Glaubwürdig gealterte Jazzmaster
Ordentliches Kontrastprogramm heute: Paula oder Jazzmaster? Fest steht: Der Hersteller Maybach baut qualitativ hochwertige Gitarren, die sehr liebevoll verarbeitet und mit Herz und Verstand in individueller Handarbeit von einem kleinen Team erfahrener Gitarrenbauer hergestellt werden. Neben der heute zu testenden Jazzmaster Kopie, werden auch teilweise leicht modifizierte Nachbildungen der populärsten Gitarrentypen gebaut. Hier wären folgende Modell zu erwähnen: Telecaster, Stratocaster, Les Paul, SG, ES 335. Allesamt sehen sie sehr lecker bzw. appetitlich aus und erfreuen sich hoher Gitarrenbaukunst. Laut Intension des Herstellers wurde die JazPole 63 so abgespeckt bzw. bestückt, dass sie als top Arbeitsgerät für viele Gitarristen eine echte Soundbereicherung sein kann.
Während die Stratocaster ein unglaublich weit verbreitetes Gitarrenmodell ist und auch die Telecaster unzählige Fans, vor allem im Country-Bereich hat, musste die Jazzmaster lange Zeit ihr Dasein im Schatten der millionenfach verkauften Modelle von Fender verbringen. Bekannte „User“ der Jazzmaster in den 50er und 60er Jahren waren Bob Bogle von den Ventures und Carl Wilson von den Beach Boys. Dann war die Jazzmaster immer weniger zu sehen. Nur einige bekannte Gitarristen wie z. B. Curt Cobain oder Elvis Costello verhalfen der Jazzmaster, die oft auch als „Tanzmuckergitarre“ verschrien war, wieder zu Ruhm und Ehre. Gitarristen, die eine Jazzmaster bevorzugen, sind oft keine Saitenvirtuosen, sondern zeichnen sich meist durch andere Qualitäten wie gutes Songwriting oder sehr interessante Stimmen aus. Ende der 1980er wurde das sogenannte J-Style Modell dann wieder häufiger auf Bühnen und im Fernseher gesichtet, da sich einige (teilweise später sehr bekannt gewordene) Musiker der Grunge- und Alternative-Szene einer Jazzmaster bedienten, vermutlich, weil sie zu dieser Zeit recht unpopulär war bzw. niemand dieses Modell spielen wollte und diese Gitarren somit verhältnismäßig günstig zu erstehen waren.
Maybach JazPole 63 – Facts & Features
Die Maybach JazPole 63 wird inklusive eines sehr schönen braunen Rechteckkoffers im Country-Stil (Maybach-Luxus-Case) ausgeliefert. Dieser ist mit einem dunkelgrünen Plüsch ausstaffiert, was sehr ansprechend aussieht. Die Gitarre wurde im Gegensatz zu vielen Jazzmaster Modellen mit eingebauten Singlecoils bzw. P 90 Einspulern mit Humbuckern ausgestattet. Maybach bietet dieses Modell abgesehen von Sunburst auch noch in einigen weiteren Farbgebungen an, was man hier schön sehen kann, das einzige mit Bigsby-Vibrato bestücktes Modell ist dagegen Sunburst lackiert.
Korpus
Der Korpus einer Jazzmaster fällt natürlich etwas größer aus als beispielsweise bei einer Strat oder Tele. Für diesen Korpus wurde ein schön gemaserter Brocken ausgewählt. Die Lackierung mit Nitrolack fiel geschmackvoll aus, denn Sunburst-Lackierungen können auch schon mal billig oder langweilig aussehen. Das Schlagbrett harmoniert gut mit der Sunburst-Optik.
Das Gewicht unseres Testmodells beläuft sich auch ca. 3,8 kg, was angesichts des etwas größeren Korpus und dem montierten Bigsby-Vibratosystem absolut in Ordnung geht. Vermutlich konnte das Gewicht so gering gehalten werden, da für den Korpus Pappel zum Einsatz kam, die verhältnismäßig zu Esche bzw. Erle stets etwas leichter ausfällt. Pappel sagt man nach, eine klanglich ebenbürtige Qualität wie Esche oder Erle aufzuweisen.
Maybach JazPole 63 – Hals
Der geschraubte Ahornhals besitzt ein Griffbrett aus Palisander und ist recht kräftig geraten. Bei den Bünden hat man keine Kompromisse gemacht und eine außerordentlich fette und hohe Variante gewählt, was die Bespielbarkeit positiv beeinflusst. Schaut man genau hin, erkennt man, dass bei der Bundierung auch sicherlich noch viel mit der Hand gearbeitet wurde, da die Bundkanten teilweise recht unterschiedlich ausfallen und alle minimal anders gefeilt wurden. Der Hals besitzt 22 Bünde, als Griffbretteinlagen kommen weiße Dots zum Einsatz. Seitlich am Griffbrett sind ebenfalls kleine weiße Dots zu finden, somit fällt die Optik des Halses absolut vintage-mäßig bzw. klassisch aus. Die Rückseite des Halses wurde klar lackiert, auf ein Aging wurde hier jedoch verzichtet.
Die Kopfplatte besitzt eine Form, die man Symbiose aus einer Stratocaster und Telecaster bezeichnen könnte. Unter dem Firmenlogo hat man eine kleine Stufe gefräst, wie dies momentan auch gerne bei anderen Gitarrenherstellern z. B. Friedman gemacht wird. Die Front der Kopfplatte sowie der Hals an sich wurde nicht „geaged“.
Optik – Aging
In puncto Aging hat man bei dem Instrument sehr gute Arbeit geleistet. Die künstliche Alterung wurde sehr geschmackvoll vorgenommen, sodass das Ergebnis absolut glaubhaft erscheint. Der Lack wurde schön mattiert bzw. stumpf gemacht, an einigen Stellen hat man den Lack bis auf den Korpus entfernt und kleinere „Dings und Dongs angebracht“, wobei hier erfreulicherweise nicht übermotiviert vorgegangen wurde. Man hat durchaus den Eindruck, bei der Jazpole 63 konnte es sich um ein gut gepflegtes Instrument handeln, das bereits 50 Jahre auf dem Buckel hat.
Elektrik
Die Maybach JazPole 63 wurde mit zwei Humbuckern (Amber Spirit of 59) bestückt, was eher untypisch für dieses Modell ist. Die Bezeichnung der Tonabnehmer lässt vermuten, dass es sich hier um Nachbildungen eines PAF-Pickups der Marke Gibson handelt. Meist findet man hier diverse Einspuler (P90, Strat-Pickups) etc. verbaut. Ein Drei-Wege Toggleswitch übernimmt die Auswahl der Pickups und jeweils ein Volume- und ein Tone-Regler gestalten die Lautstärke bzw. die Klangfarbe der Gitarre. Die Klinkenbuchse befindet sich auf dem Schlagbrett und nicht an der Zarge.
Maybach JazPole 63 – Hardware
Auch die Hardware wirkt glaubwürdig gealtert. Hier hat man auch nicht zu viel getan, sondern nur moderat Hand angelegt. Das Bigsby-Vibratosystem wirkt etwas mattiert und die Saitenreiter wurden etwas (mit Säure, Schleifpapier, Stahlwolle etc.) bearbeitet. Auch die Potiknöpfe und die Klinkenbuchse wurden glaubwürdig auf alt getrimmt.
Handling
Das Instrument schmiegt sich sowohl im Sitzen als auch im Stehen gut an den Körper an und verhält sich ausgewogen, also ohne eine feststellbare Tendenz, sich zu einer Seite mehr hingezogen zu fühlen. Der recht fette Hals bietet ein gutes Spielgefühl, scheint jedoch nicht unbedingt für extrem flinke Solos prädestiniert. Die Maybach Jazpole 63 versteht ihre Aufgabe vorwiegend darin, sich klanglich vom Mainstream abzusetzen und klanglich zu inspirieren. Anbei ein Zitat vom Hersteller: Ein Grund für die Popularität der Jazzmaster sind Gitarristen, die sich nicht unbedingt virtuos auf ihrem Instrument ausdrücken wollen, sondern lieber experimentierfreudig an neuen Sounds arbeiten. Das Bigsby-Vibratosystem reagiert gewohnt träge und ermöglicht maximal einen „leichten Twang“ aber keinesfalls größere Beeinflussungen der Tonhöhe, geschweige denn Divebombs.
Maybach JazPole 63 – Sound
Das Instrument resoniert gut und bietet einen ausgeglichenen Ton. Der Korpus aus Pappel erzeugt keinen spürbar anderen Klang als die Klanghölzer Erle oder Esche. Der stabile Hals erzeugt in Verbindung mit dem geschraubten Korpus ein ordentliches Sustain.
Nun klinken wir das Instrument ein und hören zunächst beide Pickups klar:
Der Sound der beiden Humbucker in Parallelschaltung erinnert eher an eine Les Paul, wobei der Ton natürlich nicht ganz so fett ist. Klar wird sofort, dass wir es mit Humbuckern und keinen Singlecoils zu tun haben, da Einspuler naturgemäß mehr Höhen erzeugen.
Hören wir den Stegtonabnehmer clean, dieser erzeugt ordentlich Druck, ohne dabei gewisse Frequenzen übermäßig zu betonen. Der Output ist hierbei wie beim Vorbild kräftig, aber keinesfalls „sehr heiß“ bzw. unnatürlich überzüchtet, das würde der Gitarre auch nicht stehen.
Für bluesige oder jazzige Lines bzw. Akkorde scheint die Maybach Jazzpole 63 in der Halsposition geradezu prädestiniert.
Nun prüfen wir die Jazpole 63 im verzerrten Bereich und aktivieren dazu den zweiten Kanal meines Peavey Classics 20 MH:
Der Sound ist kraftvoll, durchsetzungsfähig und bei Bedarf schön giftig. Die Maybach Jazpole 63 lässt sich also auch in der Rockabteilung sicherlich wunderbar einsetzen.
Nun schalten wir auf den Halstonabnehmer und hören einige angezerrte, bluesige Linien:
Der Klang erinnert etwas an einen Sound, bei dem man ein sogenanntes „cocked Wah“, also ein Wah Wah mit einer bestimmten Pedalstellung im Signalweg hörte, dem ist aber nicht so, sondern der Pickup scheint gewisse Frequenzen leicht aus dem Frequenzspektrum zu reduzieren, was aber nur im verzerrten Betrieb wahrnehmbar ist.
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen:
Maybach JazPole 63 – Peavey Classic 20 MH – MESA/Boogie 1 x 12″ Thiele Box mit Creamback Celestion Lautsprecher – Shure SM57 – Apogee Duett – Mac mit Logic (etwas Delay hinzugefügt).
„(etwas Delay hinzugefügt)“ ist, denke ich, „etwas“ untertrieben…
Jazzmaster-P90?
Ich dachte, eure Autoren wüssten es besser.
Schaut euch mal das wenige Tage alte YT-Video von „Dylan talks Tone“ an, in dem Dylan den riesengroßen Unterschied zwischen P90 und Jazzmaster-Single-Coil erklärt!
Also, so ein klassischer JM-Single-Coil mag zwar von oben wie ein P90 aussehen, er unterscheidet sich vom Aufbau her aber gewaltig! Ein P90 hat ungefähr die doppelte Höhe, in der der Draht gewickelt wird! Ein JM-Single-Coil liefert bei wesentlich mehr Ohm z.B. auch nur die gleiche Lautstärke wie ein Strat-Single-Coil.
Die gesammte Gitarren-Redaktion sollte sich Dylans Video ansehen, dann kommt keiner mehr auf die abwegige Idee, eine klassische Jazzmaster hätte einen P90 verbaut!
Hallo Achim DG,
Danke für den Typ, lehrreiches Video.
Schöne Weihnachten,
Johannes
„Pappel sagt man nach, eine klanglich ebenbürtige Qualität wie Esche oder Erle aufzuweisen.“
Baut man deshalb etwa Billiggitarren so häufig aus Pappel? Ich halte diese Aussage für an den Haaren herbeigezogen.
Eine Tele aus Sumpfeesche ((hellerer Twang, mehr Sustain) klingt deutlich anders als eine mit einem Erlekorpus (mittiger, etwas „topfiger“), Pappel kling für meine Ohren ziemlich stumpf und hat schlechtes Sustain. Ich finde eigentlich nur Linde noch übler.
Das man hier Pappel verbaut hat, dürfte weniger dem Klang geschuldet sein, als der Korpusgröße, mit dichteren Hölzer wäre die Gitarre ganz einfach sehr schwer geworden.
Ich denke auch, hier wurde aus Gewichtsgründen Pappel gewählt. Ich bin allerdings skeptisch, ob man sich nur einbildet, die Hölzer tatsächlich auseinanderhalten zu können. Bei Mahagoni würde ich vermuten, dies im Vergleich zu Erle oder Esche zu hören, aber auch nur mit Vorbehalt.
Dies fand ich diesbezüglich interessant:
https://www.youtube.com/watch?v=Hbyg0d1njk0
Selbst Eddie Van Halen spielte zeitweise Gitarrenkorpusse aus Linde. Das Ergebnis entscheidet letztendlich, nicht das Material.
@Johannes Krayer Hallo, zwischen Pappel und Pappel gibt es riesige Unterschiede. Für unsere JazPole verwenden wir ausschliesslich natürlich gealterte Pappel. Das verwendete Holz ist mindestens 25 Jahre alt. Wir konnten jedoch auch Chargen kaufen, die 50 Jahre auf dem Buckel hatten. Diese alte Pappel hat ganz hervorragende Klangeigenschaften und hat mit der Billigware absolut nichts, aber auch rein gar nichts zu tun. Durch die starken Regenfälle, wurden nahezu die gesamten Bestände an amerikanischer Sumpfesche zerstört, so dass für leichte Swamp Ash mittlerweile teils astronomische Preise aufgerufen werden. Gitarrenhersteller, die noch auf Altbestände zurückgreifen können, gehören mit Sicherheit zu den Glückspilzen.
Hallo, zwischen Pappel und Pappel gibt es riesige Unterschiede. Für unsere JazPole verwenden wir ausschliesslich natürlich gealterte Pappel. Das verwendete Holz ist mindestens 25 Jahre alt. Wir konnten jedoch auch Chargen kaufen, die 50 Jahre auf dem Buckel hatten. Diese alte Pappel hat ganz hervorragende Klangeigenschaften und hat mit der Billigware absolut nichts, aber auch rein gar nichts zu tun. Durch die starken Regenfälle, wurden nahezu die gesamten Bestände an amerikanischer Sumpfesche zerstört, so dass für leichte Swamp Ash mittlerweile teils astronomische Preise aufgerufen werden. Gitarrenhersteller, die noch auf Altbestände zurückgreifen können, gehören mit Sicherheit zu den Glückspilzen.