Sampling
Reaktor gestattet es, im Unterschied zu analogen Modulsystemen und einem Nord Modular, Samples einzubinden. Es können One-Shot-Samples verarbeitet aber auch Multi-Samples angelegt werden. Die Sampleverwaltung geschieht über das Properties-Fenster.
Als einfacher Sample Player steht das Modul „Sampler Loop“ zur Verfügung. Allein dieses Modul bietet interessante Modulationsmöglichkeiten: man kann sowohl den Sample-Start- als auch den Loop-Start-Punkt oder die Looplänge modulieren. Spielereien, die Hardware-Gegenstücke nur selten beherrschen. Sehr gelungen finde ich das Modul „Sample Pitchformer“. Seine Besonderheit ist es, Formanten eines Samples im Spektrum zu verschieben, ohne dabei die Grundfrequenz des Samples zu verändern. Als Klangbeispiel habe ich das Preset-Ensemble „Dikatpho n“ gewählt.
Das Wort Transformer wird durch Formantformung generiert (Audio-Beispiel 1).
Im zweiten Klangbeispiel werden die Formanten über die Hüllkurve und einen LFO moduliert.
Solche Möglichkeiten gehen weit über die Möglichkeiten eines Vocoders hinaus und lassen der Fantasie großen Spielraum. Ein wirklich außergewöhnliches Modul ist „Sample Resynth“. Dass dieses Modul ein Sample resynthetisiert sagt schon der Name. Dazu wird das Sample in kleine Partikel unterteilt. Es liegt auf der Hand, dass so die wildesten Verformungen eines Samples möglich sind. Nebenbei erleichtert dies das sinnvolle Loopen selbst sehr kurzer Phrasen. Im ersten Klangbeispiel habe ich ein Sample der Drumulator Cowbell eingeladen, den Loop sehr groß und die Übergänge von Loopbeginn zu Loopende sehr rau gehalten.
Leider erzeugt Reaktor gerne Artefakte wie im Klangbeispiel: das Sample wird einfach erstmal abgespielt (Audiobeispiel 3). Deswegen sollte man das eingelesene und damit resynthetisierte Sample zunächst abspeichern. Dann greift Reaktor nur noch auf die resynthetisierte Fassung zurück. Für das zweite Klangbeispiel zur Resynthese habe ich den Loop stark verkürzt und die Übergänge sehr weich eingestellt.
Es zeigt sich, dass man sogar aus einer Kuhglocke ganz leicht einen überzeugenden Drone-Sound machen kann. (Audiobeispiel 4)
Der Vorgängertest hatte sich ja bereits mit dem Stereo-Multisample-Granular-Synthesizer auseinandergesetzt, weshalb hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Zuletzt ist das „Beat Loop“-Modul zu erwähnen, das ein Sample zu einer Clock synchronisieren kann.
Ein weiteres interessantes Feature sind die Tables. Die gibt es als Audio- oder als Event-Tables. Diese Module sind quasi Zwitter und nicht notwendigerweise im Samplekontext zu nennen. Da sich mir aber der Zugang zu diesen Modulen so am leichtesten erschließt, will ich sie hier vorstellen. Tables können mit Texten, anderen Dateien oder auch Samples bestückt werden. Man kann im Audio-Table auch Wellenformen frei malen. Der Clou dieses Moduls besteht darin, dass der Ausleseprozess mehrdimensional ist. Ich habe dazu ein eigenes kleines Modul gebastelt und mit einem Sample gefüttert.
Ein normaler Sampler spielt das Sample von vorne nach hinten oder auch rückwärts ab. In meinem Beispiel, dem Intro von Grover Washingtons Winelight (Audiobeispiel 5), steuert ein LFO die Sampleauslese.
Allerdings benutzte ich nur eine Auslesedimension. Mit zwei Dimensionen wird das Ganze dann erst richtig komplex. Das Preset-Ensemble Virtualizer kombiniert einen Wavetableoszillator und eine Audiotable. Während bei der Wavetable eine komplexe Welle durchfahren wird, kann man bei der Audiotable bestimmen, wie groß der Ausschnitt der Welle ist und welche Welle genutzt wird.
Die verschiedenen, selbst gemalten Wellen lassen sich wiederum sofort abspeichern. Man kann sich also vorstellen, dass sich hier die Ebenen Zeit und Amplitude und daraus gespeicherte Kombinationen frei modulieren lassen. (Audiobeispiel 6)
Somit stellen die Tables extrem komplexe und modulierbare Auslesevorgänge dar, die für Samples ebenso genutzt werden können wie auch zur Erzeugung von Sequenzern. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Audio Funktion
Reaktor lässt sich prinzipiell auch als Dynamikprozessor (z.B. für Compressoren und Gates) oder Effektgerät (wie Echo oder Reverb) nutzten. Ich habe unendlich oft versucht, im Cubase Masterbereich einen Reaktor Compressor in den Insert zu laden. Leider verstummte das gesamte Summensignal sofort, als ich den Effekt anschaltete. Selbst wenn ich nur versuchte ein Signal aus Cubase ohne Umwege durch Reaktor zu schleifen, war nichts zu hören. Allerdings zeigt der Audio Level Meter von Reaktor, dass ein Signal wahrgenommen wird. Aber der Audio Out von Reaktor bleibt tot. Selbst der freundliche Reaktor Support konnte mir dafür keine Lösung anbieten. Der Mac-Fachmann des Supports hat sich bis heute nicht dazu bei mir gemeldet. Ähnlich verhält es sich, will man ein Delay über einen Cubase Aux-Weg ansprechen. Das Originalsignal scheint sich nicht mit dem Effektsignal zu vertragen – entweder das eine oder das andere. Interessanterweise muss der Aux-Weg nicht immer aktiv sein, um sein Signal abzugeben. Daneben scheint es, dass das Effektsignal nicht auf den Masterfader geroutet wird, sondern auf den Channel 1/2. Per Zufall kann nach wildem Hin- und Herschalten im Routing sogar Original- und Effektsignal gemeinsam ertönen. An dieser Stelle ist Reaktor vielleicht noch nicht optimal an die Macintosh Rechner angepasst.
Fazit
Reaktor ist das vielfältigste Programm zur Audiobearbeitung, das ich kenne. Seine Möglichkeiten sind unglaublich groß, entsprechend hohe Ansprüche stellt das Programm an den Soundtüftler. Wer sich der Komposition von Klängen verschrieben hat, liegt mit diesem Tool richtig. Nach Aussage von Native Instruments nutzten allerdings nicht einmal 10% der Reaktoruser die Möglichkeit, eigene Sounds zu erstellen. Mein Respekt an dieser Stelle gilt den Programmierern der User Library: es gehört unendlich viel Abstraktionsvermögen dazu, solche, erklärtermaßen sinnlose Klänge wie JabberWocky zu programmieren (Audiobeispiel 7). Hut ab vor den Programmierern, aber wozu kann man so etwas einsetzen? Reaktor kann doch wesentlich mehr.
Besonders die Samplebearbeitung ist herausragend. Das Wissen darüber floss in Programme wie Battery, Kontakt oder Traktor ein. Hier spart man sich die aufwendige Verdrahtung und verzichtet auf eigenen Anpassungen. Die Synthesizerfunktionen sind dagegen für mich persönlich nicht sehr spannend. Das liegt vor allem an dem Klang, der mir persönlich auch nach vielen Stunden mit Reaktor nicht gefallen will (Subjektive Meinung). Aber andere Ohren entscheiden darüber sicher anders. Mein Ur-DX7 klingt für mich beispielsweise schöner als der FM7, der dafür aber mehr kann. Zu guter letzt: was die Bugs in der Mac Version anbelangt, soll im neuen Jahr ein neues großes Up Date erscheinen. Damit wird hoffentlich jede Kinderkrankheit behoben sein. Als Preset-Kiste ist Reaktor zu schade. Findet euren eigenen Sound und macht mehr aus Reaktor!
PLUS
++++ Flexibilität
+++ Hohe Anzahl an Modulen
MINUS
— Noch einige Bugs in der Mac-Version
PREISE
UVP: 459 Euro Strassenpreis: 420 Euro
HERSTELLER
www.native-instruments.de