Auf zu neuen Sphären
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Der Weltraum, unendliche Weiten, wir schreiben das Jahr 2022. Dies ist der Testbericht des Autors von AMAZONA.de, der mit seinem Studio-Equipment fast drei Wochen lang beschäftigt ist, das neue iCON Kondensatormikrofon mit dem Namen „Cocoon“ zu testen. iCON? Kommt Ihnen bekannt vor? Am 1. März 2022 hatte mein lieber Kollege Matthias Steinwachs schon den etwas eigenwilligen Bruder „Martian“ („Marsianer“) mit einem eher durchschnittlichen Ergebnis getestet.
Ein paar tolle Features, tolle Verarbeitung, aber beim Wichtigsten, nämlich dem Klang, hatte es ein wenig gehapert. Mal sehen, wie sich das Cocoon schlägt!
iCON ProAudio Cocoon: Technik und Ausstattung
Nun, der „Cocoon“ ist zwar preislich unter dem Martian angesiedelt, aber immerhin verfügt er über eine größere, aus reinem 999er Gold hergestellte Membran mit 35 mm (Martian = 25 mm). Wir haben beim Cocoon eine Nierencharakteristik mit einem angegebenen Frequenzgang von 20 Hz bis 20 kHz sowie einen max. SPL von beachtlichen 138 dB. Der Dynamikbereich wird mit 130 dB angegeben und die Empfindlichkeit mit 21 mV/Pa – das sind tatsächlich sehr gute Werte für das Mikrofon aus Lettland (Fertigung in China).
Seinen Namen hat das Kondensatormikrofon von seiner eigenwilligen Form, die aus dem Film Cocoon von 1985 inspiriert wurde. Hier haben sich ältere Herrschaften nachts immer wieder in einem Swimming Pool getroffen, bis sie merkten, dass sie mit jedem Bad jünger werden. Dies ist einer Gruppe von Aliens und deren Alien-Eier („Cocoons“) mit wundersamer Wirkung geschuldet. Der Film ist mit seinem 80er-Charme übrigens recht unterhaltsam.
Während der Anschluss des Mikros noch ganz klassisch ausgeführt ist, haben wir eine sich nach oben verjüngende Eiform, die unten aus weiß eloxiertem Aluminium mit goldenem iCON Logo versehen ist und oben dann über einen sehr akkurat gefertigten Membranschutz verfügt. Im Inneren dann die reingoldene Membran, die nach dem elektrostatischen Prinzip arbeitet und eine Phantomspannung von 48 V benötigt.
Verpackung des Cocoon Mikrofons
Die Verpackung des iCON ProAudio Cocoon ist eine besondere Erwähnung wert. Sollten Sie sich schon einmal eine Uhr im mittleren bis oberen Preissegment gekauft haben, dann haben Sie sich vielleicht gewundert, ob nicht alleine die Verpackung schon die Hälfte des Kaufpreises ausmacht. So geht es einem bei iCON auch: Eine sehr aufwendige und detailreich bedruckte Aluminiumdose, die unten sogar über einen gummierten Fuß verfügt.
Innen dann sauber geschnittener Schaumstoff, in den das teure Stück liebevoll eingebettet ist. Eine gedruckte Anleitung sucht man vergeblich. In der großzügigen Verpackung findet man nur eine „Begrüßungspappe mit QR-Code und der individuelle Frequenzschrieb des Mikrofons, der bis auf kleinste Welligkeiten im Bereich von 3.000 Hz sehr glatt ist. Die detaillierte Anleitung kann man sich auf der iCON ProAudio Website sogar auf (etwas holprigem) Deutsch herunterladen (PDF-Datei).
Shockmount und Poppschutz
Hier wird auch der Aufbau des Shockmounts, die Montage des Mikrofons und das Anbringen des Poppschutzes aus Metall (!!!) beschrieben. Tatsächlich fragte ich mich erst, was denn dieses blattförmige Metallstück für eine Funktion haben soll, denn die sehr dichte Metallstruktur lässt kaum Licht durch – das soll also der iCON Poppschutz sein? Nun gut, wir werden das ausprobieren.
Das Mikrofon lässt sich sicher und mit etwas Druck in die Halterung einschieben und dann „schließt man die Tür“ mit dem Poppschutz. Dabei wird dann das Cocoon auch von vorne mit zwei Stiften fixiert. Damit diese aber nicht das wertvolle Gut verkratzen, gibt es in der Verpackung ein Set kleiner Gummihülsen, die dies verhindern sollen. Da aber diese Gummiteile sehr lose sitzen, muss man immer ein Auge darauf haben, dass diese auch auf den Stiften sitzen. Und ob dieses Problems hat man gleich insgesamt sechs Stück dieser kleinen Gummiteile beigefügt, falls die kleinen Dinger wegfliegen.
Der Shockmount selber besteht ebenfalls aus Aluminium und ist sehr solide aufgebaut. Zwei Ebenen sind über insgesamt sieben elastische Bänder miteinander verbunden und sollen jeglichen Trittschall eliminieren. Zur Justage wird das ganze Gestell samt Mikrofon dann über ein fixierbares Kugelgelenk gehalten welches an einem 5/8-Gewinde endet. Eine Reduzierhülse auf 3/8 ist nicht im Lieferumfang – schade.
Da man der Sache offensichtlich nicht so ganz traut, hat man bei iCON extra ein Video produziert, das den Zusammenbau und die Montage des Mikrofons zeigt.
Das Mikrofon wiegt ohne Shockmount ganze 361 g und ist fast 15 cm lang. Der Durchmesser beträgt knapp 7 cm. Mit dem gesamten Zubehör kommen wir dann auf immerhin 630 g – somit sollte hier schon ein etwas stabilerer Mikrofonständer zum Einsatz kommen. Mein Superlux Ständer kam damit gut klar, während der günstige Millenium Ständer hier schon an seine Grenzen kommt.
- Das komplette Set
- knapp 15cm
- Kein Leichtgewicht
Zusammenfassend lässt sich sagen: Wir haben es hier mit einem toll verarbeiteten Produkt in sehr hochwertiger Verpackung zu tun. Somit ist schon sichergestellt, dass der Cocoon Käufer auf jeden Fall weiß, wo er sein schwer verdientes Geld investiert hat. Der Detailreichtum und ein geschmackvolles Design runden diesen Eindruck sehr positiv ab.
Auch die technischen Daten und der beigelegte Frequenzschrieb zeugen von einem Qualitätsprodukt. Was kann denn da klanglich schon schiefgehen?
Wie klingt das Icon Pro Audio Cocoon?
Während mich Design, Ausstattung und Verarbeitung vollends überzeugt haben, war ich doch ein wenig skeptisch ob der klanglichen Qualitäten des iCON Pro Audio Cocoon. Zunächst der eher mittelmäßige Soundtest des Kollegen und dann die schier unerträglich überproduzierten Demovideos des Herstellers (Video 1 und Video 2).
Immerhin konnte ich doch noch ein Video finden, in dem man zumindest hoffnungsvoll gestimmt wird, dass das Cocoon doch gut klingen kann.
Also dann: An mein Universal Audio Apollo X6 angeschlossen und daneben auch gleich meinen Vergleichskandidaten, das Sennheiser e865s, das vom Hersteller ebenfalls als Kondensatormikrofon für Gesang und die Abnahme beispielsweise von akustischen Gitarren geeignet sein soll. Genauso wird auch das Cocoon von iCON ProAudio beworben.
Ich habe die beiden Mikrofone übereinander platziert und dann den Text mit 5, 10 und 20 cm Abstand vorgetragen. Keine EQs, kein Reverb, keine Effekte. Nur die puren Mikrofone. Beide mit montiertem Poppschutz, wobei beim Sennheiser ein klassischer Noname Schutz zum Einsatz kam.
Test bei ca. 5 cm Abstand
Das Cocoon wirkt vollmundiger und sehr neutral, während das Sennheiser eine bessere Sprachverständlichkeit durch eine leichte Präsenzerhöhung hat.
Test bei ca. 10 cm Abstand
Hier das gleiche Ergebnis: Sehr bassstark und warm das Cocoon und eher etwas kühl und mittenbetont beim e865. Beide auf hohem Niveau.
Test bei ca. 20 cm Abstand
Der Bass beim Cocoon lässt etwas nach – trotzdem eine sehr neutrale und angenehme Abstimmung. Bei 20 cm Abstand klingt das Sennheiser im Vergleich schon recht dünn und fast grell.
Test bei ca. 10 cm Abstand ohne Poppschutz
Der Poppschutz beim Cocoon scheint sich auch auf den Präsenzbereich auszuwirken, denn nun klingt das lettische Mikrofon etwas präsenter. Allerdings merkt man seine Empfindlichkeit gegenüber Popplaute hier schon deutlich. Das Sennheiser gewinnt durch das Weglassen des Poppschutzes. Recht neutral und nur wenig präsent klingt es für mich so am besten.
Test der „S“ und „P“ Laute mit Poppschutz, 10 cm Abstand
Puh, hier ploppt es schon sehr deutlich beim Cocoon, während die Sibilanten immer noch recht neutral reproduziert werden. Dem Sennheiser merkt man seine Bühnenfokussierung an: Praktisch keine Popp-Empfindlichkeit und auch die Zischlaute werden trotz überdeutlicher Aussprache noch recht zahm wiedergegeben.
An diesem Ausschnitt von Logic X sieht man deutlich, dass das Cocoon trotz Poppschutz wesentlich mehr Luft auf die Membran lässt (oben), als das bühnenoptimierte Sennheiser (unten).
Akustische Gitarre, 30 cm vorm 12. Bund
Mit meiner Fender Newporter Akustik hören sich beide Mikrofone sehr gut an, wenn auch mit unterschiedlichem Charakter. Das Sennheiser bleibt auf der präsenten Seite und macht Saitengeräusche und Oberwellen gut hörbar, während das Cocoon hier eine ganz wunderbare Harmonie verbreitet. Mehr Tiefen, mehr Volumen und mehr den Fokus auf der Musik und nicht so sehr auf den Details.
Zusammenfassung
Mehr Schein als Sein? Nein, ich kann beim Klang des iCON ProAudio gerne eine Empfehlung aussprechen: Voluminös, warm, aber mit genügend Obertönen spielt das osteuropäische Mikrofon in meinem Studio auf. Ich mag den Klang, den ich vielleicht weniger im Podcasting einsetzen würde, sondern eher im Gesang und zur Aufnahme akustischer Instrumente. Man müsste vielleicht manchmal die Bässe etwas zurücknehmen, falls notwendig. Aber insgesamt eine sehr positive Vorstellung, wenn nicht die sehr starke Empfindlichkeit gegenüber Popplauten nicht wäre. Der sehr stylische Filter macht hier nicht den besten Job und es empfiehlt sich, evtl. einen effizienteren Filter vor das Mikrofon zu stellen.
„…osteuropäisch…“?
Jawoll – das Mikrofon wird in Lettland hergestellt.
Hallo Jörg,
Herzlichen Dank für dem interessanten Artikel, das Mikrofon hört sich ziemlich interessant an.
Lese ich aber richtig zwischen deine Sätze hindurch das eventuell der Sennheiser der bessere Wahl ist? ;-)
Noch mal vielen Dank für das Testen und viele Grüße, Garfield.
Hey Garfield – Danke Dir für das Feedback. Das Sennheiser ist sehr guter Allrounder, der aber seinen Fokus im Gesang hat, während das Cocoon universell auch besser für Instrumentenabnahme einzusetzen ist. Besser und schlechter….das ist bei Mikrofonen (wie auch bei Kopfhörern) schwer zu sagen, weil es auch mit den Eigenschaften des Nutzers abhängt.
Hey Jörg,
Okay gut zu wissen das der Sennheiser ein guten Allrounder ist mit seinen Fokus aber im Gesang.
Ich bin „gerade“ (seit mehr als einem Jahr jetzt) am herum schauen für ein (Stereo) Mikrofon aber es ist schwierig sich einer aus zu wählen, auch da ich ein sehr schönen sauberen Sound haben möchte (Aufnahme von Beckens/Cymbals aber auch andere Percussion Sounds) und die Mikrofons die wirklich gut sind, sind Sau-teuer :-(
Danke dir für die Infos! Viele Grüße, Garfield.
Kann es sein, das iCON sich ein wenig von seinem wir-können-günstig-Image emanzipieren möchte? Das scheint hier ja gut zu funktionieren. Denn wenn ich den Test nicht völlig fehlinterpretiere, hat man hier ein ordentliches Gerät in, für Studioequip-Verhältnissen, moderaten Preissphären.
Der Popschutz scheint von den Fotos her „gerade“ Löcher im Gitter zu haben. Se electronics beispielsweise bohrt die Öffnungen diagonal durchs Blech. Könnte man mal probieren.
Ich könnte mir vorstellen, dass gerade bei Aufnahme von akustischen Instrumenten der Kokon eine Gute figur macht. Ist ja nicht immer alles nur Deathmetall oder Guitaramp. Ich denke da an eine doch recht bassstarke Djembe oder die Abnahme einer Harfe oder eines Kontrabasses. Darf halt nicht zu viel „Luftdruck“ aufbauen. Beim Streamen wär mir die Rücksichtnahme auf die cocoon-eigenheiten zu stressig. Da würde höchstens die Optik überzeugen ;-)
Das tust Du definitiv nicht fehlinterpretieren (ich weiß, man darf nicht „tu“ sagen) :-)
Cheers, Jörg