DIE MPC-Ablösung fürs iPad
Intua Beatmaker 3
Von intua
27,99 Euro, iOS-App-Store
IAP: Samplepacks, iTunes 5,59 bis 10,99 Euro
Beatmaker ist ein Urgestein unter den iOS-Apps. Die erste Version geht zurück auf den ersten Artikel, den ich zum Thema Touchscreen-Music im Jahr 2009 geschrieben habe und es gibt sogar noch erstaunlich viele Apps von damals, die auch heute noch ihren Vorreiterstatus behaupten können, wie etwa SunVox oder MusicStudio, Multitrack, TouchOSC oder Tumbjam, um nur einige zu nennen. Nun ist Beatmaker Version 3 da und bietet etliche Neurungen.
Mit „Akai MPC und Native Instruments Maschine als iOS-App‟, wird man der Beschreibung von Beatmaker schon ziemlich gerecht. Doch Unterschiede gibt es mindestens genau so viele.
Beatmaker ist eine Sample- und MIDI-basierte Musikproduktion-App. Würde sie noch mit Audio-Regions arbeiten können, wäre es sogar eine DAW.
Was man als erstes nach der Startfrage „neue oder alte Session‟ zu Gesicht bekommt, sind die 16 bzw. 64 Pads, die mit Samples oder MIDI-Noten belegt werden können, um damit, und das ist in Beatmaker 3 die größte Neuerung, AudioUnit-Apps anzusteuern. Aber der Reihe nach.
Gearbeitet wird in BM3 in vier Ansichten: Dem Performance-Fenster mit der Pads, dem Sample-Editor, dem Sequencer und dem Mixer.
Performance-Ansicht des Intua Beatmaker 3
Die Organisation besteht aus Session, Bänken und Pattern. Sessions beinhalten alle Projektdaten. Eine Session kann bis zu 128 Bänke beinhalten, die in 16 Bankgruppen mit jeweils acht Gruppen Ax bis Hx organisiert sind. Alles klar? Eher nicht, heh?
Jede Bank des Intua Beatmaker 3 kann bis zu 128 Pads (Instrumente) beinhalten. Die Ansicht in BM3 kann nur zwischen 16 und 64 Pads pro „Pads-Page“ umgeschaltet werden. Der Schalter dafür befindet sich in der rechten unteren Ecke, der die 128 Pads auf acht bzw. zwei Seiten aufteilt.
Ein Instrument ist basismäßig ein Pad und kann entweder ein oder mehrere Samples beinhalten, oder ein AUv3-, IAA- oder über Audiobus eingeschleifte App.
Es kann zwar jedes Pad mit einem Sample oder einem Plug-in belegt werden, wenn man diese aber tonal spielen will, geht das nur Page-weise. Nehmen wir mal an, wir haben ein voll belegtes 64 x 64 Pad-Feld und möchten eine paar tonale Phrasen in ein Pattern aufnehmen. Dafür wird nun das Pad ausgewählt und das Keys-Icon aktiviert.
Die gesamte Pad-Page wird nun zur Klaviatur für diesen Klang bzw. dieses Instrument. Per Aufnahme können nun Noten in das Pattern eingespielt werden.
Der Knaller dabei ist aber, das funktioniert für jedes Pad und in der Pattern-Ansicht können die einzelnen Tracks auch nachbearbeitet werden.
Im Pattern Editor des Intua Beatmaker 3 kann der Track für ein bestimmtes Pad über den Klaviaturschalter am rechten Rand geöffnet werden. Am unteren Rand stehen auch noch Zusatzfenster für die Host-Automation und MIDI-Kontrolle für jedes Pad zur Verfügung und ein anständiges Zwei-Finger-Zoom wurde auch nicht vergessen. Insgesamt sind im Pattern-Editor Navigation und Editiermöglichkeiten wesentlich flüssiger integriert als in BM2.
Intuitiv ist die Bedienung von Intua Beatmaker 3 aber anfange nicht wirklich. Aber wenn man die Eigenheiten einmal geschnallt hat, ist der Arbeitsfluss vom Pad zum Pattern ziemlich genial.
Wer die Pads nicht mag, kann auch die On-Screen Klaviatur oder einen externen MIDI-Controller benutzen, wobei jede Bank ihren eigenen MIDI-Port hat, um sich von MIDI-Hardware oder anderen Apps ansteuern zu lassen.
In der Performance-Ansicht befinden sich linksseitig noch die MIDI-Einstellungen pro Pad. So kann eine z.B. eine feste MIDI-Anschlagsstärke voreingestellt oder in einem großen Feld die Anschlagsstärke eines Pads beim Antriggern dynamisch variiert sowie diverse Quantisierungsoptionen angewendet werden. Außerdem versteckt sich schlecht sichtbar am unteren Ende des „Fixed-Velocity“-Sliders noch die „Y-Velocity“-Option. Damit ändert sich die Anschlagslautstärke des gespielten Instruments, je weiter oben der Finger das Pad berührt. Eine sehr gute Idee.
Die Reiter „Roll“, „Wheels“, „Scales“ und „Chords“ bedürfen keiner weiteren Einfürung, obwohl die Möglichkeit einem Pad, automatisch ohne weiteren Programmieraufwand einen Akkord zuweisen zu können, schon eine sehr angenehme Angelegenheit ist.
Was hier noch erwähnt werden sollte ist, dass in der Performance-Ansicht des Intua Beatmaker 3 in der rechten unteren Bildschirmecke für jede Bank eine eigene On-Screen-Klaviatur und eine Effektkette, die mit internen wie auch AUv3- und IAA-Effekten bietet, die bestückt werden, bis der CPU die Luft ausgeht. Die Macro-Konfigurationsseite mit 16 frei belegbaren Makro-Regler und zwei X/Y-Pads rundet die Manipulationsmöglichkeiten ab.
Die Makro-Regler sind auch auf der in dem genannten MIDI-Keyboard der Bank zu finden und können mit fast jedem Parameter von BM3 belegt werden, u.a. mit Funktionen des Editors, des Samplers, den Modulations- und AUv3-Plug-in Parametern, den Mixer-Kontrollen und jedem internen Effektparameter. Die Zuweisung erfolgt durch Doppeltippen auf das Bedienelement.
Sampler
Hier wählt man ein Pad aus und konfiguriert es. Es stehen die Reiter „Sampler“, „Layer FX“, „Modulation“, „Mapping“ und „Plug-in“ zur Verfügung.
Beginnen wir am Ende der Reihe, mit den Plug-ins. Hier können beliebige AUv3-, IAA- und Audiobus-Verbindungen instanziiert werden. Das allein ist aber noch nicht der Renner. Auch nicht das Keyboard, mit dem man ein Synth-Plug-in spielen kann. Es ist die einfach realisierte Möglichkeit, einen Klang auf ein beliebiges Pad zu sampeln. Dazu lässt sich das Plug-in per Antippen anzeigen.
Auf der linken Seite der Klaviatur befinden sich nun Kontrollen, um festzulegen, auf welches Pad der aktiven Bank der Sound aufgenommen werden soll. Auch das automatische Weiterspringen zum nächsten Pad, wenn die Lautstärke unter das eingestellte Niveau abfällt, wurde nicht vergessen. Mit einem Tippen auf Start kann der Sample-Spaß beginnen.
Da bei AUv3 Plug-ins die Oberfläche des Plug-ins angezeigt wird, kann man während des Sampelns noch schön am Klang schrauben. Bei IAA und Audiobus-Verbindungen geht das nur mit Hilfe externer MIDI-Controller oder anderen Sequencern, da diese nicht innerhalb von BM3 eingeblendet werden können.
Auf der Mapping-Seite des Intua Beatmaker 3 können komplexe multigelayerte Sample-Instrumente erstellt werden und pro Pad lässt sich einstellen, ob das Signal in einen von zwei Sendbusse geschickt wird.
Im Sample-Reiter wird die Layer-Organisation des Pads vorgenommen.
Modulations- und Layer-Effekte gestalten sich derzeit noch etwas spartanisch
Im Sampler findet man nun alles Notwendige, um das Sample des aktuellen Pads zu bearbeiten und natürlich ist auch Möglichkeit gegeben, den Klang des aktuellen Pads in ein neues Pad zu sampeln.
Mixer
Der Mixer bietet schließlich umschaltbare Kanalansichten für die Bänke, Pads und die Effektkanäle
Das Arbeiten mit Intua Beatmaker 3 wurde einer extremen Stromlinenkur unterzogen. Vorbei ist die Zeit von Unterscheidungen von Drum-, Audio- und MIDI- und FX-Spuren. Alles ist nun flüssig, ja sogar nahtlos, mit nur wenigen Einarbeitungshürden integriert. Auch das Arbeiten im Pattern-Editor wurde vereinfacht, obwohl er mächtiger und die Navigation vereinfacht geworden ist. Wie die vielen Pad-Tracks gemanagt werden ist vorbildlich.
Die Pattern sind jetzt nicht mehr nur linear als Song organisiert, sondern können nun auch in Scenes, wie bei Ableton Live organisiert werden. Variable Pattern-Längen werden entsprechen abgespielt. Neue Pattern werden einfach per Drag&Drop platziert und zum Editieren der ausgewählten Position wird einfach zwischen den Ebenen Song, Scene und Pattern umgeschaltet. Pattern- und Song-Automation können bei Bedarf noch hinzugeschaltet werden.
Wischen, tippen, Menü-tauchen, suchen … Hatte BM3 mal als Schnäppchen installiert. So richtig in den kreativen Flow komme ich damit nicht. Man merkt, alles ist irgendwie da und funktioniert: Editing, Mixing-Tools, Einbindung externer Synth-Apps, Exportmöglichkeiten u. v. m. Wirkt sehr ambitioniert. Es ist wohl die komplexe Bedienung via Touchscreen, die wenig Kreativität und Spaß aufkommen lässt. Wenn die Musik den Mittelpunkt bilden soll, darf der DAW-Workflow wenig Aufmerksamkeit fordern. Da kann diese grundsätzlich hervorragende App nichts dafür. Tablets sind keine Musikinstrumente. Leider.
In eine MPC, RYTM oder Maschine arbeitet man sich auch nicht von heute auf morgen ein. Das braucht seine Zeit, bis das eingübt ist und hier ist das nicht anders. :)
Ich sehe das ähnlich. Ich bin auf der einen Seite beeindruckt vom Leistungsumfang, und das quasi schon mit der ersten Version. Aber so richtig warm geworden bin ich mit BM3 noch nicht. Ich nutze nach wie vor lieber AUM bzw. Audiobus 3 (sicherlich nicht 100% vergleichbar.)
Natürlich muss man Zeit zum „Lernen“ investieren, ich nutze das iPad aber vorrangig für 2-3 stündige Bahnfahrten und daher nicht zeitintensiv genug. Aber dennoch – das Spektrum an Features ist enorm, Ich hoffe die nächsten Updates beinhalten weitere Usability Verbesserungen – das sicherlich machbar.
Ich stimme dir bei manchen Sachen zu. Wo ich anders denke ist über deine letzte aussage. Desktops und Laptops sind genauso wenig „Instrumente“ in diesen Sinne jedoch kann man dann doch unglaublich viel Musik damit machen. Es gibt genug Beispiele denk ich. Nicht alle „Laptop Musiker“=Müll. Ich finde mein ipad richtig unfassbar schön um „Sketches on the go“ zu kreieren. Mein problem beginnt nur wenn ich tiefer ins Editieren möchte. Dann fehlt mir plötzlich (und das wird jetzt für viele lustig klingen) das Trackpad meines macbooks…. :-) Also mit den Touch Screen fehlt mir was. Dieses Gefummel bis ich kleinere feinere eingriffe bewerkstellige sind meistens was mich daran hindert mehr als 30-45 min am stück damit arbeiten zu wollen. Ich denk mir da ich bestimmt nicht der einzige bin der Probleme damit hat das eine bessere Lösung eine frage der Zeit ist und nicht unmachbar . Allerdings nehme ich mir seit 2 Jahren immer wieder vor einen Eingabestift zu probieren. In Beatmaker 3 sehe ich oft nicht wo die note unter meinen finger genau ist …….
@pytrel Es ist doch klar: Auch die Retro-Synths als iPad-Apps sind toll gemacht. Aber sie sind einfach keine Musikinstrumente wie die Originale. Selbst Office Tools sind mit dem Tablet „hakeliger“. Wenn ich Musik im Homestudio aufnehme, dann natürlich mit einer DAW auf einem Laptop. Aber dann steht immer noch die Beschäftigung mit dem Keyboard oder der Gitarre etc. im Mittelpunkt und die DAW bleibt mit wenigen Tastaturbefehlen im Hintergrund während der „Musikentstehung“ (dem wichtigsten Teil). Dazu kommt der ein oder andere nützliche Hardware Controller. Später ändert sich das, man nennt das wohl Post Production. Diese ganze Feinarbeit mit der Maus: MIDI editieren, Tonspuren perfektionieren, final mischen, mastern. Bei BM3 oder ähnlichen Tools ist das alles nicht gut trennbar und gleich von Anfang an komplex, wenn man einen bestimmten Sound will, finde ich zumindest. Und dann halt dieses Fummelige … Grundsätzlich begrüße ich aber dieses Angebot und manche werden genau damit coole Sachen produzieren zu einem unschlagbaren Einstiegspreis.
Danke für den ausführlichen Bericht. Hatte bislang ebenfalls Flow-Stocken und bete, dass BM2 noch lange weiterläuft…