Ganz schön böses Schneewittchen!
Die Kategorie „Siebensaiter“ gehört mittlerweile zum Standardangebot fast eines jeden Herstellers. Klar, die Nachfrage ist riesig – vor allem Gitarristen von Metalbands zählen zum Kundenkreis dieser Instrumente, denen die zusätzliche tiefe H-Saite eine ganze Reihe weiterer Möglichkeiten bietet. Natürlich will auch die Firma Jackson als Mitbegründer der „klassischen Metalgitarre“ da ein Wörtchen mitreden und präsentiert mit der Jackson TY2-7 HT Telly eine Gitarre, deren Weste zwar weiß ist, die aber im Kern einen ganz schön bösen Wolf verbirgt! Wetten?
Facts & Features
Als Teil der FMIC (Fender Musical Instrument Corporation) werden die Gitarren und Bässe von Jackson in denselben Fabriken gefertigt wie auch das übrige Sortiment des Herstellers. Das heißt, es gibt sowohl Instrumente aus den USA als auch welche aus Mexiko und Asien. Bei unserer Jackson TY2-7 HT Telly haben wir es mit einer Gitarre aus mexikanischer Produktion zu tun, vergleichsweise günstig fällt dem entsprechend auch der Preis aus. Nur knapp über 600,- Euro kostet die Gitarre im Shop. Verständlich, dass bei einem solchen Preis kein Gigbag oder gar ein Koffer zu erwarten ist.
Die Form des aus Linde gefertigten Korpus assoziiert zwar dem Betrachter noch irgendwie das Bild einer Telecaster, von Fenders Klassiker übrig geblieben sind aber faktisch nur die Umrisse. Ebenso ist der Korpus keinesfalls massiv, sondern besteht aus zwei Teilen Linde, die an den durchgehenden Ahornhals angesetzt wurden. Erfreulich ist dabei das niedrige Gewicht, was die drei Teile Holz auf die Waage bringen. Trotz der Mehrausstattung für die siebte Saite – den zusätzlichen Saitenreiter, die vergrößerte Brücke, die zusätzliche Mechanik und nicht zu vergessen die größeren Pickups – zeigt sich die Jackson TY2-7 HT Telly als sehr leichtgewichtig und somit als sehr handlich.
Damit es noch bequemer zugeht, wurde auf der Decke ein Shaping für das Auflegen des Oberarms eingefräst. Gleiches gilt für die Rückseite, bei der uns die allseits beliebte und bewährte „Bierbauchfräsung“ erwartet und mit etwas Komfort verwöhnt. Erhältlich ist die siebensaitige Metal-Telly übrigens in zwei verschiedenen Farben, neben dem „Snow White“ unseres Testinstruments gibt es sie noch in einem dunklen Purple-Finish.
Der Hals der Jackson TY2-7 HT Telly
Sozusagen das Herzstück der Gitarre: Einteilig, mit einem Grafitstreifen verstärkt und an seinem unteren Ende mit den beiden Teilen aus Linde zum Korpus verschmolzen.. Der Hals-Korpus-Übergang bildet zusammen mit dem auch auf der Rückseite ausgefrästen Cutaway eine extrem organische Einheit, die der Greifhand ein müheloses Bespielen der vollen zwei Oktaven ermöglicht. Die 24 Jumbobünde wurden sauber in das Ahorngriffbrett eingesetzt und mit einem Binding an beiden Seiten verschlossen, Sharkfin-Inlays aus schwarzem Perlmutt weisen den Weg.
Als Bonus oben drauf besitzt das Griffbrett einen „Compound Radius“, was bedeutet, dass sich dessen Wölbung vom ersten bis zum letzten Bund um rund 100 mm verringert. Eine zurzeit sehr populäre Bauweise, vorwiegend bei Gitarren aus der Heavy-Ecke zu finden. Erstaunlich schmal erscheint zudem die Sattelbreite von nur 44,5 mm und das daraus resultierende schmale Griffbrett. Auf den ersten Blick unterscheidet sich der Hals bzw. die Breite des Griffbretts tatsächlich kaum von dem einer sechssaitigen Gitarre – was sich nur positiv auf das Spielgefühl auswirken kann.
Ebenso überrascht die Standardmensur von 648 mm, was das Bespielen der zusätzlichen H-Saite nicht gerade einfach macht, da es hier in aller Regel einfach an Zugkraft fehlt. Man hat sich also wohl auch hier bei der Jackson TY2-7 HT Telly an den Spezifikationen einer „normalen“ E-Gitarre mit sechs Saiten gehalten. Uns kann das gefallen, fällt der Übergang zur siebten Saite so dem Einsteiger und „Gelegenheitsnutzer“ nicht ganz so schwer.
Hardware und Pickups der Jackson TY2-7 HT Telly
Bei Hardware und den Pickups setzt man Jackson bzw. Fender auf Parts aus eigener Fertigung. Und dazu noch auf eine String-Through-Konstruktion der Brücke, die wie die gesamte Hardware schwarz lackiert wurde. Auch die Jackson TY2-7 HT Telly profitiert somit von einer Saitenführung durch den Korpus hindurch, was beste Voraussetzungen für das Sustain und den Klang der Gitarre insgesamt mit sich bringt.
An der Kopflatte im Reversed-Design sitzen die sechs Mechaniken, bei denen es sich um gewöhnliche Ausführungen und nicht etwa um Klemmmechaniken handelt. Sie sind nicht von allerbester Qualität, fast wäre es schon zu erwarten gewesen, denn bei einem Instrument dieser Preisklasse wird an diesem Punkt oft und gerne gespart. Der Markt für Replacement-Parts ist aber dicht besiedelt und sollte es wirklich nur an den minderwertigen Mechaniken hapern und der Rest stimmen, kann man hier in einem überschaubaren finanziellen Rahmen die Gitarre sinnvoll mit ein paar besseren Tunern nachrüsten.
Gleiches gilt für den Dreiwegeschalter, der die zwei Humbucker anwählt. Hier ist vermutlich noch früher Handlungsbedarf nötig, denn er wackelt schon bedenklich in seinem Sitz. Gut, dass er nur drei Positionen zu schalten hat, aber auch hier bietet der Markt günstige Alternativen für dieses wohl am meisten genutzte Teil an einer elektrischen Gitarre. Front-Humbucker, beide Humbucker gleichzeitig oder der Doppelspuler am Steg sind die möglichen Optionen, eine Singlecoil-Schaltung ist nicht vorhanden.
Das war es aber auch schon mit der Kritik an der Hardware, ein Lob hingegen verdienen die beiden Potis für Volume und Tone, die sich schon deutlich gesunder anfühlen und mit den griffigen Metallknöpfen wie in Butter auf ihren Achsen laufen.
Zwischenzeugnis
Von den von Fender in Mexiko hergestellten Instrumenten ist man ja schon einen gewissen Qualitätsstandard gewohnt und der fällt auch bei der Jackson TY2-7 HT Telly ähnlich aus. Die Verarbeitung an Holz und Lack gibt keinen Anlass zur Kritik, gespart wurde aber spürbar an Dingen, wie etwa den Mechaniken oder dem fragilen Dreiwegeschalter. Ansonsten aber kann man nur staunen, mit welcher Sorgfalt wohl auch die Gitarren von Jackson im mexikanischen Ensenada gebaut werden. Und wie eine mexikanische Jackson mit sieben Saiten nun klingt und wie sie sich spielt, erfahren wir ab der nächsten Seite.
Sound & Praxis mit der Jackson TY2-7 HT Telly
Das leichte Gewicht der Gitarre, das schlanke Halsprofil und der an den richtigen Stellen konturierte Korpus bieten beste Voraussetzungen für ein ermüdungsfreies Spiel mit der Jackson Telly. Hinzu kommt die schmale Sattelbreite, sodass es beim Umstieg von einer sechssaitigen Gitarre zur Telly und zurück kaum Gewöhnungszeit bedarf. Überwältigend ist das Sustain, der durchgehende Hals und die String-through-Saitenführung spielen schon im trocken angespielten Zustand ganz klar ihre Vorteile aus. Auch die Tonansprache (Attack) ist sehr gut, jede angepickte Saite wird sofort und ohne Umschweife in einen sauberen Ton umgesetzt.
Wie allerdings zu erwarten war, tut sich die tiefe H-Saite aufgrund der kurzen Mensur schwer mit ihrer Zugkraft, was das Einspielen speziell von Riffs bzw. schnellen und einzeln gepickten Noten nicht ganz einfach macht. Ab Werk ist die Gitarre mit einem Saitensatz der Stärke 009 auf 052 bespannt, vielleicht hätte man hier doch besser noch eine Nummer stärker genommen. Hier gilt es also zu experimentieren, um ein für sich befriedigendes Ergebnis zu erzielen.
Hören wir rein in den Sound der Jackson TY2-7 HT Telly, für das folgendes Equipment verwendet wurde: Orange Micro Dark Verstärker mit angeschlossener H&K GL112-Box und Celestion Vintage 30 Speaker sowie ein AKG C3000 Mikro für die Abnahme des Ganzen.
In Klangbeispiel 1 hören wir gleich einen verzerrten Riff mit der tiefen H-Saite, eingespielt mit dem Humbucker am Steg. Ich habe nach dem Einspielen extra den Ton ausklingen lassen, um das unglaublich fette Sustain der Gitarre zu demonstrieren!
Im nächsten Klangbeispiel hören wir eine gepickte Linie auf dem Steg-Humbucker, inklusive der tiefen H-Saite. Auch hier ist beim Ausklingen das übertrieben dicke Sustain wahrzunehmen. Dabei helfen natürlich auch die Pickups, die eine enorme Ausgangsleistung besitzen und damit den angeschlossenen Amp so richtig „anblasen“ können!
Als nächstes eine Sololinie, eingespielt mit beiden Pickups aktiviert und überwiegend im oberen Bereich des Halses.
In Klangbeispiel 4 nun der verzerrte Sound des Front-Humbuckers, gespielt ebenfalls mit einer Sololinie. Mit der tiefen H-Saite sollte man hier besser nicht antreten, denn die Gefahr des Matschens besteht hier selbst schon bei geringer Verzerrung.
Auch wenn die Jackson TY2-7 HT Telly vermutlich zu 99,9 % von ihrem Besitzer in Verbindung mit einem verzerrten Sound gespielt wird, hören wir zum Abschluss trotzdem noch in den unverzerrten Klang rein, der ist nämlich durchaus brauchbar. Für Klangbeispiel 5 wurden dazu beide Pickups angewählt.
Die Saitenführung am Kopf des Halses finden Designer interessant, aber Statiker werden nervös. Die Zugkraft der tiefsten Saite übt eine enorme seitliche Kraft auf den Vorsprung des Sattels aus, der an dieser Stelle auch noch besonders schlank ausgeführt ist. Am besten gleich Ersatzsättel mitbestellen …
Sehr schönes Instrument, vor allem die Purple