Electro-Futter
Sampling-Librarys unter dem Mutekki-Banner erfreuen sich in der Electronica-Szene einer besonderen Aufmerksamkeit. Schließlich liefern die Bibliotheken der Düsseldorfer Firma immer wieder hochwertiges, clubtaugliches Soundmaterial, das weitgehend frei von stereotypem Mainstream-Dosenfraß ist und daher auch bei solchen Verfechtern des kreativen elektronischen Undergrounds zum Einsatz kommt, die auf Silberling gepresstes Convenience-Food sonst eher kritisch beäugeln.
Die hier gestestete DVD stammt von Oliver Schmitt. Oliver ist Sounddesigner und hat in seinem „Sounds Of Revolution“-Studio im fränkischen Untermerzbach keineswegs seine erste Library zusammengetüftelt. Mit „Electro House“ schickt der Unterfranke das nunmehr vierte Pferdchen unter dem SOR-Label ins Rennen und gibt mit dem Subtitel „Revolution Vol. 1“ gleich zwei Versprechen ab. Erstens: Das Soundmaterial ist revolutionär. Und zweitens: Dies ist erst der Anfang.
Während wir das zweite Versprechen einfach mal so hinnehmen müssen, bietet sich nun immerhin die Gelegenheit, das erste mithilfe einer hier im Rechner steckenden Promo-CD auf seinen Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Fangen wir einfach an:
Kategorien
Ein Klick auf den Arbeitsplatz und DVD-Laufwerk offenbart zunächst einmal mehrere Ordner, benannt nach den verschiedenen Soundkategorien „Bass“, „Bassloop“, „Chord“, „Cymbal“, „Drum Loop“, Electro Stuff“, „Kick“, „Percussion“, „Proc Live Rec“, „Scratch“, „SFX“, „Shaker“, „Snare“, „Synth“, „Synthloop“, „Tom“ und „Vocals“.
Die meisten dieser Bezeichnungen dürften sich von selbst erklären, vielleicht abgesehen von „Proc Live Rec“. Für diesen Ordner hat Oliver Schmitt selbst Sounds produziert und mit viel Liebe nachbearbeitet. Darüber hinaus befindet sich im Vocal-Ordner neben den üblichen und ebenso überflüssigen „Yeah“-, „Funky“- und „Put Your Hands Up“-Samples ein zweiter Unterordner, in dem Olivers Sohnemann sein Debüt als Sample-Lieferant gibt. Die meisten Laute, die der heute zweijährige Knirps beigetragen hat, lösen unbearbeitet sofort die Assoziation von hellblauen und rosa Watte-Wölkchen aus. Mit ein bisschen Hall und Delay kann die Babystimme allerdings auch richtig unheimlich klingen – und dann wird das Ganze nochmals interessanter.
Auch der Ordner „Electro Stuff“ lässt Interpretations-Spielraum. Während der Rest der DVD für diverse House- und Technostile geeignetes Material liefert, befinden sich hier sozusagen jene Sounds, die das Wort „Electro“ im DVD-Titel legitimieren. Hier wird man auf der Suche nach elektroidem Gezirpe, Gefiepe, Geblibbe und Gecrushe fündig – die „Synthetic Drums“-Library von Battery könnte als Inspirationsquelle hergehalten haben – diese Sounds aber klingen definitiv sauberer als der LoFi-Alarm von Native Instruments.
Formate
Alle rund 2000 Sounds und Loops liegen zunächst einmal im PCM-WAV-Format mit 44,1 kHz und 24 Bit vor. Außerdem hat sich Oliver die Mühe gemacht, ergänzend zum WAV-Content sowohl EXS- als auch Kontakt-Instrumente zu basteln, womit die beiden gängigsten Software-Samplerformate berücksichtigt wären. Darüber hinaus liegen alle Loops noch mal in den Formaten „Rex“ (Recycle) und „Apple Loops“ (Logic Studio) vor. Zieht man solche vorgeschnittenen Dateien in einen Sequencer, der das jeweilige Slice-Format unterstützt, passen sich diese speziellen Audiofiles automatisch an das Songtempo an – sehr praktisch.
Bewertung
„Klasse statt Masse“ hat sich Oliver Schmitt auf die Fahnen geschrieben – ein wahrhaftig guter Vorsatz. Schließlich steigt die Anzahl guter Sounds für gewöhnlich mit zunehmender Größe der Library keineswegs proportional an – im Gegenteil – sie steigt oft gar nicht an, weil die riesigen Pools in der Regel einfach gestreckt werden. Ziehen wir hier einmal das nicht ganz unwichtige Kapitel „Kicks“ für eine Beurteilung heran. Rund 300 Stück befinden auf „Electro House“, aufgeteilt in die drei Subkategorien „Deep“, „Hard“ und „Soft“.
Natürlich gibt es auch hier die eine oder andere pappige, bassverseuchte Rauschekick. Drei Viertel der Bassdrums sind jedoch durchaus brauchbar und ein paar Dutzend sogar echte Burner – keine schlechte Quote. Ebenfalls in positivem Sinne auffällig ist die Tightness der Drum- und Percussion-Sounds. Viele grooven von selbst sehr gut und bedürfen keinerlei Bearbeitung mehr durch Kompressoren oder Enveloper. Vor allem die Snares sind der Hammer. Für jene, die seit Jahren auf der Suche nach der perfekten kleinen, feinen und tighten Snare sind, hat die Reise hier vielleicht ein Ende. Was bei einigen Percussion-Sounds stört, ist ein recht großer Hallanteil. Da sind zwar zum Teil durchaus sehr feine Räume mit im Spiel – aber eine (eventuell zusätzliche?) trockene Version der Samples ist doch immer besser.
Vor allem Leute, die bei der Programmierung groovender Beats Probleme haben (wer hat die eigentlich nicht…?), werden sich über die Construction-Loops freuen. Schmitt baut komplexe Beats in mehreren Schritten ohne Kick auf. Die finale, dichteste Version enthält schließlich auch die Kick und drückt meistens sehr ordentlich. Schade ist hier nur, dass es die einzelnen Grooves nur gelayert und – außer beim ersten Schritt – nicht als aufgedröselte Single-Versionen gibt. Interessant wäre hier auch gewesen, welche Kick in der jeweils finalen Version benutzt wurde. Oder gar ein passendes MIDI-File? Als Trost gibt es noch einen zweiten Ordner mit zusätzlichen Single-Loops, von denen einige ebenfalls richtig grooven und sich darüber hinaus prima in Arrangements integrieren lassen.