Automatisierter Maschinen-Mix, geht das?
Vorwort der Redaktion: Den Neutron Test zur aktuellen Version, finden SIE HIER.
In der Vergangenheit brachte der Hersteller iZotope einige erstaunliche Software an den Start. Hiervon konnte ich mich schon im Test von RX5, Ozone 6 und VocalSynth überzeugen. Ganz neu ist iZotope Neutron. Die Software soll den Benutzer im Mixing-Prozess unterstützen. Inwieweit das gelingen kann, der Check wird es zeigen.
Aufbau und Versionen des iZotope Neutron
iZotope Neutron stellt zur Klangbearbeitung fünf Slots zur Verfügung, die fest mit den Modulen Equalizer, Compressor, Exiter und Transient Shaper bestückt sind. Der Compressor ist doppelt vorhanden, hier kann jede Instanz in einen Vintage-Mode geschaltet werden.
Der rechte Bereich bietet Pegelanzeige mit Volume-Regler, einen Limiter und den Neutrino Mode. Neutrino ist eine Freeware von iZotope, die mit den Presets Voice, Bass, Instrument und Drums subtile Verbesserungen im Material vornimmt.
Das Programm wird in zwei Versionen angeboten: iZotope Neutron und iZotope Neutron Advanced. Die teurere Advanced Version bietet zusätzlich die Möglichkeit, Surround-Mixes zu bearbeiten und stellt die Bearbeitungsschritte EQ, Compressor, Exiter und Transient Shaper als einzelne Plug-ins zur Verfügung.
Systemanforderungen
iZotope Neutron bedient die Windows Betriebsysteme 7, 8 und 10 und ist auf dem Mac für OS X 10.9 bis 10.12 lauffähig. Als Schnittstellen werden VST2, VST3 und Audio Unit jeweils mit 32 und 64 Bit unterstützt. Ebenso kann mit AAX (64 Bit), RTAS (32 Bit), Audiosuite DPM und AAX gearbeitet werden.
Offiziell freigegeben ist die Kompatibilität zum jetzigen Zeitpunkt für Logic Pro X, Ableton Live 9, Pro Tools 10 – 12, Cubase Pro 8, Nuendo 7, Reaper 5, FL Studio 12 und Studio One 3.
Der Equalizer
Mit 12 Bändern ist der EQ von Neutron äußerst vielfältig aufgebaut. Acht Einheiten sind hierbei als vollparametrischer EQ angelegt. Hier kann zusätzlich noch die Band Shape Proportional Q oder Band Shelf geschaltet werden.
Hinzu kommen am unteren und oberen Ende jeweils ein Shelving Filter, das ebenfalls eine einstellbare Güte und drei Shapes bereithält.
Abgeschlossen wird das Frequenzspektrum mit einem LowCut und einem HighCut mit 6, 12, 24 und 48 dB Steilheit. Zusätzlich wird hier noch ein in der Güte regelbares Resonant Filter angeboten.
Der Clou ist der pro Band zuschaltbare Dynamic Mode mit Compress und Expand. Er wird über Threshold gesteuert und bietet einen frei wählbaren Sidechain über alle Bänder.
Der Kompressor
Hier kann das Signal in bis zu drei Frequenzbänder aufgeteilt werden. Pro Band steht die volle Parameterauswahl mit Threshold, Ratio, Attack, Release, Gain und Mix zur Verfügung. Auch eine Sidechain Möglichkeit ist vorhanden.
Übergreifend kann der Compressor RMS, Peak oder True arbeiten. Auto Gain und Auto Release und eine Gain-Anpassung sind hier gegeben. Zusätzlich ist der Compressor im Vintage Mode zu betreiben.
Transient Shaper
Auch hier sind bei Bedarf bis zu drei Bearbeitungsbänder vorhanden. Geregelt werden kann Attack und Sustain sowie drei Contour-Stufen mit Sharp, Medium und Smooth.
Mit den drei Global Modes Precise, Balanced und Loose ist eine weitere Feinanpassung möglich.
Exciter
Single oder Multiband Einsatz bietet auch der Exciter. Gesteuert wird er pro Band über Drive, Blend und über ein X/Y-Feld zur Steuerung der Sättigung mit den Parametern Tube, Tape, Warm und Retro.
Zur Feineinstellung bleiben die drei Global Modes Full, Defined und Clean.
Wie die anderen Plug-ins bietet auch der Exciter eine Auto-Learn-Funktion zur Findung der optimalen Übergangsfrequenzen im Multi-Mode.
Limiter
Der Begrenzer sitzt hinter den anderen Bearbeitungen. Er arbeitet mit drei wählbaren Algorithmen: Transparency, Low Latency und Hard. Hier sind dann pro Algorithmus noch die drei Character Modes Clear, Thick und Smooth anzuwählen.
Surround
Die Surround-Funktion ist der Advanced Version vorbehalten. Hier werden je nach verwendeter DAW unterschiedliche Formate unterstützt.
Neutrino
Das kostenlose Plug-in ist auch in der großen Version implementiert. Hier lassen sich die vier Modi Voice/Dialogue, Guitar/Instrument, Bass und Drums/Percussive einstellen, die mit Detail und Amount angepasst werden. Mit Clean ist auch eine neutrale Einstellung gegeben.
Automix
Nun, bisher erscheint iZotope Neutron wie ein sehr gut ausgestatteter Chanel Strip, wie ihn z.B. auch iZotope selbst mit Alloy 2 anbietet. Aber natürlich hat die Software deutlich mehr zu bieten.
Los geht es mit einem umfangreichen Preset Manager, der neben Instrumenten und Gesang auch Voreinstellungen für Post Production, Podcast und Broadcast bietet. Das ist nun noch nicht besonders spektakulär, spannend wird es aber mit dem Track Assistent.
Dieser scannt im laufenden Betrieb die entsprechende Spur durch, was ca. 4 – 10 Sekunden in Anspruch nimmt. Dann bietet das Programm eine vollständige Bearbeitung inklusive Anordnung der Module an. Dabei kann mit Mode und Preset mit je drei Auswahlmöglichkeiten schon mal die Stärke der Korrektur und die grobe Richtung vorgegeben werden. Natürlich können sämtliche Parameter nachträglich manuell fein angepasst werden.
Eine weitere Hilfestellung ist das Masking. Hier können zwei Spuren, die das Neutron Plug-in geöffnet haben, auf ihre Frequenzkompatibilität verglichen werden.
Wenn Masking aktiviert ist, wird zum EQ der Spur darunter auch die des Vergleichsmaterials angezeigt. So können die beiden Frequenzgänge direkt verglichen werden. Im Frequenzbild werden in Real-Time durch helle bis weiße Farbe die Überlagerungen angezeigt. So kann hier direkt gegen gesteuert werden. Zwischen den beiden Spuren kann mit dem Inverse-Link-Button auch direkt interagiert werden, dann führt eine Frequenzanhebung in einer Spur automatisch zur Absenkung in der anderen.
In der Praxis
Grau ist alle Theorie, wie bewährt sich iZotope Neutron in der Realität? Dazu nehme ich ein kleines Song-Layout her, das ich in Logic für meinen Waves TG12345 Test kreiert habe.
Zuerst höre ich mir die Schlagzeugspur an und probiere dein paar Presets aus dem Bereich Drum Bus – Acoustic aus. Zunächst die unbearbeitete Spur.
Nun drei Presets:
Das Ergebnis gerät durchaus stimmig und geht auch mit dem Preset-Namen konform. Schön ist natürlich, dass wir, ausgehend vom passenden Preset, durchaus noch selbst feintunen können. Falls wir dann doch auf ein früheres Ergebnis zurück möchten, bietet iZotope Neutron eine History-Funktion.
Dasselbe probiere ich nun mit unserer Bass-Spur. Wieder unbearbeitet:
und drei Presets:
Auch hier bin ich mit den Vorschlägen durchaus einverstanden. Die Presets können also durchaus eine Hilfe sein, um schnell zu einem Ergebnis zu kommen. Besonders neu ist das aber nicht, nahezu jedes Plug-in bietet Voreinstellungen an, die mal mehr, mal weniger gut passen.
Deshalb geht Neutron hier einen deutlichen Schritt weiter und analysiert mit dem Track Assistant die Spur und bietet dann eine individuellen Bearbeitung an. Das probiere ich nun mit dem kompletten Song-Layout, jede der sechs Spuren erhält eine Instanz Neutron.
Zunächst hören wir uns den Song mit unbearbeiteten Spuren an. Hier sind nur die Lautstärkeverhältnisse angepasst und im Panorama eingestellt.
Nun lasse ich mir von Neutron einen Mixvorschlag pro Spur anbieten. Für den Stimmeffekt im siebten Takt wähle ich ein Preset, Radio FX.
Die Veränderungen sind recht subtil, der Mix wird durchsichtiger und klarer, was vorwiegend den Drums und den Vocals zugute kommt. Der Bass verliert aber an Punch, hier steuere ich dagegen und schalte ihn auf das Preset Edgy Bass um.
Nun passe ich die Lautstärkeverhältnisse wieder neu an. Der Bass und das Banjo können nun etwas leiser, die Gitarre und den Effekt für Gesang nehme ich ein wenig lauter.
Das ist doch für wenig Arbeit schon ganz nett geworden. Bisher habe ich den Track Assistant im mittleren Mode mit dem Preset Broadcast Clarity eingesetzt, mal hören, wie sich das Ergebnis bei Aggressive und Warm And Open ändert.
Hier habe ich nun auch den Bass wieder vom Track Assistant auswählen lassen. Insgesamt gefällt mir der Mix besser als in Versuch 1. Hier dürfte aber etwas Ausprobieren angesagt sein, um die optimale Mischung zu finden.
Wie wäre es, wenn wir uns die ganze Arbeit einfach sparen und Neutron direkt in die Summe setzen?
Nun, das klingt zwar schlüssiger als die völlig ungemixte Version, aber da wird gegenüber der Einzelspur Bearbeitung schon Potential verschenkt. Geht als schnelle Lösung, wenn z.B. ein Song-Layout als Skizze angeboten werden soll und einfach etwas Auffrischung braucht. Als automatisiertes Mastering Programm ist iZotope Neutron aber auch nicht gedacht.
Eine weitere Hilfe bietet die Software mit Masking an. Hier können zwei Spuren, die ein ähnliches Frequenzspektrum bedienen, miteinander verglichen werden. Das Plug-in zeigt die überschneidenden Frequenzen visuell an, worauf hin diese manuell getrennt werden können. Damit wird der Mix durchsichtiger, die Kick wird z.B. nicht mehr von bestimmten Basstönen überdeckt.
Das probieren wir doch direkt mit den beiden angesprochenen Instrumenten aus.
Bei den Drums drücke ich den Masking Button und wähle den Bass als Vergleichsspur aus.
Praktischerweise erscheinen nun beide Frequenzgänge im Plug-in Fenster und können direkt verglichen werden. Ich senke nun den Bass mit zwei freien Frequenzbändern bei 54 und 75 Hz ab und schalte sie in den Dynamic Mode.
Nun kann die Kick freier atmen und klingt druckvoller, obwohl ich an ihr absolut nichts verändert habe. Der Bass-Sound hat auch nicht gelitten, da durch den Dynamic Mode die Frequenzen nicht permanent ausgedünnt sind, sondern nur, wenn sie auch gespielt werden.
Mehrere Spuren lassen sich so nicht in der Gruppe bearbeiten, aber natürlich kann eine Reihe gebildet werden. So könnte jetzt in unserem Beispiel der Bass wieder auf ein nächstes Instrument, z.B. einen Orgelteppich maskiert werden.
Zum Schluss teste ich das Programm noch auf einer Moderationsspur aus. Hier kann ich kein Ergebnis erzielen, das annähernd an meine eigene Bearbeitung heranreicht. Glück gehabt, iZotope Neutron macht mich nicht arbeitslos. Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich hier kein Klangbeispiel liefern.
Vielen Dank erst einmal für den ausführlichen Test.
Die Idee hinter dem Produkt, also eine Hilfestellung beim beim Mix zu leisten, finde ich gut. Die Umsetzung solch einer Idee kann m.E. nur scheitern. Dieses Plugin ersetzt keine Fachkenntnis. Das Geld sehe ich besser investiert in einem Mixdown-Kurs bei entsprechenden Anbietern. Die gibt es auch auf Basis von Fernkursen. So lernt man schnell und einfach die Grundlagen des Mixdown sowie die dazu benötigten Effekte und deren Funktionen. Hat man diese einmal verinnerlicht, dann wird einem schnell klar, dass man nur wenige gute Plugins braucht. Denn weniger ist mehr.
Ich benutze Neutron seit ca. 3 Wochen und bin begeistert.
1. der Sound ist richtig gut, auch die verschiedenen Optionen (Vintage etc.) sind super. Auch ohne Tracking Assistant wäre Neutron sein Geld wert.
2. der Tracking Assistant ist eine grosse Hilfe, wenn man weiss, was man will. Er ist richtig gut im Aufspüren von Frequenzen, die man rausziehen muss (z.B. habe ich in akkustisch schlechten Räumen aufgenommen und Tracking Assistant spürt die störenden Frequenzen selbständig auf.
3. Der Tracking Assistant schlägt was vor. Nicht mehr und nicht weniger. Man hat ja alle Möglichkeiten, was zu ändern. Bei A-Gitarren macht er immer einen vollen Klang mit schönen Bässen etc. Aber in einem vollen Mix will man das ja oft nicht, sondern nur die Höhen. Da stellt man eben selbst seinen Low-Cut ein, oder die Höhen, oder…
Mein Fazit: ein toller Channel-Strip, der einem viel Arbeit abnimmt. Aber: Man muss immer noch selbst mitdenken und eine eigene Vision für den Mix entwickeln. Und genau das finde ich super.
@dr noetigenfallz Genau so ist es. Neutron schlägt vor und kann dadurch eine große Hilfe sein.
Das macht es aber pro Kanal, es macht nicht automatisch einen komplexen Mix. Lautstärkeverhältnisse, Panorama, Effekte muss man schon noch selbst machen.
Somit geht es ganz ohne Vorkenntnisse natürlich nicht.
Klasse ist Masking. Hier lassen sich schnell überlappende Frequenzen finden und eliminieren.
Nicht außer Acht lassen darf man natürlich auch nicht die Preisgestaltung. Für vier gut klingende und parametrisierte Bearbeitungsstufen plus Limiter, Neutrino, Automix und Masking zahlt man hier nicht mehr als andere Anbieter für ein einzelnes EQ- oder Kompressor-PlugIn aufrufen.
Ich habe das teil soeben getestet und bin extrem positiv überrascht. Um mal ehrlich zu sein – mein Wissen rund ums Mixing und Mastering beschränkt sich auf gefährliches Halbwissen. Soll bedeutet: Ein druckvoller, ausgewogener Mix ist mir persönlich noch nie gelungen. Ich habe da auch einfach keinen Nerv dafür. Ja, ich liebe die Synths und die Parameterschrauberei um tolle Klänge zu generieren ….. aber Mixing? Das ist für mich irgendwie wie Abspülen nach dem Essen. ;-) Das soll jetzt nicht heißen, dass ich den Job des Toningenieurs nicht schätze – im Gegenteil – er ist nur nichts für mich. Also: Ich mochte schon die Presets im iZotope Ozone, aber was das Neutron für mich macht, ist schon der ganz normale Wahnsinn. Armin hat sicher Recht, ein Profi kann das am Ende noch viel besser, aber dennoch sind meine Mischungen nun ohne Profi Welten besser als was ich zuvor so zusammen gemurkst (und nicht gemixt) habe.
Und gleich als Ergänzung: Nein, ich habe keinen Werbevertrag mit iZotope!!!
@Tyrell Hi Peter,
mein Tipp: Den Abwasch abends einfach stehen lassen und morgens in aller Ruhe bei einer schönen Tasse Tee meditativ erledigen :-)
@Tyrell Schöner Vergleich! Fürs Mastering gibt es ja inzwischen auch Online-Spülmaschinen, die man auch mal testen könnte.
Mag ja sein, dass die einzelnen Effekte gut klingen, aber ich kann mir gut vorstellen, wohin das hier führt: Mixen und Mastern nach Auge und mit Presets, nicht nach Gehör. Als ob das Einblenden der Frequenzkurve irgendwas Sinnvolles zur einer Entscheidungsfindung beim Mixen beitragen könnte. Das Erarbeiten und Beherrschen einer passenden Masteringkette oder die akustische Optimierung des Abhörraumes kann man sich leider nicht ersparen. Schön, wenn Laien gute Ergebnisse erzielen, für mich aber waren Izotope Produkte schon immer die Pest, da ist dieses hier keine Ausnahme.
@swellkoerper Hi swellkoerper,
klar ist das Ohr der entscheidende Faktor. Die Frequenzkurve zeigt nur optisch die Frequenz-Überschneidungen zweier Spuren. Korrigieren muss man schon noch selbst.
Das ist, wie wenn bei einem Livemix im Monitormix der Analyzer mit läuft, Manche brauchen´s gar nicht, Andere kommen sonst nicht klar.
Zum Mastern ist Neutron definitiv nicht gedacht.
wenn man sich seit ein paar Jahren anhört, was so alles den Musikmarkt beherrscht, dürften sogar über eine längere Zeit angesammelte presets mit izotope neutron weit mehr diversität bei den sounds von tracks bringen als es bis jetzt der fall ist.
allerdings befürchte ich, daß man sich wieder auf wenige sogenannte cookie cutter settings, analog wie im esport, reduziert, die das geld generieren.
ich halte neutron für ein grosse chance, vor allem für die „kleineren“ producer/musicians. je mehr settings publik werden desto besser dürfte dieses tool arbeiten.
Ob der Track 9 oder irgend eine andere Version davon veröffentlicht würde, interessiert wahrscheinlich keinen Hörer wirklich essentiell.
@vssmnn Ich denke mal, es ist müßig diesen „Beitrag“ zu kommentieren. Danke trotzdem für´s Mitmachen.