Loris Synth: So erschaffst du einzigartige Sounds für die EaganMatrix
Die neue Loris Synth App von Christophe Duquesne, Mitentwickler der Haken-Audio-EaganMatrix, ist ein Tool, das Audiofiles analysiert und in ein additives Resynthese-Format umwandelt. Dieses kann anschließend über die EaganMatrix samt der dazu notwendigen Hardware – wie Haken Audio Continuum, Slim Continuum, ContinuuMini, EaganMatrix-Modul und dem neuen EaganMatrix-Micro – gespielt werden.
Kurz & knapp
- Einzigartige Sounds: Loris Synth erzeugt aus Audiofiles spielbare Klanglandschaften mit echtem Alleinstellungsmerkmal.
- Starke Ausdruckskraft: In Verbindung mit der EaganMatrix oder MPE-Controllern extrem nuanciert spielbar.
- Intuitives Overlay-Konzept: Ermöglicht schnelle Ergebnisse – auch ohne tiefes EaganMatrix-Know-how.
- Einarbeitung nötig: Die Bedienung erfordert Geduld und experimentierfreudiges Ausprobieren.
- Langsamer Export: Die Übertragung der Analysemodelle in die Hardware kann Zeit kosten.
Inhaltsverzeichnis
Loris Synth, Additive Resynthese für Eaganmatrix
Was ist es und was nicht
Die additive Synthese als Werkzeug zur Analyse und Manipulation von Audiosignalen wurde bereits in den späten 1980er-Jahren in den Kyma-Paca-Audioprozessoren der Symbolic Sound Corporation umgesetzt. Dem Loris-Synth in seiner heutigen Form liegen Open-Source-Codes von Lippold Haken und Kelly Fitz zugrunde. Wer mehr darüber erfahren möchte, findet dazu einen Artikel auf der Homepage von Haken Audio.
Loris Synth ist – wie Entwickler Christophe Duquesne in seinen Tutorial-Videos betont – eines nicht: ein Sampler. Das Ausgangsmaterial wird durch Loris analysiert und in das EaganMatrix-additive-Format umgewandelt, das anschließend in einen der 40 Speicherplätze der Hardware übertragen werden muss. Die EaganMatrix greift dann auf die Analyse zu. Glücklicherweise sind keine tiefgreifenden Kenntnisse der EaganMatrix-Programmierung erforderlich – die Parameter lassen sich bequem über ein Overlay anpassen.
Die Samples werden in bis zu 64 partielle Slices zerlegt, aus denen die harmonischen Frequenzen sowie globale Informationen extrahiert werden, die den Klang definieren. Diese werden wiederum in 512 Segmente unterteilt; jedes dieser Segmente besteht aus 64 Sinusoiden. Im Rahmen der Analyse wird – je nach Komplexität des Ausgangsmaterials – den Sinusschwingungsformen zusätzlich Rauschen (Noise) hinzugefügt.
Die analysierten Audiodaten lassen sich in der EaganMatrix auf vielfältige Weise manipulieren. Sie können vorwärts, rückwärts oder zufällig abgespielt, auf der Zeitachse gedehnt oder gestaucht werden. Die Anzahl der Partials kann verändert, Rauschen hinzugefügt, Formant-Processing und Spectral-Morphing angewendet werden – eine wahre Fundgrube für das Sounddesign.
Installation und Einrichtung
Loris Synth ist für Windows PCs und Apple MacOS erhältlich. Nach dem Kauf im Apple Store installiert sich die App automatisch und ist sofort einsatzbereit.
Windows-Nutzer erwerben die Anwendung im Microsoft Store. Nach dem Herunterladen und der Installation kann die Loris Synth App direkt gestartet werden. Unter Windows ist zu beachten, dass der EaganMatrix-Editor und die Loris Synth App nicht gleichzeitig ausgeführt werden dürfen.
Die Schritte zum Klang
Loris Synth ist sehr übersichtlich aufgebaut – alle notwendigen Schritte zur Analyse sind in einem einzigen Fenster zusammengefasst.

Nach Ausführung von Schritt 5 wird ein Frequenz-Zeitdiagramm der 512 Partials angezeigt. Grüne Anteile sind tonale Sinusschwingungen, rote Anteile zeigen Rauschanteile. Alternativ können sogenannte RAW-Partials extrahiert werden, hier werden die Transienten bzw. Rauschanteile ausgeblendet.
Audio-Analyse
Im Abschnitt Audio-Analyse werden Audiosamples geladen, geschnitten und bei Bedarf normalisiert. Alternativ lassen sich auch direkt über das Mikrofon des Rechners eigene Samples aufnehmen.
Grundsätzlich gilt: Je besser die Qualität des Ausgangsmaterials, desto präziser fällt die Analyse aus. Die Samples sollten idealerweise zwischen zwei und vier Sekunden lang sein (maximale Länge: zehn Sekunden), monophon aufgenommen werden, einen möglichst geringen Raumanteil aufweisen und eine Tonhöhe zwischen 130 und 400 Hz (entspricht etwa C3 bis G4) besitzen.
Zu vermeiden sind laute oder langanhaltende Zischlaute, Pfeifgeräusche, starkes Rauschen, Vibrato sowie kurze Konsonanten oder ausgeprägte Transienten. Bei rhythmischem Material sollte das Tempo zwischen 70 und 120 bpm liegen.
Diese Empfehlungen gelten nur, wenn ein brauchbares, tonal verwertbares Material angestrebt wird. Experimentieren ist natürlich jederzeit möglich – happy accidents sind ausdrücklich willkommen.
In der Analyse-Sektion von Loris Synth wird das in der Audio Source Selection importierte Sample mithilfe von sieben vordefinierten Analyse-Settings verarbeitet. Diese Settings lassen sich in vier Parametern individuell anpassen. Ziel ist es, eine klanglich überzeugende Quelle mit einer möglichst geringen Anzahl an Partials zu erzeugen. Das Analyseergebnis wird bei jeder Parameteranpassung automatisch zur akustischen Kontrolle abgespielt.
Prüfung der Frequenzbänder und Filterung
In den nächsten beiden Schritten werden die Frequenzbänder analysiert, angepasst und manuell weiter reduziert – mit dem Ziel, idealerweise maximal 64 Partials zu erhalten.
Die Anwendung von Frequenzprüfung, Filteranpassung sowie der anschließenden Reduktion und Kanalbündelung (Simplify & Channel) bietet umfangreiche Möglichkeiten. Diese Schritte werden im detaillierten Handbuch anhand zahlreicher Beispiele ausführlich beschrieben. Zusätzlich hat Christophe Duquesne eine Reihe von Video-Tutorials produziert. Bei tiefergehendem Interesse empfiehlt es sich, sowohl das Handbuch als auch die Tutorials vollständig durchzuarbeiten.
Finalisierung der Analyse
Im letzten Schritt des Analyseprozesses werden die Partials in 512 Slices unterteilt. Das Ergebnis wird grafisch dargestellt: Die Frequenzen der Sinusoszillatoren erscheinen in Grün, hinzugefügtes Rauschen in Rot. Das Analyseergebnis kann testweise abgespielt und durchfahren werden. Dabei lassen sich Formanten, Rauschanteil und Transientenanteil gezielt anpassen.
Die Analyse kann darüber hinaus über einen mit der EaganMatrix verbundenen MIDI-Controller manuell getriggert werden. Ist dieser MPE-fähig, kann auch gescrubbt werden – also die Position innerhalb der Analyse frei kontrolliert werden.

Ist das Scrub-Overlay aktiviert, kann man mit einem MPE-fähigen Controller die analsysierte Schwingungsform durchfahren
Ist man mit dem Analyseergebnis zufrieden, muss dieses zunächst lokal auf dem Rechner gespeichert werden. Anschließend kann es in einen der 40 Speicherplätze der angeschlossenen Hardware übertragen werden. Je nach Größe des analysierten Samples kann dieser Vorgang leider einige Zeit in Anspruch nehmen.
Overlays
Die Programmierung der EaganMatrix ist sehr komplex und nicht jeder Nutzer ist bereit, die dafür notwendige Zeit zu investieren, um sich intensiv einzuarbeiten. Man könnte die Programmierung daher auch als Einstiegshürde bezeichnen. Aus diesem Grund verfügt Loris Synth über sogenannte Overlays – also Bedienoberflächen mit Reglern, Schaltern und Slidern, über die sich die additive Resynthese-Engine der EaganMatrix auch ohne direkte Programmierung steuern lässt.
Derzeit sind sechs Overlays in der Loris Synth App integriert:
- MPE: Ein vollständig leeres Overlay, das keinen Klang erzeugt. Es dient als Ausgangspunkt für eigene Konfigurationen.
- Cycling: Durchläuft das Analyseset zyklisch mit definierbarer Geschwindigkeit, Startpunkt, Länge sowie einer konfigurierbaren Index-Kurve (Ramp Up, Ramp Down, Pulse, Triangle, Sine).
- Choral: Funktioniert wie Cycling, spielt jedoch gleichzeitig eine zweite, rückwärts laufende additive Bank.
- 1 Shot: Durchfährt das Analyseset einmalig mit einer festgelegten Vorwärtsbewegung (Forward Motion Shape).
- Scrub: Erlaubt es, per Fingerbewegung auf einem geeigneten MPE-Controller durch das Analyseset zu „scrubben“ – also frei darin zu navigieren.
- Current: Lädt das aktuell gespeicherte Overlay aus dem gewählten Preset der EaganMatrix, sofern es sich um ein Preset handelt, das die additive Resynthese-Engine nutzt.
Zusätzlich zu den Parametern der additiven Resynthese-Engine lassen sich über die Overlays auch weitere Komponenten der EaganMatrix direkt steuern – darunter:
- Lowpass-Filter
- Noise-Control
- Panning
- Gain- und Distortion-Settings
- Convolution-Control
- FX-Control
- Pitch-Shifting
- Delay-Control
- LFO- und FM-Optionen
- Performance-Controls
Spielen ohne Loris Synth App und Rechner
Das Arbeiten mit der Loris Synth App macht nicht nur Spaß, sondern lädt auch stets zum Experimentieren ein. Doch was tun, wenn man das Continuum beispielsweise zum Jammen in den Proberaum mitnehmen möchte – ganz ohne Laptop?
Grundsätzlich ist das möglich. Dabei ist jedoch zu beachten, dass zwischen einzelnen Patches teils deutliche Lautstärkeunterschiede auftreten können. Es empfiehlt sich daher, sowohl am Mischpult als auch an der Output-Volume des Continuums entsprechende Reserven einzuplanen, um bei Bedarf korrigieren zu können. (Hinweis: Das Continuumini und das Haken-EaganMatrix-Micro-Modul verfügen über keine eigene Lautstärkeregelung.)
Beim Standalone-Betrieb mit dem EaganMatrix-Editor können die Macro-Controller uneingeschränkt verwendet werden. Das manuelle Verändern von Parametern direkt innerhalb der EaganMatrix – also ohne Nutzung eines Overlays – ist allerdings nur Nutzern mit tiefergehenden Kenntnissen der EaganMatrix-Programmierung zu empfehlen.
Unter macOS ist es möglich, die EaganMatrix und die Loris Synth App parallel auszuführen. Unter Windows hingegen ist dies leider nicht möglich – was dort häufiger zu Einschränkungen in der Arbeitsweise führt.
Wichtige Hinweise zur Patch-Verwaltung und Steuerung
Vor dem Schließen der Loris Synth App ist es unbedingt erforderlich, den aktuell eingestellten Sound in die EaganMatrix und die angeschlossene Hardware als Patch zu übertragen. Andernfalls gehen nicht gespeicherte Einstellungen verloren. Die transferierten Patches werden standardmäßig nach dem aktuell aktiven Overlay benannt und müssen anschließend in der EaganMatrix manuell umbenannt werden.
Direkte Steuerung über Macro-Controller
Sechs Macro-Controller, die über MIDI-CC-Befehle adressierbar sind, ermöglichen auch ohne laufende Loris-App einen direkten Eingriff in die Klanggestaltung. Folgende Parameter können live angepasst und über einen MIDI-Controller ferngesteuert werden:
- Startpunkt der Analyse
- Länge des gespielten Abschnitts
- Geschwindigkeit der Durchfahrt
- Auswahl des Analysemodells
- Formantkontrolle
- Frequenzabweichung
Slot-Verwaltung im EaganMatrix-Editor
Bei der reinen Steuerung über den EaganMatrix-Editor ist zu beachten, dass dieser die Analysemodelle in vier Bänken mit je zehn Slots organisiert – und nicht als fortlaufende Liste von 1 bis 40. Diese Struktur kann insbesondere zu Beginn etwas verwirrend sein.
Polyphonie-Einstellungen
Die Presets auf dem Continuumini, dem EaganMatrix-Modul und dem EaganMatrix-Micro sind grundsätzlich zweistimmig spielbar. Im EaganMatrix-Editor kann die Polyphonie auf bis zu vier Stimmen erweitert werden. Ob die Prozessorleistung dafür ausreicht, hängt jedoch vom jeweiligen Analysemodell und dessen Komplexität ab.
Loris Synth – Spaß am Experiment
In der Anleitung wird mehrfach betont, dass man ausprobieren und experimentieren soll – und genau das beschreibt die Nutzererfahrung in den ersten Wochen sehr treffend. Trotz des umfangreichen Handbuchs und der hilfreichen Video-Tutorials benötigt man eine gewisse Einarbeitungszeit. Manche Aspekte des Workflows erschließen sich erst durch wiederholte Anwendung und klassisches Trial and Error – insbesondere bei der Sample-Analyse.
Die mitunter recht langsame Übertragung der Analysedaten in die Hardware kann gelegentlich frustrierend sein, doch die Ergebnisse rechtfertigen den Aufwand in jedem Fall. Die Sounds, die sich mit Loris erzeugen lassen, haben klanglich wie spieltechnisch ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Für Klangbastler und Sounddesigner eröffnet sich eine völlig neue Welt an Ausdrucksmöglichkeiten.
Wer nicht selbst editieren, sondern einfach nur die mit Loris Synth erstellten Patches abspielen möchte, kann den kostenlosen Loris Player in den jeweiligen App-Stores herunterladen und direkt auf seiner Haken-Audio-Hardware loslegen.
Auch für Besitzer des Osmose gibt es gute Nachrichten: Im Laufe des Jahres soll ein Firmware-Update erscheinen, das die Nutzung von Loris Synth mit dem Osmose ermöglicht.
Wer sich auf Loris Synth einlässt, sollte Offenheit für klangliche Experimente mitbringen – als Belohnung winken faszinierende Klanglandschaften, bizarr verfremdete Stimmen und Instrumente, die wie aus der Zukunft wirken. Gerade im Bereich Filmvertonung und Postproduktion bietet die Loris Synth App enormes Potenzial.
Ein eindrucksvolles Beispiel: Loris Synth und die Instrumente von Haken Audio kamen beim Soundtrack zu Dune Part Two von Hans Zimmer. Ein sehenswerter Beitrag auf YouTube dokumentiert die Zusammenarbeit – und macht deutlich: Die Loris Synth App ist ein definitiver Anspieltipp.
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Vielen Dank für den Test! Klingt dann doch irgendwie interessant, obwohl additive Synthese bei mir noch nie wirklich klangliche Hochgefühle ausgelöst hat. Wenn’s mal auf dem Osmose läuft, werde ich Loris definitiv auch testen. Bis dahin hab‘ ich sicher noch viel MPE-Freude mit the Legend HZ :) Ich wünschte die Eagan Matrix könnte auf einfache Weise gute VA sounds erzeugen – aber die Matrix-Programmierung ist selbst mir als Software-Entwickler zu nervig.
@j.keys Es gibt schon Overlays, aber derzeit noch nicht für VA, aber für FM z.B. Auf das Firmware Update für den Osmose das Loris ermöglicht freue ich mich schon sehr, soll im Sommer kommen. Die Eaganmatrix zu programmieren ist wirklich nicht jedermanns Sache oder eher fast niemandes Sache….
Vielen Dank für diesen fantastischen Bericht. Ich bin wirklich begeistert von den klanglichen Möglichkeiten. Die Videos und Klangbeispiele zeigen eindrucksvoll die Tiefe von LORIS SYNTH. Dazu Haken Audio… einfach genial! Leider ist mir dieser Controller zu teuer.
Wie immer ist es schade, dass wieder aus Unwissenheit -2 Sterne vergeben werden. Ich kann das nicht nachvollziehen, aber so ist das halt…
@Round Robin Mit dem als Vorbericht getesteten Eaganmatrix Micro Soundmodul kann man mit Loris generierte Sounds abspielen und mit jedem beliebigen Midi oder besser MPE Controller ansteuern. Das kleine Kästchen ist zwar auch relativ teuer, aber ermöglicht trotzdem einen deutlich günstigeren Einstieg in die Eaganmatrix.
Das sieht aber ziemlich umständlich aus. Alles in einer App bzw direkt als VSTi (das Thema hatten wird ja schon beim Micro Soundmodul) wäre sehr viel einfacher.
So wie beim Synplant, einfach reinladen und zack hat man es als spielbaren Patch.
@ollo Ja, da alles in der Hardware berechnet wird und die Analyse Modelle langsam vermutlich per Midi Dump in die Hardware übertragen werden ist das alles nicht unaufwändig, das stimmt. Allerdings lassen sich die Ergebnisse sehr ausdrucksstark per MPE spielen, ob das Synplant auch kann, weiss ich nicht.