selber entscheiden, inwieweit er dem Rock’n’Roll noch frönen will.
Gerade in meiner Branche wird gelogen und betrogen dass sich die Balken biegen. Gitarren, Soli, Leadvocals, Bässe, Chöre sowieso, nahezu alles außer des Schlagzeugs (einer muss ja die Backing Tracks starten) kommt vom Band (MP3 Player etc.). Es ist einfach nur noch widerwärtig …
Ich finde, die Black Spirit Serie von H&K ist ein sehr guter Kompromiss zwischen Transportabilität und Sound. Er klingt richtig gut und gibt einem ein gutes Gefühl auf der Bühne. das ist doch das Wichtigste.
@Axel Ritt Echt so schlimm ?
Ich habe da ein wenig den Bezug zu den Live-Events der letzten jahre verloren weil nicht teilgenommen.
Die technischen Möglichkeiten heute verführen aber auch zum „Betrügen“.
Damals war alles besser (?), in den Achtzigern, als ich noch aktiv als Metal-Fan unterwegs war und die Ehre hatte u. a. Dokken (George Lynch !), Iron Maiden, Judas Priest, Accept, Kiss, Metallica, Warlock, Def Leppard live erleben zu können
…und ich hoffe inbrünstig, dass da noch nicht „beschissen“ wurde.
Ansonsten hab ich meinen JCM 800 von damals noch. Inkl. völlig verhunzter, Bier getunkter 4 x 12″ Box :-)
@Joerg noch viel schlimmer als du es dir vorstellen kannst.
Selbst bei jedem größeren Metal Festival kommen 50% aller Töne vom MP3 Player …
@Axel Ritt Da kann zumindest niemand hinterher behaupten, dass die Band übel gespielt hätte. ;-)
so ist es, denn die Band hat ja erst gar nicht gespielt … :-(
@Axel Ritt Hi Axel,
danke dir für die ausführliche Antwort.
Also der Profi kommt gut damit klar, lese ich heraus.
Dein Beispiel mit dem Rhodes leuchtet ein, habe ich genau so damals erlebt. Wir haben das in der Band gegen einen DX7 getauscht, nachdem unser Keyboarder mit dem Trumm die Treppe runter gekullert war.
Grüße Armin
@Armin Bauer der große Vorteil des Black Spirit ist, dass es kein Modeler ist. Er ist ein komplett analoger Amp und interagiert auch entsprechend mit dem Künstler. Von daher ist es keine Einschränkung.