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Test: Martin DX1AE, Westerngitarre

Große Überraschung im Klangtest

26. Januar 2011
Martin DX1AE, Westerngitarre

Martin DX1AE, Westerngitarre

Ein Name wie Donnerhall, zumindest im Bereich der Westerngitarren. Was dem landläufigen E-Gitarristen die Protagonisten Fender und Gibson sind, waren dem Stahlsaiten-Akustiker schon immer die Instrumente aus dem Hause Martin. Wer auch immer in der klanglichen Bundesliga der Strumming- oder Picking-Abteilung mitzupfen wollte, kam nicht umhin, sich irgendwann einmal mit diesem Hersteller auseinander zu setzen. Wenn es einem Hersteller gelungen ist, den „Dreadnought-Mythos“ zu etablieren, dann Martin.

Aber wie auch alle anderen amerikanischen Hersteller, welche ihren Ruf mit zumeist „preisigen“ Produkten in den vergangenen Dekaden erzielen konnten, erkannte schließlich auch Martin, dass selbst ein Zahnarzt sich nicht unbegrenzt mit D-28ern eindecken kann und der ambitionierte Nachwuchs bei Preisregionen von knapp 2.000 Euro dezent die Budget-Segel streicht. Was tun, sprach Zeus und begab sich auf die Suche nach preisgünstigen Fertigungsstätten und Zugeständnissen in der Holzauswahl, auf dass das amerikanische Trademark nicht durch asiatische Fertigung in der Wertigkeit verwässert wird, aber ein günstigerer Abgabepreis nicht in unerreichbare Ferne rückt.

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Des Rätsels Lösung liegt weiterhin in amerikanischer Fertigung, nur ein paar Meilen weiter südlich in Mexiko. Hier kann die Mutterfirma ihre Komponenten entfernungstechnisch sehr übersichtlich verschiffen, die Supervisor müssen nicht erst den Pazifik überqueren und das extrem Wichtige „Made In America“ bleibt erhalten. Lohnkosten alleine können aber die Fertigungskosten nicht beliebig sinken lassen, auch in der Auswahl der Komponenten muss sich das Mutterschiff etwas einfallen lassen. Hier überrascht Martin mit einem unerwarteten Schachzug.

Martin DX1AE, Westerngitarre

— Die Martin DX1AE —

Konstruktion

Auf den ersten Blick wirkt die Martin DX1AE sehr vertraut, nichts was dem Fachmann ein Stirnrunzel entlocken würde. Eine massive Sitka-Fichtendecke, ganz wie in der Tradition der Väterväter. Aber dann, im Gegensatz zur den allgemein üblichen Palisander-Orgien im Zargen und Bodenbereich, wird die Mexikanerin mit HPL Bauelementen ausgestattet, welche ihrerseits mit einem Holzimitat überzogen sind. Bei HPL handelt es sich um einen Verbundwerkstoff in Plattenform, welcher aus mehreren Lagen Papier und Harz zusammengesetzt wird. Verbundwerkstoff? Imitat? Ich sehe schon die ersten hervortretenden Adern der Zornesröte beim klassischen Country-Picker. Was kommt als nächstes? Harleys mit 500 ccm Hubraum etwa?

Martin DX1AE, Westerngitarre

— Blick auf die Rückseite —

Um die Konstruktion in Sachen „ungewöhnliche Komponenten-Auswahl“ komplett abzurunden, weicht Martin auch in Sachen Halskonstruktion vom sicheren Pfad ab und verpasst der DX1AE einen Hals aus Stratabond, einem Holzlaminat, welches unter anderem in Jagdbögen und Gewehrschäften zum Einsatz kommt. Dann doch lieber Instrumente damit bauen. Schließlich gesellt sich zur holden Kunststoffsammlung auch noch ein Griffbrett und ein Steg aus schwarzem Richlite, einem recht dichten Material aus recyceltem Papier und Phenol. Man ist geneigt zu sagen, die Gitarre besteht bis auf die Decke komplett aus Kunststoff. Das hat sich nicht mal Ovation getraut!

Martin DX1AE, Westerngitarre

— Headstock —

Wie dem auch sei, der tropische Regenwald wird sich freuen, denn auch Holz aus nachhaltigem Anbau gibt immer noch die beste Figur in ungeschlagenem Zustand als grüne Lunge der Erde ab. Die allerorts auftretende Skepsis kann ich jedoch durchaus verstehen, zumal es sich bei Martin um DAS Traditionsunternehmen im Akustik-Gitarrenbau handelt. In Sachen Tonabnehmer verfügt das Instrument über den Fishman Sonitone, welcher regeltechnisch eher in der spartanischen Ecke angesiedelt ist. Schön ist allerdings, dass er nahezu komplett unsichtbar im Schalloch untergebracht ist und die Zargen nicht wie sonst üblich aufgebohrt werden müssen. Ansonsten alles wie gehabt, 20 Bünde, eine 644 Millimeter Mensur, alle optischen Trademarks, eine echte Martin eben.

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Praxis

Nimmt man die Gitarre das erste Mal in die Hand, stellt sich umgehend das allseits bekannte „Martin-Gefühl“ ein. Trotz ungewohnter Baumaterialien fühlt sich nichts fremd oder gar unangenehm an. Und dann, der erste kritische Akkord … Nun, um ganz ehrlich zu sein, das hatte ich mir anders vorgestellt. Die Gitarre klingt richtig gut! Es wäre gelogen gewesen, zu behaupten, man würde nicht mit einer gewissen Skepsis an neue Materialien heran gehen, aber es ist doch immer wieder schön, wenn man eines Besseren belehrt wird!

Logisch, das Schwingungsverhalten des Instrumentes ist anders. Der akustische Klang ist straffer, höhenreicher und härter, was aber im Live-Betrieb für eine bessere Durchsetzbarkeit sorgen wird. Lediglich der Tonabnehmer leidet etwas unter der Kunststoffansammlung, er klingt relativ hart, weiß im Gesamtkontext aber durchaus zu überzeugen. Rein akustisch fällt der Klang jedoch deutlich besser aus, als ich es erwartet hätte, weshalb die Soundbeispiele auch mit einem Fame Großflächenmikrofon in verschiedenen Stellungen gemacht wurden. Hat man sich erst einmal an den höhenreichen Sound gewöhnt und das richtige Plektrum gefunden, mag man nicht glauben, dass man fast ausschließlich von Imitat, recyceltem Papier und Kunststoff umgeben ist.

Martin DX1AE, Westerngitarre

— Massive Sitka-Fichtendecke —

Schwingungstechnisch erfüllt die Fichtendecke ihren Zweck und überträgt ein ausgewogenes Klangbild. Hier zeigt sich, dass trotz aller Ausweichmaterialien eine Holzdecke (noch) nicht mit Verbundstoffen zu ersetzen ist, wobei ich mir fast sicher bin, dass Martin auch hieran gefeilt haben wird. Verarbeitungstechnisch sind keinerlei Mängel zu erkennen und in Sachen Handhabung, wie gesagt eine echte Martin. Bereits die Werkseinstellung ist sehr ordentlich, nachträgliches Justieren von Saitenlage oder Stegeinlage entfiel glücklicherweise.

Da die X-Serie dem Einsteiger gewidmet ist und der Verkaufspreis so niedrig wie möglich gehalten werden soll, hat der Hersteller auf überflüssige Verzierungen verzichtet. Kein Binding, keine Griffbretteinlagen und nur eine spartanische Rosette als Verzierung um das Schalloch herum, gepaart mit einem handelsüblichen Scratchboard.

Martin DX1AE, Westerngitarre

— Außergewöhnliche Werkstoffe für Zargen und Boden der DX1AE: HPL —

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Fazit

Na, wer hätte das erwartet? Mal ganz ehrlich: Kunststoffe, wohin das Auge blickt und so fiese Worte wie Imitat und Laminat, graut es da nicht jedem Gitarristen und bauen sich vor dem geistigen Auge nicht Horrorvisionen von geschundenen Kinderhänden und lustlos zusammen geklebten Masseninstrumenten chinesischer Bauart auf? Dass es auch anders geht, zeigt Martin mit seinem Einsteigerprodukt DX1AE.

Trotz einer mehr als ungewohnten Kombination von diversen Werkstoffen gelingt es US-Finest, im Westerngitarrenbereich einen ausgewogenen, bisweilen sehr guten Klang mit einem vergleichsweise günstigen Abgabepreis unter die Kundschaft zu bringen. Einmal mehr zeigt ein Traditionsunternehmen, dass man es bei entsprechendem Research and Development tatsächlich schafft, einen günstigen Abgabepreis zu generieren, ohne auf Qualität zu verzichten oder seine Fertigungsstätte komplett nach Asien zu verlegen und nur noch mit dem einst erworbenen Namen von gestern zu kokettieren.

Plus

  • Sound akustisch
  • alternative Baustoffe
  • Umweltschutz
  • Verarbeitung

Minus

  • -

Preis

  • UVP: 680,- Euro
  • Straßenpreis: 589,- Euro
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Klangbeispiele
Forum

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