Analog und digital rocken
Die Mooer GTRS Guitar Modern 810 PB ist das Flaggschiffmodell der intelligenten Gitarren. Fans der härteren Gangart kommen hier voll auf ihre Kosten.
Inhaltsverzeichnis
Kurz & knapp
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- Analoger Klang: Solide Humbucker liefern druckvollen Sound, aber Regler sind schwergängig.
- Digitaler Modus: Eingeschränkte Presets, klanglich nur bedingt überzeugend, mit viel Potenzial nach oben.
- Verarbeitung: Hochwertige Lackierung und saubere Details, ergonomisches Design für Metal-Player.
- Bedienung: App-gesteuerte Klangzentrale, Registrierung notwendig für vollen Funktionsumfang.
- Fazit: Mehr Idee als überzeugende Umsetzung, geeignet für Digital- und Analog-Spieler mit Geduld.


Mooer Audio wurde 2010 in China gegründet und machte sich innerhalb kurzer Zeit einen Namen mit erschwinglichen, aber erstaunlich leistungsfähigen Mini-Effekten. Die Strategie: Große Klangqualität auf kleinstem Raum – mit cleverem Design und konkurrenzfähigen Preisen. Mooer war einer der ersten Hersteller, der digitale Amp- und Effektmodelle in extrem kompaktes Format presste, etwa beim beliebten „GE200“ Multieffekt oder den allseits bekannten Micro-Pedalen. Auch Gitarristen mit kleinem Budget oder wenig Platz fanden hier oft das, was große Marken für deutlich mehr Geld anboten.
Mit den Mooer GTRS Guitars betrat der Hersteller jedoch Neuland: Statt nur Effekte zu bauen, vereint das Unternehmen seit geraumer Zeit sein DSP-Know-how mit der Herstellung elektrischer Gitarren. Die GTRS-Gitarren sind Smart-Instrumente, die klassische Elektrogitarren mit integriertem Modeling-System kombinieren. Gesteuert per App, mit Bluetooth, Effekten und USB-C-Anschluss ausgestattet, bilden sie sozusagen eine All-in-one-Lösung für moderne Gitarristen. Die Mooer GTRS Guitars Modern 810 PB ist dabei das Flaggschiffmodell für den härteren Gang – visuell wie klanglich. Was sie kann und was nicht, werden wir im folgenden Review versuchen zu klären.
Made for Metal
Die Mooer GTRS Guitar Modern 810 PB wirkt schon beim ersten Anblick wie eine Waffe für moderne Genres: Ein ergonomisch geformter Korpus mit tief ausgeschnittenen Cutaways und edler Poplar Burl-Decke im Purple Burst-Finish trifft auf eine geschraubte Halskonstruktion mit geschraubtem Roasted Maple Neck. Das Griffbrett aus Ebenholz wirkt nicht nur edel, sondern fühlt sich auch hochwertig an. 24 sauber eingesetzte Bünde, eine moderner 12″ Griffbrettradius sowie ein Reversed Headstock unterstreichen das Shredder-Image der Gitarre – ganz klar ein Instrument, das sich an Metalplayer richtet.
Die Werkseinstellung ist allerdings verbesserungswürdig und dürfte manchem Shredder so vermutlich gar nicht gefallen. Die Saitenlage unseres Testinstruments war deutlich zu hoch eingestellt, was ein flüssiges Spielgefühl bremste. Mit ein paar Handgriffen (Halsspannstab nachjustieren, Steghöhe optimieren) sollte dieses Problem aber schnell aus der Welt zu schaffen sein. Die Hardware wirkt grundsolide, das Vibrato allerdings ist in Sachen Stimmstabilität nicht über jeden Zweifel erhaben. Wer viel und aggressiv mit dem Hebel umgeht, der wird vermutlich öfter zur Stimmhilfe greifen. Da helfen auch die Klemmmechaniken an der Kopfplatte nur wenig.
Ergonomische Gitarre für den ambitionierten Metaller
Der Lack ist sauber aufgetragen, selbst an kritischen Übergängen wie Halsfuß und Korpusinnenseiten überzeugt die Verarbeitung. Die Mooer GTRS Modern 810 PB ist dabei nicht nur in Purple Burst erhältlich, sondern auch in drei weiteren attraktiven Finishes: Natural, Green Burst und Blue Burst stehen zur Auswahl. So bietet Mooer – vom auffälligen Bühnenlook bis hin zur eher eleganten Zurückhaltung für unterschiedliche Geschmäcker – die passende Optik. Die Lackierung wurde durchweg gleichmäßig und makellos ausgeführt, weder Läufer noch Nasen stören das Bild. Auch die Übergänge zur Halsverschraubung und die Fräsungen im Korpus zeigen eine erfreulich saubere Detailarbeit und bieten daher keinen Anlass zur Kritik.
Das rückseitige Shaping, gerne als „Bierbauchfräsung“ bezeichnet – sorgt dafür, dass sich die Gitarre angenehm an den Körper des Spielers anschmiegt. Auch den Hals-Korpus-Übergang kann man kaum als einen solchen bezeichnen, derart unauffällig verläuft diese Stelle. Im Sitzen ruht die Mooer GTRS Guitar dank ihrer ergonomischen Form stabil auf dem Oberschenkel und auch am Gurt zeigt sich ein ausgewogenes Balanceverhalten. Der Hals liegt angenehm in der Hand und bietet mit seiner glatten Oberfläche ein flüssiges Spielgefühl ohne Bremswirkung für die Greifhand. Sämtliche Lagen sind gut erreichbar, dank der großzügigen Cutaways hat man auch bei den höchsten Bünden jederzeit freie Bahn.
Das Herzstück – GTRS Intelligent Process System
Herzstück der Mooer GTRS Modern 810 PB ist das integrierte „GTRS Intelligent Process System“ – eine vollwertige digitale Klangzentrale, die über die kostenlose GTRS App (iOS/Android) via Bluetooth gesteuert wird. Damit verwandelt sich die Gitarre in ein eigenständiges Multi-FX-System samt Amp-Modeling, Effekten, Looper und sogar Drum-Patterns zum Jammen. Die Bedienung erfolgt wahlweise über die App oder direkt an der Gitarre über den zentralen „Super Knob“, der per Push-Funktion zwischen vier der wichtigsten Presets umschaltet.
Allerdings: Ohne eine Registrierung beim Hersteller sind lediglich vier feste Presets freigeschaltet. Wer vollen Zugriff auf alle Funktionen und Features haben möchte, muss sich zunächst registrieren und das GTRS-System aktivieren. Für dieses Review standen also nur die vier Basis-Klänge zur Verfügung, was die Auswahl der Klangbeispiele merklich eingeschränkt hat. Jedoch hätte eine Registrierung zur Folge gehabt, dass uns das Instrument vom Hersteller in Rechnung gestellt worden wäre.
[Anmerkung durch die Redaktion, Info vom Vertrieb: „Solange der Gebrauchtnutzer die GTRS APP und ein eigenes Konto hat, kann er die Gitarre ohne Probleme nutzen. Die Registrierung und Aktivierung ist nur für den ersten Besitzer, nach der Aktivierung der Gitarre durch Scannen des Codes kann sie von jedem, der die APP hat, normal genutzt werden. Auch wenn man z. B. ein anderes Handy verwendet, kann man die Gitarre mit der App nutzen.“]
Die GTRS App bietet Zugriff auf zahlreiche Amp-Modelle, darunter klassische Clean-, Crunch- und High-Gain-Sounds, aber auch Boutique-Voicings. Dazu kommen Effekte wie Delay, Reverb, Chorus, Phaser, Compressor und EQ – insgesamt über 100 Klangbausteine, die kaum etwas vermissen lassen. Ein integrierter Looper erlaubt Aufnahmen direkt über die Gitarre, was gerade für Übungszwecke oder das Festhalten spontaner Ideen ganz praktisch ist.
Auch ein rudimentäres Drum-Modul befindet sich an Bord, das als Backing beim Jammen dient. Der 6,3 mm Klinkenausgang der Gitarre dient dabei gleichzeitig als regulärer Output und als Anschluss für Kopfhörer mit entsprechendem Adapter, gut geeignet für lautloses Üben oder direkte Aufnahmen ins Recording-Interface. Eine clevere All-in-one-Lösung also – sofern man mit der Registrierung kein Problem hat. Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch hängen.
Die Mooer GTRS Guitar in der Praxis
Analoger Modus
Schon im analogen Modus zeigt die Mooer GTRS Modern 810 PB, dass sie mehr ist als nur ein digitales Gimmick. Die beiden verbauten Alnico-Humbucker liefern einen durchsetzungsstarken, mittig fokussierten Sound, der sich besonders in Rock und Metal behauptet. Der Steg-Humbucker kommt mit ordentlich Biss und Attack, während die Halsposition für wärmere, runde Klangfarben sorgt – ideal für singende Leads oder weiche Cleansounds. Zwar fehlt eine Coil-Split-Funktion, was die klangliche Bandbreite etwas einschränkt, doch was die Pickups liefern, ist insgesamt solide und durchaus bühnentauglich.
Auffällig ist die Schwergängigkeit der Regler – sowohl Volume als auch Tone lassen sich nur mit spürbarem Widerstand bewegen. Das verhindert versehentliches Verstellen beim Spielen, erschwert aber schnelles Nachregeln im Eifer des Gefechts. Auch der „Super-Knob“, mit dem die digitalen Presets durchgeschaltet werden, läuft schwergängig und wirkt haptisch nicht sonderlich vertrauenserweckend. Zu viel Kraft sollte man hier lieber nicht aufwenden.
Digitaler Modus
Der digitale Modus, der sich über den Super-Knob aktivieren lässt, zeigt leider nicht das volle Potenzial, das man von einer modernen Smart-Gitarre erwarten würde. Die vier Werks-Presets decken zwar unterschiedliche Stilrichtungen von Clean bis High-Gain ab, doch klanglich überzeugen sie nur bedingt. Besonders die verzerrten Sounds wirken verwaschen, arm an Dynamik und kratzig im Höhenbereich. Statt Spielfreude entsteht hier schnell der Eindruck von digitaler Begrenzung – die Sounds klingen flach und reagieren nur träge auf Anschlagsdynamik oder beispielsweise Hammer-on/Pull-offs. Vor allem über Kopfhörer wird die bescheidene Qualität der werkseitigen Speaker-Simulation deutlich: Da fehlt es deutlich an Tiefe, Definition und Transparenz.
Erfreulicherweise lassen sich über die GTRS-App viele Parameter feinjustieren, darunter Amp-Modelle, Boxensimulationen und Effekt-Routing. Doch gerade Einsteiger oder Spieler, die „out of the box“ loslegen wollen, werden durch die unausgewogenen Presets eher enttäuscht. Ohne Registrierung bleibt man zudem auf die vier Werks-Presets beschränkt – eigene Sounds können nicht abgespeichert werden, alternative Amps oder der Looper sind nicht zugänglich. Wer also mehr als nur einen groben Ersteindruck möchte, muss sich zwangsläufig registrieren und mit der App auseinandersetzen.
Unterm Strich wirkt der digitale Modus wie eine nette Zugabe, die jedoch in der Praxis noch nicht auf Augenhöhe mit ausgewachsenen Multieffekten spielt – zumindest nicht in der Standardkonfiguration. Da schlummert zwar viel Potenzial, das jedoch aktuell noch weit unter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.
Klangbeispiele
Die digitalen Klangbeispiele wurden direkt aus dem USB-C-Port der Modern 810 PB in mein MacBook Pro aufgezeichnet. Für die analogen Sounds wurde die Gitarre zusammen mit einem Mesa/Boogie Studio 22 Combo verwendet. Vor dem Amp wurde ein AKG C3000 Mikrofon in Position gebracht.
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