Ein Fairlight, ein Fairlight für iPad und iPhone
Ein kleine Anekdote vorne weg: Graeme Renaud, damals General Manager bei Peter Vogel Instruments, hat mir auf der Musikmesse (ob 2012, ~13 oder ~14 weiß ich nicht mehr) erzählt, dass die App nur als Scherz gedacht war, um wieder ins Gespräch zu kommen. Er erzählte, sie hätten ein Meeting mit der obersten Riege von Apple gehabt und die meinten so sinngemäß: „Ja, $ 5 wären angemessen.“ Worauf Peter Vogel ebenso erwiderte: „Nö, $ 50 sind cool.“ Sogar der Preis der App war und ist als Gag konzipiert, in Anspielung auf den astronomischen Preis der Hardware.
Sich bei diesem Peter Vogel CMI Pro also über den Preis oder die Bedienung zu mokieren, geht also völlig an der Sache vorbei. Wenn man mit dem Konzept etwas anfangen kann und einen offiziellen Fairlight-Spaß haben möchte, ist dies der billigste Weg. Die Hardware-Neuauflage der CMI 30th Anniversary Edition für 20.000 australische Dollar darf nämlich seit 2017 aufgrund eines anscheined bisher nicht behobenen Rechtsstreits mit den vorhergehenden Inhaber der Marke Fairlight nicht mehr vertrieben werden und die App auch niccht mehr so genannt werden. Das letzte Update der App auf Version 2.4.2, um iOS 13 besser zu unterstützen, liegt 5 Monate zurück. Hoffen wird, dass die Streitigkeiten nicht die Erhaltung der App beeinflussen.
Den ersten „Prank“ gibt es schon nach dem Starten der App mit einer Reminiszenz an die „Good Old Days“, dem Puzzle zum Einstellen der Volt-Zahl. Wählt man die falsch, schmort es, bis die Funken fliegen. Bei – jedem – einzelnen – Neustart der App!
Weiter Scherze sind die Simulation von Arbeitsgeräuschen und eines defekten Diskettenlaufwerks, dessen Fehlerrate beim Lesen (und Schreiben) bei der orginalen Hardware berüchtigt war. Wie viele Hits von Peter Gabriel dem zum Opfer gefallen sind, ist unbekannt, aber der „Reperaturtritt“ zum Beheben der Lesefehler, wird nun durch Schütteln des iPads bewerkstelligt.
Peter Vogel und sein Team hatten aber ein Einsehen und machten die ganzen Pranks optional.
Bedienung
Von den ursprünglichen 18 Menüseiten des CMI-III sind nur fünf übrig geblieben. Teils waren sie überflüssig, teils wurden die Seiten zusammengeführt. Schauen wir uns also die wesentlichen Unterschiede und Features des Apps an.
Über „Page 2: Disk“ lassen sich die Fairlight Songs und Instrumente verwalten, als MIDI-Datei exportieren, emailen und neue Songs und Instrumente erstellen. In den Hilfeseiten wird das Importieren von CMI-eigenen RS-, IN-, VC- und VCX-Dateien und MIDI-Daten erklärt, aber Funktion „Import from File“ wurde für Dateien-App-Unterstützung gestrichen und hat anscheinend einen Bug.
Weder der File-Browser erkennt Dateien, die über iTunes Files-Sharing oder Abspeichern über die Dateien-App in das Vogel CMI-Dokumentenverzeichnis kopiert wurden. In V2.4.2 können nur Dateien, die von innerhalb der App geschrieben wurden, auch wieder erkannt und geladen werden, was das CMI Pro derzeit zu einem abgeschlossenen System macht, was sehr schade ist.
Zumindest lassen sich WAV- und AIFF-Samples importieren und CMI Pro erkennt auch ein angeschlossene USB-Audiointerface, über das sich Samples mit maximal 10 Sekunden Länge aufnehmen lassen. Allerdings erfolg dabei keine Audioausganbe über die App.
Ein Instrumente besteht aus acht unabhängigen Voices, d. h. Samples, die monophon gespielt werden können. Die Samples aus der Bibliothek lassen sich auch von Page 2 aus probehören. Auf der Voice-Ebene von „Page D“ lässt sich auch ein Sample mit achtfacher Polyphonie über MIDI live spielen. Dann geht hier wirklich die Sonne auf.
„Page 3: Instrument“ ist zumindest dem Namen nach selbsterklärend. Ganz im Gegenteil zur Handhabung. Über die vertikale Reihe 1 bis 8 wird das Sample editiert, während über die horizontale Reihe 1 bis 8 das Sample bzw. die Voice ausgetauscht wird. Nach zusätzlicher Auswahl des EDIT-Buttons können die Parameter der ausgewählten Voice editiert werden. Dabei wird praktischerweise jede Änderung durch ein Abspielen mit den neuen Parameterwerten bestätigt.
An weiteren Bearbeitungsmöglichkeiten der Samples gibt es jedoch nur das Zurechtschneiden und das Setzen von Loop-Punkten. Da die Loop-Punkte nicht auf die Nulldurchgänge einrasten, wäre eine Zoom-Funktion sehr hilfreich.
Waveform Editor
Die umfassenden Klangformungsmöglichkeiten der Hardware wie „Page 4: HARMONIC ENVELOPES“, „Page 5: WAVEFORM GENERATION“ und „Page 6: WAVEFORM DRAWING“ sucht man leider vergebens. Ebenso wie die „Page C: MCL COMPOSER“ für die Script-Sprache des CMI, was recht schade ist. Aber das iPad sei mit den derzeitigen Möglichkeiten des Apps schon jetzt recht gut ausgelastet, so sagte uns Peter Vogel.
Immerhin lassen sich in der Wellenformansicht 128 Segmente mit Welleform-Presets befüllen oder eigene Wellenformen einzeichen. Die gerade bearbeitete Wellenform lässt sich dann in das Segmentraster einfügen und in eine beliebige Reihe von Segmenten kopieren. So lassen sich nach und nach komplexere Wellenformen zusammenstellen. Doch Vorsicht – es gibt kein Undo!
Als Eye-Candy gibt es lediglich das 3D Waveform-Display auf „Page D“, das kann aber nur anzeigen und ist darüber hinaus mit seiner neigungskontrollierten Tilt-Ansicht leider auch recht nutzlos. Eine Touch/Swipe-Rotation hätte zumindest noch einen gewissen Komfort, da man nicht mit dem iPad selbst herumfuchteln muss.
Hat man nun sein Instrument zusammengestellt, geht es weiter zum Sequencer auf „Page R“. Hier präsentieren sich die Spuren 1 – 8 des Pattern-Sequencers. Das Arrangement der Noten im Sequencer kann über verschiedene Wege erfolgen. Bei der Step-Programmierung wird zuerst eine Spur zur Bearbeitung ausgewählt. Danach wird für jede zu setzende Note die Notenlänge durch Auswählen des Taktmaßes über die Notenwertleiste am unteren Bildschirmrand festgelegt. Das Raster ändert sich dabei entsprechend. Nun tippt man auf die gewünschte Position der Note und dann auf INSERT. Durch erneutes Tippen auf die Note lassen sich Tonhöhe, Lautstärke und Notenlänge auch nachträglich ändern. Die Notenparameter werden dabei auch in der Spurenübersicht rechts angezeigt. Das hört sich sehr umständlich an, geht aber dank der verzögerungsfreien Umsetzung erstaunlich flüssig von der Hand.
Aber es geht auch anders. Über den Record-Modus können die Noten über die Touchscreen-Klaviatur eingespielt werden und wem auch das zu umständlich ist, der kann per CoreMIDI auch ein echtes MIDI-Keyboard verwenden.
Mittlerweile lasse sich auch MIDI-BTLE-Geräte verwenden und die App kann auch in Audiobus unter IAA eingbunden werden und es gibt einen MIDI-Utility-Kanal, über den bestimmte Funktionen der App per MIDI gesteuert werden können.
Dabei spricht jede Stimme auf ihren eigenen, wählbaren MIDI-Kanal an. Die MIDI-Velocity-Werte werden automatisch auf die acht Stufen des Fairlights umgerechnet. Die Verwaltung der Song-Parameter ist ebenfalls auf der Seite des Sequencers versteckt und sie wird u. a. durch Antippen des Song-Namens angezeigt. Hier lässt sich das zugeordnete Voices austauschen sowie die Pattern-Abfolge innerhalb des Songs verwalten. Der Sequencer auf der „Page R“ kann das aktuelle Pattern auch loopen oder den kompletten Song abspielen.
Wenn man sich an die archaischen Eigenheiten des Bedienerinterfaces aus dem Jahre 1985 gewöhnt hat, lässt sich damit tatsächlich arbeiten, aber etwas Geduld braucht es schon. Von der Rechen-Power und von den Features her ist die App dem ursprünglichen CMI ebenbürtig, so meinte Peter Vogel.
Die App ist fast schon zu authentisch. Doch die umfangreichen internen englischen Hilfeseiten helfen über die meisten Verständnisprobleme hinweg.
Was den Klang angeht, ist der soweit auch in Ordnung. Die Voice-Blibliothek enthält die allermeisten originalen Disketten und man wir sehr schnell den einen oder anderen bekannten Sound aus den 80er Jahren finden.
Die Sampling-Qualität wird im Vergleich zur CMI III Serie, die im Stereomodus mit 50 kHz in 16 Bit digitalisierte, doch anders sein. Zumal die Qualität der Wandlerchips in letzten 30 Jahren auch einiges zugelegt hat. Aber „besser“ ist nicht immer „musikalischer“. So würde ich auch auf die Fairlight Aliasing-Magie nicht allzu sehr hoffen.
Damals auf dem iPad 2 waren die Reaktionszeiten beim Page-Wechsel noch recht lange, aber ein neueres iPad, in dem Fall mein iPad Pro mit A9X, kann auch das Peter Vogel CMI nicht mehr aufhalten.
Als Beispiele gibt es die einzigen zwei Demo-Songs, die jemals für die App veröffentlicht wurden. Soviel Spaß muss sein!
Die Idee der variablen Taktrate bei der Ausgabe von Samples wurde bei dieser Software (wie in vielen Emulationen) nur unzureichend umgesetzt. Sprich: Klingt ähnlich aber nicht gleich … eine gute UVI Lib ist da schon authentischer (was kein Kompliment für die Bibliothek sein soll). Ich habe diese Investition bereut, konnte damals aber uach 1:1 vergleichen.
Ich bezweifle das die App mit variablen Sample-Raten gearbeitet. VSR ist „heutzutge“ ehr kompliziert, da die ganzen Audointerface nur noch mit fixen Sampleraten arbeiten.
Das einzige Software-Intrument mit VSR das mir spontan in den Sinn kommt ist der TAL Sampler.
@Markus Schroeder Ja daher klingt es ja auch anders, jedenfalls nicht nach dem Original … unter iOS nicht anders zu machen, schon klar.
danke für den schönen bericht. und danke an peter vogel für die app. für nostalgiker ganz bestimmt eine tolle sache – darum sollte man auch nicht mit klang- und workflowansprüchen von heute drangehen. ich habe nie mit einem fairlight gearbeitet, aber in den 80ern mal mit dem PPG-system (2.3 und waveterm). ich wollte da heute keine produktion mehr drauf machen. aber ein bissel rumspielen …
sehr schöne app!
hatte sie von anfang an
Die App war bei mir umgekehrt der Grund ein iPad zu kaufen. :)