Solider Buskompressor
Die Wurzeln des JDK Audio COMP-R22 liegen bei den Kompressoren der ersten ATI-Paragon-Mix-Konsolen, die hauptsächlich für Live-Auftritte genutzt wurden. ATI kennt man zwar von Grafikkarten – aber Mix-Konsolen aus den 80ern? In der Tat steht ATI für Audio Toys, Inc., die dann später Automated Processes, Inc, wohl besser bekannt unter dem Kürzel API, aufkauften. Während ATI wohl kaum einem präsent ist, sagt API beinahe jedem etwas. Der JDK Audio COMP-R22 ist also nach Aussage von JDK Audio eine Auskopplung aus den Konsolen-Kompressoren der originalen ATI-Paragon-Konsolen. Für unter 1.300,- Euro pro Stück eine moderne, dennoch legendäre Technik – das kann doch nur gut werden, oder?
Das JDK Audio Markenzeichen: Military-Look
Der erste Blick auf die Frontplatte enthüllt ganz klar die Präferenz für den robust, beinahe brachial wirkenden Military-Look, der alle Geräte von JDK Audio ziert. Eine 2 HE olivgrüne Frontplatte mit kräftigen schwarzen Bügeln bildet die Grundlage. Die Potiknöpfe sind groß und griffig und bieten gerade genug Widerstand. Die Kippschalter sind klein, aber von der wertigen Sorte und rasten ordentlich ein.
In der Mitte prangen die beiden analogen VU-Meter, zwischen denen der Link-Schalter sitzt. Die Modell-Plakette gibt das i-Tüpfelchen für den Military-Look, der von einem großen Kippschalter für die Stromzufuhr und einer großen Pilot-LED abgerundet wird. Gut, man muss diesen Stil nicht mögen, aber er ist konsequent und stilecht ausgeführt worden und wirkt deswegen nicht aufgesetzt oder gar störend.
Auf der Rückseite befinden sich jeweils zwei symmetrische XLR- bzw. Klinkenbuchsen-Pärchen. Einen Sidechain-Insert gibt es nicht.
Technische Werte des JDK Audio R22
Zur Übersicht hier die grundlegenden Werte des JDK Audio COMP-R22
- Eingangsimpedanz: 15 kOhm symmetrisch
- Frequenzgang: +/-0,5 dB, 20 Hz-50 kHz
- THD+N@ 1 kHz, +4 dBu: <0,005 %
- Maximum Level: +19 dBu
- Signal-to-Noise-Ratio: -88 dBu (aktiviert), -92 dBu (Bypass),
- Crosstalk:<84 dB @ 20 kHz
- Stereo-Link: True-RMS-Power-Summing
- Meter: -20 bis +3 VU Output-Level, 0 to -15 dB Gain-Reduction, schaltbar
- Kompressoreinstellungen:
- Threshold-Range: -40 dBu bis +15 dBu
- Ratio-Range: 1:1 bis 10:1
- Makeup-Gain-Range: 0 dB bis +20 dB
Das Innenleben des Kompressors – erstaunlich simpel
Werfen wir einen vorsichtigen Blick auf das Innenleben. Mit vier Schrauben wird der Deckel mit dem Gehäusechassis verbunden. Nach dem Lüften des Deckels erwartet uns eine aufgeräumte Hauptplatine und ein ganz normales Ringkerntrafonetzteil, es sind noch nicht einmal lineare Schaltregler zu sehen.
Alle ICs auf der Platine sind gesockelt: Das ist service- und modifikationsfreundlich.
Ein genauerer Blick enthüllt dann auch das Herzstück des JDK Audio COMP-R22: Es ist der That 2181S, ein VCA mit einer Dynamik von über 120 dB.
Für die Symmetrierung der Ein- und Ausgänge sind die bewährten NE5532 OpAmps herangezogen worden. Etwas befremdlich fand ich aber die Wahl der anderen OpAmps; hier haben wir es samt und sonders mit TL072 bzw. TL074 zu tun. Diese sind zwar guter Standard, aber für ein Gerät über der 1.000,- Euro Marke meiner Meinung nach eine zweifelhafte Wahl, es sei denn, sie sind ausschließlich als Treiber für die VU-Meter gedacht. Dazu sind es aber zu viele. Selbst im Sidechain-Kanal sind gute und vor allem schnelle OpAmps nötig (Stichwort: Transienten). Ein weiterer IC von That übernimmt aber hier die Aufgabe der RMS-Detektion: der That 2252.
Da aber der genaue Schaltplan nicht vorliegt, ist es unmöglich zu sagen, ob an Stelle der TL072/074 „bessere“ Opamps einen hörbaren Vorteil gebracht hätten. Aber wie gesagt: Alle ICs sind gesockelt und man kann nach Herzenslust mit pinkompatiblen OpAmps experimentieren – dabei verliert man natürlich jegliche Gewährleistung, klar.
JDK Audio COMP-R22 Layout
Eigentlich besteht der JDK Audio COMP-R22 aus zwei Kompressoren. Aus diesem Grund kann er auch für eine M/S-Bearbeitung eingesetzt werden. Über den Link-Schalter lassen sich beide Sektionen zu einem Stereopaar verknüpfen, dessen Steuerungssignal dann aus der RMS-Summe beider Kanäle gewonnen wird.
Beide Kanäle sind identisch aufgebaut und besitzen drei Regler für Threshold, Ratio und Gain; zusätzlich sind vier Kippschalter vorhanden für Relais-Bypass, Soft/Hard-Knee, Thrust/Flat-Response und den Schalter für die Anzeige von Gain-Reduction oder Output-Level.
Die LED, die mit „Above“ bezeichnet ist, zeigt an, ob der Eingangspegel den eingestellten Threshold-Pegel übersteigt. Das VU-Meter reagiert zügig und man kann daran gut ablesen, wie der zeitliche Verlauf der Kompression ist.
Dem geneigten Leser ist bestimmt schon aufgefallen, dass es keinen Attack- oder Release-Regler gibt. Stimmt, diese Einstellungen nimmt der JDK Audio COMP-R22 automatisch vor und variiert sie programmabhängig. Dabei gehen die Attack-Werte von 10 ms bis 40 ms und die Release-Werte von 30 ms bis 400 ms. Damit ist dieser Kompressor eher für Subgruppen und den Master-Mix prädestiniert als für Einzelsignale, zudem man gerade für Drums lieber feste Attack-/Release-Zeiten nutzt. Auch als Limiter taugt er nur bedingt, da die Ratio zwar bis 1:10 geht, aber 10 ms Attack einfach zu lang sind. Als Kompressor vor dem eigentlichen Limiter kann ich ihn mir aber gut vorstellen.
Einsatz und Klang des JDK Audio COMP-R22
Also nicht lang schnacken, sondern anschließen und loslegen. Schon beim Aktivieren fällt auf, dass der JDK Audio COMP-R22 den Klang ganz leicht färbt und etwas mehr Höhen hinzugibt, aber von der angenehmen Sorte. Tatsächlich gibt er im aktivierten Zustand ein µ an 3. Harmonischer dazu – bei -96 dB unter dem Testton kann das aber unmöglich hörbar sein. Zumal die erzeugte Harmonische unterhalb des Netzbrummens des Audiointerfaces liegt. Also ist es vielleicht nur das „gute Gefühl, etwas Analoges“ im Signalweg zu haben?
Zu den Beispielen: Es kommt immer erst der Loop im Bypass, dann mit aktiviertem Kompressor, beides in einer Datei. Beschränkt habe ich mich auf Subgruppen bzw. die Master-Gruppe von drei kleinen Live-Schnipseln, die den Kompressor jeweils vor leicht unterschiedliche Aufgaben stellen. Die Mixe sind dabei nicht ganz ideal, sondern das eine oder andere Instrument ist etwas zu laut oder zu leise. Es soll herausgefunden werden, wie der JDK Audio COMP-R22 darauf reagiert.
Alle Beispiele wurden im Link-Modus aufgenommen. Hier steuert die linke Seite Threshold, Ration, Gain, Thrust und Knee.
Beginnen wir mit einer Gain-Reduction von 4 dB, Hard-Knee und einer Ratio von 1:2; zunächst im Bypass, dann mit einer Aufholverstärkung von 4 dB.
Deutlich hört man, wie das Signal verdichtet wird. Der Mix beginnt sogar schon leicht zu pumpen. Setzen wir nun also die patentierte „Thrust“-Schaltung ein, die laut englischer PDF-Anleitung die sensitiven Höhen schützen soll, selbst bei heftigen Ratios. Technisch wird das durch das Zuschalten eines Highpass-Filters vor dem RMS-Detektor im Steuerkanal erreicht – über die genaue Frequenz wird aber geschwiegen.
Was man am VU-Meter deutlich sehen und auch hören kann, ist eine drastische Verkürzung der Attack- und Release-Zeiten; eine Änderung im Klang der Höhen selber ist kaum wahrnehmbar. Eher ist durch die kürzeren Zeiten das Pumpen offensichtlicher geworden. Schön ist allerdings, dass das Schalten des Bypass keinerlei Nebengeräusche erzeugt.
Gehen wir mal mit dem Ziel einer 2 dB Gain-Reduktion heran, dafür aber einer Ratio von 1:10. Mal sehen, ob wir die Kompression so dezenter hinbekommen. Leider sind die Markierungen für die Aufholverstärkung etwas unglücklich, 8 dB entsprechen sieben Unterteilungen, sodass man pro Unterteilung also 1,143 dB hat.
Auch hier kann man den Kompressor deutlich arbeiten hören. Nun wieder mit aktiviertem Thrust.
Hier kann die Thrust-Schaltung tatsächlich das Gesamtbild ausgleichen und den Kompressor weniger plakativ arbeiten lassen.
Alle Einstellungen bleiben zunächst gleich, aber es wird auf Soft-Knee Charakteristik umgestellt. Für die Gleiche Gain-Reduction muss ich jetzt jedoch den Threshold ca. 8 dB zurückstellen.
Die Soft-Knee-Funktion erhöht die Attack- und Release-Zeiten erheblich und bügelt dadurch das Signal angenehm glatt, eine durchaus homogene Verdichtung.
Und mit Thrust-Schaltung, geht das Signal noch mal einen Schritt nach vorne:
Danke für den Test, ein sehr interessantes Gerät.
…….“ Allerdings tummeln sich in diesem Preisbereich viele hervorragende Hardware-Kompressoren mit wesentlich mehr Optionen fürs Geld, dass das Gesamtergebnis dann „nur“ noch gut lautet.“…..
Welche sollen das sein? Ein paar Alternativen hätte ich gerne noch gelesen.
Bei dem Preis sind ssl/api/manley/UA & Co. weit weit weg. In der Liga dieses JDK Compressors fallen mir nur Drawmer, Heritage, Tegeler oder warm audio ein.
Ich suche schon länger einen schönen Stereokompressor zum kleben bis 1500€….:(
Hat der Tester einen Tipp?
elysia xpressor. ich bin nicht der tester, aber ich bin begeistert.
@dflt Hallo dflt,
du meinst dann sicherlich die 19“ Version und nicht das 500er Format?
Ich hatte den xpressor eher als kreativ tool für aussergewöhnliches wahrgenommen anstatt eines Summenveredlers. Aber ich schaue mir den jetzt mal genauer an. Danke
eigentlich meinte ich beide. bis auf den sidechain-eingang unterscheiden die sich klanglich nicht soweit ich weiß. neben kreativ kann der durchaus auch subtil. ist aber im endeffekt natürlich geschmackssache.
@dflt Also beim 500er Format lese ich oft von Schwächen bzg. Streuung, Abschirmung usw. gehenüber der jeweiligen Rackversion.
Kann ich bei meinen paar 500ern nicht so bestätigen, bin aber auch noch nicht so im Thema.
Sidechain finde ich schon wichtig andererseits habe ich da schon ein paar Spezialisten für ducking, pumping& Co.
Eventuell ist dann der 500er xpressor tatsächlich ganz interessant für mich. Zumal er fast die Hälfte weniger kostet als der Große.;)
ich hab auch „nur“ die qube-version ;) allerdings keins der aufgezählten probleme. für sidechain-effekte hab ich noch nen dbx166 (und meistens mach ich das dann doch im rechner).
@dflt Letzte Anmerkung zu unserem kleinen offtopic-Thema:
Ein Kritikpunkt bei 500ern ist unzureichender headroom und weniger Offenheit im Klang wegen des zu klein dimensionierten Netzteils. Kommt sicherlich auch darauf an , wieviel Module sich den Strom teilen.
Spannendes Thema.
Tatsächlich ein interessantes Thema (obwohl Off-Topic). Ich habe versucht das mal etwas in Perspektive zu setzen. Die Stromversorgung eines API-500 Systems ist mit +/-16V festgelegt. Das gibt einem 32V ppk (Peak-to-Peak) Aussteuerung.
Nehmen wir mal die maximale Amplitude über dem 0 Punkt, also 16V. Das entspricht 26,03 dBu.
Bei einem Fireface 802, das durchaus schon in die Oberliga gehört, hat man einen maximalen Output von +19 dBu, was in etwa 6,9V enspricht.
Also daran kann es nicht liegen, Headroom ist da genug. Pro Modul stehen per Spezifikation 130mA zuer Vefügung, da sehe ich schon eher Probleme (neuere Racks bieten bis 150mA pro Modul).
Probleme können natürlich durch das Betreiben mehrerer Module an einem Strom-Bus auftreten. Wenn da eines fiese Sachen macht, können die anderen auch davon betroffen sein.
Spannend wäre vlt. ein Vergleich von einem 500er Modul mit seinem Rack-Pendant?
@t.goldschmitz …“Spannend wäre vlt. ein Vergleich von einem 500er Modul mit seinem Rack-Pendant?…“
Oooh, bitte ja! Sowas wäre mal ein extrem spannender Vergleich. Nicht wie so oft software vs. hardware, sondern 500er vs. 19“!
Hoffentlich ist das nicht zu sehr „Sparte“:(
Und, btw. einen Tipp bezüglich meines ersten posts?
Kann Dir da lediglich eine Übersicht 800EUR – 1500EUR anbieten:
https://bit.ly/3wCtOWX
(auf Thomann).
Ok, danke erstmal.
Beim R-22 find ich den military-look wirklich nice. Im Kontext zu anderen, sterileren Geräten, schön anders.
Kein SC ist etwas schade und die Standard-OpAmps verstehe ich garnicht. Da wäre für einwenig Mehrkosten mehr Qualität drin gewesen.
Hallo Thilo,
danke für den schönen Test, das scheint auf jeden Fall ein wertiges Gerät zu sein.
Was mir aber nicht klar wird, ist woher das Naserümpfen über die verbauten TL072-ICs herkommt („Stichwort ‚Transienten'“).
Ich habe mir dazu mal das Datenblatt von TI angesehen und das Ding hat eine Slew Rate von 20V/µs. Wenn wir mal von Eurer angenommenen Versorgungsspannung von 40V ausgehen, dann schafft das Teil diesen Spannungsbereich in 2µs, das entspricht naiv gerechnet – wenn ich mich nicht verrechnet habe – einer Grenzfrequenz von 125kHz (offiziell wären es sogar 159kHz). Und das ist sicher noch nicht mal der Spannungsbereich, den der OpAmp abdecken muss, der ist sicher erheblich kleiner und damit die Grenzfrequenz noch viel höher.
Welche Signale wollt Ihr denn damit komprimieren, dass Ihr in Probleme lauft: irgendwelche Langwellenrundfunksignale?
Gruß
Fredi
@Fredi Zumal die am Ende, wie man auch hier im Bild sieht, durch Kondensatoren im Rückkopplungszweig in der Bandbreite noch beschränkt werden, weil die Schaltung sonst wie Sau schwingen würde.
Ein schnellerer Opamp würde genauso begrenzt.
Das mit der Opamp-Geschwindigkeit sind halt die üblichen Märchen, auf die besonders Laien reinfallen.
Danke, Leute, es ist mir ganz ohne Schematic nicht möglich, das korrekt zu erfassen, aber ich hatte mit 074/072 selber ein paar Probleme, wegen Streuung z.B. (kamen aber auch aus versch. Werken).
Allerdings finde ich z.B. eine THD beim 082er z.B. von 0,003%, beim 072 von 0,01% schon erwähnenswert, aber auch nicht weltbewegend.
Das tolle beim JDK Audio COMP-R22 ist: alle ICs sind gesockelt. Wenn man möchte kann man hier rumexperimentieren.