Ein Profi für unter 200,- Euro?
Ja, ich gebe es zu: IMG Stageline musste ich erst einmal googeln, das ist in 12 Jahren als Autor bei AMAZONA.de tatsächlich mein Erstkontakt. Ihr wisst es natürlich schon lange, dass das eine Marke von Monacor International ist, die sich auf Mikrofone, Mixer, PA-Anlagen und Audio-Tools spezialisiert hat. Bei den Mikros finden sich derzeit 14 Gesangs- und 9 Studiomikrofone. Eines aus der letzteren Kategorie ist das ECMS-90, entworfen für den „professionellen Studio-Einsatz“, schreibt der Hersteller. Klingt erst einmal „neumannig“ teuer, ist aber schon für unter 200,- Euro zu haben. Professionell und preiswert? Passt das zusammen? Und was genau kann ich damit im Studio alles machen?
Das ECMS-90 Datenblatt
Das IMG Stageline ECMS-90 ist ein Großmembran-Kondensator-Mikrofon mit Nierencharakteristik, das für den Betrieb dementsprechend 48 V Phantomspeisung erwartet. Der Frequenzbereich liegt bei den (Hörvermögen maximal) üblichen 20 – 20.000 Hz, den maximalen Schalldruck gibt der Hersteller mit ausreichenden 135 dB an, den Rauschabstand mit 78 dB – was dann ein Eigenrauschen von recht sanften 16 dB bedeuten würde. Da hören wir gleich mal rein.
Ein Blick auf den Frequenzgang zeigt eine leichte Verstärkung bei 5 und bei 12 kHz, also im Bereich der oberen Mitten/unteren Höhen. Je nach Stimme sorgt das für etwas mehr Durchsatz im Mix, kann bei von Natur aus „quäkigen“ (ok – sehr hellen) Stimmen für eine leichte Überbetonung führen, die man mit dem EQ abfedern müsste. Auch das hören wir uns gleich natürlich mal an.
Intermezzo: Die Studio-Mikrofone der IMG Stageline
Die derzeit neunteilige Studio-Mikrofon-Reihe umfasst zum einen zwei Drum-Spezialisten: das siebenteilige „Drumset-1“ mit vier Snare/Tomtom-Mics, einem dynamischen Bassdrum-Mikro plus zwei Kondensator Overhead-Mikrofonen (175,- Euro) und das ECM-250, bestehend aus zwei Overhead-Elektret-Mikrofonen (78,- Euro). Ebenfalls aus der ECM-Serie ist das ECM-270 (ein Kondensator-Mikrofon für Studio und Live-Anwendungen (77,- Euro) und das ECM-310W, ein Schwanenhals-Elektret-Mikrofon für Blasinstrumente (78,- Euro).
Die ECMS-Reihe besteht aus vier Großmembran-Mikrofonen (ECMS-50 USB (69,- Euro), ECMS-60 (85,- Euro), das ECMS-70 (112,- Euro) und das ECMS-90 (169,- Euro). Das UMIK-1 schließlich ist ein USB-Messmikrofon für den direkten Betrieb am PC (105,- Euro). Und wir stellen fest: Das ist ja alles durchaus bezahlbar. Ein Eindruck, den auch ein Blick auf die Gesangsmikrofone von IMG-Stageline bestärkt, die preislich allesamt zwischen 28,- und 75,- Euro liegen. Was die Eingangsfrage in meinem Kopf lauter werden lässt: Professioneller Studio-Einsatz – können die das wirklich? Immerhin ist unser Testobjekt, das ECMS-90, mit 169,- Euro noch der teuerste Vertreter.
Wie du kommst gegangen …
… so wirst du empfangen, wusste meine Großmutter zu berichten. Nun, sie hätte demnach ihre helle Freude am ECMS-90 gehabt, denn das kommt in einer wahrlich aufwendig-auffälligen Verpackung, nämlich in einem stabilen, ansehnlichen Metallkoffer mit Innenpolsterung zur staubfreien, trockenen Aufbewahrung, den ich in dieser Preisklasse nicht erwartet hätte. Und die Überraschungen gehen im Inneren weiter: Neben dem Mikrofon finde ich eine mattschwarze, gusseiserne Spinne der Marke „Inferno-sicher“ (mit 5/8 Zoll Gewinde plus Reduktionsstück 5/8 auf 3/8) für die elastische Lagerung zur Entkopplung vom bösen Trittschall, Stativ-Anrempeln & Co., einen voluminösen schwarzen Popp (oder besser: Wind)schutz, bei dem endlich mal nicht an Schaumstoff gespart worden ist (aber ob der überhaupt noch Höhen passieren lässt? Ausprobieren!) plus eine zusätzliche Transporttasche – falls der Koffer inzwischen vom Nachwuchs für die Legosteine konfisziert worden ist. Das ist schon mal eine Ansage. Und wieder meldet sich meine Großmutter in meinem Kopf „Junge, was das alles kostet! Das musst Du dann aber noch vom Mikro abziehen.“ Mache ich, Oma.
Das ECMS-90 genauer angeschaut
Das Gehäuse des ECMS-90 kommt in einer Kombination aus mattschwarzem Metallkorpus und mattsilber/alufarbenem Korb, während der Anschluss für das XLR-Kabel in Silberglänzend einen gelungenen Abschluss liefert – jo, das sieht schon mal nicht schlecht und vor allem auch wertig aus. Bei seinen Maßen von 185 x 50 mm bringt es ganz ordentliche 430 g auf die Waage – kein absolutes Schwergewicht, aber ein einigermaßen stabiles Stativ wird da trotzdem vorausgesetzt. Auch der Käfig/Korb, der die „extrem dünne, goldbeschichtete 2,8 cm Membran“ umgibt, macht einen durchaus stabilen Eindruck. Das kann man auch schon mal fallen lassen, ohne gleich im Online-Shop des Vertrauens das nächste ordern zu müssen. Dass dann mein gut 2 cm kürzeres Rode Broadcaster trotzdem noch mal 150 g mehr auf die Waage bringt und das Rode NT2A sogar doppelt so schwer ist zeigt, dass es da in der Familie Großmembran auch durchaus noch massiver zugehen kann.
Ein Wort noch eben zum oben angeführten Membran-Herstellerzitat: Ja, verkürzt gesagt gilt ja, dass größere Membranen durch das stärkere Nutzsignal auch einen besseren Rauschabstand haben. Als Großmembran-Mikrofone gelten Mikros mit einem Membrandurchmesser ab 1 Zoll (= 2,54 cm), wobei das inzwischen aber nicht mehr ganz so sklavisch genau gesehen wird, mitunter rutschen auch schon Mikrofone mit einer ¾-Zoll-Membran in die größere Gewichtsklasse. Zudem zeigen sich manche Hersteller auch recht kreativ bei der Messung der Membrangröße (mal außen, mal innen usw.), daher sollte man derartige Angaben dann nicht überbewerten. Nachmessen konnte ich das hier übrigens nicht, da sich der Käfig nicht abschrauben lässt. Fiel mir gerade so ein.
Unterhalb des Käfigs finde ich zwei Schalter: Da ist zum einen ein Pad-Schalter zum Absenken der Empfindlichkeit/des Ausgangspegels um 10 dB – falls man das ECMS-90 einsetzt, um Drums, Bläser oder Flugzeugtriebwerke aufzunehmen – zum anderen ein Low-Cut-Schalter, um durch die Bassabsenkung etwaige Störungen durch Trittschall oder andere Rumpelgeräusche zu mindern. Außerdem lässt sich mit einem Low-Cut ja bekanntlich auch der Nahbesprechungseffekt vermindern, warum auch immer man das tun möchte. Gut, das Signal klingt dadurch natürlicher, aber gerade bei Sprachaufnahmen verleiht doch die zusätzliche Portion an Bass der Stimme eine gewisse Tiefe, ein schönes Volumen. Finde ich, aber ok, das ist wieder mal Glaubens- und Ansichtssache und ist wohl auch abhängig von der Stimme.
Ein Blick noch auf den XLR-Anschluss am unteren Ende: Dem fehlt die Kerbe zur Verriegelung des Kabels, was im Studio aber kein Drama ist; trotzdem finde ich es immer schön, wenn Hersteller an diese Kleinigkeit denken. So ein bombenfest sitzendes Kabel hat schon was Beruhigendes, finde ich.
Das ECMS-90 im Praxistest: Vokalaufnahmen
Nach so vielen Zahlen und Vermutungen wird es jetzt mal Zeit, das IMG Stageline ECMS-90 in der Praxis zu testen und zu hören, wie es klingt. Vorher aber noch kurz ein paar Worte zum Testaufbau. Wie immer in meinen Mikro-Tests werde ich zuerst mal – um die Sprachtauglichkeit zu testen – aus unterschiedlichen Entfernungen ein paar Sätze aus unseren News einlesen und dabei natürlich auch die Wirkung von Pad- und Low-Cut-Schalter ausprobieren. Zum direkten Vergleich lese ich die Sätze dann auch mit meinem Rode Broadcaster ein, einem Großmembran-Kondensatormikrofon für ca. 360 Euro und mit dem Rode NT2-A (279 Euro, mit Spinne, Popkiller und 6m Kabel). Aufgenommen habe ich über einen dbx1-PreAmp, der an einem Mackie 802-VLZ3-Pult hängt (das mit den gut klingenden Onyx-PreAmps), das das Signal wiederum an ein Motu M4-Interface weiterreicht und schließlich über Soundforge im PC aufgezeichnet wird.
Beginnen wir zuerst einmal in der absoluten Nahdistanz von etwa 5 cm, eine Distanz, in der der Nahbesprechungseffekt bei Großmembranmikrofon ja besonders zum Tragen kommt. Zum Einstieg das Rode NT2-A, eines meiner Mikros für den täglichen Hausgebrauch, mit dem ich auch für die ARD produziere (Einstellung Niere, 0 dB Absenkung, Low Cut 40):
Nun im direkten Vergleich das ECMS-90. Den Pad-Schalter für die eventuelle Absenkung des Ausgangspegels belasse ich bei 0 dB (also keine Absenkung), auch der Low-Cut-Schalter bleibt unangetastet – der Bassbereich ist also nicht beschnitten.
Trotzdem klingt das ECMS-90 hier wesentlich weniger voluminös oder „bauchig“. Was nicht heißen soll, dass das schlechter ist: Denn auf der anderen Seite hat die Stimme hier – durch die weiter oben schon erwähnten Boosts im Frequenzgang bei 5 und 12 kHz – mehr Präsenz, mehr Durchsetzungsvermögen. In einem Mix ist das auf jeden Fall eine gute Sache; für mich wäre das hörtechnisch eine Umstellung, nachdem ich mich lange Jahre lang an den etwas anderen, mehr schmeichlerischen Klang des NT2-A gewöhnt habe. Hier noch ein weiteres Großmembran-Mikrofon, das Rode Broadcaster, das – wie das ECMS-90 auch – frontseitig, also von vorn, besprochen wird, Entfernung ebenfalls 5 cm.
Das geht in Richtung ECMS90, ist etwas präsenter als das NT2-A, aber auch mit einem Hauch mehr Fülle als das ECMS-90 plus klein bisschen weniger betont im Mitten-/Höhenbereich. Die klangliche Verwandtschaft zum Broadcaster zeigt aber, dass das ECMS-90 da in guter Gesellschaft ist. Wie weit nimmt da der Low-Cut-Schalter am ECMS-90 Einfluss auf den Klang? Hören wir mal rein:
Ja, wenn das im wahren Leben nur auch so einfach wäre: Bauch weg, indem ich den Schalter umlege. Es ist deutlich zu hören, dass hier der Bassbereich weiter beschnitten wurde. Will sich die Gesangsstimme im Mix also nicht so recht durchsetzen, kann man ihr damit eine kleine Anschubhilfe geben.
Rücken wir mal ein wenig ab vom Mikro und hören, wie die drei im Vergleich aus 10 cm Entfernung klingen, Wieder in der Reihenfolge NT2-A, ECMS-90, Broadcaster.
Das NT2A hat bei nachlassendem Nahbesprechungseffekt etwas an Tiefe verloren, klingt jetzt klarer (weshalb ich damit meist dann auch in dieser Distanz produziere), auch das Broadcaster klingt etwas mittiger. Beim ECMS-90 dagegen ist kaum ein Unterschied zu hören (abgesehen von einer etwas geringeren Lautstärke); hier muss man also nicht sklavisch darauf achten, bloß nicht den Abstand zu Mikro zu verändern, um den Klang nicht zu ruinieren; ein Mikrofon, das anscheinend so einiges verzeiht – gut für Sänger, die sich beim Singen im Studio gerne bewegen. Das Low-Cut-Filter greift in dieser Distanz nicht mehr so hörbar ein:
Und was passiert, wenn wir uns noch weiter vom Mikrofon entfernen? Hören wir mal rein. Während das NT2-A zwar weiter etwas an Bass verliert und natürlich auch leiser, aber immer noch natürlich klingt…
… sind rund 20 cm Entfernung für das Broadcaster …
… aber vor allem auch für das ECMS-90 doch etwas zu viel, zumindest für stimmliche Anwendungen. Hier nämlich klingt das doch inzwischen arg blechern; das geht dann doch schon etwas in Richtung des berüchtigten „Kopf im Klo“-Sounds.
Der sich bei Hinzunahme des Filters naturgemäß noch verstärkt:
Aber nicht jeder will das ECMS-90 nun für Sprachaufnahmen nutzen. Wie sieht es mit dem Gesang aus? Auch wenn ich kein Sänger bin (bzw. nur für die Backings zuständig bin) – ich habe es trotzdem mal für euch ausprobiert. Da müsst ihr jetzt durch.
Da setzt sich die Stimme schön gegen meine (amateurhafte) Ukulelenbegleitung durch. Es fällt auch kaum auf, dass ich dabei oft den Kopf bewegt hatte, um meine Finger im Auge zu behalten. Aber auch solo ohne Begleitung bildet das Mikro die Stimme schön ab und gibt ihr einen kleinen Schimmer (ja, sogar meiner Stimme).
Bei allen Aufnahmen mit dem ECMS-90 fällt auch auf, dass da kaum ein Grundrauschen zu hören ist.
Das ECMS-90 im Praxistest: Instrumentalaufnahmen
Was leistet das ECMS-90 bei der Aufnahme von Instrumenten? Auch das habe ich natürlich ausprobiert. Setup 1: Mikro auf Stativ direkt vor einer kleinen Fender Mustang 1 V2 Gitarren-Combo. Ist dann auch etwas mittenbetont (was aber auch an der Soundeinstellung liegt), aber durchsetzungsfähig. Da kann man eventuell noch mit einem EQ nachbessern.
Die Akustikgitarre (sorry an alle Gitarristen – ich bin halt keiner) klingt da schon voller, die Basssaiten werden schön und klar abgebildet. Die Entfernung von Schallloch zum Mikro betrug bei der Aufnahme etwa 20-30 cm.
Die Ukulele schließlich hört sich ebenfalls sehr präzise und klar an.
Auch hier würde ich dann allerdings mit dem EQ noch ein klein wenig Bass nachschieben, um die Aufnahme etwas voller klingen zu lassen – wie etwa hier.
Drums hatte ich zum Test leider nicht vor Ort – da hätte ich gerne mal gehört, wie das ECMS-90 eine Bassdrum oder Snare abbildet. Allerdings hat IMG Stageline gerade dafür ja auch zwei spezielle Sets in seiner Studio-Linie. Ganz allgemein würde ich bei der Mikrofonierung von Instrumenten dann sowieso eher zu einem Kleinmembran-Mikrofon greifen, da bei Impulstreue, Höhenfrequenzgang und einer konsistenten, frequenzunabhängigen Richtcharakteristik gegenüber ihren großmembranigen Schwestern im Vorteil sind. Nur wenn es weicher sein soll, ist ein Großmembran die bessere Wahl.
Eine Frage an die Experten:
Kann mir denn jemand ein paar Großmembraner nennen, die gerade einen recht ausgeprägten Nachbesprechungseffekt haben? Nach so etwas suche ich gerade …
@beni Grob würd ich sagen alle großmembran Kondensatoren – wenn die mal keinen krassen nahbesprechungseffekt haben ist das sehr selten. Kannst auf jeden Fall mit dem nt1 anfangen…