Tiefblaue Räume
Und weiter geht’s in der Reihe kleinstmöglicher Effektpedale. Nach dem Test des One Control Auto Quack und dem Baltic Blue Fuzz kommt jetzt eines der Pedale ins Spiel, das ich persönlich als „Always on Pedal“ bezeichnen würde. Denn ein Reverb geht immer, verleiht dem Sound Räumlichkeit und Tiefe und führt meist recht schnell zu einem Wohlfühlsound. Das One Control Prussian Blue Reverb möchte da mal testweise auf mein Board. So winzig wie es ist, passt es auch irgendwo noch drauf.
One Control Prussian Blue Reverb – Facts & Features
Wie bei allen Pedalen aus der Serie bedient sich Pedaldesigner Björn Juhl einer Farbe, um dem Effekt ein unverwechselbares Attribut zu spendieren. „Prussian Blue“ ist der englische Begriff für „Preußischblau“ oder „Berliner Blau“ und bezeichnet ein tiefes Dunkelblau. So wird der Bezug zur Effekt vielleicht klarer, denn ein Reverb will Tiefe erzeugen. Das Pedal wiegt rund 150 g und die Maße von 39 × 100 × 31 mm prädestinieren es für kleine Pedalboards oder Boards, auf denen, wie so oft, mal wieder kein Platz mehr ist. Das dunkle Blau findet sich natürlich auch auf der Oberfläche des Pedals wieder. Die Struktur und die Lackierung der Oberfläche machen es schwierig, die Beschriftung der Regler zu lesen, aber es sieht rattenscharf aus. Das Gehäuse des Prussian Blue Pedals besteht aus Metall und wirkt sehr stabil, der Boden des Pedals kann zum Zweck des Batteriewechsels abgeschraubt werden. Das ist ziemlich umständlich, denn hier wollen 4 Schrauben gelöst werden und möglicherweise hat man das Pedal ja auch mit Klett sicher auf dem Board befestigt. Sinnvoller erscheint mir da die Versorgung mittels eines Netzteils, 9 V Gleichstrom können sie alle, der Minuspol sollte am Mittelpol lokalisiert sein. die Netzbuchse befindet sich an der rechten Gehäuseseite in unmittelbarer Nachbarschaft zum Klinkeneingang. Je nach verwendeten Steckern kann das schon mal ganz schön eng werden, das ist der Preis, den man zahlen muss, wenn man derart kleine Geräte benutzen möchte. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich die Ausgangsbuchse. Direkt darunter schlummert ein kleiner Schiebeschalter, der das Pedal von „Wet“ auf „Kill Dry“ schaltet. Wie der Name sagt, wird damit das unbearbeitete (dry) Signal von Ausgang ferngehalten. Es liegt dann also ausschließlich das Effektsignal an, das ergibt immer dann Sinn, wenn das Pedal in einem parallelen Einschleifweg oder im einem Studio-Setup genutzt wird.

Viel kleiner geht nicht, jedenfalls nicht, wenn noch Stecker und eine Batterie ins Pedal passen müssen. Der Batteriewechsel ist allerdings sehr umständlich.
Hier sei mir eine kleine Zwischenbemerkung gestattet. Ich verstehe jeden, der sagt, auf seinem Pedalboard sei zu wenig Platz, an G.A.S. leiden wir wahrscheinlich alle. Aber warum baut man ein so winziges Pedal, wenn dann aus Platzgründen dessen Anschlüsse nicht mehr an der Frontseite Raum finden und die Bedienung eines seitlichen Schalterchens zur Geduldsprobe wird? Mit Winkelsteckern relativiert sich der eingesparte Platz seitlich zudem ziemlich schnell, ich persönlich hätte da lieber ein Pedal mit etwas größeren Ausmaßen, dafür die Anschlüsse vorn. Aber vermutlich trete ich da jetzt eine uferlose Diskussion los …

Der Mini-Switch ist bei eingestecktem Kabel nur schwer zu erreichen. Eine Beschriftung gibt es nicht.
Der Schiebeschalter ist, wie eben bemängelt, bei eingestecktem Kabel schwer zu erreichen. Das ist in diesem Fall ausnahmsweise nicht wirklich schlimm, denn diese Einstellung wird man nicht oft ändern. Leider kann man aus der Schalterstellung nicht ersehen, ob der Kill-Dry in der oberen oder der unteren Schalterstellung aktiv ist. Da hilft nur hören. Der obligatorische Bypass-Schalter auf der Oberfläche des Pedals hat einen angenehmen Schaltwiderstand und den größtmöglichen Abstand zu den drei Reglern, die damit etwas geschützter vor versehentlichem Verstellen durch unaufmerksames Getrampel sind. Trotzdem besteht natürlich bei solch kleinen Pedalen immer die Gefahr, dass genau das passiert. Die drei Regler des Pedals bergen keine großen Geheimnisse, Decay stellt die Länge des Halleffektes ein, Tone kümmert sich um den Anteil der hohen Frequenzen und Level übernimmt den Pegel des Reverb-Signals. So weit, so einfach. Doch was macht das Prussian Blue Reverb denn nun besonders?
Die Besonderheit des Prussian Blue Reverb Effektpedals
Wenn schon eine Elektronik-Design-Legende wie Björn Juhl ein Pedalserie entwickelt, kann man wohl davon ausgehen, dass da etwas mehr drinsteckt, als man den Pedalen von außen ansieht. Und richtig, wenn man ein wenig im Internet sucht, findet man zum Prussian Blue Reverb einige Besonderheiten, die erwähnenswert sind. Die Website des deutschen Vertriebs schreibt dazu:
„Wenn man Bjorn Juhl fragt, eignen sich weder Spring-, Hall- oder Room-Effekte als Reverb für Gitarristen oder Bassisten – aus diesem Grund kombiniert er in einem einzigartigen Design die Stärken der unterschiedlichen Effekt-Typen. Der One Control Prussian Blue Reverb liegt klanglich näher an einem Hall als an einem Spring Reverb, ist in seinem Voicing aber weniger hell ausgerichtet. Durch eine zufällige Modulation der Decay-Time des Reverb-Signals erzeugt das Pedal das Feeling einer natürlichen Schallausbreitung im Raum, dabei ist die Modulation so programmiert, dass sie die Vibration der Saiten nachbildet. Der extrem hohe Dynamik-Bereich des Prussian Blue ist 5x höher als bei vergleichbaren Pedalen und die regelbare Decay-Time von 2 ms bis 2 s erlaubt ein breites Spektrum an möglichen Sounds.“
Zudem bleibt der trockene Signalpfad im Gerät stets analog, Klangeinbußen sind hier also nicht zu erwarten. Das klingt so, als wäre das Prussian Blue der heilige Gral der Reverb-Pedale. Wollen wir uns das Schätzchen mal anhören.

Das One Control Prussian Blue im Kreise einiger seiner Kollegen, die ebenfalls bei uns zum Test zur Verfügung standen.
So klingt das Prussian Blue Reverb Pedal
Um das Pedal zu testen, schleife ich es in den Effektweg des Kempers ein. Dieser Effektweg liegt hinter dem Amp. Da die Anleitung des Pedals empfiehlt, es vor eventuellen Modulationseffekten zu benutzen, bleibt natürlich auch diese Variante nicht unberücksichtigt. Ich beginne mit einem cleanen Sound mit etwas Kompressor, die Regler des Prussian Blue Pedals stehen in der berühmtem „12-Uhr-Stellung“. Sofort fällt auf, dass der Hall sehr natürlich, sehr organisch klingt. In den folgenden beiden Beispielen habe ich dann den Tone-Regler mal ganz auf-, mal ganz zugedreht. Der Hall bleibt immer präsent und klingt sehr dicht und natürlich.
In den folgenden Beispielen bleibe ich bei einem cleanen Sound, spiele aber mit dem Decay-Regler. Auch bei langem Decay-Setting wirkt der Hall nie scheppernd oder künstlich. Aktiviert man die Kill-Dry-Funktion, erhält man bei 100 % Wet-Einstellung einen schönen Swell-Effekt. Mit ein bisschen Chorus hinter dem Reverb gewinnt der Sound noch an Räumlichkeit. Dieser Sound ist mein heimlicher Favorit des Tests. In einem komplexeren Effekt-Setting fühlt sich das Reverb-Pedal ebenfalls wohl und verwässert den Sound nicht.
Zeit, mal ein wenig rockig zu werden. Das angezerrte Profile eines Morgan AC20 kommt zum Einsatz. Sowohl bei einem Rhythmus-Sound, als auch mit höheren Reglerstellungen und einem dadurch atmosphärischerem Sound, macht das Pedal eine sehr gute Figur. Der Rhythmus-Sound klingt warm und räumlich, ohne dass das gefürchtete Scheppern auftritt. Höhere Reglerstellungen quittiert das Pedal mit einem brillanten, aber niemals nervigen Reverb, das sich wunderbar im Hintergrund hält.
So, Zeit für die Keule! Höhere Gainsettings mögen normalerweise keinen Hall, weil der Sound schnell verwaschen und undifferenziert wird. Aber auch hier gibt’s Entwarnung, der Sound bleibt präsent und gewinnt an Charakter. Ein Rocksound zum Wohlfühlen. Mit höheren Decay-Werten ist der Sound natürlich weniger für Hardrock geeignet, aber er bleibt differenziert und klar. Der Hall spielt sich nie in den Vordergrund. Bei einem Leadsound möchte man auch die einzelnen Töne noch voneinander unterscheiden können, auch hier punktet das Pedal mit seiner klaren Wiedergabe und seiner unauffälligen, zuverlässigen Arbeit.
Bleibt zum Schluss noch die Anwendung im Zusammenspiel mit der Akustikgitarre. Gerade bei dieser Anwendung habe ich schon so viele Reverb-Pedale versagen hören, weil sie ohne Gnade dem Akustiksound den dynamischen Garaus machen. Nicht so das Testpedal, wir hören, sowohl mit der Westerngitarre, als auch mit der Nylonstring, einen höchst brauchbaren Effekt, der alles andere als matschig ist, obwohl ich einen recht hohen Decay-Wert gewählt habe. Well done! Ich empfehle, die Soundbeispiele mit guten Boxen oder einem hochwertigen Kopfhörer abzuhören, denn nur so kommt der Hall des Pedals richtig zur Geltung.
Ich kaufe mir grundsätzliche keine Mini-Pedale. Die Platzersparnis ist wegen der Kabel (wie hier) meist nicht relevant, mich nerven die oft zu kleinen und zu engen Potis und ich finde außerdem, dass man ein Pedal auch ohne Board ohne Kippeln benutzen können musss.
Um das Pedal hier ist es deswegen schade, die Demos klingen ausgezeichnet.
Das ist auch genau mein Problem. Dieses Pedal im klassischen Gehäuse und es wäre meins…
Hm, also wenn mich das Teil so abholen würde, würde ich einfach ein größeres Alu-Gehäuse kaufen (ca. 12 EUR), ’n bisschen Löten, ’n bisschen Bohren und mir das dann aufs Board stellen. Ich weiß, ist nicht jedermanns Sache, aber auch für Anfänger machbar. Ich sach ja nur…
@t.goldschmitz Ich klaue meinen Kindern einfach ein paar Legosteine und baue drumherum 😅
@Jan Steiger Der erste Google-Server war auch aus Legosteinen gebaut – vlt. bist Du da an was ganz heißem dran !