Die goldene Mitte
Die Ibanez SR605E/SR606E Serie von Ibanez sind Bassgitarren erster Güte. Sie gehören zur Soundgear-Serie und sind für fortgeschrittene Bassisten ein Instrument erster Wahl. Wir haben es uns im Detail angesehen.
Inhaltsverzeichnis
Schon seit den späten 80er-Jahren stellt die Soundgear-Serie das Backbone der Produktpalette von Ibanez Bässen dar und ist seitdem eine feste Größe in der Basswelt. Die Soundgear Bässe stehen für exzellente Bespielbarkeit bei einer guten Ergonomie und geringem Gewicht und für einen durchsetzungsfähigen Sound. Es existieren Soundgear Bässe in den unterschiedlichsten Ausstattungsvarianten und Preisklassen und die charakteristische Korpusform steht mittlerweile aufgrund der weiten Verbreitung dieser Bässe schon fast stellvertretend für einen modernen Bass wie Jazz- und Precision-Bass für einen Vintage-Bass stehen.
Auch in der aktuellen Produktpalette von Ibanez sind eine riesige Vielfalt von Soundgear Bässen erhältlich, die in ihrer Ausstattung und im Preis ein breites Spektrum abdecken. Mit dem Ibanez SR605E bzw. SR606E (der sechssaitigen Variante) bedient Ibanez genau die goldene Mitte dieses Spektrums. Der SR605E liegt mit einem Preis von 889,- Euro so wie mit seiner Ausstattung im Mittelfeld der Soundgear Bässe und befindet sich an der Grenze zwischen der SR-Standard und der SR-Premium Serie.
Die Konstruktion des Ibanez SR605E bzw. SR606E
Die SR60XE-Serie besteht aus einer 4-saitigen (SR600E), einer 5-saitigen (SR605E) und einer 6-saitigen Variante (SR606E). Für den nachfolgenden Test liegen die 5- und 6-saitigen Varianten vor. Beide Testbässe haben die gleiche Ausstattung und das gleiche Finish.
Die beiden Bässe sind, wie eingangs erwähnt, klassische Stellvertreter der Ibanez Soundgear-Serie. Für diese typisch sind der abgerundete und schlanke Korpus, der keine scharfen Kanten aufweist sowie der recht schmale Hals mit der nach hinten „abgeknickten“ kleinen Kopfplatte.
Diese sorgt für genügend „Anpressdruck“ der Saiten auf den Sattel und macht somit einen Saitenniederhalter überflüssig. Die Tuner sind in den Konfigurationen 3L/2R bzw. 3L/3R angeordnet und wie die restliche Hardware in Schwarz gehalten. Optisch ansprechend ist der „Matching Headstock“-Look, der durch ein aufgebrachtes Furnier im selben Finish wie beim Korpus erzielt wird.
Der Hälse sind Soundgear typisch leicht bespielbar und verhältnismäßig schmal. Sie besitzen beide die herkömmliche Full-Scale-Mensur von 34’’/864 mm mit 24 Bünden. Die Abmaße sind beim SR605E eine Halsbreite von 45 mm am Sattel und 68 mm am 24. Bund sowie eine Dicke von 19,5 mm beim 1. Bund und 21,5 mm beim 12. Bund. Der Griffbrettradius beträgt 305 mm. Beim SR606E ist die Halsdicke identisch, die Halsbreite ist mit 54 mm am Sattel und 83 mm beim 24. Bund entsprechend breiter. Der Griffbrettradius beträgt hier 400 mm. Dadurch kommen beide Bässe auf ein String-Spacing von 16,5 mm. Das ist relativ schmal, wenn auch typisch für Soundgear Bässe. Wenn man allerdings Precision-artige Bässe gewohnt ist, sollte man bei Kaufinteresse mal ein solches String-Spacing testen. Allerdings kann ich aus eigener Erfahrung sagen, dass ich mich selbst als klassischer Preci Spieler schnell daran gewöhnen konnte und auch einen Soundgear Bass in meinem Arsenal habe, der regelmäßig gespielt wird. Der Hals ist fünfstreifig und besteht aus Jatoba und Walnuss und beim Griffbrett handelt es sich um eines aus Rosewood mit ovalen Abalone Inlays.
Der Eschekorpus ist beim fünfsaitigen Testbass zweiteilig und beim 6-saitigen Testbass dreiteilig. Er wird mit dem wohlklingenden Finish „Cosmic Blue Starburst Flat“ geliefert. Dabei handelt es sich um ein mattes Blueburst-Finish, bei dem die Maserung des Holzes durch eine Sandstrahl-Behandlung hervorgehoben wird. Dieses Finish fühlt sich wertig an und gefällt mir persönlich sehr gut. Es wirkt bei Tageslicht betrachtet plastischer, als es auf Fotos eingefangen werden kann.
Pickups und Elektronik der Bassgitarre
Ausgestattet sind die Korpusse vom Ibanez SR605E und SR606E mit zwei Nordstrand Big Break Pickups. Dabei handelt es sich um Split-Coils, die sich in einem Soapbar-Gehäuse befinden. Diese klingen im Vergleich zu Humbuckern recht offen und erweitern die klangliche Palette auch in die Vintage-Richtung.
Bei der Elektronik handelt es sich um eine aktive 3-Band Elektronik mit wählbarer Mittenfrequenz: Der Wahlschalter erlaubt die Center-Frequenz des Mittenbandes zwischen den drei Positionen 250 Hz, 450 Hz und 700 Hz zu wählen. Nach den Grafiken auf der Website lassen sich die Frequenzbänder der Bässe und Höhen um ca. 17 dB und das Mittenband um ca. 15 dB absenken oder anheben. Außerdem verfügen die Bässe selbsterklärend über je einen Volume- und einen Panorama-Regler (hier kann das Mischungsverhältnis zwischen Neck- und Bridge-Pickup bestimmt werden). Diese Elektronik erlaubt auch einen passiven Betrieb, der mithilfe eines zweiten Minischalters nahe dem Panorama-Poti geschaltet werden kann. Dabei fungiert der Höhenregler des 3-Band-Equalizers als passive Höhenblende.
Wie diese Höhenblende ausgelegt ist, stellt sich als ein kleiner Nachteil dieser Elektronik heraus: Wenn man im Passivbetrieb die Höhenblende ganz geöffnet haben will, muss der Höhenregler des EQs ganz aufgedreht werden. Die EQ-Potis verfügen über einen Rastpunkt in der Mitte und funktionieren somit als Boost/Cut. Wenn also vom Passivbetrieb in den Aktivbetrieb geschaltet wird, werden die Höhen nun aufgrund des aufgedrehten Potis maximal angehoben bzw. beim Umschalten von einem Flat-EQ auf Passivbetrieb werden die Höhen direkt abgeschnitten. Dadurch kann das Umschalten während des Spiels nicht nahtlos erfolgen. Dies ist bei anderen Schaltungen (wie z. B. in der Schaltung der EHB-Bässe von Ibanez) so gelöst, dass die Tonblende schon in Mittelstellung des Höhenpotis ganz offen ist. Dadurch kann man beispielsweise im Aktivbetrieb einen gewünschten EQ (z. B. Höhen- und Bassanhebung für einen Slap-Sound) voreinstellen und auf der Bühne „on the fly“ zu- bzw. abschalten. Das ist im Grunde genommen kein wirkliches Problem, aber nimmt etwas Flexibilität. Ein Vorteil dieser Schaltung ist nach meiner Erfahrung ganz klar, dass diese Schaltung ohne „Stacked-Potis“, also Drehregler mit quasi zwei Etagen, auskommt. Diese sind zwar platzsparend und erweitern die Einstellmöglichkeiten haben aber (zumindest nach meiner Erfahrung) auch Nachteile: Einerseits ragen sie weit aus dem Korpus heraus und das an einer Stelle, wo sie leicht beim Hineinschieben am Gig-Bag hängen bleiben können und sich mit der Zeit schnell lockern. Andererseits sind sie im Eifer des Gefechts schwerer zu erreichen oder werden versehentlich bei der Bedienung der zweiten Ebene des Potis betätigt.
Die verbaute „Accu-cast B500 Bridge“ ist massiv und ist leicht versenkt im Korpus montiert. Sie ist leicht zu justieren und robust verarbeitet. Außerdem ermöglicht sie eine Anpassung des String-Spacings von +/-1,5 mm. Das wirkt sich zwar am Griffbrett nicht so stark aus, allerdings ist der Unterschied über den Pickups spürbar und kann beim Treffen der Saiten durchaus helfen, wenn man größere String-Spacings gewohnt ist.
Lieferumfang
Beide Bässe sind ab Werk mit D’Addario EXL165 Saiten besaitet. Ansonsten liegen neben einer kleinen Bedienungsanleitung nur die obligatorischen Inbus-Schlüssel bei. Ein Gig-Bag ist im Gegensatz zur Premium-Serie nicht im Lieferumfang enthalten.
Sound des Ibanez SR605E bzw. SR606E in der Praxis
Schon beim Auspacken der Bässe fühlen sich diese gut an: Das matte Finish und die seidig anmutenden Hälse sorgen dafür, dass man die Instrumente gerne anfasst. Die Abmessungen wirken kompakt und die Bässe liegen gut in der Hand. Mit auf der Küchenwaage gemessenen Gewichten von 4,3 kg (5-Saiter) bzw. 4,4 kg (6-Saiter) handelt es sich zwar nicht um Leichtgewichte, aber durch die ergonomische Form lassen sich die Instrumente gut handhaben. Es ist erstaunlich, dass der 6-Saiter nur rund 100 g mehr wiegt als der 5-Saiter.
Die folgenden Klangbeispiele wurden über ein Universal Audio Apollo Twin Interface direkt in Ableton Live aufgenommen und sind alle unbearbeitet. Zur direkten Vergleichbarkeit wurden auf beiden Bässen jeweils ähnliche Beispiele erstellt.
Im ersten Durchgang werden die Bässe rein passiv gespielt. Dabei werden die Pickup-Kombinationen Neck, Neck+Bridge sowie Bridge durchgearbeitet, wobei die Tonblende vollständig geöffnet ist. Wird allein der Hals-Pickup gespielt, ergibt sich direkt mein Lieblingssound mit den Instrumenten. Der Split-Coil klingt schön offen und knurrig, wobei er an einen Precision Bass erinnert. Er klingt aber durchaus moderner als ein klassischer „fenderartiger“ Bass. Dies führt zu einem durchweg ausgewogenen Klangbild, was sich noch im Laufe des Tests weiter herauskristallisieren wird. In der Mittelposition des Panoramapotis klingen die Bässe mit einem schön satten Low-End, knurrigen Tiefmitten und klaren Höhen. Dabei befinden sie sich klanglich zwischen einem modernen Bass mit zwei Soapbars und einem klassischen Jazz-Bass mit zwei Single-Coils. Diese goldene Mitte zeigt sich auch bei den Bridge-Pickups: Es ist mehr Pfund im Klang als bei Single-Coils und weniger nasales Knurren sowie etwas mehr Offenheit als bei Humbuckern. Die zwei Split-Coils kommen den Soundgear Bässen wirklich zugute, was Offenheit und Vielseitigkeit im Klangbild betrifft. Ebenso harmonieren sie sehr gut mit dem Rosewood-Griffbrett und verleihen den Instrumenten dadurch eine leicht traditionelle Note.
Als nächstes werden die Bässe in den Aktivbetrieb versetzt. Beim Umschalten zwischen Aktiv- und Passivsound ist kein Lautstärkeunterschied zu vernehmen. Dabei werden zunächst die Bässe maximal verstärkt und die Höhen maximal herausgefiltert, um einen Dub-artigen Basssound zu erzielen. Weil der Preamp mit seinen EQ-Bändern sehr pegelstark arbeitet (+/-17 dB!) musste ich den Gain am Interface stark zurücknehmen. Das gefällt mir generell nicht so gut an vielen modernen Aktivschaltungen, da man den Reglerweg aufgrund der massiven Pegelunterschiede meist nicht ganz ausnutzen kann. Bei einigen Aktiv-Bässen der 80er-Jahre hingegen (z. B. auch bei den ersten Soundgear-Bässen aus Japan) sind die Pegelunterschiede der EQ-Bänder wesentlich geringer, was sie auf der Bühne sehr viel angenehmer einstellbar macht. Um die drei wählbaren Mittenbänder hörbar zu machen, wurden Bässe und Höhen ganz herausgedreht und die Mitten maximal verstärkt. Dann wurden die drei Frequenzbänder 700 Hz, 450 Hz und 250 Hz durchgeschaltet, was einmal nur beim Neck-Pickup und einmal bei beiden Pickups erfolgte.
Im Folgenden werden die Slap-Sounds untersucht. Dazu werden zunächst im Aktivbetrieb Bässe und Höhen angehoben und der Panorama-Regler in Mittelposition gebracht. Der so erzielte Slap-Sound ist knackig und modern, trägt aber trotzdem das Luftige in sich, wie man es vom Jazz Bass her kennt. Aber auch ein eher traditioneller Preci-Slap-Sound ist ohne Weiteres möglich. Dazu wird der Neck-Pickup allein angewählt und der Bass in den Passivbetrieb versetzt. Dabei wird die Tonblende ganz geöffnet. Dadurch geraten wieder die knurrigen Mitten in den Vordergrund, die für Split-Coils typisch sind.
Wieder bei den passiven Split-Coil-Sounds angekommen, bewegen wir uns auch im Fingerstyle in Richtung des traditionellen Endes der klanglichen Palette von SR605E und SR606E. Dazu schließen wir nun die Höhenblende um 50 % (im Rastpunkt des Höhenpotis) und öffnen sie dann zum Vergleich wieder. Hier offenbart sich der eingangs erwähnte Nachteil der Tonblende ebenso als Vorteil: In dieser Einstellung ergibt sich (bei neuen Saiten) ein ausgewogener passiver Neck-Pickup-Klang, während bei gänzlich offener Tonblende deutlich mehr Griffgeräusche zu vernehmen sind.
Mit der Tonblende wird sich nun auch im Bezug auf den Bridge-Pickup auseinandergesetzt: Ein einschlägiges Jazz-Thema wird einmal mit geschlossener und einmal mit halboffener Tonblende auf dem Bridge-Pickup im Passivbetrieb versucht. Der Sound des Split-Coils in Bridge-Position ist recht ausgewogen, nicht zu knochig und nicht zu bassig. Er zeigt sich auf den beiden Soundgear Bässen als sehr geeignet für Solospiel und Melodien, aber auch für das Unterstützen von Akkorden. Auch in etwas höheren Lagen in der Mitte des Griffbretts liefern beide Bässe einen tragenden, ausgewogenen Ton im Passivbetrieb mit beiden Pickups. Im Allgemeinen spiele ich diese Bässe sehr gerne passiv und verwende die Aktivelektronik gezielt für einzelne spezielle Klänge.
Auch mit Pick ist mit dem Ibanez SR605E bzw. SR606E eine große Bandbreite von Klängen möglich: Vom rockigen Klang des Neck-Pickups über einen schmatzigen Palm-Mute Pick-Sound mit beiden Pickups bishin zu einer Aggressivität im Klang, die durch das Anheben der Höhen erreicht wird.
Wenn man schon mal mit dem Ibanez SR606E einen Sechssaiter in der Hand hat, muss auch das Thema Akkordspiel kurz angerissen werden: Aufgrund des relativ engen Stringspacings von 16,5 mm lässt sich der Hals der sechssaitigen Variante immer noch gut handhaben, auch für Bassisten, die kaum Spielerfahrung mit 6-Saitern haben (zu denen ich mich auch zähle). Er ist also der ideale Bass für den Einstieg in die Welt der 6er, zumal auf ihm ein Großteil des Spektrums der Basswelt abgebildet werden kann (sowohl stilistisch als auch spieltechnisch). Im Folgenden werden zwei klangliche Möglichkeiten für akkordisches Spiel kurz vorgestellt: Bei der ersten Variante (Aktivbetrieb) liegt der Panoramaregler bei ⅓ Neck und ⅔ Bridge und der Equalizer ist flat eingestellt. Die zweite Variante bildet eine etwas weichere Version im Passivbetrieb mit beiden Pickups und einer halboffenen Tonblende.
Unterschiede zwischen Ibanez SR605E und SR606E
Beide Bässe weisen zunächst die gleichen Konstruktionsmerkmale, die gleiche Ausstattung und auch (abgesehen von der Halsbreite und der zusätzlichen Saite) die gleichen Abmessungen auf. Daher ist nicht verwunderlich, dass sie sehr ähnlich klingen. Das ist auch Zeugnis der guten Konsistenz und damit geringen Streuung innerhalb einer Modellreihe bei Ibanez. Beim genauen Studieren der Klangbeispiele fällt dennoch eine schwache Tendenz auf: Die Sechssaiter-Variante (Ibanez SR606E) wirkt eine Idee offener im Klang. Allerdings ist auch zu bedenken, dass die Saitenlage, der Abstand der Pickups und auch die Halsmaße (und damit die klanglichen Eigenschaften) leicht unterschiedlich sind. In Anbetracht dieser Variablen würde ich den klanglichen Unterschied als gering bewerten. Ebenso gering ist der Gewichtsunterschied von ca. 100 g zwischen SR605E (4,3 kg) und SR606E (4,4 kg).