Die ideale Strat für den Einsteiger?
Kramer Guitars – ein Name, der in den 80er Jahren für Ehrfurcht sorgte, die Älteren unter unseren Lesern werden sich ganz bestimmt erinnern. Und sicher auch an die Musiker, die ein Instrument des US-Herstellers um den Hals trugen. Eddie van Halen gehörte sicherlich zu den populärsten Endorsern der Marke und wer weiß schon, dass das erste Floyd Rose Vibrato auf einer E-Gitarre von Kramer montiert war? Anfang der 90er Jahre begann dann allerdings der Absturz, wie viele andere US-Gitarren-Companys geriet auch die Firma zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten, bis sich schließlich Gibson dazu entschloss, die Kultmarke neu am Markt zu positionieren.
Heute werden die Gitarren von Kramer in Fernost hergestellt und sind im Vergleich zu den Preisen von damals entsprechend günstig zu bekommen. Richtig günstig ist unser aktuelles Testmodell, denn für die Kramer Guitars Focus VT211S E-Gitarre werden läppische 129,- Euro verlangt. Da kann man als Einsteiger ja eigentlich nicht viel falsch machen – oder doch?
Kramer Guitars Focus VT211S – Facts & Features
Bei der Kramer Guitars Focus VT211S kann man zweifellos von einer echten Strat-Kopie sprechen, die Form ihres Korpus dürfte allgemein bekannt sein. Allerdings ist das Holz des Korpus eher ungewöhnlich, denn hier wurde Mahagoni verwendet, im Gegensatz zum Klassiker von Fender, der ja in aller Regel mit einem Body aus Esche oder Erle erscheint. Die darauf aufgebrachte Lackierung wurde sorgfältig und so kräftig ausgeführt, dass man keine Rückschlüsse darauf ziehen kann, wie viele Teile hier zu einem zusammengefügt wurden. Die Farbe unseres Testinstruments ist „Teal“, erhältlich ist die Focus VT211S darüber hinaus noch in Ruby Red, Pewter Gray, Candy Blue sowie in Purple – da sollte wohl für jeden Geschmack etwas dabei sein. Auffällig ist trotz des Mahagonis das leichte Gewicht der Gitarre, was sich jedoch nur positiv auf ein gutes Handling auswirkt.
Ahornhals mit sauber ausgeführter Bundierung
In den Korpus eingeschraubt wurde ein Hals aus einem einteiligen Stück Ahorn, mit einem zusätzlich aufgeleimten Ahorngriffbrett und einfachen, schwarzen Dots als Orientierung. Hier und da stechen die 21 Bundstäbchen im wahrsten Sinne des Wortes etwas an den Kanten heraus, das ist aber kein Grund zur Sorge, man muss schon genau fühlen, um hier etwas Negatives finden zu wollen. Sauber eingeleimt an seinem Platz sitzt jedoch der Sattel, der mit einer Breite von 43 mm das übliche Format besitzt. Die Saiten werden von dort sauber zu den Mechaniken geführt, die E- sowie die A- Saite finden den Weg von allein, für den Rest der Drähte wurden zwei String-Trees in die Kopfplatte eingeschraubt.
Mechaniken aus dem untersten Regal
Die wurde ebenfalls lackiert und mit sechs Tunern bestückt, bei denen man den Sparkurs zum ersten Mal bemerkt. Es sind offenliegende Mechaniken, die lediglich von einem Blechmantel umgeben werden, so etwas findet man sehr häufig auch an billigen Westerngitarren. Entsprechend verhalten sie sich: Schwammig und zäh in der Bedienung, was das Stimmen zu einer echten Geduldsprobe werden lässt. Zudem gehört das Halten der Stimmung nicht zu ihren Stärken und ich kann an dieser Stelle nur raten, diese Tuner gegen einen Satz besserer Ausführungen zu tauschen, falls es das Budget irgendwie noch zulässt. Doch den Mechaniken die Schwächen beim Halten der Stimmung zuzuschreiben, würde der Sache nicht ganz gerecht werden, denn es gibt ja da auch noch das Vintage-Vibrato als Teil der Hardware der Kramer Guitars Focus VT211S.
Das Vintage-Vibrato der Kramer Guitars Focus VT211S
Ein Vibrato-System an einer E-Gitarre wird natürlich gerne angenommen, erweitert es doch die Performance ganz entscheidend – so lange es zuverlässig funktioniert. Bei Instrumenten dieser Preisklasse jedoch kann der Schuss auch schnell nach hinten losgehen und so ist es auch im Fall der Focus VT211S E-Gitarre. Schon die kleinste Bewegung mit dem eingeschraubten Hebel quittiert das System mit deutlichen Verstimmungen und man ist daher gut beraten, hier am besten die Finger von zu lassen. Der Vibratoblock wurde ganz in alter Tradition mit sechs Schrauben im Korpus verankert, ob es mit zwei Bolzen besser arbeiten würde, darf aber ebenso bezweifelt werden. Die minderwertigen Mechaniken sowie die zwei String-Trees tun ihr Übriges, um die Stimmung der Gitarre und auch die des Spielers auf Dauer zu vermiesen. Hinzu kommt die Qualität der ab Werk mitgelieferten Saiten, auch an diesem Punkt sollte man am besten gleich ein paar Euro für einen neuen Satz Markensaiten mit einkalkulieren. Generell kann man nur empfehlen, die Federn des Vibratos so fest einzuschrauben, dass der Block dauerhaft auf der Decke aufliegt, also faktisch gesperrt ist.
Zwei Singlecoils und ein Humbucker an Bord
Damit man auch mal verzerrt richtig Gas geben kann, wurde neben zwei Singlecoils in der Hals- und Mittenposition auch ein Humbucker am Steg eingesetzt. Die Pickups stammen aus eigener Fertigung des Herstellers, sie werden über einen Fünfwegeschalter ausgewählt und mit zwei Tone- sowie einem Mastervolume-Poti weiter geregelt. Man könnte glatt meinen, dass der größte Teil der Herstellungskosten dieser E-Gitarre in die Bedienelemente geflossen ist, denn sowohl der knackig einrastende Schalter als auch die drei Regler hinterlassen einen sehr robusten Eindruck und dürften dem Besitzer auch auf lange Sicht keine Probleme bereiten. Darüber hinaus sorgen die aufgesteckten Metallknöpfe für eine zuverlässige Bedienung der angenehm weich und ohne Spiel auf ihren Achsen laufenden Regler.
Die Focus VT211S E-Gitarre im Praxis-Check
Akustischer Grundsound/Handling
Mit einer Saitenlage von rund 4 mm in der Oktavlage und den minderwertigen Saiten ab Werk stellt das Bespielen der Focus VT211S direkt aus dem Karton eine echte Herausforderung dar. Dabei würde die recht gute Verarbeitung des Halses und der Bünde ein deutlich besseres Setting erlauben, als man es hier vorfindet. Aber gut, muss man eben selbst Hand anlegen oder den Gitarrenfachmann seines Vertrauens mit dem Einstellen beauftragen, das Aufziehen neuer Saiten sollte man aber auf jeden Fall in Erwägung ziehen, ich erwähnte es bereits. Der akustische Grundsound ist jetzt nicht gerade das Gelbe vom Ei, es mangelt vor allem an Sustain und auch Schwingen möchte die Konstruktion aus Mahagoni-Body und dem eingeschraubten Ahornhals nicht so richtig.
Elektrischer Sound
Überraschend positiv ist dagegen der elektrische Sound, insbesondere die beiden Singlecoils zeigen bei Cleansounds einen warmen und glockigen Ton, so wie man ihn von einer Strat kennt und auch erwarten würde. Und das mit erstaunlich wenig Nebengeräuschen, in dieser Preisklasse hätte ich eigentlich mit einem mehr oder weniger großen Inferno gerechnet, um ehrlich zu sein. Der Humbucker am Steg ist ebenfalls kein ganz schlechter und überrascht positiv mit einem strammen, mittenbetonten Klang, der sich garantiert gut in einem Bandgefüge durchzusetzen weiß. Auch er hält sich mit Nebengeräuschen erfreulich zurück, sodass man am angeschlossenen Amp durchaus mal etwas mehr Gain fahren kann, ohne dabei in einem Meer aus Rauschen zu ertrinken. Einen besonders charaktervollen Ton sollte man trotzdem nicht erwarten, dennoch ist der elektrische Sound der Punkt an der Focus VT211S, der einige der zuvor beschriebenen Schwächen wieder wettmacht.
Focus VT211S E-Gitarre – Klangbeispiele
Für die nun folgenden Klangbeispiele habe ich die Kramer Guitars Focus VT211S an meinen Referenz-Amp Orange Micro Dark angeschlossen. Der Amp war mit einer 1×12″ Celestion Vintage 30 Box verbunden, vor der ein AKG C3000 Mikrofon platziert wurde. Aufgenommen wurden die Tracks in Logic Audio, eine weitere Bearbeitung fand nicht statt. Wie gesagt: So ganz einfach war es nicht – mit dieser hohen Saitenlage und den spröden, extrem minderwertigen Saiten.