Mikme pocket - in die Tasche gesteckt
mikme pocket (offizielle Schreibweise) ist ein Bluetooth gesteuerter 24 Bit/96 kHz Audiorecorder und setzt in erster Linie, wie die mikme gold und silver Mikrofon-Recorder, auf eine hohe Integration mit dem Smartphone, kann aber auch eigenständig genutzt werden.
Schon 2019 angekündigt, dauerte es aber noch fast zwei Jahre, bis das mikme pocket für Firmengründer Philipp Sonnleitner, studierter Tontechniker und ehemaliger Marketingmanager bei AKG, schließlich marktreif war.
Was bietet das Mikme Pocket?
In dem kleinen Karton sind das 110 g leichte und 65 x 75 x 20 mm große mikme pocket, ein Lavaliermikrofon mit Mini-XLR-Anschluss und 112 cm Kabellänge, ein USB-Kabel (A-auf-Micro-USB) mit 60 cm Länge und ein Ferritkern. Der fest verbaute 920 mAh LiPo-Akku weist eine Laufzeit von 3 Stunden auf und kann an einem 500 mA USB 2.0-Port (oder neuer) aufgeladen werden. Das mikme pocket ist im Übrigen selbst ein 0 x 1 USB 2.0 Interface.
Die Bedienung am pocket selbst ist recht überschaubar. Ein Taster zum Ein- und Ausschalten, einer für das Bluetooth-Pairing, die USB-Micro-Buchse und eine analoge 3,5 mm (pseudo) Stereoklinkenbuchse, daneben zwei Taster zum Einstellen von Lautstärke und Gain und zuletzt die prominente multifunktionale mikme-Taste oben auf dem pocket Recorder.
Auf der Unterseite befindet sich ein 3/8 Zoll Gewinde für Mikrofonstative mit einem herausnehmbaren 1/4 Zoll Einsatz zur Nutzung von Fotostativen. Ein externes Mikrofon (mono) kann über die Mini-XLR-Buchse angeschlossen werden.
Wird das pocket mit dem mitgelieferten Gürtelclip am Körper befestigt, kann der Recorder für einen höheren Trage- und Bedienkomfort mit dem XLR-Anschluss nach „oben“ oder „unten“ orientiert werden – um ihn nicht ungünstig anbringen zu müssen und evtl. durch Fallschaden das schöne Gehäuse aus gebürstetem, eloxiertem Vollaluminium zu zerkratzen auch wenn der Gürtelclip eine hohe Klammerkraft aufweist. Komfort ist Trumpf.
Beim standardmäßig mitgelieferten Lavalier-Elektret-Mikrofon gehört eine Windschutzkappe mit Ersatz zum Lieferumfang, die man wohl leider sehr schnell aufbrauchen wird. Denn der Windschutz sitzt schon sehr locker und fällt teilweise schon ab, wenn das Lavalier nach unten zeigt. Die Halteklammer an ist jedoch sehr stabil und fest mit dem Lavalier-Mikrofon verbunden.
Der Frequenzgang des mitgelieferten Mikrofons reicht von 70 Hz – 18.000 Hz, bei einem maximalen Schalldruck von 110 dB SPL und einem Rauchabstand von über 58 dB. Die Empfindlichkeit beträgt 8 mV/Pa (@1 kHz), -43 dB ± 3 dBV/Pa.
Optional ist auch das mikme Lavalier Pro erhältlich. Das Kabel ist etwas länger und es wird ein praktisches Sortiment an Halte- und Führungsklammern beigelegt.
Beim Lavalier Pro reicht der Frequenzgang des Mics von 50 Hz – 20.000 Hz bei einem maximalen Schalldruck von 126 dB SPL und einem Rauchabstand von über 70 dB. Die Empfindlichkeit beträgt auch hier 8 mV/Pa (@1 kHz), -43 dB ±3 dBV/Pa. Beide Mikrofone haben eine Kugelcharakteristik.
Anstatt des Lavaliers kann auch jedes andere passenden Mikrofon am Mini-XLR-Anschluss betreiben werde, wie z. B. ein RØDE Reporter Mikrofon. Laut mikme lassen sich auch Line-Level-Signale problemlos direkt abgreifen. Leider hatte ich keinen passenden Mini-XLR-Adapter, um das zu testen.
mikme App
Dreh- und Angelpunkt des Konzepts ist die mikme-App, die es für iOS 12 und neuer gibt und die für Android in der Entwicklung ist. Mit der App wird das mikme pocket ab Bluetooth 2.1 nicht nur ferngesteuert, sondern die mikme pockets dienen dabei auch als Quelle für den Ton bei Audio- und Videoaufnahmen mit der App. Bis zu drei mikmes können in der App gleichzeitig aktiv benutzt werden.
Dabei ist die Audio/Videoaufnahme mit dem pocket völlig unterbrechungsfrei, denn die Audiodaten werden nicht nur mit 96 kpbs CBR im M4A-Format direkt an das Smartphone gestreamt, sondern die Audiodaten werden im pocket selbst automatisch gespeichert. Dabei ist das pocket wie sein Kollege mikme gold mit 16 GB internem Speicher bestückt. So können intern Stunden an Audiodaten in 24 Bit bei 44, 48 und 96 kHz in Mono aufgezeichnet werden. Später werden eventuell fehlende Audiodaten dann über das patentierte „mikme bluetooth link“ in der App nachsynchronisiert. Etwaige Unterbrechungen der Bluetooth-Verbindung sind damit kein Problem und kamen im Praxistest auch nicht vor.
Die Entwicklung der Android App hat derzeit die Top-Priorität und ist in der Beta-Phase angekommen. Interessenten, die beim Beta-Test mithelfen wollen, erhalten über die mikme-Homepage einen Beta-Zugang zur App. Die Android-App soll im Sommer 2021 fertig sein.
Mit einem freien Software Update kann dann über das Bluetooth-HandsFree-Profil (HFP) das Mikme Pocket auch mit jedem anderen Bluetooth Gerät betrieben werden.
In der iOS-App haben mikme inzwischen auch alle Subscription-Paywalls aus der App entfernt. Somit stehen alle Funktionen und Einstelloptionen nun kostenlos und uneingeschränkt zur Verfügung. Das ist eine Entwicklung ist, die gar nicht hoch genug gelobt werden kann.
mikme pocket verbindet
Um ein Mikme pockets mit dem Smartphone zu benutzen muss es natürlich erstmal in den Systemeinstellungen des Smartphones autorisiert werden (BT-pairing). Das muss in der Regel nur einmal geschehen. Erst danach erkennt auch die App die Mikmes. Beim erneuten Einschalten der pockets verbinden sich diese nach einigen Sekunden des Handshakings dann automatisch. Also bitte etwas Geduld, dann funktioniert es reibungslos.
Mit der Mikme-App lassen sich bis zu drei Mikmes (pocket, gold, silver) gleichzeitig verbinden und verwalten. Es können reine Mehrspuraudio- oder Videoaufnahmen mit dem Ton aus den angemeldeten Mikmes erstellt oder die Mikmes einfach nur ferngesteuert werden.
Es ist aber anzumerken, dass die Audioeinstellungen für die Mikmes nur für die Remote-Aufnahmen mit den Mikmes gelten.
Bei gestreamten Aufzeichnungen ist für Video die Qualität fix bei 44 kHz/24 Bit, 96 kbps M4A (MP4) und wird auch so im pocket gespeichert. Sollen also Videoaufnahmen mit hoher unkomprimierter Audioqualität erstellt werden, kommt man nicht darum herum, die Spuren im Nachhinein in einem Videoeditor per Hand zusammenzufügen. Hier wäre ein Time-Code von großer Hilfe. Das ist aber auch das einzig wirkliche Manko des Mikme pocket.
Videos können direkt in der App am Anfang und am Ende mit eigenen Vor- und Abspannvideos versehen werden. Zusätzlich kann das Video auch mit einer permanent eingeblendeten Grafik gebrandet werden, wobei auch der Alphakanal, also „durchsichtige“ Stellen, unterstützt wird.
Da die App nicht erahnen kann, wo sich die bis zu drei Mikmes im Raum befinden, können den Monoaudiospuren im Mix-Fenster noch eine eigene Panoramaposition und Lautstärke zugewiesen werden.
Mit der TRIM-Funktion lassen sich beliebige Bereiche in einer Audiospur stummschalten, was sehr nützlich sein kann, um z. B. zu großen Übersprechen zwischen zwei abwechselnden Sprachaufnahmen zu reduzieren oder Hintergrundgeräusche zwischen den Sprechphasen zu eliminieren.
Allerdings ist die Auswahl dieser Trim-Bereiche bei Aufnahmen, die länger als 1 oder 2 Minuten sind, sehr unzulänglich, weil das Trimmen nur in Portraitstellung des Smartphones funktioniert. Eine Zoom-Funktion wird hier sehr vermisst (wird aber wahrscheinlich noch nachgereicht), insbesondere, da die ursprüngliche Limitierung von 20 Minuten Videolänge nun weggefallen ist und nur noch vom Speicher von iPhones und Mikme begrenzt wird.
Es ist aber auch anzumerken, dass die mikme-App kein voller Videoeditor sein will. Für weitere Bearbeitungen sollte prinzipiell auf eine App wie Luma Fusion zurückgegriffen werden. Aber die Funktionen, die da sind, erlauben eine schnelle, praxisgerechte Fertigstellung eines Videos.
Auch eine Funktion, die im Test-Setup sehr vermisst wurde und auch von anderer Seite schon öfter an Mikme herangetragen wurde, ist die Möglichkeit, Aufnahmestart und -ende vom einem Mikme aus fernzusteuern.
Gerade wenn niemand anderes da ist, um die Kamera zu bedienen, ist z. B. am Videoanfang und -ende immer zwangsläufig das Bediengefummel am iPhone mit drauf, was einfach uncool aussieht und man später extra in einem Videoeditor wegschneiden muss. Mit einer Fernsteuerung, z. B. synchron mit dem Aufnahmetaster am pocket, wäre das eine überaus elegante Lösung des Problems. Der Hersteller meint dazu, dass es technisch möglich wäre und man der Idee gegenüber nicht abgeneigt ist.
Mikme pocket Standalone
Das pocket kann auch ohne Smartphone als klassenkompatibles 0x1 USB-Interface, über OTG- oder Lightning-Adapter etc. mit nahezu jedem Smartphone, Tablet oder Rechner und jeder Video-/Aufnahme-App, die externe Mikros unterstützt, benutzt werden.
Was allerdings etwas kryptisch ist, denn der große Mikme-Taster zeigt seinen Status nur, aber immerhin, mit diversen Farben an:
- Standby – weiß
- Bluetooth – blau
- USB-Audio-Modus – türkis (Einschalten, dann mit USB verbinden)
- Aufnahme – rot
- USB-Massenspeichermodus – orange (Mit USB verbinden, dann Einschalten)
- Playback – grün
- AutoGain – pink
- Normal Gain – gelb
Es lassen sich zumindest die Basics wie manueller Gain- und Auto-Gain oder Monitorlautstärke für den Kopfhörer am Gerät einstellen. Das Signal für den Kopfhörer wird im Übrigen am Mikrofoneingang abgegriffen, durchläuft also keinen AD/DA-Wandlungsprozess und hat damit auch keine Latenz.
Die „tiefere“ Konfiguration, wie Sample-Rate und Dateiformat (M4A und WAV), Stromsparmodus etc. ist etwas komplizierter und geschieht über eine JSON-Datei, die im USB-Massenspeicher Modus in das pocket transferiert wird. Die Anleitung zur JSON-Konfiguration gibt es auf der Mikme-Homepage, auf der es im Übrigen auch einen komfortablen Online-Konfigurator gibt, der eine JSON-Konfigurationsdatei zum Herunterladen erzeugt.
Sicher, wenn man komplett rechnerfrei arbeiten will gibt es wohl bessere Lösungen, wie z. B. von Zoom, aber wenn schon ein Smartphone vorhanden ist, ist diese Kombo kaum schlagbar.
Was akustische Bedien- und Griffgeräusche während einer Aufnahme angeht, so ist dieses Problem beim Mikme pocket naheliegernderweise nicht existent bzw. nicht bedeutender als bei anderen Produkten dieser Kategorie auch.
Nachdem die Video/Audioaufnahme fertiggestellt ist, kann sie exportiert werden. Das Rendern findet auf dem iPhone 12 mini bei einem 1080p @60 fps Video mit ca. 3-facher Echtzeitgeschwindigkeit statt. Ein 12 min Video mit zwei Monospuren ist in ca. 4 Minuten exportfertig. Auf dem iPhone steht neben dem iTunes Filesharing Dateisystem, der iCloud und Airdrop auch Dropbox zur Verfügung.
Mikme pocket im Einsatz
Zur Demonstration des Mikme pockets konnte ich den Mannheimer Künstler Volker Hartman-Langenfelder für ein kleines Interview gewinnen. Das fand ich interessanter als irgendwelche Testvideos, auch wenn Live-Interviews nicht mein Metier sind. Dafür hat uns Mikme extra zwei pockets zur Verfügung gestellt.
Zum gleichzeitigen Einsatz kamen die zwei Mikme pockets dann auch, wobei Volker in das Lavalier Pro spricht und meine Wenigkeit in das beim pocket mitgelieferte Lavalier.
Zum Test habe ich zwei Szenarien gewählt. Einmal Außenaufnahmen mit deutlichen Hintergrundgeräuschen und einmal Innenaufnahmen in einem ruhigen Raum. Die Videoaufnahme erfolgte mit der Mikme-App über die Front/Facetime-Kamera meines iPhone 12 mini (iOS 14.51) bei 1080p @ 60 fps. Die Audioeinstellungen sind bei Videoaufnahmen immer 96 kpbs CBR MP4 mit 44,1 kHz bei 24 Bit.
Das Setup war schnell erledigt. Innerhalb von einer halben Minute konnten die Aufnahmen beginnen. Der Soundcheck bzw. die Gain-Anpassung sollte aber dennoch gewissenhaft durchgeführt werden. Dann Aufnahmetaster am iPhone drücken und los geht’s.
Da uns eigentlich noch jemand gefehlt hat, der die Kamera bedient, habe ich sehr eine Möglichkeit vermisst, die Videoaufnahme vom pocket aus zu starten und zu beenden (wie oben beschrieben). So musste ich noch das Aktivieren und Beenden der Aufnahme aus dem Video nativ (verlustfrei) rausschneiden.
Das Intro- und Outro-Video sowie das Branding-Logo wurden von der App automatisch eingefügt. Die Videos sind, bis auf diese nativen Schnitte am Anfang und Ende, unbearbeitet.
Die Aufzeichnung fand unter Corona konformen Auflagen (Impfung/Tests/Quarantäne) statt, so dass wir auf Masken verzichten konnten. Und in einem Video sage ich „Mikmi“ statt korrekt „Maikmi“ nach all den Jahren – ein „Sorry“ an Philipp dafür.
Mikme pocket Live-Test mit Volker (L) und Markus (R) im Interview im Außenbereich
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mikme pocket Live-Test mit Volker (L) und Markus (R) im Interview im Innenbereich
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Hallo und Danke für diesen Artikel!
Nachdem Mikme ja leider das wirtschaftliche Ende gefunden zu haben scheint (https://www.trendingtopics.eu/mikme-pleite-fur-das-wiener-mikrofon-startup/) war diese Seite ein Lebensretter, da ich natürlich kein digitales Handbuch mehr habe,
Eine Frage hätte ich, hat zufällig noch jemand eine Kopie der Anleitung für die JSON Konfiguration für das Pocket? Das wäre noch das I-Tüpfelchen!
Danke!
@MarkusHoHo Hallo MarkusHoHo,
ja sehr bedauerlich! im Netz hab ich jetzt nur die Archive der Waybackmachine gefunden und da läuft der Web-Konfigurator halt nicht.
Mikme Support & Manuals:
https://web.archive.org/web/20210927043047/https://support.mikme.com/en/
Die ganze Homepage:
https://web.archive.org/web/20230224034125/https://www.mikme.com/
Aber es gibt einen Workaround für die INI/ JSON Parameter, der aber etwas mühseliger ist:
Per App die Einstellungen machen und dann die jeweils erzeugte INI / JSON-Datei aus dem Speicher des mikme ziehen (Massenspeichermodus).
Ich kann jetzt gerade nicht genauer helfen, weil meine mikmes gerade am laden sind und das dauert. Ich schau mal ob ich noch besser Infos bereitstellen kann.
grüße,
Markus
@Markus Schroeder Danke schonmal für die Links! Die Waybackmachine kannte ich tatsächlich noch gar nicht.
Und das mit der App ist auch eine prima Idee. Besser schnell mal machen, bevor sie sich irgendwann nicht mehr starten lässt :-)
Irgendwie habe ich echt Pech mit diesen Kickstarter Projekten. Bragi damals war das Erste, dass den Bach runter ging, dann Nuviz, ein HUD für Motorradhelme, jetzt Mikme…
Grüße!