Vielseitiger, mobiler Fast-Alles-Könner
Auch nach inzwischen 17 Jahren bei AMAZONA.de kommt es noch vor, dass ich über einen mir völlig fremden Hersteller stolpere. Zu meiner laschen Verteidigung kann ich als Keyboarder im Falle Joyo nur anführen, dass das Unternehmen aus dem chinesischen Shenzen in erster Linie Gitarren- und Bassamps, Effektpedale und elektroakustische traditionelle chinesische Musikinstrumente im Angebot hat und meine Berührungspunkte da eher überschaubar sind. So findet sich der Joyo Momix Pro dann auf der Website von Joyo eher versteckt im Punkt „Smart Device Peripheries“ wieder. Das Portable Interface lockt mit einigen interessanten Features, wie zum Beispiel der mögliche Akkubetrieb, mit zwei USB-Anschlüssen für PC oder Smartphone plus ein dritter zum Aufladen, interne Effekte, getrennt schaltbare +48 V Phantomspeisung oder die zwei Komboeingänge plus Klinken-Instrumenteneingang. Ganz schön viele Features für so eine kleine Kiste. Aber entscheidend ist ja die Leistung „auf dem Platz“.
Inhaltsverzeichnis
Der Lieferumfang des Joyo Momix Pro
Der Karton mit der Abbildung des Momix Pro ist klein, kein Zentimeter größer als unbedingt notwendig. Darin haben – neben dem kleinen Mixer selber – auch noch einige Kabel Platz: Zweimal USB-C auf USB-C (stoffummantelt), einmal USB-A auf USB-C und einmal USB-C auf Miniklinke (Stecker) – was ja eher seltener zu finden ist. Wozu das alles gebraucht wird, klären wir gleich.
Das beiliegende Faltblatt, das in Englisch und Chinesisch vorliegt und sich etwas hochtrabend „Owner‘s Manual“ nennt, erklärt kurz und knapp, was es mit den Buchsen und Bedienelementen des Interfaces auf sich hat, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen und viele Fragen offen lässt. Kann ich die Instrumenten-Eingänge zusätzlich zu den Kombo-Eingängen verwenden oder wird einer von beiden stummgeschaltet? Was macht der „Center Cancel Switch“ denn nun genau? Gibt es Treiber oder Apps? Das – und noch einiges mehr – muss man wohl selber herausfinden.
Design und Verarbeitung des Joyo Momix Pro
Das Design des Momix Pro erinnert stark an die kleinen Effektgeräte von Boss & Co., nur dass hier natürlich der Fußschalter fehlt. Mit einer Größe von 140 x 84 x 45 mm und einem Gewicht von 203 g ist das Interface bequem transportabel.
Das Kunststoffgehäuse macht einen ansprechenden Eindruck. Bodenteil schwarz, Oberteil weiß, dazu die schwarzen Drehregler und acht (meist grün leuchtende) LEDs, das kann sich schon sehen lassen. An den Seiten ist das Gehäuse teilweise geriffelt, was unterwegs für einen sicheren Grip sorgt. Auf dem Tisch aber ist in der Beziehung eher eine Schlittenpartie angesagt, Gummi scheint gerade knapp zu sein – auf der Kunststoffunterseite ist jedenfalls nichts davon zu sehen. Trotz des geringen Gewichts macht das Momix Pro einen relativ stabilen Eindruck. Fallenlassen würde ich es aber trotzdem besser nicht. Die Verarbeitung ist gut, keine überstehenden Kanten, alle Teile schließen bündig ab. Lediglich die vier kleinen Drehregler sind etwas wacklig – also nicht mit dem Gehäuse verschraubt, sondern nur auf der Platine befestigt. Für den Preis ist das insgesamt eine sehr ordentliche Vorstellung.
Technische Daten der Joyo Momix Pro
Das Handbuch gibt sich in Bezug auf die technischen Daten recht schweigsam: Keine Angaben zur Samplerate, Auflösung oder Dynamikumfang. Immerhin verrät es, dass die Verstärkung an den XLR-Buchsen sowohl in der Low- als auch in der High-Impedance bis 45 dB beträgt. Nicht gerade ein überragender Wert (das Elgato XLR Dock, das ich vor ein paar Tagen auf dem Tisch hatte, liefert zum Beispiel 75 dB), ist aber vermutlich dem optionalen Akkubetrieb geschuldet. Da schauen wir in der Praxis gleich mal, was da noch ankommt.
Welche Anschlüsse bietet das Joyo Momix Pro?
Der Joyo Momix Pro ist übersät mit Anschlüssen, da bleibt keine Seite ungenutzt. Oben links und rechts sind die beiden XLR/Klinke-Kombo-Buchsen untergebracht. Leider nicht verriegelbar, was gerade bei Geräten im mobilen Einsatz nicht verkehrt wäre. Links unten zwei große Klinken für den Main Out, zum Anschluss an den Mixer oder an Aktivboxen. Gegenüber zwei, ebenfalls große, Klinkenbuchsen für Instrumente. Im Handbuch heißt es dazu in der Beschreibung etwas irritierend „… for connecting to multi-effects processor, electronic drum sets, keyboards, etc.”, also “… zum Anschluss an …“. Aber das sind definitiv Ein- und keine Ausgänge. Ich finde es schon durchaus beachtlich, dass in einem Gerät mit diesen geringen Abmessungen zwei XLR- und vier große Klinkenbuchsen zum Einsatz kommen.
Aber es finden sich auch einige Miniklinkenbuchsen, und zwar auf der schmalen Vorderseite. Der Aux In ist für den Anschluss eines Smartphones (oder ähnlichem) für das Zuspielen eines Musikbettes oder O-Tönen vorgesehen. Dafür ist auch das mitgelieferte „USB-C auf Miniklinke-Kabel“ gedacht.
Es folgen zwei Kopfhöreranschlüsse (Monitor 1+2). Diese laufen parallel, können also nicht unterschiedlich beschaltet werden und haben einen gemeinsamen Laustärkeregler. Die letzte Minibuchse in der Reihe kann mit einem Headset mit einem vierpoligen Stecker bestückt werden. Das Mikrofon landet in dem Fall auf Kanal 2, also entweder Headset oder XLR-Mikrofon.
Auf der Rückseite schließlich sind gleich drei USB-C-Buchsen untergebracht. Zwei davon (OTG 1 und OTG 2, also „USB On-The-Go“) sind dazu da, um PCs oder Smartphones daran anzuschließen. Letztere können bei der Gelegenheit übrigens auch gleich über das Momix Pro mit aufgeladen werden, was ja praktisch ist, wenn man zum Beispiel längere Zeit darüber streamen möchte. OTG 1, der „Primary Port“ ist laut Handbuch auch für Guitar Tone Apps ausgelegt („it fits for guitar tone apps“), wobei dabei dann aber der Monitor Mode abgeschaltet sein muss. Ich lasse euch mal an der Erklärung dazu im Handbuch teilhaben. Wörtlich heißt es da: „the LED is on once it’s been activated, you can DIRECT MONITOR now, meanwhile, turn on LOOPBACK function, both DIRECT MONITOR and LOOPBACK are turned off once the LED is off, pls turn off this Monitor mode so as to avoid background noise while using guitar tone apps.” Ja, das muss man schon mehrmals lesen, bis einem der Sinn dahinter aufgeht. Über den dritten USB-C-Anschluss schließlich wird der interne Lithium-Akku des Joyo Momix Pro aufgeladen (5 V, 2.000 mA). Wie lange der nun hält, verschweigt das Handbuch.
Auf der einen Seite ist diese Anschlussvielfalt natürlich schon beeindruckend. Auf der anderen Seite habe ich aber auch an jeder Seite bis zu drei Kabel hängen, wodurch sich der Platzbedarf des an sich kleinen Interfaces enorm potenziert. Mit einer kleinen Ecke auf dem Schreibtisch ist es da nicht getan und auch in der Hand halten kann man das eher weniger bequem. Aber nun gut, alles hat seinen Preis.
Die Regler und Schalter des Joyo Momix Pro
Das Momix Pro besitzt fünf Drehregler: Zwei für die Kanäle 1 und 2, je einen für den Instrumenteneingang und für den Main Out, sowie einen etwas größeren für die Kopfhörerausgänge. Die Drehregler sind etwas flach, aber leicht geriffelt, haben eine deutliche Kennlinie und sind mit ausreichend Abstand voneinander platziert – und daher gut bedienbar. Zudem werden sie von einem leuchtend grünen Ring umgeben, so dass man auch bedenkenlos im Dunkeln daran herumschrauben kann. Bei einer etwaigen Übersteuerung leuchtet der Ring dann rot, ist also auch gleichzeitig eine simple Pegelanzeige.
Des Weiteren gibt es acht kleine Taster, die ebenfalls bei Aktivierung grün aufleuchten. Zwei sind für die Aktivierung der +48 V Phantomspeisung der beiden Kanäle zuständig, zwei weitere für deren Hi-Z-Modus zum Anschluss einer Gitarre oder ähnlichem. Da die Taster relativ dicht beieinander liegen und die grüne LED-Beleuchtung recht hell ist, strahlt diese dann ein wenig in den Nachbartaster ein, aber das kann man noch ganz gut unterscheiden.
Die beiden Reverb-Taster für die Kanäle 1 und 2 sind dreistufig. Je nach Stärke des Effekts leuchten die grün, gelb oder rot. Oder eben gar nicht. Das Reverb ist also nicht stufenlos einstellbar, doch reicht das auch so völlig aus. Bleiben noch der etwas größere Power-Taster und der für das Direct-Monitoring. Wo und wie genau nun die vorhin beim Zitat angesprochene Loopback-Funktion geschaltet wird, ist nicht ersichtlich.
Auf der Vorderseite, zwischen den Miniklinkenbuchsen, gibt es einen kleinen Schiebeschalter, beschriftet mit „Center Cancel“. „When it’s been turned on, it can reduce the volume of the main vocal”, versucht sich das Handbuch in einer Erklärung. Und auf der Website finde ich dazu den Hinweis „Center Central function, reducing the original vocal volume of playback music and making your voice prominent.” Ein Schalter, um die Vocals aus dem Mix zu holen? Das probiere ich gleich mal aus.
Das Joyo Momix Pro in der Praxis
Beim Anschluss des Momix Pro an meinen Windows 10-Testrechner wird das Interface augenblicklich erkannt und „Lautsprecher (MOMIX)“ als Ausgabe- und „Mikrofonarray (MOMIX)“ als Eingabegerät eingetragen. Installiert wird da nichts, auch kein kleines Tool, wo ich eventuell Bittiefe oder Samplerate einstellen könnte. Also Sound Forge gestartet und den Windows Classic Wave-Treiber ausgewählt, schon erscheint das Momix Pro als Audiogerät. Ich schließe noch ein Rode NT2-A an den XLR 1 an, schalte die +48 V dazu und – nichts passiert. Erst als ich den Gain-Regler in den Bereich von 90 % schraube und auch noch den ominösen Monitor Mode Selection Button (Loopback?) betätige (siehe oben), bekomme ich einen vernünftigen Pegel in der Aufnahme. Das ist wohl der Preis von den maximal 45 dB Verstärkung der Preamps, auch wenn das Rode da etwas „dB-hungriger“ ist als andere Mikrofone (aber lange nicht so wie z. B. das Shure SM7B).
Mit dem Regler bei 50 % bekomme ich bei normaler Sprechweise einen Pegel, der in der Spitze bei -22 dB liegt:
Bei 75 % sind es dann -15 dB:
Und bei 100 % endlich (bei immer noch normaler Sprechstimme) -4 dB:
Klanglich gefällt mir das ausgesprochen gut: Transparent, schön aufgelöst und einem breiten, gleichmäßig bedienten Frequenzspektrum.
Zur Überprüfung noch mal ein weiteres Mikrofon, die ältere Version des AKG C3000 (Einstellung Niere, 0 dB). Hier reichen tatsächlich schon etwa 70-80 % auf dem Gain-Regler aus.
Und noch einmal, jetzt mit dem Rode NT1-A:
Integriert ist ja in den Kanälen 1 und 2 auch ein dreistufiges, getrennt schaltbares Reverb. Bei Tageslicht sind die LED-Farben Gelb, Rot und „aus“ etwas schwer voneinander zu unterscheiden, aber das geht schon. So hören sie sich an:
Nächster Versuch: Laufen die beiden Mikrofonkanäle plus der Instrumenteneingang gleichzeitig, oder wird dafür ein Mikrofoneingang stummgeschaltet? Also zwei Mikrofone an die XLR-Eingänge und der Korg Karma an den Instrumenteneingang. Und siehe (bzw. höre) da:
Mit dem Joyo Momix Pro kann ich also ein Stereo-Instrument plus zwei Stimmen – oder beispielsweise alternativ auch noch Gitarre und Bass aufnehmen.
Apropos Gitarre: Mal hören, wie die klingt und ob Hi-Z funktioniert. Einmal ohne Reverb (sorry, ich bin kein Gitarrist):
Und einmal mit Reverb in der höchsten Stufe:
Alles einwandfrei. Und da das Joyo Momix Pro ja auch mobil ohne PC funktioniert, kann man das Interface auch schön als Amp-Ersatz zum E-Gitarre üben nutzen.
Schließe ich ein Smartphone an eine der beiden dafür vorgesehenen USB-C-Buchsen an, könnte ich mein Gitarrenspiel (oder was auch immer) direkt darauf aufzeichnen oder es darüber streamen. Oder über den einen USB-C-Anschluss einen Studiogast reinholen, selber über ein XLR-Mikrofon sprechen, über den Aux-In noch ein Soundteppich darunterlegen und alles live über den OTG 2 in die Welt plärren lassen. Oder auch ein kleines Live-Konzert streamen, das Joyo Momix Pro liefert da einiges an Möglichkeiten. Übrigens: Solange das Momix Pro nicht am PC hängt, muss der „Direct Monitor“-Button auch nicht zur erfolgreichen Aufnahme betätigt werden. Was immer Direct Monitoring nun mit Aufnahmen zu tun haben mag.
Der Anschluss und Betrieb eines Headsets bereitet ebenfalls keine Probleme, sowohl das Hören als auch das Sprechen funktionierte tadellos. Im Test hatte ich mein Beyerdynamic M100 über ein vierpoliges Miniklinkenkabel an das Joyo Momix Pro gehängt. Das Ergebnis klingt durchaus ansprechend:
Apropos Kopfhörer: Die Ausgänge liefern ordentlich Druck, auch auf meinem AKG-K501 (120 Ohm) war alles deutlich und laut genug verständlich.
Das Zuspielen per Smartphone über den Aux-In funktioniert einwandfrei. Der „Central Cancel“-Schiebeschalter entpuppt sich tatsächlich als Versuch, die Lead-Stimme in einem Mix herauszunehmen oder zumindest zu reduzieren. Karaoke ist im asiatischen Raum ja immer ein gewichtiges Verkaufsargument. In neun von zehn Versuchen klingt das aber fürchterlich nach einer alten leiernden Tonkassette aus den 70ern, die man nach 50 Jahren wiedergefunden hat und einlegt – ziemlich unbrauchbar also.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.





































