Programmierbarer 8-Spur Eurorack Sequencer

Malekko Varigate 8+, Voltage Block, Eurorack Sequencer
Malekko ist eine Musik-Hardware-Firma aus Portland (Oregon) im Nordwesten der USA und spezialisiert auf Gitarren-Effekt-Pedale, einen Tabletop Synthesizer Manther und eben auch Synthesizer Module. Sowohl Eigenproduktionen als auch Wiederbelebung des Systems-500 von Roland im Eurorack-System zeichnen sie aus.
Die beiden Firmengründer Josh Holley und Paul Barker (ehemals Bandmitglied unter anderen von Ministry 1986-2003, Industrial Rock) entschlossen sich nach einer Bandtour zu einem gemeinsamen kommerziellen Projekt 2006: Malekko war geboren.
Malekko Heavy Industry Corporation: Varigate 8+ und Voltage Block
In diesem Test nehme ich die beiden Module Varigate 8+ und Voltage Block etwas näher unter die Lupe. Bis ich die beiden Module in mein Rack einbauen konnte, verging viel Zeit. Zum ersten Mal live gesehen habe ich sie bei einem Modular-Synthesizer-Treff in Dortmund im Januar 2020. Nach vier Monaten weiterer Recherche (die Kaufpreise sind beachtlich) bestellte ich sie schließlich. Bei Lieferungen aus den USA muss man Geduld aufbringen, auch wenn man sie direkt über einen deutschen Händler bezieht. Im November 2020 kamen endlich Voltage Block und im Februar 2021 Varigate 8+ – nun also ein gemeinsamer Praxistest.
Inhalt
- Frontseiten
- Idee und Prinzip des Varigate 8+
- Kleiner erster Erfahrungsbericht für die Ungeduldigen
- Varigate 8+: Ohne Takt läuft gar nichts
- Polyphone Übersichtlichkeit beim Varigate 8+
- Polyphone Sequenzen
- Speicherorganisation im Varigate 8+
- Die Haptik des Varigate 8+
- Kleines Intermezzo: Installation
- Voltage Block: Partner des Varigate 8+
- Praxis – ein Selbsttest
- Zusammenspiel von Varigate 8+ und Voltage Block
- Professionelles Sequencing
- das Ende vom Lied
- Links
Frontseiten
Varigate 8+ ist ein 8-Kanal Gate-Sequencer mit zusätzlich zwei CV-Kanälen. Für jeden Kanal können bis zu 16 Steps erzeugt werden, die beiden CV-Kanäle mit mehreren Quantisierungsskalen können unabhängig laufen oder verlinkt werden. Sowohl Varigate 8+ als auch Voltage Block sind vorrangig gedacht für eine Live Performance.
Varigate fungiert zusätzlich als Control Station für die anderen Malekko Module Voltage Block, Quad Envelope, Quad VCA und Quad LFO. Wegen der sehr vielen Parameter und Einstellmöglichkeiten kann man bis zu 100 Presets für 10 Songs abspeichern. Die Einstellungen der anderen Module werden dort ebenfalls abgelegt. Die Breite des Moduls beträgt 26hp bei 26 mm Einbautiefe und maximalen Leistungsaufnahmen von +12V: 180mA und -12V: 39mA, +5V: n/a. Im Gegensatz zum Voltage Block gibt es bisher keine Version mit schwarzer Frontplatte.
Voltage Block ist ein 8-Kanal CV-Sequencer ebenfalls mit jeweils 16 Steps. Bis zu 16 Presets können im Standalone Modus gespeichert werden, bei Verlinkung mit dem Varigate 8+ bis zu 100. Die Modulbreite beträgt 20hp bei 20 mm Einbautiefe und maximalen Leistungsaufnahmen von
+12 V: 120 mA und -12 V: 15 mA, +5 V: n/a. Meine Version hat eine schwarze Frontplatte, es gibt sie auch in Silber.
Idee und Prinzip
Was erwartet uns eigentlich? Zunächst mal ein optischer Vergleich zu einem Eurorack-Klassiker, dem Doepfer Analog Sequencer:
Klassische Sequencer sind darauf ausgelegt, eine Sequenz zu bieten, die man in einer Performance mit Hilfe der Regler von Hand oder auch durch Spannungen verändert. Ungefähre Reproduzierbarkeit ist hier nicht unbedingt ein Manko sondern ein Prinzip. Entsprechend groß ist das Erscheinungsbild: fast das gesamte 6 HE Eurorack ist bei einem Vollausbau auf einer Breite von 84 TE gefüllt.
Schaut man sich oben auf dem Titelbild dagegen Voltage Block und Varigate 8+ mit insgesamt 46 TE Breite an, dann denkt man: mutig klein. Abgesehen vom derzeitigen Trend, dass es durch digitale Module möglich ist, kompakter zu bauen, steht dahinter natürlich auch ein Idee: Alles, was sinnvoll zu programmieren ist, soll auch angeboten werden. Man darf sich nichts vormachen: will man alle Parameter gleichzeitig durch Regler bedienbar machen, dann wären hunderte hiervon nötig! Also muss man akzeptieren, dass bei solch kompakten Modulen direkte Bedienbarkeit auch sehr viel Kleinarbeit ist. Dementsprechend verwirrend ist auch der Start.
Moderne Sequencer bieten eine Vielzahl (eigenhändig) vorprogrammierter speicherbarer Sequenzen. Das Varigate 8+ ist im Stil von Software-Sequencern darauf ausgelegt, dass man seine Sequenzen in Tracks in Ruhe abspeichert, in einem Trackmodus aufruft und den Ablauf in einem Song steuert. Die individuelle Live-Programmierung einzelner Steps ist zwar möglich, steht hier aber gewiss nicht im Vordergrund. Error: oder doch? Erst nach mehreren Wochen (!) Erfahrung erschloss sich mir immer mehr, dass die Live-Programmierung eines der Highlights ist.
Freunde der Drum-Sequenzen werden vielleicht fragen, warum man Gate-Signale erzeugt und nicht Trigger-Signale? Nun, Drum-Module sind nicht alles. Mit Gate-Signalen lassen sich auch komplexe Klangteppiche programmieren, die auch mal über mehrere Minuten ablaufen. Voltage Block ergänzt zu den Gate-Ausgängen zusätzlich acht CV-Ausgänge zur Steuerung von Tonhöhe, Klangmodulationen und diversen Filtern usw.
Kleiner erster Erfahrungsbericht zum Varigate 8+ …
… für diejenigen, die ungeduldig direkt starten.
Ich zähle mich zu den Ungeduldigen und musste schmerzlich erfahren, dass ohne Hilfe fast nichts geht.
Natürlich kann man durch trial and error Vieles erlernen, doch sollte sich der Interessierte nichts vormachen: Varigate 8+ und Voltage Block sind richtig schwierige Materie. Damit nicht ein falscher negativer Eindruck entsteht; es liegt nicht an den Modulen selbst, sondern schlichtweg an den erschlagenden Möglichkeiten und dem voreiligen Wunsch, Alles sofort beherrschen zu wollen. Natürlich macht es Spaß, einfach drauf los zulegen, kleine Aha-Erlebnisse tauchen bei dieser Vorgehensweise ab und zu auch auf, aber letztlich kommt man an dem ersten Tutorial im Handbuch nicht vorbei. Der weitere Weg führt über mehrere Video-Tutorials letztlich immer tiefer in die Materie. Ich gebe daher unten entsprechende Links an, die meiner Ansicht nach gut helfen.
Varigate 8+: Ohne Takt läuft gar nichts
Nun denn, dann also systematisch. Ein Sequencer lebt nur durch seine Clocks. Da das Varigate acht Gate- und zwei CV-Ausgänge besitzt, muss ja schon einiges davon im Innern sein. Gedacht ist ein Sequencer hauptsächlich zunächst einmal als Taktgeber, im Schlepptau sind dann Voltage Block und die anderen oben erwähnten Module. Befinden sich die Malekko Module in demselben Powerbus des Eurorack-System, dann werden nicht nur die Clocks übertragen, sondern man kann auch Einstellungen der verbundenen Module abspeichern (s. u.). Das ist einfach praktisch. Alle Gate-Ausgänge liefern, wie bei digitalen Modulen üblich, Spannungen von etwa 5 V. Falls die nicht genügen, müsste eventuell noch ein Level-Shifter angeschafft werden, um die 5 V auf 12 V anzuheben (z. B. Doepfer A-183-4)
Für einen ersten Eindruck habe ich nur den ersten Gate-Ausgang programmiert. Als Audioquelle dient ein weißes Rauschen, das über ein Mehrfach-Resonanzfilter im Klang leicht moduliert wird, damit es nicht so eintönig klingt. Etwas Hall wurde hinzugemischt. Leider besitzt mein Equipment keine Drum-Module, deshalb muss ich improvisieren. Im Laufe der Testwochen konnte ich dann dem GAS nicht widerstehen und habe ich mir dann doch noch VPME QD (s. u.) angeschafft.
Varigate 8+ steuert über das grüne Kabel eine kurze Hüllkurve. Der Hüllkurvengenerator benutzt hier den Gate-Impuls nur als Trigger.
Ich habe insgesamt fünf Einstellungen (Patterns/Sequenzen) in Presets einer Bank abgespeichert (siehe Manual S.8) und sie zu einem kleinen (Mini-) Song (Abfolge mehrerer Presets) zusammengefasst. Jedes Pattern mit jeweils sechs Clocks wird achtmal durchlaufen, läuft etwa 12 Sekunden und wechselt im Songmodus automatisch zum nächsten Preset. Im Video werden auf dem Oszilloskop blau die Clocks und grün die Gate-Impulse angezeigt. Alle programmierten Presets basieren auf einer regelmäßigen Clock (Basissequenz) und werden nur in einem Aspekt jeweils verändert.
- ab 0 Sekunden: reines Rauschen wird in regelmäßigen Gates getriggert (Basissequenz)
- ab ca. 11. Sekunde: die zweite Clock der Sequenz wird mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 50% getriggert. Trotz dieser einfachen Änderung bekommt die sture Sequenz schon einen Drive.
- ab ca. 22. Sekunde: nun wurden an zwei Clocks zusätzliche Wiederholungen eingefügt, einmal zweifach, dann dreifach. Es sind bis zu 16 Wiederholungen pro Clock-Schlag möglich.
- ab ca. 33. Sekunde: Jeder zweite Gate-Impuls wird verzögert (Shuffle-Effekt)
- ab ca. 44. Sekunde: verschiedene Gate-Längen
- ab ca. 55. Sekunde wieder Basissequenz
Für jede Sequenz hätte man auch noch das Clock-Tempo teilen (und vervielfachen!) und die Länge ändern können und natürlich auch die Abspielrichtungen (vorwärts, rückwärts, pendelnd und zufällig). Alleine mit der Clock und den Patternlängen kann man viel experimentieren: Die Clock lässt sich teilen (langsamere Abfolge) von 1/2 bis 1/16 oder vervielfachen (schnellere Abfolge) von 2- bis 16-fach und sogar beides unabhängig zum Beispiel auf 4/7 etc. Wenn die Pattern-Längen ebenfalls noch von Preset zu Preset variieren und die Sequenz aller Ausgänge unabhängig programmiert werden, dann wird man nicht so schnell in seiner Phantasie und dem Lernwillen eingeschränkt.
Varigate 8+: Polyphone Übersichtlichkeit
Die Überschrift ist bei einem solch kompakten Modul schon ein Widerspruch in sich. Das ist auch eine große Hürde. Ich versuche es trotzdem.
Leicht zu erkennen sind der Clock-Bereich oben links (grün) mit Eingängen für eine externe Clock, einem Reset-Eingang zum manuellen oder auch automatisierten Zurücksetzen und ein Clock-Ausgang. Wie oben schon erwähnt, können bei Bedarf andere Malekko-Module über den Systembus die Clock übernehmen. Ganz unten finden wir Aktivierungstaster (pink und violett) mit Beleuchtung im aktiven Zustand für die Programmierung der jeweiligen Gate- (blau) bzw. CV-Ausgänge (dunkelblau). Gleichzeitig dienen sie aber auch zur Aktivierung für Tracks und auch den Song. Mit Hilfe der globalen Zugriffe (grau) Bank/All, Save und Recall können insgesamt 100 Speicherplätze für das gesamten Systems abgelegt werden. Und damit sind nicht nur die Fadereinstellungen und Tempo aller Kanäle mit verschiedenen Parametern gemeint, sondern auch alle Einstellungen der Malekko-Module im selben Systembus!
Die Auswahl eines einzelnen Sequenz (Solo-Modus mit Mute), Tracks und Songs und die Ablaufsteuerung wie Start/Stop, Tempo und Clear findet man im hellgrün umrandeten Bereich. Zur Auswahl benutzt man die Gate- bzw. CV-Umschalter.
Die drei wichtigsten Programmierfelder findet wir in den Schiebereglern (türkis), den Parametern (rot), die wir schon im letzten Abschnitt kennengelernt haben, und der LED-Balkenanzeige (orange).
Polyphone Sequenzen
Polyphone Sequenzen sind per se unübersichtlich. Man kann sich leicht vorstellen, wie unüberschaubar es wird, wenn man nur 16 Schieberegler zur Verfügung hat. Überraschenderweise gelang dann das Ergänzen einer zweiten Sequenz für den Gate-Ausgang 2 mit einer nachgebauten Bassdrum relativ zügig, wobei man unter zügig für die ersten unbedarften Versuche sich schon Stunden vorstellen muss. Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, dass man erstens den entsprechenden Ausgang auswählt, zweitens die Parameter einzeln einstellt, und immer wieder zwischenspeichert, zwischenspeichert und speichert. Die Balkenanzeige liefert beim Einstellen eine optische Rückmeldung.
Nun ja, beim ersten Mal ist es ein Kreuz, aber das Verständnis steigt und man hat das Gefühl, dass nach und nach der kompakte Aufbau sehr logisch ist und nur die Routine fehlt. Man kann sich aber auch vom Zufall inspirieren und mit dem Eingang RND einfach ein Zufallsprodukt vorgeben lassen. Siehe dazu die anspruchsvolleren Beispiele (S. 13-17) in der Bedienungsanleitung, die mit 19 Seiten nicht zu knapp ist.
Zur Unterhaltung möge man sich die kleine zweistimmige Gate-Sequenz anhören.
Die „Bassdrum” habe ich mangels eines entsprechenden Moduls so gut es geht, mit zwei Dreiecksoszillatoren versucht nachzuempfinden. Einer der Oszillatoren ist sehr tief gestimmt, und moduliert die Frequenz des zweiten. Ich lasse die Tonhöhe des ersten durch den CV-Ausgang CV2 in der Tonhöhe variieren. Den CV-Ausgang könnte man quantisieren, habe ich mir aber erspart. Damit die Tonhöhenänderung zeitgleich mit dem Gate-Ausgang 2 stattfindet, kann man die Gate-Sequenz direkt auf den CV-Ausgang 2 kopieren – sehr praktisch und einfach. Abspeichern nicht vergessen! Und man muss sich auch den Speicherplatz merken!
Speicherorganisation im Varigate 8+
Apropos abspeichern: Das ist ein Highlight. Hat man für die Ausgänge die Sequenzen erstellt, dann kann man sie in einem Preset abspeichern. SAVE-Taste gedrückt halten und entsprechenden Ausgang als Nummerierung wählen. Da man hier zehn Tasten hat, kann man zehn polyphone Presets in einer Bank abspeichern und mit RECALL aufrufen. Es gibt zehn Bänke mit jeweils zehn Presets. Insgesamt hat man also 100 Speicher für polyphone Sequenzen zur Verfügung.
Muss ich noch erwähnen, dass über Varigate 8+ auch die Presets der anderen Module VOLTAGE BLOCK, QUAD-LFO, QUAD VCA und QUAD ENVELOPE dort abgespeichert werden, wenn sie sich in demselben Systembus befinden? Nein – aber den Vorteil eines digitalen Moduls kann man nicht häufig genug wiederholen. Ein digitales Konzept unterstützt den Live-Künstler maximal.
Alle Presets kann man in einen Song organisiert, also normal vorwärts, aber auch rückwärts, pendelnd oder zufällig, abspielen (lassen). Selbstverständlich kann man unterschiedliche Tempi wählen. Die Möglichkeiten sind erschlagend.
Nun warum beschreibe ich dies hier so ausführlich? Die Oberfläche des Varigate ist klein und man vermutet bei relativ wenigen Bedienelementen nicht die dahinter stehende Vielfalt, aber auch geduldige Kleinarbeit, die man erst mal erlernen muss.
Die Haptik des Varigate 8+
Und damit sind wir bei der Bedienbarkeit. Über jedes Element könnte man eine Seite schreiben. Alle Tasten der unteren Reihe sind über die Tasten im Bereich oben rechts mehrfach belegt. Daran gewöhnt man sich schnell, wenn man nicht nur die Anleitung liest, sondern auch wirklich experimentiert.
Die Schieberegler sind im Moment bei mehreren Firmen in Mode. Sie sind platzsparend und haben eine Leuchtdiode, um den aktiven Step im PLAY-Modus anzuzeigen. Trotzdem gibt es hier in meinen Augen ein Haar in der Suppe: Da die Schieberegler ja für alle Ausgänge mit verschiedenen Eigenschaften Probability, Repeat, Delay, Pulsewidth, Note, Glide etc. benutzt werden, gibt die momentane Position natürlich nicht den eingestellten Wert an, die Balkenanzeige dagegen springt auf den gespeicherten Wert. Will man diesen Wert nun aber ändern, dann springt die Balkenanzeige auf den Schiebereglerwert. Ein Fader ist eben kein Endlosregler. Feinfühligkeit ist mit den Schiebereglern schwer zu erreichen. Schiebt man ganz vorsichtig und langsam, dann ändert sich nichts. Bei schnellerem Schub springt die Anzeige auch mal zu weit. Das hätte man (teurer) viel komfortabler lösen können durch zyklische Endlosregler, die man durch ein Berühren der Reglerkappe aktualisiert. Dann würde die Kompaktheit aber vernichtet und der Preis des Moduls deutlich steigen. Das ist also sicherlich eine Entscheidung zum Design und der Wirtschaftlichkeit gewesen. In den diversen Videos bemerkt man deutlich, wie die Künstler den Schiebereglern meist einen deutlichen Schubs mit anschließender Korrektur gibt. Das muss man erlernen.
Aber es gibt ja noch den Modus Live CV Record (Handbuch S. 16)! Bei laufendem Sequencer kann man die acht Gate-Tasten als Eingabe-Keyboard benutzen und zwar bei voreingestellter Key, Root und Skala – perfekt.
Live-Künstler werden umfassend unterstützt. Der Wermutstropfen ist, man muss sich mit der Materie beschäftigen – aber die Entscheidung hat man ja hoffentlich vor dem Kauf schon getroffen.
Installation – ein Intermezzo
Als kleines Intermezzo und Überleitung ergänze ich mal ein paar Einblicke in die Installation von Varigate 8+ und Voltage Block.
Bevor man beide Module einbaut, sollte man die ausführlichen englischen Bedienungsanleitungen herunterladen für Varigate 8+ bzw. Voltage Block, da nur die Quick-Guide-Manuals im Druck beigelegt sind.
Außerdem überprüfe man, ob der Verbindungsstecker in der Position „Master” steht (im grünen Rahmen). Über eine einfaches USB-Druckerkabel (nicht beigelegt) kann man die aktuelle Firmware aufspielen (gelber Rahmen). Mit Hilfe des kleinen weißen Tasters wird das Aufspielen gestartet. Das geht einfach.
Die Rückseite vom Voltage Block wurde anders als in der Bedienungsanleitung offenbar neu gestaltet. Der Stecker (grüner Rahmen) musste ich in die Position „normal” umstecken, damit die Clock des Varigate 8+ auch empfangen wird. Das Aufspielen der neuen Firmware mutete nostalgisch an und erinnerte mich an die Zeiten, in denen ich Spielprogramme meines Atari 800 von Kassette mangels einer Diskettenstation laden musste. Beim Download bekommt man eine WAV-Datei. Ich habe sie mir spaßeshalber mal über Kopfhörer (Vorsicht: Lautstärke herunter regeln) angehört und fühlte mich in die 80er-Jahre versetzt. Das Aufspielen erfolgte vom Laptop über ein Audiointerface (angeblich genügt auch ein Smartphone) und den Clock/CV-Klinikeneingang – witzig, aber es funktioniert.
Voltage Block: Partner des Varigate 8+
Nachdem ich die Bedienoberfläche des Varigate 8+ etwas verinnerlicht habe, kann mich eigentlich die des Voltage Block nicht mehr schocken: Ich erkenne ähnliche Ausgänge, Taster und die Schieberegler (hier mal die silberfarbene Version).
Voltage Block besitzt oben acht CV-Ausgänge (blau), deren Sequenz mit den entsprechenden Schiebereglern (türkis) editiert werden. Anstelle der Balkenanzeige des Varigate 8+ finden wir hier lediglich 16 rote Leuchtdioden über den 16 schwarzen Tastern (pink). Sie repräsentieren die 16 Steps aller acht Sequenzen. Wie schon beim Varigate dienen die Taster mehreren Funktionen, die mit Hilfe der weißen Steuertastern (rot) im Edit-Mode begleitet werden. Der Clock-Bereich (grün) fällt etwas umfangreicher aus, denn es gibt verschiedene Clock-Modes.
Im Standalone-Betrieb besitzt Voltage Block Speicherplätze für insgesamt 16 Gesamt-Presets, in Kombination mit dem Varigate 8+ sogar 100. Abspeichern und Laden geschieht dann über Varigate 8+.
Wer nicht gerne Bedienungsanleitungen liest, kann auf den sehr schönen zehnminütigen Videoüberblick Malekko Voltage Block – In Depth Guide zugreifen:
Praxis – ein Selbsttest
Anstelle einer trockenen zweiten Besprechung möchte ich einen Selbsttest unternehmen, um die Funktionsweise des Voltage Block und das Zusammenspiel beider Testmodule zu beschreiben.
Ich muss unbedingt erwähnen, dass ich ohne eine optische Kontrolle keine Chance hätte, genau nachzuvollziehen, was letztlich passiert. Natürlich blinken die Leuchtdioden im richtigen Rhythmus, doch bei „ungeraden” Teilfrequenzen nützen das Gehör und das Auge nicht viel. Insbesondere hilft es sehr, wenn man sieht, wie und wann die einzelnen Gate-Ausgänge laufen. Natürlich kann man nicht erwarten, dass die Module selbst ein Display haben, es hilft aber immens, wenn man einen Zugriff auf ein Mehrkanal-Oszilloskop hat. Nicht ohne Grund sieht man diese oft in Videos über komplexe Module. Natürlich mag das auch eine persönliche Vorliebe von meiner Seite aus sein. Wer es aber genau mag, der kommt an eine solche zusätzliche pekuniäre Ausgabe nicht herum.
Ich habe mir als Minimalziel eine dreikanalige Sequenz erdacht. Die Sequenz 1 soll eine einfachen Bassfigur abspielen, die in einem Viertel der Hauptgeschwindigkeit abläuft. Die eigentliche Grundsequenz (Sequenz 2) soll 16 Steps umfassen und einen monophonen Sound abspielen. Schließlich erstelle ich eine sehr langsame Sequenz 3 für ein Rauschen, die mit einem Achtel der Hauptsequenz eine langsame Hüllkurve steuern soll und einen Filter. Da ich bei Null anfangen möchte, lösche ich den gesamten Speicher des Varigate 8+ und damit auch des Voltage Block (CLEAR gedrückt halten und BANK/ALL drücken).
Um es gleich vorwegzunehmen: Verschiedene Sounds mit diversen singulären Modulen aufzubauen, sind ein Kreuz und ich habe nach wenigen Tagen akzeptieren müssen, dass polyphone Sequencer auch polyphone Klangerzeuger (möglichst komplette Stimmen) benötigen sowohl für den Gate-Sequencer (Drum-Module) als auch mehrstimmige Oszillatorstimmen oder einen komplexen Oszillator mit vielen Modulationsmöglichkeiten für Voltage Block.
Also baue ich mein Experimentier-Rack um und benutze für Drum-Sounds VPME.de QD und den digitalen Oszillator ODESSA von XAOC Devices für den guten Ton.
Das ist eine nicht zu verachtende Investition und man sollte sich vorher im Klaren sein, wie stark der Geldbeutel belastet wird. Sicherlich wird man zunächst einfache preiswerte monophone Sequencer ausprobieren und erst dann eine Entscheidung treffen.
Letztendlich sind Varigate 8+ (oder auch 4+) und Voltage Block als Performance-Set gedacht. D.h. niemand wird freiwillig eine riesige Modularwand mit auf die Bühne nehmen, sondern ein Rack bevorzugen, das in sich stimmig und praktikabel ist, und mit weiterem leichten Equipment ergänzt werden kann. Ein mehrstimmiges Drum-Modul als Gesamtmodul oder mit mehreren Einzelmodulen ist Pflicht. Jede Drum-Stimme sollte schon eine eigene Hüllkurve und in irgendeiner Form eine Klangformung besitzen (ausführlicher Test des VPME QD von Dirk E. (Xsample)).
Und der Spaßfaktor erhöht sich signifikant:
Ich habe sehr einfache Sequenzen für die Gate-Ausgänge 1-4 erstellt und dabei lediglich ohne große Vorplanung in den Editiermodi PROB (Wahrscheinlichkeit eines Events) und RPT (Repeat eines Steps) gespielt. Die vier Gate-Ausgänge (blau, rot, gelb und grün) füttern VMPE QD mit Triggern und in zwei Kanälen auch mit den CV-Ausgängen. Die Decay-Zeiten werden nacheinander erhöht, so dass man die vier Klänge hören kann. Die Veränderung der Klangfarben bzw. Sample-Auswahl geschieht über die Modulationsregler. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie groß eine Einzelzusammenstellung wäre. Auch wenn es sich nicht so anhört, aber hier läuft eine feste Sequenz und ich drehe nur an einigen wenigen Klangeinstellungen des VPME QD – echtes Live-Gefühl.
Zusammenspiel von Varigate 8+ und Voltage Block
Nach diesem persönlichen Erfolgserlebnis sollen nun aber beide Module zusammen zur Geltung kommen.
Ich habe bewusst kein Drum-Modul benutzt, um aufzuzeigen, dass man auch Klangszenarien realisieren kann. Man möge mir verzeihen, dass ich mich in diesem Metier noch unsicher bewege.
ODESSA besitzt viele Modulationseingänge und ich mache regen Gebrauch, diese durch Voltage Block steuern zu lassen. Obwohl sich die Sequenzen zufällig anhören, laufen alle im Pendulum-Betrieb (vorwärts und rückwärts). Es gibt noch die Möglichkeiten vorwärts, rückwärts und Zufall für alle Ausgänge und (natürlich) auch noch einen Arpeggiator-Modus. Jeder CV-Ausgang besitzt seine eigene Sequenz, die sich ín Länge, Teiltempo, Skala, Smooth einzeln programmieren lassen. Möchte man eine 1:1-Kopie einer Sequenz, ist dies mit einer einfachen Tastenkombination möglich. Varigate 8+ benutzt in diesem Beispiel lediglich einen Kanal, der ein Gate-Signal über ein 4fach Gate Delay (MALEKKO Gate Delay) an einen 4-fach Hüllkurvengenerator (XAOC Devices ZADAR) weiterleitet usw. usw. Varigate 8+ speichert alles ab. Der geduldige Leser wird – wie ich – einfach eine große Spielkiste erwarten und sich dem Experimentier-Zeit-Kontinuum hingeben, falls er sich entschließt, der Kauflust zu erliegen.
Professionelles Sequencing
Vielfältige Einstellmöglichkeiten und Programmiertricks sind in beiden Modulen versteckt. Besser als jede Beschreibung sind die beiden nachfolgenden Videos, die anschaulich zeigen, welche Möglichkeiten in beiden Modulen stecken:
Apropos live: Voltage Block besitzt eine Live-Record-Funktion, so dass man Fader-Durchläufe direkt aufnehmen und abspeichern kann! Ohne dieses Video hätte ich niemals die wundervollen Möglichkeiten aus der Bedienungsanleitung erfahren.
Hat man einmal beide Module zusammen ausprobiert, dann wird schnell klar, dass die Entwickler ein Gesamtkonzept im Kopf haben. Ein kleines Beispiel: Der Gate-Sequencer besitzt auch zwei CV-Ausgänge. Braucht man dann noch eine CV-Erweiterung wie den Voltage Block? Sind die beiden CV-Ausgänge nur ein Notbehelf? Durchaus nicht: Man muss in Songs denken. Zur Erinnerung: ein Song ist eine Zusammenstellung mehrerer Presets. Voltage Block liefert die Tonhöhen, Filtermodulationen etc. Wozu braucht man dann noch die beiden CV-Ausgänge des Varigate? Ich denke dabei nicht unbedingt an eine direkte Sequenzertonfolge, sondern an eine globale Tonhöhen-Änderung, sprich: im Ablauf eines Songs können über einen Präzisionsaddierer (Doepfer A-185-2) die CV-Sequenzen transponiert werden.
Es muss jedem Interessierten klar sein, dass Varigate 8+ und Voltage Block Teil eines ausgeklügelten Modularsets sein werden. Ich habe dabei nicht unbedingt ein großes System in meiner Vorstellung. Ein Tisch-Rack reicht schon, um mit Unterstützung anderer Klangerzeuger ein nettes Szenario für eine Live-Performance aufzubauen. Dabei sind kleinere Umgebungen mit Drum-Modulen durchaus denkbar, aber die eigentliche Stärke liegt im Zusammenspiel mit variablen Klangerzeugern, seien es nun Drum-Module oder Clouds oder, oder. Entsprechend muss man vorsichtig bei einer Kaufentscheidung sein: Wie umfangreich ist mein System (oder soll es in Zukunft sein)? Wie viele Klangerzeuger, Filter und Modulationsmöglichkeiten hat mein System? Das sind bedeutsame Fragen bezüglich des eigenen Geldbeutels, die man sich vor einem Kauf stellen sollte. Schnell ist man in Preiskategorien von 2000€ und mehr.
Das Ende vom Lied
… besser gesagt vom Song. Es macht unglaublich viel Spaß, mit dem Sequencer-Paar zu spielen. Der Weg ist lang und vielleicht manchem zu mühsam. Wenn man allerdings davon gepackt ist, dann will man aber auch experimentieren, forschen, planen und immer wieder neue Gedankenideen ausprobieren. Dabei gibt es viel zu entdecken, viel mehr als es die Bedienungsanleitungen (immerhin zusammen mehr als 30 Seiten) andeuten.
Sowohl komplexe Drum-Sequenzen, wie auch geschichtete Klanggebilde sind bei entsprechender Umgebung etwas für kreative Köpfe. Live-Performances können sehr gut vorbereitet werden und werden optimal durch umfangreiche globale Abspeicher-Möglichkeiten unterstützt. Daneben liefert der Live-Record-Modus sowohl für Varigate 8+ als auch Voltage Block genügend Platz für spontane Einfälle, die man sofort abspeichert und lässt der Kreativität des modular infizierten Künstlers freien Lauf.
Die sehr kompakte Bauweise ist durch ein ausgeklügeltes System verschiedener Modi gut beherrschbar. Die Preise sind dem Funktionsumfang voll angemessen.
Das gesamte Konzept überzeugt und ist in sich stimmig – pure Spielfreude!
Links
Demonstration von Varigate 8+ und Block Voltage:
Daniel Dehaan: Varigate 8+ In Depth Video manual
VCL: Composing with ´Voltage Block Eurorack Sequencer
Daniel Dehaan: Malekko Voltage Block – In Depth Guide
VARIGATE 8+ | VOLTAGE BLOCK | BASIMILUS ITERITAS ALTER
Zusammenspiel in einem modularen Umfeld:
Vielen Dank für den sehr umfangreichen und praxisnahen Testbericht. Jetzt sehe ich etwas klarer, in welche Richtung diese Sequenzer gehen. Diese ausführliche Erklärung war im deutschsprachigen Raum schon lange überfällig.
Ich habe beide besessen und nach einer Woche wieder zurückgegeben. In meinem Modular sind heute ein Eloquencer (von Winter Modular), 2 Doepfer A-155/154 und davor steht ein Beatstep Pro. Rocks!!
(Wer Lust hat, auf Youtube nach „Hansi Modular“ suchen …)
Ein sehr informativer Praxistest, dessen Lektüre Spaß bereitete und der von langjähriger Erfahrung mit der Materie zeugt. Vielen Dank dafür!
@fran_ky Vielen Dank für das Lob. Leider konnte ich mich bei der Länge des Artikels nicht zurückhalten, da es mich nicht ruhen lässt, bis ich ein Modul wenigstens in den Grundzügen verstanden habe und dann darüber natürlich auch gerne berichte. Meine Erfahrung im Bereich der modularen Hardware-Sequenzer sind eher immer noch in den Anfängen. Aber es freut mich, dass ich es etwas verdecken konnte ;) .
Die Antriebsfeder ist für mich eigentlich der übliche Kommentar, wenn man seinen Gästen offen und stolz den Modularschrank zeigt: „… und was kannst du damit jetzt anstellen?” :( und ich dann auf mangelnde Vorführzeit verweise.
In Zukunft will ich dann den Playknopf drücken können.
Schöne Module solang man keinen Support braucht. Hab letztes Jahr wegen eines defekten Faders über Monate hinweg ca. 3x freundlichst den Support angeschrieben. Bis heute ohne Reaktion. Den Hersteller werd ich in Zukunft meiden. (um trotzdem mit was positivem zu enden.. Intellijel sind dafür sehr schnell und hilfsbereit) :)
@patilon Ui – hast du die Module direkt in Amerika bestellt oder über einen retailer in Deutschland? Dann müsste dieser doch reagieren?
@herw Das betreffende Modul hatte ich gebraucht gekauft. Den Austausch des Faders hätte bzw. hab ich selbst vorgenommen, hätte nur den Ersatzfader gebraucht oder eine Artikelbezeichnung. Letztlich konnte mir Schneidersladen dann mit der Info helfen.
@herw ach.. und danke für den schönen Test so ganz nebenbei! :)
Danke für den tollen Test! Sollte eigentlich meine Wochenendlektüre werden, habe ihn schon heute verschlungen. Du bist schuld .. nun stehen die Dinger auf meiner Haben-Wollen-Liste. :)