Kompaktes Komplettpaket
Die kanadische Firma Kilpatrick Audio baut nun seit geraumer Zeit Module sowohl im Eurorack-Format als auch im hauseigenen Kilpatrick-Format, das ähnlich wie Serge- und Buchla-Systeme mit Bananenbuchsen ausgestattet ist. Der hier vorgestellte Kilpatrick Audio Phenol ist als kostengünstiges, kompaktes Komplettsystem in diesem Format gedacht.
Kilpatrick Audio Phenos Standalone Synthesizer
Auch wenn der Kilpatrick Audio Phenol nicht aus einzelnen (austauschbaren) Modulen besteht, ist er vollmodular, das heißt es ist kein Signalweg vorgegeben und es sind auch keine Normalisierungen vorhanden, was mit Bananenbuchsen sowieso nicht möglich ist.
Erwähnenswert ist, dass der Kilpatrick Audio Phenol über eine Crowdfunding-Kampagne finanziert wurde. Man kann gut auf der Kampagnenseite nachvollziehen, inwiefern auf Wünsche und Anregungen der Unterstützer eingegangen wurde, z.B. wurde der MIDI-Port der Ergonomie wegen an eine andere Stelle verschoben als ursprünglich angedacht.
Andrew Kilpatrick legt laut eigener Aussage Wert darauf, dass seine Geräte sowohl visuell als auch klanglich ansprechend sind und Spielfreude bereiten. Dies ist dem Kilpatrick Audio Phenol auch anzumerken. Das flache, metallene, weiß-rote Gehäuse ist durchaus ansprechend. Wichtiger noch ist aber die Farbkodierung der Buchsen (auch ein Vorteil von Bananenbuchsen). Audio- und CV- In- und Outputs sind schwarz und grau, Gate In- und Outputs weiß und rot kodiert. Dies dient nicht nur der Übersichtlichkeit, sondern hat auch einen hohen didaktischen Wert für Modulareinsteiger. Zudem ist eine Vielzahl an teilweise zweifarbigen LEDs für Ein- und Ausgänge vorhanden, die helfen, die Signale zu visualisieren und dazu noch hübsch blinken.
Features
Im Lieferumfang des Kilpatrick Audio Phenol inbegriffen sind neben dem Netzteil auch 10 Patchkabel, die, wie sich schnell herausstellte, zu wenig sind. Mindestens 10 Extrakabel sollte man da gleich beim Kauf mit einberechnen. Ein gedrucktes Handbuch ist nicht dabei, jedoch gibt es eine Anleitung auf der Website (die laufend aktualisiert werden kann) und auch ein Video-Handbuch als Playlist auf Youtube.
Der Kilpatrick Audio Phenol besitzt 2 analoge VCOs mit den Schwingungsformen Dreieck, Sägezahn und einem in der Pulsbeite modulierbaren Rechteck. Zwei externe Inputs stehen auf der Rückseite bereit, die an den Oszillatoren abgegriffen werden können. Zudem stehen ein Pitch- und FM-Eingang zur Verfügung. Zur weiteren Klangformung gibt es je ein nicht selbstoszillationsfähiges Low Pass- und Band Pass-Filter, wobei letzteres im Testgerät noch als High Pass bezeichnet ist, aber auf neueren Geräten die richtige Bezeichnung trägt. 2 VCAs verrichten im Kilpatrick Audio Phenol ihren Dienst, die zwar DC-gekoppelt und somit für Steuerspannungen geeignet, allerdings eine exponentielle Kennlinie haben und somit eher für Audiosignale zu gebrauchen sind.
Die beiden identischen Envelopes bieten eine Vielzahl an Modi an. Sie können als AD-Hüllkurve, ASR-Hüllkurve und LFO dienen, können invertiert werden oder nur positive Spannungen senden, was für den Einsatz mit den VCAs wichtig ist, da deren CV-Eingänge nur darauf reagieren. Zudem kann man den Einsatz der Hüllkurve verzögern (Gate-Delay), die Hüllkurve stufig werden lassen (CV-Bit-Crusher) oder die Hüllkurve auf Tonhöhen quantisierte Spannungen ausspucken lassen. Die drei Regler erfüllen je nach Modus verschiedene Funktionen. Im AD- und ASR-Modus regeln die beiden ersten Knöpfe die Attack- und Decay/Releasezeit, im LFO-Modus hingegen die Geschwindigkeit und Level des LFOs. Im LFO-Modus gibt die Envelope eine Dreiecksschwingung heraus, patcht man ein Gate-Signal in den entsprechenden Eingang, läuft der LFO nur, wenn das Gate auf „hoch“ schaltet. Der dritte Regler kontrolliert entweder das Gate-Delay, die Stufigkeit oder wählt eine musikalische Skala oder einen Arpeggio für den Quantizer-Modus an. Weiter findet sich ein einfacher LFO mit Zufallsspannungs- und Sinusausgängen. Dreht man den Speed-Regler auf Rechtsanschlag kommt aus dem Random-Out weißes Rauschen.
Die Utility-Abteilung bietet einen einfachen Mischer mit Level-Regler und einem invertierten Ausgang, einen Clock-Divider und den MIDI-to-CV-Converter, der Pitch, Gate, Modulationsrad (CC #1) und Clock (16tel) ausgibt. MIDI wird leider nur auf Kanal 1 empfangen. Ferner gibt es einen einfachen SH-101-mäßigen Sequencer, der aber auch Sequenzen in Echtzeit aufnehmen kann. Die Bedienung erfordert leider einen externen MIDI-Controller, wenn man das Tempo einstellen (CC #16) oder eine Pause einfügen will (CC #64 – Sustain Pedal). Da man vermutlich den Kilpatrick Audio Phenol oft als portables Gerät im Verbund mit einem MIDI-Controller-Keyboard benutzen wird, lässt sich da einfach ein Template erstellen. Jedoch ist es keine besonders elegante Lösung, die sicherlich dem Umstand geschuldet ist, dass der Sequencer als kleine Dreingabe hinzugefügt wurde, nachdem das Ziel bei der Crowdfunding-Kampagne übertroffen wurde. Zuletzt findet sich ein digitaler zweikanaliger Stereo-Mixer für den Ausgang inklusive eines Mono-Delays, das sich anhand eines kombinierten Mix/Feedback-Reglers hinzumischen lässt. Die Delayzeiten reichen hier von 1ms bis hin zu 300 ms.
Da Bananenbuchsen keine Masse führen, muss man für den Betrieb mit anderen CV-fähigen Geräten oder Modulen eine Masseverbindung schaffen. Dies ist einfach zu bewerkstelligen, da auf der Rückseite eine Massebuchse vorhanden ist, die man nur mit einer freien Buchse des einzubindenden Geräts verbinden muss. Ansonsten entsprechen die Spannungen des Kilpatrick Audio Phenol den üblichen Standards (+-5 V für CVs, 1 V/Okt für Pitch, 0-5 V für Gates).
Alles in allem bietet der Kilpatrick Audio Phenol erstaunlich viel für ein so kleines Gerät. Das Konzept scheint stimmig, und es wurde an alles gedacht, was zu einer guten Modularerfahrung vonnöten ist.
Bedienung und Sound
Zuallererst: Der Kilpatrick Audio Phenol macht Spaß. Man kann in kürzester Zeit zu interessanten Ergebnissen kommen und die Einarbeitungszeit ist selbst bei den komplexen Hüllkurven nicht allzu lang. Ein eingebautes Delay ist auch nicht zu unterschätzen, man kann quasi einen fertigen Sound aus der Kiste zaubern. Ein kleines experimentelles Klanglabor sozusagen.
Der Sound dürfte für diejenigen, die einen Moog erwarten, eher eine Enttäuschung sein. Der Kilpatrick Audio Phenol ist keine wohlig wärmende Bassmaschine, sondern eher ein Produzent schneidender, knarziger, bröckeliger und knisternder Klänge. Durchaus analog, bloß … anders. Dass das Delay dabei auch noch ordentlich rauscht und bei langen Delayzeiten sehr lo-fi klingt, macht den Charakter des Instruments noch augenscheinlicher. Es hat auf jeden Fall einen eigenständigen Klang und ist deswegen sicher nicht jedermanns Sache.
Die VCOs sind extrem stabil und rasten praktisch auf eine Frequenz ein. Dies mag bei typischen 2-Oszillator-Mischklängen zwar nicht so gewünscht sein, ist aber bei FM äußerst hilfreich. Zudem ist ziemlich tiefe FM-Modulation möglich, so dass die Klangpalette bei Kombination von FM-Level und Frequenz des modulierenden Oszillators enorm ist.
Die Filter klingen gut und sind in der Lage, den Klang der Oszillatoren gut zu entschärfen, oder besser noch, zu akzentuieren. Die Entscheidung, 2 Filter einzubauen, ist eine gute gewesen, denn durch verschiedene Verschaltungen (seriell oder parallel) ist einiges an Experimentiermöglichkeiten geboten.
Die Envelopes des Kilpatrick Audio Phenol sind in ihrer Vielfalt fantastisch. Vor allem das „Stufigmachen“ der Hüllkurven kann für ausgefallene rhythmische Effekte sorgen. Auch die Möglichkeit, auf Tonhöhen quantisierte Steuerspannungen auszugeben, ist für einen solchen Synthesizer genial. Lediglich hätte ich mir hier einen Level-Regler (vor der Quantisierung) im AD- und ASR-Modus gewünscht. Auch sind mir die Hüllkurven einfach nicht schnell genug für perkussive Klänge: Mir ist beim besten Willen keine gute Bassdrum damit gelungen.
Der Divider lässt sich nicht nur von einem digitalen Clock-Signal ansteuern, sondern kann z.B. auch mit der Sinusschwingung des LFOs geclockt werden. Das erlaubt es, den Kilpatrick Audio Phenol auch unabhängig von einer externen Clock zu betreiben, mit dem Vorteil, dass die Zufallsspannung des LFOs gleich im richtigen Tempo ist. Auch lässt sich der Divider als Suboszillator benutzen, wenn man einen der Oszillatoren in den Eingang patcht. Bei höheren Frequenzen allerdings folgt der Divider nicht mehr und gibt eher digitales Noise von sich, was aber auch durchaus interessant sein kann.
Phenol on YouTube
Zum Abschluss noch ein schönes YT-Video, das nicht nur den Soundcharakter gut demonstriert, sondern auch die Arbeit mit dem Phenol.
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Sehr spannend. Preis stimmt auch fürs gebotene. Dieses Jahr wirds echt schwer sich zu entscheiden.
Gelungenes Konzept und den Sound finde ich durchaus ansprechend. Seidenweiche „Schönklinger“ gibt’s doch schon genug!
ein sehr interessantes gerät, vor allem auch wegen dem eigenständigen formfaktor; ich habe mich nicht nur wegen der bananenstecker sofort an meinen physik-untericht erinnert :) der klang gefällt mir ziemlich gut, hat sowas vom ms20.
kann allerdings nicht verstehen, wieso der klang positiv und negativ bewertet wird; das gibt doch keinen sinn. und vor allem bei minus: klang ist geschmackssache – ist es das nicht immer?
@dilux Klang ist natürlich immer Geschmacksache, aber es gibt doch bestimmte Konsens-Geräte, die (fast) jeder gut findet. Den Phenol sehe ich eher als entweder-lieben-oder-hassen-Gerät.
Ich habe einige geniale Klänge aus dem Ding zaubern können, aber an anderen bin ich mehr oder weniger verzweifelt (z.B. Bassdrums, Bässe, etc.), insofern drückt ein PlusMinus mein Gefühl dazu ganz gut aus.
Ich hatte ja beim crowdfunding mitgemacht und damit einen der ersten in Deutschland. Der Phenol macht sehr viel Spaß, wirkt sehr durchdacht und ist einfach im wahrsten Sinne des Wortes „preiswert“! Immerhin ist es ein gut ausgestatteter zweistimmiger modularer Synth mit FX.
So verstehe ich auch einen Teil der Kritik nicht. Anstatt das positiv bewertet wird, dass Kabel mit dabei sind, ist bei negativ vermerkt, dass zu wenig Kabel dabei sind?!?!? Und das der Klang Geschmacksache ist???
Wie auch immer: Patchen mit Bananas ist anders und macht einfach mehr Spaß als mit Eurorackkabeln.
Wen es interessiert: Hier sind meine ersten beiden Videos mit dem Phenol.
https://www.youtube.com/watch?v=A9Ss5eT_7rw
https://www.youtube.com/watch?v=f-A_qbSW0u8
Beide Tracks sind ohne externe FX und ohne Multitracking entstanden. Beim zweiten sieht man sogar das Patchen dazu.
@weinglas Na ja, eigentlich haben alle Komplettsysteme (die ich kenne) Kabel dabei. Ich denke, wenn schon welche dabei sind, sollte man dann auch nicht zu schnell an Grenzen stoßen müssen, was die Patchmöglichkeiten angeht. Gerade bei einem Synth, bei dem man zwei unabhängige Stimmen haben kann.
Deine Videos hatte ich als Vorbereitung zum Test natürlich schon gesehen…
Übrigens noch vielen Dank für die sehr gelungenen Soundbeispiele und den Test dieses Exoten!
..die FIlter des Phenol sind übrigens nicht selbstoszillierend..
Das hat Edgar doch auf Seite 2 auch so geschrieben…
genau so steht es im test..
Sound und Aufmachung des Synths sprechen mich sehr an, hat ab und an Buchla-esque Ansätze, finde ich. Die Frage ist, wo das Geld besser angelegt ist, bei einer kleinen Zusammenstellung an Modulen für den selben Preis oder eben dem Audio Phenol. Der Vorteil des Phenol liegt in seiner klanglichen Eigenständigkeit und der Vorgabe eines sinnvollen Funktionsumfangs, das macht ihn für Leute wie mich interessant, die den Schritt zum Modularsystem noch nicht wirklich gemacht, resp. gewagt haben. Muß diesbezüglich wohl noch ein wenig in mich gehen.