Innere Werte
Ein Blick ins gut gefüllte Gehäuse offenbart eine interessante Mischung aus altem und modernem Schaltungsdesign. Die mit Übertragern des Herstellers ausgestatteten Eingangsstufen und die Kompressionsstufe erfolgen auf bewährte Art und Weise mittels zweier 6BA6-Röhren pro Kanal. Ausgangsverstärkung und -symmetrierung werden jedoch mit Hilfe von FET-Transistoren bewerkstelligt. Ungewöhnlich ist auch das platzsparende Schaltnetzteil, das sich im hinteren rechten Teil des Geräts befindet.
Insgesamt macht das Innenleben des Manley Labs Nu Mu dank hochwertiger Bauteile, sauberen Layouts und guter Verarbeitung einen tadellosen Eindruck. Das Gerät hat vielleicht nicht ganz die konsequente Robustheit und Qualitätsanmutung, wie sie etwa den Wes Audio Timbre auszeichnet, aber dieser legt die Messlatte auch extrem hoch.
Rauschen, Störabstände sowie Frequenzgang genügen professionellen Anforderungen. Die gemessenen harmonischen Verzerrungen sind allerdings für heutige Verhältnisse hoch und entsprechen den Angaben im Handbuch. Auch mit ihrem hohen K1 Anteil erfüllen sie auch die Erwartungen an ein Röhrengerät.
Die vier – nach Aussage des Herstellers – handselektierten Röhren sollen laut Handbuch übrigens 5.000-6.000 Stunden halten, danach müssen sie ausgetauscht werden.
Praxis
Nach dem Einschalten blinken die blauen LEDs im VU-Meter des Nu Mu einige Sekunden, bis die Betriebstemperatur erreicht und das Gerät einsetzbar ist. Design ist immer Geschmackssache, Unterscheidungskraft besitzt der Manley Labs Nu Mu auf jeden Fall.
Die Bedienelemente sind größtenteils spiegelbildlich angebracht. Optisch mag das mehr an Symmetrie Wirkung und Eindruck der Front verbessern, im Interesse der Bedienbarkeit wäre eine identische Anordnung der Kanäle, wie sie sonst auch allgemein üblich ist, aber sicher sinnvoller gewesen. Zumindest in der Anfangszeit und beim Wechsel mit anderen Geräten muss man genauer hinschauen. In diesem Zuge fällt auch auf, dass bei drei wesentlichen klangformenden Reglern („Attack“, „Output“ und „Threshold“) keine Beschriftungen existieren. Es gibt lediglich stilisierte Unterteilungen.
Bei einem Vari-Mu-Kompressor ergibt sich eine Abhängigkeit der Timing-Parameter von der Pegelreduktion. Im Klartext bedeutet das beim Nu Mu, dass die Attack-Zeit laut Handbuch bei 63% Pegelreduktion in Stellung „slow“ 0,13 s, in mittlerer Stellung 0,07 s und bei „fast“ 0,013 s. beträgt. Eine Pegelreduktion von 90% hat bei langsamer Einstellung Attackzeiten von 0,64 s, bei mittlerer 0,35 s Sekunden und bei schneller 0,064 s zur Folge.
Der vergleichsweise weite Regelbereich im Hinblick auf die Attack-Zeiten erlaubt die Anpassung an das allermeiste denkbare Klangmaterial.
Auch bei den fünf einstellbaren Release-Zeiten besteht Abhängigkeit von der Pegelreduktion. Beträgt diese 63%, so sind diese 0,1 s, 0,16 s, 0,32 s, 0,64 s und 1,7 s. Bei 90% ergeben sich Werte von 0,227 s, 0,368 s, 0,736s, 1,6 s und 3,87 s.
Klang
Der Signalpfad ist für einen Röhrenkompressor sehr transparent. Die üblicherweise durch Röhren und Übertrager bedingte Klangfärbung hält sich in engen Grenzen, wobei eine gewisse Klangbeeinflussung (je nach Geschmack auch Veredelung) insbesondere in den Höhen aber durchaus festzustellen ist.
Von der brachialen Klangveränderung und erdigen Textur etwa eines Gates Sta-Level (vgl. z.B. den Test des Wes Audio Timbre) ist der Nu Mu jedenfalls meilenweit entfernt. Auch der Variable Mu aus eigenem Hause macht deutlich mehr „Sound“.
Der Hersteller sieht den Einsatzzweck der beiden Kompressoren übrigens so:
Auch die Kompression ist eher auf der transparenten Seite angesiedelt. Für ein „Anfetten“, wie man es z.B. vom (Opto-Röhren-Kompressor) LA-2A oder dem zuvor erwähnten Sta-Level kennt, eignet sich der Nu Mu kaum. Auch die selbst bei hohen Kompressionsraten quasi unhörbare Kompression, für die z.B. Fairchild F670 bekannt und beliebt ist, zählt nicht wirklich zu den Eigenschaften des neuen Manley Gerätes.
Der Nu Mu hat seinen Haupteinsatzzweck daher eindeutig im Mastering, genauer der Verdichtung von Summensignalen bei geringer bis moderater Pegelreduktion. Dreht man diese weiter herunter, ergibt sich schnell hörbares und wenig angenehmes Pumpen.
Er klingt auch ähnlich wie ein kultivierter Verwandter eines typischen VCA-Summenkompressors, wie z.B. des SSL G384 FX, allerdings eben mit einem weniger aggressiven, abgerundeten Klangcharakter.
Der Nu Mu ermöglicht bei „korrekter Einstellung“ eine transparente Homogenisierung des Materials, also den berühmten „Kleber“, ohne dabei jedoch den Grundcharakter des Signals wesentlich zu verändern. Eine Mischung beispielsweise erscheint griffiger und wie aus einem Guss, ohne eine offensichtliche Färbung aufgedrückt zu bekommen. „Fertiger statt fetter“ lautet die Devise.
Der gelungene „HIP“-Modus erweitert dabei nochmals die Möglichkeiten.
Danke für den Test. Nicht uninteressant.
Eine Frage habe ich bzgl. des ersten Beispiels, womit hast Du das eingespielt?
Gruss,
Peter
Das waren größtenteils Hardware-Synths und -Sampler, ggf. auch noch mit Outboard-Effekten versehen, ist schon etwas älter und war ursprünglich mal für einen anderen Testbericht gedacht.
@g.scherer Danke Gregor.
Sehe ich das richtig, dass es zwar für jeden Kanal getrennte Regler gibt, aber die Taster auf beide Kanäle wirken? Die beiden Kanäle als zwei Monokompressoren zu verwenden geht also nicht. Das hat mich auch schon am Variable Mu verwundert. Ich frage mich, welche Philosophie dahinter steckt. Man hätte doch gleich ein Stereogerät draus machen können.
@digital-synthologie Doch, beide Kanäle können einzeln verwendet werden, besitzen getrennte Sidechains und Parametrisierung. Allerdings wirken die Einstellungen der Drucktaster in der Tat immer für beide Kanäle gleichzeitig.
Der Nu Mu ist daher durchaus sinnvoll auf zwei Einzelsignale anwendbar, allerdings mit den vorerwähnten Einschränkungen. Das Anwendungsspektrum wird dadurch gegenüber einem reinen Stereokompressor deutlich erweitert.