Ibanez Martin Miller Signature
Hinter dem Kürzel MM1 in der Produktbezeichnung unserer heutigen Testgitarre von Ibanez verbirgt sich der Name Martin Miller – ein junger deutscher Fusion-Gitarrist, den der Weltkonzern gleich mal unter seine Fittiche genommen und mit einer Signature-Gitarre ausgestattet hat. Die Ibanez MM1 basiert auf der noch relativ jungen AZ Serie der Japaner, sie ist in der oberen Preisklasse angesiedelt und gehört somit zur Prestige Baureihe, die ja die Speerspitze der von Ibanez erhältlichen Instrumente darstellt. Für einen Preis von rund 2500,- Euro erwarten uns mal wieder feinste Zutaten wie eine Riegelahorndecke, gerösteter Ahornhals oder die Dyna-Mix-10-Schaltung, die zehn völlig unterschiedliche Sounds bieten kann bzw. soll. Was da dran ist und was uns die Luxus-AZ sonst noch so bietet, werden wir im folgenden Artikel mal versuchen zu durchleuchten.
Ibanez MM1 – Facts & Features
Ganz so sportlich wie die legendäre RG-Serie mit ihren ausgeprägten Ecken und Kanten sieht die noch junge Ibanez AZ Serie nicht aus, obwohl man auch bei diesem Design eindeutig von einer Superstrat sprechen muss. Durch die Abrundungen der Korpusecken wirkt die Sache aber etwas homogener, fast kommen mir beim Betrachten dieses Designs Erinnerungen an die alten Superstrats von Jackson, Hamer, Charvel & Co aus den 80er Jahren in den Sinn.
Der Korpus der Ibanez MM1 ist einteilig und besteht aus afrikanischem Mahagoni, die kräftige Maserung auf der Rückseite ist unter der aufgebrachten Klarlackschicht gut zu erkennen. Dort hinten fällt auch eine tiefe Fräsung im Bereich des Halsfußes auf, die zusammen mit dem ergonomisch designten Hals-Korpus-Übergang der Greifhand beste Voraussetzungen zum Bespielen der oberen Lagen bietet. Den Rest besorgen die beiden Cutaways, die ähnlich der RG-Serie sehr weit ausgesägt wurden.
Weiterhin finden wir auf der Rückseite des Korpus die drei Öffnungen zum Erreichen der Klinkenbuchse, der Elektronik und des Vibratos. Die beiden ersten Öffnungen wurden mit versenkten Abdeckungen versehen, warum man das mit dem Vibratofach nicht genau so gemacht hat, bleibt fraglich. Nun ja, betrachten wir es als zu verzeihenden Schönheitsfehler. Zum Standard an modernen Rockgitarren ist mittlerweile die beliebte „Bierbauchfräsung“ geworden – auch hier darf sie selbstverständlich nicht fehlen.
Wir drehen die Klampfe wieder um und blicken auf eine schön dezent geriegelte Ahorndecke, die ohne ein Binding an ihren Rändern auskommt, was ich persönlich als sehr gelungen empfinde. Die Ibanez MM1 gibt es nur in einem einzigen Finish, der Hersteller beschreibt dieses als „Transparent Aqua Blue“ und in der Tat wirkt die Lackoberfläche so, als würde man auf eine fast ruhige, tiefblaue Meeresoberfläche schauen. Volle Punktzahl von meiner Seite aus für diese Optik!
Ibanez MM1 – der Hals
Mittlerweile scheint sich die Wärmebehandlung von Tonhölzern für viele Hersteller fast schon zu einem Standard zu entwickeln. Was mit Music Man begann und auch Jackson/Charvel infizierte, hat nun auch in Japan Anklang gefunden. Die Ibanez MM1 besitzt einen Hals aus geröstetem Ahorn mit einem zusätzlich aufgeleimten Griffbrett aus dem gleichen Material. Abalone-Inlays auf dem Griffbrett sowie illuminierte Dots an den Rändern sorgen gleichermaßen für eine schicke Optik und praktischen Nutzen. Die Bundierung ist perfekt gelungen, alle 24 Stäbe sitzen sauber in Reih und Glied und wurden sorgfältig an ihren Außenseiten sowie auf deren Oberflächen bearbeitet. Es wurden massive Jumbo-Frets eingesetzt, mir persönlich ist das etwas zu viel des Guten, da man es mit zunehmender Stärke der Bünde eben auch mit größeren Reibungswiderständen zu tun bekommt. Im Endeffekt ist das aber eine Frage des Geschmacks bzw. eine Frage der Zeit, bis man sich an dieses Format gewöhnt hat.
In jedem Fall intoniert die MM1 in allen Lagen auf dem Griffbrett vorbildlich und auch mit der Oktavreinheit gab es bei unserem Testinstrument keine Probleme. Ganz sauber kam sie an, auch wenn man in puncto Saitenlage sicher hätte noch etwas machen können. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Martin Miller seine Licks auch bei einer Saitenlage von 3 mm in der Oktavlage so locker abfeuern könnte. Da dürfte auch vermutlich der Compound-Radius des Halses nichts verändern, die Dicke des gerösteten Prügels variiert übrigens um 2 mm vom ersten Bund bis zur Oktavlage in Bund Nummer 12.
Ibanez MM1 – die Hardware
Feine Sachen auch hier, zumindest in der Theorie. Das auf zwei Bolzen gelagerte Vintage-Vibrato mit seinen Titanium Saitenreitern sowie die Klemmmechaniken an der Kopfplatte stammen von Gotoh, das ist ja schon mal keine ganz schlechte Adresse. Eher mau sieht es aber mit diesem System in der Praxis aus: Verstimmungen sind mehr oder weniger einzukalkulieren. Das ist sehr schade, denn rein von der Performance her betrachtet bietet die Gotoh T1802 Tremolo Bridge eigentlich gute Werte. Das System arbeitet weich und nuanciert und der Hebel lässt sich so einschrauben, dass er nach der Benutzung aus dem Aktionsradius der rechten Hand verschwindet und dabei trotzdem nicht in seiner Aufnahme im Block herum wackelt.
Ibanez MM1 – die Elektronik
Ein weiterer Markenhersteller zeigt sich bei der Elektronik bzw. den Tonabnehmern der Ibanez MM1 verantwortlich. Der US-Hersteller Seymour Duncan steuert zwei Hyperion Humbucker zur MM1 bei, die über einen Fünfwegeschalter und einen Minischalter bearbeitet werden. Diese Schaltung entstand aus der Zusammenarbeit von Ibanez und Seymour Duncan und bietet faktisch gesehen 10 Sounds – 5 mit dem Minischalter in der ersten und 5 weitere mit dem kleinen Schalter in der zweiten Position. Die erste „Ebene“ funktioniert so, wie man es von einer Superstrat aus dem Hause Ibanez gewohnt ist, in der zweiten jedoch wird nur ein Teil der Spulen angezapft, was tatsächlich zu einigen sehr interessanten Ergebnissen führt. Das folgende Diagramm zeigt die möglichen Optionen:
Die übrigen zwei Regler dürften bekannt sein, ihre Funktion entspricht den Erwartungen an ein Instrument dieser Preisklasse vollkommen. Die beiden Schalter sind übrigens auch vom gleichen hochwertigen Kaliber.
Ibanez MM1 – in der Praxis!
Wuchtig und druckvoll geht es bereits unverstärkt zur Sache, der Grundsound der MM1 strotzt nur so von Bässen, Sustain und einem knackigem Attack. Das Halsprofil kann man als recht „fleischig“ bezeichnen, in jedem Fall hat das Profil rein gar nichts mit den berühmt-berüchtigten Flachbrettern der Wizardhälse zu tun. Es ist deutlich mehr Masse vorhanden, was zweifellos einen Teil zu diesem guten Grundsound beiträgt und das Instrument daher diese guten Resonanzwerte verpasst.
Eine regelrechte Qual der Wahl überkommt den Benutzer bei der Auswahl der Sounds, die die beiden Humbucker zusammen mit der alternativen Ebene bieten. In der ersten Ebene, mit dem Minischalter in Position 1 also, erhält man genau die typischen Sounds, die eine Superstrat ausmachen. Druckvolle Humbucker-Sounds mit hoher Dynamik und Headroom vom Hyperion an Hals und Steg, in den Zwischenpositionen die Singlecoil-Sounds, hier und da etwas dünn, aber wohl nicht anders zu machen. Die zweite Ebene hingegen ist wie geschaffen für unverzerrte Sounds, durch das „Anzapfen“ der Spulen entstehen sehr interessante, neuartige Klänge, die ebenso mit einer hohen Dynamik und einem ausgeglichenen Frequenzbild glänzen. Keine Frage – das hier ist oberste Liga und man kann Ibanez und Seymour Duncan zu dem Ergebnis ihrer Arbeit nur gratulieren!
Hören wir rein in den Sound der Ibanez MM1, für die ich meinen Orange Micro Dark mit angeschlossener 1×12″ Celestion V30 Box verwendet habe. Vor der Box stand ein AKG C3000 Mikrofon, ehe das Signal in Logic aufgenommen wurde.
Fangen wir mit den Cleansounds an, zunächst ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich eine und dieselbe Stellung des Fünfwegeschalters klingen kann, wenn man den Minischalter dabei benutzt. Wir hören als erstes einen Cleansound mit der vierten Position des Fünfwegeschalters und dem Minischalter in Position 1. Danach die gleiche Stellung des Fünfwegeschalters, dann aber mit dem Minischalter in der zweiten Ebene.
Schon erstaunlich, oder? Wir erhöhen die Schlagzahl bzw. das Gain und hören im dritten Beispiel den Sound der beiden Humbucker im SC-Modus in Ebene 1.
Nun zu den High-Gain-Sounds. So richtig „shredden“ macht bei dieser unangenehm hohen Saitenlage jedoch keinen Spaß, der druckvolle und offene Klang entschädigt jedoch mehr als genug. Wir hören nacheinander den verzerrten Sound des Hals-Pickups und danach den des Hyperion am Steg, beide in Ebene 1 belassen.