Top-Piano für Bühne und Studio
Seit 2014 hat Kawai das Kawai MP11 Stagepiano im Programm. Ein echter Klassiker also und deshalb Grund genug, es nochmals unter die Lupe zu nehmen.
Damals von uns mit „sehr gut“ bewertet, folgte einige Jahre später das Kawai MP11 SE, das hinsichtlich der Ausstattung zwar nur wenige, aber nicht ganz unerhebliche Änderungen mit sich brachte. Wie aber schlägt sich das Kawai MP11 SE heute?
Aussehen und Verarbeitung des Kawai MP11 SE
Das MP11 (SE) galt als Nachfolger des Kawai MP10 Stagepianos, ein damals sehr beliebtes Stagepiano, das mit einer sehr guten Holztastatur ausgestattet war – entsprechend aber nicht zu den Leichtgewichten der Stagepiano-Klasse gehörte. Doch wer eine ordentliche auf Pianisten ausgerichtete Tastatur unter den Fingern haben möchte, weiß, dass er damit leben muss.
Schon rein optisch erkennt man, dass Kawai die mit dem MP 10 gesetzte Design- und Konzeptlinie fortsetzt. Charakteristisch ist da nicht nur die Bedienoberfläche, die gegenüber dem Vorgänger mit ein paar weniger Bedienelementen ausgestattet wurde, sondern auch die robuste Konstruktion, die wieder aus einem stabilen Metallgehäuse samt schwarzen Abschlussleisten aus Holz an den seitlichen Ecken besteht. Vergleicht man das Gehäuse mit den Stagepiano Konkurrenten der anderen Hersteller, ist das schon sehr ordentlich, was man hier für sein Geld erhält. Das MP11 SE verfügt über ein 128 x 64 Pixel großes LC-Display, das von vier Drehreglern flankiert wird, die vornehmlich zum Editieren von Parametern genutzt werden. Die Menüführung ist übersichtlich und gut strukturiert. Sicherlich könnte das Display etwas größer sein, aber da man mit einem Stagepiano vornehmlich live spielt und in den meisten Fällen nur selten ganz tief in die Menüs eintauchen muss, geht das soweit in Ordnung.
Die Oberfläche des MP11 unterteilt sich linkerhand des Displays in die drei Sound-Sektionen Piano, E-Piano und Sub. Jede Sektion verfügt über einen eigenen Lautstärkeregler, eine eigene kleine Effekt-Sektion und entsprechende Drucktastern zur Anwahl der Sounds und deren Tastaturzonen. Am linken Ende des Gehäuses befinden sich jeweils ein Pitchbend- und Modulationsrad.
Rechts vom Display hat Kawai die Bedienelemente des Recorders, der globalen Funktionen, der MIDI-Einstellungen sowie die Setups untergebracht. Insgesamt wirkt alles aufgeräumt und stimmig.
Etwas gewöhnungsbedürftig ist der Höhenunterschied zwischen Tastatur und Bedienoberfläche. Letztere liegt nämlich rund 7 cm höher als die Klaviatur. Laut Kawai ist dies vor allem der Mechanik der Tastatur geschuldet, deren Hämmer oben liegen und dementsprechend Platz benötigen.
Wie klingt das Kawai MP 11 SE?
Beim Durchschalten der Preset-Sounds wird recht schnell klar: Das Kawai MP11 SE gehört nicht zu den „Sound-Monstern“ seiner Klasse. Will heißen, dass man im MP11 SE gerade einmal 40 verschiedene Sounds vorfindet. Diese verteilen sich auf jeweils 12 A- und E-Pianos sowie 16 der Kategorie Sub zugeordnete Klänge. Kawai setzt beim MP 11 SE also nicht auf Masse, sondern möchte anstatt dessen lieber mit ordentlicher Qualität punkten.
Die 12 A-Pianos bieten zunächst einmal eine sehr hohe Qualität, die neben dem guten HI-XL Sample-Naterial auch auf dem von anderen Kawai Pianos her bekannten „Virtual Technican“ beruht. Damit lassen sich die unterschiedlichen Pianos bis ins kleinste Detail bearbeiten. Dämpfer- und Hammergeräusche, Resonanzeffekte oder die Stellung des virtuellen Flügeldeckels lassen sich hier gezielt modifizieren. Wer auf das Editieren mit dem Virtual Technican keine Lust hat, darf natürlich auch eines der 12 Presets anwählen und einfach loslegen, denn im Prinzip sind die Klänge ab Werk schon sehr gut eingestellt.
Gegenüber dem MP 11 (ohne SE) verfügt das aktuelle Modell MP 11 SE über neue Piano-Sounds, so u. a. den Shigeru Kawai SK-EK und den SK-5 Flügelsound. Hier einige Beispiele dazu:
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Die Sounds des MP 11 SE sind so unterschiedlich gestaltet, dass man damit nahezu jedes Repertoire gut und vor allem authentisch rüberbringen kann. Egal ob klassische Klavierliteratur oder moderne Jazz-Nummern, beim MP 11 SE ist dafür auf alle Fälle der richtige Sound an Bord.
Auch die elektrischen Pendants brauchen sich beim MP 11 SE wahrlich nicht zu verstecken. Jeweils drei Rhodes, Wurlitzer und FM-Pianos sowie zwei Clavinets und ein E-Grand-Sound hat das MP11 in dieser Sektion zu bieten. Alle Sounds weisen von sehr guter Qualität und reichert man diese mit den internen Effekten an, macht es einfach Spaß, auf dem MP11 zu jammen.
Zu guter Letzt seien noch die Sounds der Sub-Kategorie erwähnt. Hier befinden sich die klassischen Vertreter zum Layern und Splitten mit A- und E-Pianos. Jeweils vier Variationen von Streichern, Pads, Harpsi/Mallets und Bässen hat Kawai dem MP11 spendiert. Auch hier ist die Qualität gut, wenn auch nicht ganz vergleichbar mit der Authentizität der Pianos.
Tastatur
Kawai gehört zu den wenigen Herstellern, die in ihren Top-Produkten ausnahmslos waschechte Holztastaturen verbauen. Waschecht heißt in diesem Fall, dass sowohl schwarze als auch weiße Tasten komplett aus Holz bestehen und nicht wie bei manch anderem Hersteller nur ein Kern oder nur ein Teil (vornehmlich die weißen Tasten) wirklich aus Holz besteht. Die beim MP 11 SE zum Einsatz kommende „Grand Feel“ Tastatur sorgt neben einem sehr guten Spielgefühl aber natürlich auch für ein hohes Gewicht. 34 kg, um genau zu sein. Das wird einige Live-Keyboarder abschrecken, aber letztendlich gehören Holztastaturen und erhöhtes Gewicht nun einmal irgendwie zusammen. Aber auch das bereits erwähnte Metallgehäuse samt Holzecken sorgt mit Sicherheit für entsprechend Masse.
Ohne übertreiben zu wollen, gehört die Tastatur des MP 11 SE sicherlich zu den besten, die man aktuell bei Stagepianos bekommen kann – zumindest wenn man Flügel- und Klaviertastatur gewohnt ist. Das Repetitionsverhalten ist sehr gut, das Anschlagsverhalten absolut ausgewogen und sauber, so dass man bereits nach den ersten Tönen ein gutes Gefühl für die Klaviatur entwickelt. Dynamisch lässt sich beim MP 11 SE alles bewerkstelligen, egal ob Pianissimo oder ausdrucksstarkes Forte. Natürlich gibt es auch bei anderen Herstellern gute Tastaturen. Möchte man jedoch ein richtiges Piano-Gefühl haben, gibt es einfach deutliche Unterschiede, so dass das MP 11 SE in diesem Fall die Nase vorne hat.
Mit der Einführung des SE-Modells hat Kawai zwar nicht die Tastatur verändert, wohl aber ein neues 3-fach Pedal beigelegt Das GFP-3 genannte Pedal bietet optische Sensoren für jedes der drei Pedale und wurde von Kawai selbst entwickelt.
Extras des Stagepianos Kawai MP 11 SE
Wie es sich für ein echtes Stagepiano gehört, lassen sich auf dem MP 11 SE unterschiedliche Zonen und Soundbereiche einrichten. Kawai arbeitet dabei mit zwei unterschieden Herangehensweisen. Einerseits kann man jeder Soundsektion einen beliebigen Tastaturbereich zuweisen. Diese dürfen sich auch gerne überlappen.
Andererseits kann man je einen Sound pro Sektion auf klassische Art und Weise entweder dem Upper- oder Lower-Bereich zuweisen. Natürlich ist der Split-Punkt dabei frei wählbar. Speichert man die Einstellungen des MP 11 SE in einem der 208 Setups ab, werden praktischerweise beide Split-Konfigurationen mitgespeichert. Das MP 11 SE kann sowohl einzelne Änderungen an Sounds als auch komplette Setups inklusiver aller Einstellungen abspeichern. Schön ist, dass man sogar das Preset abändern kann, was direkt nach dem Anschalten des MP 11 SE geladen wird. So hat man seinen persönlichen Lieblingssound immer sofort parat.
Die Einstellungen der Tastaturzonen erweitern sich noch einmal, wenn man die vier maximal möglichen MIDI-Zonen hinzunimmt, mit denen man externe MIDI-Geräte ansteuern kann. Jede Zone kann wiederum einen frei konfigurierbaren Tastaturbereich beinhalten. Die vier um das Display platzierten Drehregler lassen sich mit zwei unterschiedlichen Konfigurationen mit MIDI-CC Befehlen belegen, so dass das MP11 mit diesen Funktionen vom klassischen Stagepiano zum Masterkeyboard mutiert. Sehr schön.
Effekte des Stagepianos
Im Bereich der Effekte ist das Kawai MP 11 SE etwas anders aufgebaut als die meisten anderen Stagepianos. Hier verfügt nämlich jede der drei Soundsektionen über ihre eigenen Effekte, natürlich passend zur jeweiligen Kategorie. Die größte Abteilung wurde den E-Pianos spendiert, die neben zwei EFX-Blöcken und einem Reverb auch eine Amp-Simulation ihr Eigen nennt. Fünf unterschiedliche Verstärkertypen stehen zur Auswahl, die allesamt in ihren Eigenarten inklusive der Amp-Mikrofonierung verändert werden können. Von leicht angezerrt bis richtig durch den Wolf gedreht ist hier alles möglich. Die EFX-Blöcke können zusätzlich jeweils einen von 129 Effekttypen ansteuern, darunter klassische Effekte wie Chorus, Delay, Flanger aber auch etwas ausgefallenere Presets. Die Qualität ist erstaunlich gut und reicht für den Einsatz auf der Bühne und im Studio vollkommen aus.
Sowohl Piano- als auch Sub-Sektion verfügen über einen einzelnen EFX-Block sowie ihren eigenen Reverb.
Auf den Gesamtsound und damit auf alle Soundsektionen des MP 11 SE gleichermaßen wirkt sich der 4-Band-Equalizer mit parametrischen Mitten aus. Dieser wird per EQ-Taste aktiviert und ist dank der grafischen Darstellung sehr einfach zu bedienen. Auch hier kommen wieder die vier Drehregler des Displays ins Spiel, da man hiermit jeweils ein Frequenzband editiert. Die Änderungen werden sofort im Display angezeigt. Die Einstellungen des EQs lassen sich natürlich auch innerhalb der Setups abspeichern.
Hinter der Funktion „EQ Offset“ verbirgt sich die Möglichkeit, den Gesamtsound des MP 11 SE unabhängig von den einzelnen Einstellungen innerhalb der Setups unkompliziert zu verändern. Merkt man beim abendlichen Soundcheck, dass die Location beispielsweise sehr basslastig ist, kann man mit Hilfe des EQ-Offsets ganz schnell die notwendigen Änderungen am Sound des MP 11 SE vornehmen, ohne jedes Setup einzeln durchgehen zu müssen. Sehr gut. Die gleiche Funktion gibt es übrigens auch für den Reverb. Merkt man beim Soundcheck, dass man zu Hause viel zu viel Reverb auf die Sounds gemischt hat, lässt sich auch dieser global und für alle Setups zurückdrehen.
Recorder und Playback
Um mit dem MP11 SE Daten in Form von WAV- oder MP3-Dateien aufzuzeichnen bzw. abzuspielen, ist zwingend ein USB-Speicherstick notwendig. Intern kann das MP 11 SE nämlich nur MIDI-Dateien speichern. Praktisch ist auf alle Fälle die Möglichkeit, sein eigenes Spiel nicht nur im WAV-Format, sondern auch direkt als MP3-Song aufzunehmen.
Bei der MIDI-Aufnahme lassen sich maximal zwei Spuren pro Song aufzeichnen, praktisch um beispielsweise rechte und linke Hand getrennt von einander aufzunehmen bzw. zu üben. Gerade für das zuletzt Genannte bietet das MP 11 SE insgesamt 100 Rhythmen an. Dabei handelt es sich um mehrtaktige Schlagzeug-Patterns, zu denen man üben, spielen und jammen kann. Keine ausgefuchste Begleitautomatik, sondern ganz einfach eine nette Alternative zum Einheits-Klick-Klack-Metronom.
Anschlüsse des Stagepianos
Wie es sich für ein Oberklasse-Instrument gehört, hat Kawai seinem neusten Sprössling symmetrische XLR-Ausgänge samt Ground-Lift-Schalter spendiert. Als Alternative stehen jedoch auch unsymmetrische 6,3 mm Klinkenausgänge bereit. Ebenso geartete Eingänge sorgen dafür, dass externe Signale ihren Weg ins MP 11 SE finden. Die Lautstärke der externen Signale kann komfortabel mit einem eigenen Fader am Piano eingestellt werden. Maximal drei Fuß-Controller (Expression, Soft, Damper/Sostenuto) können an der Rückseite angeschlossen werden.
Dank MIDI In, Out und Thru lässt sich das MP 11 SE auch ohne Probleme in größere Keyboard-Setups einbinden. Verbindungen zum Computer ermöglicht das Stagepiano per USB-to-Host Anschluss. Abgeschlossen wird das Ganze mit einem USB-to-Device-Port und einem Kopfhöreranschluss, die sich beide auf der Vorderseite des MP 11 SE befinden.
Das Kawai MP11 SE Stage-Piano on YouTube
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Danke für den ausführlichen Test.
Was mich am meisten interessieren würde: wie schlägt sich der SE im Vergleich zum Vorgänger? Sind die neuen Shigeru Samples wirklich besser als die alten?
Denn soweit ich das überblicken kann, ist dies der wichtigste Unterschied zum MP-11, der ja über die gleiche Tastatur verfügt.
@Martin Andersson Hallo Martin,
mir persönlich gefallen die neuen Sounds schon einen tick besser, Besitzer des MP11 müssen deswegen aber sicherlich nicht zum SE greifen – denn Tastatur und ein Großteil der Funktionen sind ja identisch. Wenn Du vorher schon ein Auge auf das MP11 geworfen hast, dann ist es jetzt noch ein bisschen interessanter. Falls nicht, wird es aufgrund der neuen Samples jetzt sicherlich nicht auf Deiner Wunschliste landen :-)
Ebenfalls danke für den Test. Was nicht erwähnt wird, sind das Hoch- und Tiefpassfilter samt Resonanz und Hüllkurven und die Hüllkurve auf dem VCA. Mit beiden lassen sich die Sounds aller drei Sektionen herrlich verbiegen, z. B. E-Piano mit kurzem Anschlag und langsames hereinfaden eines Pianosounds und und und. Des Weiteren finden sich in der Effektsektion drei weitere Klänge, die nicht verändert und nur eingeblendet werden können.
@hejasa Vielen Dank für die zusätzlichen Infos!
Also ich hab das Teil seit ner Woche und bin vom Yamaha S90XS umgestiegen. Blindkauf der belohnt wurde. Hätte nicht gedacht, wie gut die Tastatur ist und das „Hauptpiano“ darüber gespielt klingt. Auch Keyscape spielt sich jetzt viel besser.
Zum Vorgänger kann ich leider nichts sagen, aber das Teil sieht schon wirklich nach Piano aus und fühlt sich so an beim Spielen.
@Musicsmart Die Tastatur ist schon sehr gut, da hast Du absolut Recht. Da verwundert es nicht, dass sich auch Keyscape besser darüber spielen lässt.
Noch eine Betrachtung zum Preis, etwas über 2000€. Ich bin seit 40 Jahren Gitarrist und kann das beurteilen. Hier bekommst du ein über 20 kilo schweres Gerät mit 88 Holztasten, die der des Kawai Flügels nachempfunden sind, und deren feinst auflösende Übersetzung in Mididaten pro Taste, Eine Klangerzeugung vom Feinsten mit Effekten und einer einfachen Drummachine + Sequenzer+ Fußpedal + …….. Geht mal mit dem Geld in die Abteilung „Eierschneider“, Da gähnt der Abteilungsleiter nur und schickt den Auszubildenden. ;-)). Ich habs sofort gekauft, mein Klavierlehrer ist begeistert.