Die Box, die alles kann?
Das Sortiment des chinesischen Herstellers Joyo wächst rasant an und ist zudem äußerst vielseitig aufgestellt. Gitarrenamps, Effektgeräte jeglicher Art, Wireless-Gitarrensender, Preamps für akustische und elektrische Gitarren, Gitarrenboxen – fast alles findet man im Angebot. Dazu sind die Preise sehr fair und die Qualität in aller Regel recht gut, wie auch wir in diversen Tests schon feststellen konnten. In diesem Artikel betrachten wir uns jetzt ein Multieffektgerät des Herstellers, die GEM BOX III, die uns, wie könnte es anders sein, eine Rundumversorgung für alle Einsatzbereiche bieten soll. Genau genommen wohl ein weiterer Versuch, die „eierlegende Wollmilchsau“ in ein Gehäuse in der Form eines Floorboards zu verpacken. Was man damit anstellen kann, werden wir im Folgenden mal versuchen aufzudecken.
Joyo GEM BOX III – Facts & Features
Die GEM BOX III gilt als Topmodell der Multieffekt-Flotte von Joyo und betrachtet man sich dagegen die Vorgänger in ihren fragilen Plastikgehäusen, so überzeugt dieses Multieffektgerät auf den ersten Blick zumindest schon mal mit seinen äußeren Werten. Das Gehäuse sowie das Expression-Pedal auf der rechten Seite bestehen aus robustem Stahlblech und auch die acht Regler aus Metall mit ihrer griffigen Rändelung hinterlassen einen ziemlich vertrauenswürdigen Eindruck. Erfreulich ist zudem, dass die drei Metallschalter auf der angewinkelten Unterseite des Bedienpanels Softclick-Typen sind, somit geht es beim Drauftreten fast geräuschlos zu. Bevor wir uns mit der Oberseite und damit dem Bedienpanel und den vielen Möglichkeiten des Pedals befassen, gönnen wir uns zunächst den Blick auf die Stirnseite, an der sämtliche Anschlüsse zu finden sind.
Anschlüsse- alles nötige an Bord
Wir beginnen von links mit der Buchse für ein zusätzliches Expression-Pedal. Obwohl die GEM BOX III eine recht solide Fußwippe bereits integriert hat, lässt sich hier ein weiteres Pedal anschließen und je nach Wunsch mit einem der vielen Parameter belegen. Es folgt ein AUX-In im Miniklinkenformat zum Einspielen externer Soundquellen und direkt daneben die Eingangsbuchse für die Gitarre. Weiter geht’s mit einem symmetrischen XLR-Stereoausgang, zu dem ein Ground-Lift-Schalter gehört – falls es wider Erwarten doch mal irgendwie brummen sollte.
Zwei Stereoausgänge im Klinkenformat folgen, dann gibt es noch einen Kopfhöreranschluss sowie einen USB-Port, mit dem sich das Pedal an den Rechner hängen lässt. Einmal mit dem Computer verbunden, kann man das GEM Box III Multieffektgerät zum einen als Audiointerface nutzen und zum anderen eine Verbindung mit der frei erhältlichen Joyo Studio Software herstellen. Dieses Programm hilft beim Konfigurieren und Organisieren der zahlreichen Amp-Modelle und Effekte, beim Erstellen neuer Presets oder auch beim Hinzufügen von Impulsantworten oder von neuen Verstärkersimulationen. Das benötigte USB-Kabel befindet sich im Lieferumfang, die Software bekommt man auf der Website von Joyo, sie ist sowohl für den Mac als auch den PC (kostenlos) erhältlich.
Den Abschluss an der Stirnseite bilden ein Power-Schalter sowie der Anschluss für das 9-Volt-Netzteil, das sich ebenfalls im Karton befindet.
Oberseite und Bedienpanel
Zentraler Blickfang ist sicherlich das große Farbdisplay, das eine sehr übersichtliche Bedienung der GEM BOX III ermöglicht und auch aus einen schrägem Winkel noch gut ablesbar ist. Die sechs direkt darunter platzierten Drehregler erlauben einen direkten Zugriff auf die zur Verfügung stehenden Presets bzw. deren ausgewählte Effekte, Amp-Modelle, Cab-Simulationen und alle weiteren Einstellungen, die nötig sind. Noch ein Stückchen darunter bieten 9 beleuchtete Soft-Touch-Knöpfe die direkte Anwahl des gewünschten Effekts, man erhält somit einen blitzschnellen Zugang zu allen wichtigen Parametern und wird daher nicht genötigt, durch endlose Untermenüs zu scrollen, um möglichst schnell zum Ziel zu gelangen. Rechts neben dem Display gibt es eine Reihe weiterer Soft-Buttons, mit ihnen werden überwiegend globale Einstellungen, wie etwa die Belegung des Expression-Pedals, das Justieren des globalen Equalizers, die Helligkeit des Displays oder die Einstellungen für den USB-Ausgang vorgenommen.
Das Angebot an Amp-Modellen, Effekten und Boxensimulationen ist mit 61 Typen schlicht erschlagend groß. Unter den emulierten Verstärkern finden wir die üblichen Verdächtigen von Marshall, Fender, Engl, Boogie, Soldano, Orange, Diezel, Hiwatt, Blackstar, EvH und Konsorten, sogar drei Akustik-Simulatoren befinden sich im Speicher. Ein ähnlich üppiges Bild bieten die Effekte, hier herrscht ebenfalls ein mehr als sattes Angebot an Delays, Verzerrern, Equalizern, Hall und Modulationseffekten jeglicher Art, genau genommen sind es 157 mögliche Varianten. Cab-Simulationen gibt es ebenfalls reichlich, wir finden 26 Nachbildungen von 4×10″ Boxen unterschiedlicher Hersteller hin bis zu den legendärsten Modellen namhafter Companys, die ich gerade eben schon bei den Amp-Modellen bereits beschrieben habe. Dazu kommen noch eine Reihe Equalizer mit unterschiedlich vielen Bändern sowie eine Reihe an Noisegates, falls das Rauschen bei zu viel Gain nerven sollte. Wer hier nichts findet, dem ist wirklich nicht zu helfen!
Drum-Machine zum Üben und Jammen
Die Bedienung der integrierten Drum-Machine geschieht separat über die Buttons TAP (für die Geschwindigkeit des Loops) und Rhythm (für die Auswahl der gewünschten Stilistik), die sich zusammen mit dem Mastervolume- und dem Value-Regler zwischen dem Display und dem Expression-Pedal befinden. Vierzig Drumsounds sind in der Kiste verewigt, der Schwerpunkt liegt hierbei auf all den Stilen, die Gitarristen in ihrem täglichen Leben bevorzugen bzw. deren Weg sie kreuzen. Also mehr Klasse statt Masse und damit keine elektronischen Drums, mit denen wir Saitenzupfer ohnehin in aller Regel nichts anzufangen wissen.
Gestartet wird die Drum-Machine entweder über den Rhythm-Schalter oder aber über einen der drei Fußschalter, die im unteren, leicht angewinkelten Bereich des Gehäuses sitzen und mit denen man auch den Looper bedient oder die Programme und Bänke auswählt. Auch eine Stimmfunktion bietet die GEM BOX III natürlich, dazu wird der rechte Metallschalter einfach ein Stückchen länger gedrückt, bei aktiviertem Tuner wird das Ausgangssignal dann abgeschaltet, muss ja nicht jeder mitbekommen.
Wie klingt die GEM BOX III? Wie ist ihre Bedienung?
Das Angebot ist überwältigend, das mögliche Einsatzgebiet aufgrund der umfangreichen Ausstattung verspricht einen sehr flexiblen Einsatz der GEM BOX III als alleinige Soundzentrale im Setup. Oder etwa nicht? Nun ja, es gibt Licht, aber auch Schatten zu vermelden. Wie eigentlich immer im Falle solcher Multi-Tretminen, können die Amp-Modelle mit viel Gain und auch die Effekte gut gefallen, wirkungsvolle Cleansounds sind schnell erstellt bzw. befinden sich bereits unter den vielen Presets, die ab Werk im Speicher vorhanden sind.
Problematischer sieht es bei den Crunch-Sounds aus, hier bemerkt man schon, dass es sich um eine digitale Klangerzeugung handelt, entsprechend körnig, um nicht zu sagen unsauber, hört und fühlt es sich an. Dennoch kann die Kiste viel Spaß bereiten, mit der Auswahl der Effekte und den Einstellungen dieser könnte man Tage, wenn nicht Wochen verbringen, zudem liefert die Drum-Machine recht gut klingende Loops und auch ein Looper, der übrigens 51 Sekunden Aufnahmezeit bietet, hat ja durchaus seine Vorteile. Hinzu kommt, dass die Presets ohne spürbare Latenz gewechselt werden können, die klassische „Gedenksekunde“ beim Wechseln der Programme gibt es hier zum Glück also nicht.
Ein weiterer großer Pluspunkt ist sicherlich das Farb-Display, mit dem man alle nötigen Einstellungen vornehmen kann und das so übersichtlich ist, dass man nicht nur auf die Installation der Studio-Software verzichten, sondern sich auch das Studium der Bedienungsanleitung ersparen kann. Jeder, der schon einmal ein Multieffektgerät bedient hat, wird sich beim täglichen Umgang mit der GEM BOX III bestimmt sehr schnell zurechtfinden.
GEM BOX III – Klangbeispiele
Die vielen Sounds von Multieffektgeräten mit Worten zu beschreiben, ist immer sehr schwierig, aus dem Grund sind es diesmal ein paar mehr Klangbeispiele geworden. Genutzt wurden die Presets, die einen guten Überblick über das vermitteln, was die GEM BOX III leisten kann. Dazu habe ich das Pedal per Stereoausgang direkt in die Eingänge meines UAD-Interfaces angeschlossen. Unter den Beispielen befinden sich auch drei, die ich zusammen mit der Drum-Machine aufgenommen habe. Als Gitarre wurde eine Harley Benton TE-20 MN verwendet.
Für den Preis geht der Klang voll in Ordnung. Sind die Latenzen bei Nutzung als Audiointerface ausreichend knapp?
Angesichts der Soundbeispiele werde ich mir wohl doch noch die 89-Euro-Tele von Harley Benton zulegen.
Kaum spürbar unter OS X … die HB Tele ist echt der Knaller, ich traue mich kaum zu sagen, dass meine Silhouette seit 4 Wochen eifersüchtig in der Ecke steht. Unfassbare Gitarre (!). Selbst Metal-Sounds kann die prima und sie lässt sich toll bespielen!