Fairchild to go - kleines Pedal, großes Vorbild
Der J. Rockett Airchild Six Sixty Compressor tritt an, die Eigenheiten des berühmten Sounds des namentlich ähnlichen Kollegen aus der Ära der großen Studios nachzuahmen. Gitarristen, die Wert auf extrem musikalische, „unauffällige“ Kompression legen, sollten hier ganz genau mitlesen.
Inhaltsverzeichnis
J. Rockett Airchild Six Sixty Compressor
Die einen hassen sie, die anderen lieben sie: Kompressoren. Gerade unter uns Gitarristen entbrennt immer wieder Streit, ob wir uns unsere Dynamik wieder kaputtkomprimieren lassen sollen, die wir für viel Geld und mit großer Liebe zum Detail aufgebaut haben.
Doch hier ein kleiner Spoiler: Man kann die Dinger auch vorübergehend ausschalten. Aber wer einmal mit einem guten Kompressor gearbeitet hat, möchte das Gefühl oft nicht mehr missen, weil das eigene Spiel doch sehr profitieren kann, wenn das Signal ein klein wenig veredelt wird. Es muss eben nicht immer der bis zur Unkenntlichkeit zerquetschte Sound sein, der einem jede Dynamik raubt. Und hier setzt der J. Rockett Airchild Six Sixty an.
Der Name Airchild Six Sixty ist natürlich nicht zufällig gewählt. Ich kaufe ein „F“ und möchte lösen: Der legendäre Fairchild 660 dient als Vorbild. Und das ist eine verdammt hoch liegende Latte, die man sich im Hause Rockett aufgelegt hat. Hören wir uns das Ganze mal an, doch zunächst etwas Geschichte:
Der Fairchild 660 – Ein wenig historische Lobhudelei
Der Fairchild 660 ist weit mehr als nur ein Kompressor – er ist ein Stück Audiogeschichte, ein Mythos in Metall und Glas. Entwickelt Ende der 1950er-Jahre von Rein Narma, einem findigen Ingenieur mit einem feinen Gespür für Klangästhetik, entstand ein Gerät, das bis heute Maßstäbe setzt. Narma hatte zuvor mit Les Paul gearbeitet – eine gute Basis für die Entwicklung eines „musikalischen“ Kompressors.
Im Inneren werkeln über 20 Röhren und eine Vielzahl an Übertragern – ein gewaltiger Aufbau, der schon beim Anblick Respekt einflößt. Doch erst im Klang offenbart sich dann die wahre Kunst: Der 660 reagiert mit einer Musikalität, die man schwer beschreiben kann. Er verdichtet das Signal, ohne es zu erdrücken, lässt Stimmen größer, wärmer und greifbarer wirken. Kein Wunder, dass die Beatles, Sinatra oder Motown-Ingenieure ihn liebten – in den Abbey Road Studios lief und läuft noch immer fast nichts ohne einen Fairchild in der Signalkette.
Heute ist der Fairchild 660 längst Legende. Originale werden wie heilige Reliquien gehütet, moderne Nachbauten und Plug-ins versuchen, diese Eigenschaften einzufangen – mit wechselndem Erfolg. Denn was den Fairchild wirklich ausmacht, ist diese Mischung aus technischer Genialität, Röhrenromantik und einer fast menschlichen Musikalität. Ein Kompressor mit Seele – und vielleicht das schönste Beispiel dafür, dass Technik manchmal wirklich Kunst sein kann.
Facts & Features
Ein schlichtes Pedal erwartet uns, etwa so groß wie eine Zigarettenschachtel, dafür ist es aber ziemlich schwer. Wie alle Pedale von J. Rockett hochwertig verarbeitet, erdbebensicher und von schlichter Eleganz. Der J. Rockett Airchild Six Sixty arbeitet mit 9 V, ein Aufkleber sichert den Netzteilanschluss und enthält den freundlichen, aber bestimmten Hinweis, auf jeden Fall die richtige Polarität zu beachten. Diese erfordert einen Stecker mit Minuspol innen. Input, Output und Netzbuchse befinden sich platzsparend an der Stirnseite, das Gerät verfügt über einen True-Bypass.
Vier Regler stehen zur Verfügung. Neben dem Output-Regler, der die Lautstärke des gesamten Pedals bestimmt, findet sich ein Tone-Regler, der als Tilt-EQ ausgelegt ist. Das bedeutet, dass er bei Linksdrehung die Höhen kappt und Bässe hinzufügt, während er in Gegenrichtung die Höhen anhebt und die Bässe absenkt.
Der Blend-Regler regelt den Anteil des Effekts im Verhältnis zum Originalsignal, bei Rechtsanschlag hören wir 100 % Effektsignal. Das ermöglicht es im Gegenzug, den Airchild Six Sixty bei Linksanschlag des Blend-Reglers als Treble-Booster zu nutzen. Der Threshold-Regler macht, was er soll: Er regelt die Stärke der Kompression. Der Fußschalter verfügt über einen angenehmen Gegendruck beim Schalten.
Der Sound des Airchild
Um den Sound des Airchild Six Sixty zu demonstrieren, schalte ich ihn – ohne weitere Effekte – direkt vor meinen Hughes & Kettner GrandMeister Deluxe 40 und wähle zunächst einen Cleansound. Das erste Klangbeispiel demonstriert den cleanen Sound ohne Kompressor, etwas Reverb kommt aus dem Amp. Über ein halboffenes 1 × 12″-Cabinet mit einem Celestion Greenback geht’s über ein MXL DX-2 Dual-Capsule-Mikrofon direkt ins Audiointerface. Das war’s.
Zum Einsatz kommt meine Charvel Marco Sfogli Signature-Gitarre mit verschiedenen Pickup-Kombinationen. Here we go …
Man hört deutlich, dass der Airchild Six Sixty kein Totmacher ist. Selbst bei voll aufgedrehtem Blend und Threshold bleibt die Kompression stets extrem musikalisch und der Charakter des Sounds erhalten. Singlenotes und kurze Leadlines gewinnen deutlich an Transparenz. Der Tone-Regler hat enormes Potenzial. Jazzgitarre vergessen? Kein Problem. Aber hier sollte vorsichtig zu Werke gegangen werden, denn sonst wird es schnell spitz.
Zeit für einen Cruchsound. Wieder gibt’s zunächst den unkomprimierten Referenz-Sound aus dem Hughes & Kettner GrandMeister, dann geht’s ohne Kompression an den Trebleboost. Meine persönliche Lieblingseinstellung ist sowohl bei cleanem, als auch bei angezerrtem Amp der neutral eingestellte Tone-Regler und Blend sowie Threshold jeweils auf 3 Uhr. Dabei lebt der Ton auf, ohne an Dynamik zu verlieren, das ist die ganz hohe Schule der Kompression.
Alternativen zum Airchild Six Sixty
Wer „squeezigere“ Kompression sucht, dürfte am Markt keine Probleme haben, hier eine günstigere Alternative zu finden, denn mit 254,- Euro ist der Airchild nicht gerade günstig. Wer aber auf der Suche nach genau dieser unauffälligen Art der Kompression ist, sollte sich den Wampler Ego 76 mal anhören, der ebenfalls einem der großen Studiokompressoren nacheifert, dem UA 1176.
Preislich in der gleichen Liga liegt der JHS Pulp’n Peel V4, etwas teurer wird’s beim Origin Effects Cali76 V2, beide gehören zu den eher unauffälligen Kompressoren, die den Sound nicht zermatschen.
Ein ebenfalls ganz heißer Kandidat ist der leider nicht mehr erhältliche Walrus Audio Mira, der nur noch auf dem Gebrauchtmarkt zu finden ist und für den man, je nach Zustand, ebenfalls um die 250,- Euro hinblättern muss.































