Der JBL LSR 705P in der Praxis
Aufgrund der sehr geringen Abmessungen ist man versucht, den JBL LSR 705P in unmittelbarer Nähe zur Hörposition zu platzieren, was aber in vielerlei Hinsicht zu kurz gedacht ist. Zum einen verspricht die Abstrahlcharakteristik des Hochtöners durch seine vergleichsweise straffe Bündelung des Signals auch aus größerer Entfernung eine hohe Signaltreue, zum anderen sollte man sich noch einmal die Leistungsdaten von knapp 500 Watt pro Box ins Gedächtnis rufen, was deutlich mehr in Richtung Midfield als Nearfield tendiert.
Überhaupt wird man den Eindruck nicht los, JBL sieht den Winzling tatsächlich als A-Abhöre, was zum einen die äußerst ambitionierten Leistungsdaten als auch den trotz eines vergleichsweisen kleinen Tieftöners von nur 5 Zoll überaus umfangreichen Frequenzgang von 40 Hz – 36 kHz erklärt, wobei meiner Meinung nach alles über 20 kHz hinterfragt bzw. selbst „erhört“ werden sollte.
Optisch hingegen ist der JBL LSR 705P an Unauffälligkeit kaum zu überbieten. Das matt-schwarze Gehäuse passt sich hervorragend an jede Arbeitsumgebung an und da sich die Bassreflexöffnung auf der Vorderseite befindet, darf man sich mit dem Gehäuse sogar vergleichsweise nah einer massiven Wand nähern. JBL verkauft die Boxen übrigens einzeln, was die Verwendung für Mehrkanalproduktionen nahelegt.
Um die Monitore direkt auf ihre Leistungsfähigkeit im Midfield-Bereich zu testen, wurden die Boxen nicht wie üblich rechts und links des Monitors platziert, sondern sie durften es sich oberhalb meiner aktuellen A-Abhöre von Eve Audio gemütlich machen. Ein Anblick fürs Album, nimmt man die knapp sechsmal größeren Eve Audio Kolosse im direkten Vergleich, die aber mit ihren 800 Watt nur knapp 30 % mehr Leistung als die JBL Zwerge offerieren.
Die Entfernung zur Abhörposition beträgt knapp 180 cm, die Entfernung zu der Wand dahinter beträgt 200 cm. Als Mastervolume-Regler fungiert ein Palmer Monicon, die gesamte Verkabelung ist von Cordial. Der Regieraum ist moderat mit Basotect Platten bedämpft und wurde mit einem kurzflorigen Teppichboden ausgelegt.
Bereits bei den ersten Tönen aus den JBL LSR 705P spürt man eine deutliche Bündelung des Hochtonbereichs, was zwar auf der einen Seite den Sweetspot des gleichschenkeligen Dreiecks etwas einschränkt, auf der anderen Seite aber auch für ein besseres Stereobild bei größeren Entfernungen sorgt. Auch hier, die Tendenz zur Midfield-Abhöre ist unverkennbar.
Gehen wir etwas mehr ins Detail. Schon bei den ersten Songs fällt es wirklich schwer, nicht aus den Ohren zu verlieren, was für eine kleine Abhöre man vor sich stehen hat. Insbesondere der Bassbereich schafft ein Volumen und einen Frequenzgang, den man einem 5 Zöller nicht zutraut. Auch wenn die verbauten Prozessoren deutlich mehr Wirkungsgrad als beispielsweise bei einer passiven Anlage erzeugen, dieses Volumen hätte ich dem System nicht zugetraut. Nicht zuletzt die hohen Leistungsreserven ermöglichen dem System einen Headroom, der auch bei höheren Lautstärken immer noch eine große Linearität im Frequenzgang ermöglicht.
Die im Handbuch genannten 40 Hz werden tatsächlich auch gestreift, was je nach Musikrichtung sogar den Erwerb eines Subwoofer obsolet macht. Ob basslastige Produktionen aus dem „künstlichen“ Metier à la Techno oder Hip-Hop hiermit zufrieden sind, muss jeder Tontechniker mit sich selbst abklären, „natürliche“ Musik aus dem Rock-, Pop- und Jazz-Lager dürfte mit diesem Bassbereich keine Probleme haben.
Der Hochtonbereich der JBL LSR 705P hingegen kommt sehr nüchtern daher, was keineswegs negativ zu verstehen ist. Weder ist der Bereich übermäßig weich und schmeichelnd, noch zu harsch oder beißend, eben nüchtern. Der von der M2 übernommene Image Control Waveguide hinterlässt bei mir einen sehr guten Eindruck, allerdings finde ich dass man die Hörposition etwas disziplinierter einhalten muss als bei anderen Modellen.
Kommen wir nun zu dem Bereich, für den JBL in vielen seiner Modellen einen legendären Grundklang offerierte, den Mitten. Gerade für Gitarren-lastige Produktionen hatte JBL in den letzten Dekaden immer einen Ticken mehr Anteile im 400 Hz – 1,6 kHz Bereich als die vergleichbare Konkurrenz. Die ist bei der JBL LSR 705P nicht mehr der Fall. Nicht dass die Mitten in irgendeiner Form einen Makel hätten, aber in Sachen „Wärme“ und „Geschmeidigkeit“ hat sich JBL dem allgemeinen Hörerwartungen angepasst.
Auch im Bezug auf die räumliche Auflösung wird deutlich, dass man trotz höchster Optimierung aller Komponenten die Schallfläche nicht über einen bestimmten Punkt in Sachen Abstrahlungsvermögen hinaus erweitern kann. Mag bei modernen Produktionen die räumliche Tiefe ohnehin aufgrund des klanglichen Materials und der Mastering-Parameter sich weit hinten in der Prioritäten-Skala befinden, so stellt sie bei Raum-affinen Produktionen aus dem Jazz- und Blues-Bereich einen wichtigen Punkt dar. Hier muss man der JBL LSR 705P leichte Abstriche attestieren, da es dem System nicht optimal gelingt, einen perfekten Übergang vom Direktanteil zur Hallfahne zu bilden. Der Raum ist deutlich wahrnehmbar, aber das Gefühl des „Eintauchens“ will sich nicht vollends einstellen.
Was sich hingegen sehr gut justieren lässt, sind die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten des Systems. Jegliche Form der Synchronisation oder auch unterschiedliche Laufzeiten aufgrund verschiedener Entfernungen lassen sich sehr gut verwalten.
Gut geschriebener Testbericht. Vielen Dank.
Wäre super wenn die 708er auch getestet werden.