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Test: One Control BJF-S66, Gitarrenverstärker Topteil

Zwergenaufstand im Blackface Land!

17. November 2020
Test: One Control BJF-S66, Gitarrenverstärker Topteil

Test: One Control BJF-S66, Gitarrenverstärker Topteil

Der Rock ’n’ Roll ist tot! Zumindest wenn es um die Akzeptanz der Vollröhren-Tonmonster geht, die im entsprechenden Leistungssegment zwar unumstritten nach wie vor das maximale Klangerlebnis in Sachen Ton und Dynamik ermöglichen, in ihrer Haptik aber mittlerweile nur noch von ausgewählten Sound-Fetischisten auf eine Bühne gewuchtet werden. Da wahrscheinlich nur 5 % oder weniger der Leser dieses Artikels die tonaler Druck gewordene Männlichkeit, einen Vollröhren Fullstack, auf der Bühne einmal leibhaftig bei einem ihrer Konzerte in ihrem Rücken erleben durften und „The Next Generation“ aller Nachwuchsgitarristen dies ohnehin gar nicht mehr erleben werden, sterben die Boliden einen leisen Live-Tod und werden wohl mittelfristig nur noch im Studiobetrieb ihre klanglichen Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Die Zukunft gehört der Abteilung „kleiner“ und vor allen Dingen „leichter“, womit wir auch schon bei unserem heutigen Testkandidaten, dem One Control BJF-S66, angekommen sind.

 

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Das steckt im Vintage Amp One Control BJF-S66

Der japanische Hersteller One Control dürfte den meisten Lesern von ihren Pedalen her bekannt sein, die in der letzten Zeit stark an Bekanntheitsgrad zugelegt haben dürften. Um sich nicht unüberlegt in ein neues Produktsegment zu stürzen, haben die Asiaten den Schweden Björn Juhl als Designer des Transistor-Topteils engagiert, der nicht nur für die Micro-Pedale von One Control verantwortlich zeichnet, sondern auch mit seiner Firmen BJFE Guitar Effects, respektive Björn Juhl Förstärkar Elektronik in der Szene aktiv ist.

Der One Control BJF-S66 zählt von den Abmessungen her zu der „Brotdosen“-Klasse, wobei die Abmessungen von 26,5 x 9,5 x 10,3 cm (B x T x H) eher noch eine Klasse darunter liegen und sich langsam der Micro-Klasse im Bassamp-Bereich annähern, die teilweise ja nur noch die Abmessungen von 2 Zigarettenschachteln haben. Je nach Impedanz der angeschlossenen Lautsprecherbox leistet der Transistorverstärker mit Class-D-Endstufe 100 (4 Ohm), 66 (8 Ohm) oder 30 Watt (16 Ohm), was für einen normalen Bandbetrieb völlig ausreicht. Im Lieferumfang enthalten ist ein externes 24 Volt Netzteil, wohl auch um die geringen Abmessungen des Verstärkers halten zu können. Angeschlossen wird das Netzteil über eine normale Buchse, wie sie auch bei Pedalen anzutreffen ist, es ist also für genügend Zugentlastung zu sorgen, damit der Stecker nicht versehentlich aus dem Gehäuse gleitet.

Das Gehäuse des One Control BJF-S66 hinterlässt auf den ersten Blick einen sehr massiven Eindruck. Die Front- und Rückenteile sind mit einem zweiteiligen Aluminiumrahmen verschraubt, in den bei Bedarf vier mitgelieferte Gummifüße eingeschraubt werden können. Sämtliche Potiachsen zzgl. der Minischalter bestätigen die Wertigkeit der Komponenten, indem sie eine amtliche Haptik und keinerlei Spiel in der Führung aufweisen. Ein klappbarer Tragegriff aus Metall erleichtert den Transport, wobei der nur 1,62 kg schwere Verstärker auch locker in einer Hand getragen werden kann.

Dem absolut Road-tauglichen Erscheinungsbild aller Komponenten steht allerdings der RJ12-Anschluss des Fußschalters gegenüber. Es wird mir ewig ein Rätsel bleiben, warum Hersteller diesen instabilen und bruchgefährdeten Anschluss, der gerade einmal im TK-Bereich einigermaßen funktioniert, in dem um ein Vielfaches härteren Musikalienbetrieb verbauen. Was nützt die massivste Bauweise des Gehäuses, wenn sie an einer solch wichtigen Stelle unnötig geschwächt wird.

Die beiden Kanäle des Verstärkers werden in ihrer individuellen Regelmöglichkeit zugunsten einer für einen Verstärker dieser Größe umfangreichen Effektregelung stark zusammengestrichen. Neben einer Dreiband-Klangregelung, bei der sich der Mittenregler ungewöhnlicherweise am Rand befindet, verfügt der Verstärker über einen Gain-Regler für den Clean-Bereich, einen Lead-Boost für den Lead-Bereich sowie einen Mastervolume für Rhythm und einen für Lead. Der Amp hat zusätzlich einen Bright-Schalter, der auf beide Kanäle einwirkt und einen Kanalschalter, sofern der Fußschalter FS-P3 nicht verfügbar ist.

Hält man sich vor Augen, dass laut Björn Juhl ein Mid 60s Fender Blackface als Vorbild für den Control One BJF-S66 dient, ergeben nicht nur die Fender-artigen Potiknöpfe Sinn, sondern auch der Blick auf die intern verbaute digitale Effektabteilung. Beide Kanäle verfügen über individuell regelbare Reverb-Bereiche, die jeweils in Decay und Level regelbar sind. Dazu gibt es eine per Mini- oder Fußschalter aktivierbare Tremolo-Einheit, regelbar in Depth und Speed.

Test: One Control BJF-S66, Gitarrenverstärker Topteil

Anschlüsse des One Control BJF-S66

Wer wie ich kein Freund der RJ-Buchsen ist, kann sich nach einem Blick auf die Rückseite des Verstärkers entspannt zurücklehnen. Glücklicherweise kann die Tremoloeinheit, der Kanalwechsel und auch der FX-Loop, der sich mit Send/Return auf der Rückseite befindet, separat über einzelne Klinkenstecker geschaltet werden. Des Weiteren gibt es einen Speaker-Out, einen Preamp-Out und den Netzschalter auf der Rückseite des Gehäuses.

Der Fußschalter FS-P3

Test: One Control BJF-S66, Gitarrenverstärker Topteil

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Im Gegensatz zu der RJ Verbindungsbuchse strotzt der Dreifachfußschalter geradezu vor massiver Verarbeitung. Das Gehäuse macht den Eindruck, als ob es aus einem massiven Aluminiumblock herausgefräst worden sei, wobei die Bodenplatte passgenau eingelassen wurde. Für einen besseren Halt auf glattem Untergrund liegen vier aufklebbare Pads bei. Geschaltet wird die Kanalwahl, die Tremolo-Einheit und der FX-Loop.

Sound der One Control OC-EM112C Guitar Box

Um den Fender Blackface Tribute optisch und akustisch etwas näher zu kommen, hat One Control auch direkt das passende 1×12 Cabinet mit auf den Markt gebracht. Da der Head mit Ausnahme der Potiknöpfe optisch keinerlei Parallelen zu Fender erkennen lässt, hat man zumindest bei dem Cabinet mittels der Frontbespannung die Brücke zur Blackface/Siverface-Ära geschlagen. Das hinten offene Cabinet ist mit einem 12 Zoll Eminence GA-SC64 Allessadro bestückt, der eine Leistung von 40 Watt verkraftet und eine Impedanz von 8 Ohm besitzt.

One Control BJF-S66 - Test

One Control OC-EM112C Guitar Box – Front

40 Watt bei 8 Ohm? Moment mal, wie waren doch gleich die Leistungsangaben des Heads? 66 Watt bei 8 Ohm? In der Tat verfolgt One Control hier eine Firmenpolitik, die sich mir nicht erschließt. Entweder besitzt der Lautsprecher einen unglaublichen Headroom, was die Verarbeitung von Lautstärke angeht oder aber der Speaker läuft latent Gefahr bei hoher Endlautstärke durchgeblasen zu werden, zumal das Gehäuse offen ist und man die übermäßige Leistung des Verstärkers gegenüber des Lautsprechers nicht wie zum Beispiel bei der Hughes&Kettner BS200 Combo durch eine speziell berechnete und geschlossene Gehäusekonstruktion ausgleicht.

One Control BJF-S66 - Test

One Control OC-EM112C Guitar Box – Back

So klingt das One Control BJF-S66 Topteil für Gitarre

Schon bei den ersten Tönen wird die Ausrichtung der One Control BJF-S66 offensichtlich. In Kombination mit dem OC-EM112C Cabinet liegt die Assoziation mit der Fender Fraktion recht nahe, wenngleich der Amp aufgrund seiner Bauweise nicht als Reinkarnation eines Blackface bezeichnet werden kann. Nichtsdestotrotz bietet der Zwerg einen weichen, ausgewogenen Sound, der mit zunehmender Lautstärke an Charakter gewinnt.

Die Clean-Reserven des Rhythm-Kanals sind sehr hoch, so dass man auch mit Vintage-Humbuckern eine hohe Lautstärke erreichen kann, ohne dass die ersten Verzerrungen auftreten. Überrascht hat mich ebenfalls die sehr gelungene Ansprache des Eminence Speakers, der zudem mit einem kräftigen Bassanteil glänzt, insbesondere wenn man die offene Bauweise berücksichtigt.

Im Lead-Kanal bleibt der Amp auch bei Gain-Anschlag immer noch im Crunch-Bereich verhaftet, ganz wie es sich auch mit dem Vorbild verhält. Umso schöner verträgt sich der Amp erwartungsgemäß mit Pedalen aller Art, wer also den stehenden High-Gain-Sound benötigt, kann seine Tretminen nach Belieben von den Amp schalten. Der Sound bleibt stets durchsichtig und unaufgeregt. Insbesondere der Bright-Schalter erweist sich mit seinem 10 dB Boost bei 4 kHz als kleiner Geheimtipp im Gesamtkonzept. Der Sound erhält in der Tat eine extra Portion „Frische“, ohne dass es nach einem einfachen Höhen-Boost klingt. Bis hinauf zum Texas Blues versprüht der Amp einen praxisgerechten Esprit, das man dem Winzling auf den ersten Blick nicht zugetraut hätte.

Für einen Transistorverstärker ist die Röhrenanspielung recht gut gelungen, wenngleich der Head im direkten Vergleich etwas an Tiefe und Dynamik einbüßt. Dafür gibt es allerdings besagte Transportabilität der Extraklasse.

Der intern verbaute Digitalhall ist keine Federhall-Emulation, sondern bietet ein eher modernes Klangspektrum, das von Ambience bis große Halle alles abdeckt, was man in seinen Song einbringen möchte. Hier erweisen sich die beiden unabhängigen Regelungen der beiden Kanäle natürlich als großer Vorteil.

Test: One Control BJF-S66, Gitarrenverstärker Topteil

One Control BJF-S66 im Einsatz

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Fazit

Mit dem One Control BJF-S66 führt der asiatische Hersteller einen sehr praxisnahen Amp in seinem Portfolio. Der Amp überzeugt mit winzigen Abmessungen und einer damit einhergehenden großen Transportabilität, ohne die in diesem Fall auf den Fender Bereich abgestimmten klanglichen Attribute außer Acht zu lassen.

Der Amp hinterlässt sowohl klanglich als auch konzeptionell einen guten Eindruck und entpuppt sich als vorzügliches Working Horse für den Working Musician.

Plus

  • Abmessungen
  • Verarbeitung
  • Klang

Minus

  • RJ12-Verbindungstecker Fußschalter

Preis

  • 749,- Euro
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Klangbeispiele
Forum
  1. Profilbild
    Dahausa

    Ich lehne mich mal aus dem Fenster und prophezeie keine allzu großen Stückzahlen.
    Zumindest wüsste ich jetzt keinen unique selling point. Außer vielleicht das Aussehen.

    Aber es ist halt wie beim 400 000sten Distortion-Pedal auch… wer braucht’s? Und es kommt trotzdem auf den Markt :)

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