Jordan Rudess Sample-Morphing-Zauberei die 2.
Mit One Red Dog MorphWiz 2 kehrt ein legendärer expressiver Synthesizer zurück – weiterentwickelt, AUv3-kompatibel und mit neuen Features. Ob für Sounddesign, Flächen oder experimentelles Spielen – dieser Synth bietet kreative Möglichkeiten mit einzigartigem Morphing.
Kurz & knapp
- Expressiver Synth mit spektraler Audio-Morphing-Engine und vier Quell-Samples
- Flexible Klaviaturdarstellung mit bis zu 78 Noten und glatten Übergängen
- Mod-Matrix mit LFOs, Hüllkurven, MIDI-CC und über 60 Modulationszielen
- Umfangreiche Effekte, darunter Distortion, Dual-Delay und granularer Reverb
- AUv3-Support & Optimierungen, aber hoher CPU-Verbrauch auf älteren iPads
- Blobby-Visualisierung für ein trippy Spielgefühl, optional abschaltbar
Inhaltsverzeichnis
One Red Dog Media MorphWiz 2 Synthesizer für iOS
One Red Dog Media MorphWiz 2 ist eine Synthesizer-App und ein AUv3 Plug-in für iPadOS, das auf dem Morphen von Samples basiert. Dabei legt die App großen Wert auf eine expressive Spielweise. MorphWiz 2 ist der direkte Nachfolger von MorphWiz, das im Jahr 2010 von Keyboard-Mastermind Jordan Rudess (Dream Theater) unter seinem eigenen Label Wizdom herausgebracht wurde, aber seit 2017 nicht mehr gepflegt wird (und daher vom Kauf abzuraten ist).
Nicht gealtert ist hingegen die Freundschaft zwischen Jordan und One Red Dog Media, alias Peter Johnson. Diese reicht bis zur Molten Drum Machine zurück – einer der frühesten und genialsten Music-Apps von One Red Dog für das iPad, die ebenfalls 2010 herauskam. Da sich Jordan auf seine Haupt-App GeoShred konzentriert, die kürzlich auch eine macOS-Version erhalten hat, die zudem über das iPad gespielt werden kann, wird die Entwicklung von MorphWiz 2 nun von One Red Dog betreut.
Dieses Vorgehen ist nicht neu – so hat Jordan beispielsweise auch die Betreuung von SampleWiz 2 in die fähigen Hände von Bleass aus Frankreich gelegt.
Die App ist 22,99 Euro für iOS, iPad erhältlich. Eine Desktop-Variante ist zwar in der Pipeline, aber ohne ein bestimmtes Veröffentlichungsdatum.
Die ursprüngliche Idee von MorphWiz geht dabei zurück auf das Haken Continuum Fingerboard …
… und die iOS-Synthesizer-App BeBot von Normalware (2009), die nicht über eine Klaviatur, sondern wie über ein Pitchwheel gespielt wird. Das Festlegen auf eine Tonart hilft dabei, harmonisch zu bleiben.
One Red Dog MorphWiz 2 ist im Kern immer noch ein Synthesizer mit einer spektralen Audio-Morphing-Engine auf Sample-Basis. Daher bestimmen die Charakteristika der einzelnen Samples den Grundklang. Jeder Klang besteht aus vier Quell-Samples (A, B, C, D), zwischen denen nahtlos gemorpht wird – ohne störende oder krude Überblendungen.
Die Klangmodulation durch Hüllkurven und LFOs steht für jede der vier Stimmen zur Verfügung, die dann gemeinsam durch ein einzelnes Morphing-Filter geschickt werden, bevor das Signal in die Effektsektion geleitet wird.
Was die Rechenleistung angeht, ist One Red Dog MorphWiz 2 nicht gerade genügsam. Mein iPad Pro (1. Gen) mit A9X wird in AUM mit 89 % bis 99 % ausgelastet. Das iPad Pro (6. Gen) mit M2 kommt auf 22 % bis 72 %. Da scheint noch etwas Luft für Optimierung zu sein.
Klangerzeugung
In diesem Panel werden die vier Basis-Samples ausgewählt. Die Samples können entweder aus den internen Werkssounds stammen oder als eigene Dateien importiert werden. Unterstützte Dateiformate sind WAV, AIFF, MP3, Ogg, FLAC und AAC. Stereodateien werden automatisch in Mono konvertiert, die maximale Länge darf 30 Sekunden betragen.
Samples können auch direkt in One Red Dog MorphWiz 2 aufgenommen werden – in der Standalone-Version beispielsweise über das Mikrofon oder ein Audiointerface. In einer AUv3-Instanz muss die App als Effekt geladen werden, um Audio aufnehmen zu können.
Ein kleines Manko ist jedoch die fehlende Audiomonitor-Funktion während der Aufnahme. Das bedeutet, dass man „nach Gefühl“ einspielen muss und den Rest anschließend im Editor nachbearbeiten kann.
Das Editieren der Samples umfasst unter anderem Start- und Endpunkt, Loop-Länge, Auto-Tuning des Loops (C3) und Lautstärkeanpassung. Eine Funktion, um automatisch einen passenden Loop-Abschnitt zu finden, ist ebenfalls integriert.
Die Oktavenlage des Patches kann um bis zu acht Oktaven verschoben werden.
Das angefügte Filter im State-Variable-Design kann stufenlos von Tiefpass zu Hochpass überblendet werden. Als Flankensteilheit stehen 12 dB/Oktave und 24 dB/Oktave zur Verfügung, ebenso eine Bandpass-Option.
Bei den VOICES kann spartanisch zwischen MIDI und MPE sowie zwischen monophon und polyphon umgeschaltet werden – maximal 16 Stimmen. Das war’s. Legato gibt es nur im monophonen Modus.
Das Pitchbending ist mit ±96 Halbtönen überdimensioniert, da selbst für MPE ±48 Halbtöne als optimal gelten. „Glide“ bestimmt das Portamento bei der Noteneingabe.
Morph
In diesem Panel wird festgelegt, wie die vier Stimmen kombiniert werden. Es gibt vier Modi:
- XY: In diesem XY-Pad sind alle vier Stimmen aktiv und werden über das Pad gemorpht.
- MorphLin: In diesem XY-Pad sind ebenfalls alle vier Stimmen aktiv, jedoch erfolgt das Morphing nur über den Y-Parameter.
- Morph2: Hier sind nur die Stimmen A und D aktiv und das Morphing erfolgt ausschließlich über den Y-Parameter.
- Single: Da hier nur die Stimme D aktiv ist, findet kein Morphing statt.
Zuletzt zeigt uns „der Magier“ noch das Oszilloskop.
Modulation
Die Mod-Matrix lässt sich recht einfach zusammenfassen: Vier LFOs, Hüllkurven und MIDI-CC stehen zur Verfügung, ebenso Zufall, Anschlagsstärke, Abklingzeit, Pressure, Aftertouch, Mod-Wheel, Expression und Slide. Alle lassen sich im Grunde gleich bedienen und etwa 60 Modulationszielen zuordnen.
Der Clou dabei ist aber, dass alle Verlaufskurven Vector-Splines sind. So können Kurvenpunkte per Tippen hinzugefügt und logarithmisch oder exponentiell verbogen werden.
Die LFOs laufen im Übrigen frei bis 100 Hz oder synchronisiert und bieten sogar Reset. Die Abklingzeit der Hüllkurven kann bis zu 30 Sekunden lang sein.
Arp/FX
Der Arpeggiator geht tatsächlich mehr in Richtung 16 Step-Sequencer und bietet neben Random auch Akkord als Abspielmodus und sogar Ratchet.
An Effekten gibt es Distortion mit etwa 20 Verzerrermodellen, Chorus, Dual-Stereo-Delay und gleich zwei Halleffekte: ein Plattenhall und ein Mist-Reverb, ein granularer Cloud-Hall (engl. Mist = Nebel).
Die grafischen Anzeigen sind nicht nur Show, sondern Eingabe-Interfaces, was sehr cool und intuitiv ist.
MPE und Isomorphic Playing Surface
Notes
Wie spielt sich One Red Dog MorphWiz 2 nun?
Auf horizontaler Ebene reihen sich die Noten der Tonhöhe nach auf, ähnlich wie bei einer üblichen Klaviatur. Durch das Gleiten der Finger über den Touchscreen kann das Spielen entweder völlig unsegmentiert (fretless) oder tonhöhen- und/oder tonartenskaliert erfolgen.
Die Darstellung der Klaviatur lässt sich zwischen 78 Noten und sechs Reihen skalieren. Bei 78 Noten ist das gezielte Treffen einzelner Noten zwar nahezu unmöglich, aber für Theremin-artiges Spiel ideal. Doch auch wenn nur drei Notentasten auf dem Bildschirm sichtbar sind, bleiben die Übergänge zwischen Tonhöhen extrem smooth.
Noten, die nicht zur Tonart gehören, können ausgeblendet werden, was den Kakophonie-Level deutlich reduziert.
Das Ganze wird von Blobby begleitet – einer audiovisuellen Darstellung der gespielten Noten. Mich erinnert das an eine Endoskopie oder ein mutiertes Organ aus einem David-Cronenberg-Film – extrem trippy!
Es lässt sich jedoch auch abschalten. Der dadurch gesparte Rechenbedarf fällt allerdings selbst auf dem iPad Pro (1. Gen) nicht ins Gewicht.
hört sich interessant an. Was heisst genau Audio Monitor fehlt bei der Aufnahme? Man hört nichts während man spielt?
@Heiner Kruse (TGM) Genau das habe ich mir auch gedacht, Heiner. Hört sich damit (für mich) unfertig an.
@ Markus: läuft immerhin auf einem 10 Jahre alten iPad (gerade noch). Aber bis 80% auf einem aktuellen ist gleichzeitig ein Trauerspiel.
@Heiner Kruse (TGM) Hallo Heiner,
wenn Morphwiz 2 direkt als AUV3 Insert-Effekt zwischen der Quell-App und dem Audioausgang instanziiert ist, schleift die App das Quellsignal nicht durch.
Das lässt sich aber leicht umgehen, indem das Quellsignal von einem anderen Track per Send/Mix-Bus zu Morphwiz 2 abgezweigt wird.
Wenn Du vom Audointerface / MIc etwas aufnimmt, hast Du normalweise ja dort den „Kontrollmonitor“.
Deswegen ein „kleines Manko“, das ich noch nicht mal würdig für die Minus-Liste empfand und es immer noch so sehe.
Zumindest hat die App ja ein Recording-Display. Es wird also dargestellt, was aufgenommen wird. Ganz blind ist man also nicht.
greetz,
M. :)