Eine weitere Revolution für Turntablisten?
2015 war das Jahr, in dem Pioneer DJ gewissermaßen das DJ-Game im Bereich des Performance-Deejayings mit Release des Pioneer DJM S9 revolutionierte. Fortan waren das Level der Kreativität sowie die Möglichkeiten des Mixings ganz andere. Der DJM-S9 war der Vorreiter für viele andere Mixer in Battle-DJ-Bereich, die dann von diversen Herstellern folgten. Nun fünf Jahre später hat Pioneer den Pioneer DJM-S11 released und schickt sich an, eine weitere Revolution anzustreben. Pioneer DJ spricht von einer großen Systemtiefe, unbegrenzten kreativen Möglichkeiten und einer damit einhergehenden besseren Einbindung sämtlicher Funktionen aus Serato DJ Pro bzw. Rekordbox DJ. Ob der Mixer genauso ein Game-Changer wie sein Vorgänger ist, werden wir uns nun genauer anschauen.
Funfact: Pioneer wirbt mit dem Slogan „Voll auf die 11“, trauen sie ihrem Gerät also kein „Voll auf die 12“ zu? Wir werden sehen. Aber der Reihe nach.
Der erste Eindruck des Pioneer DJM-S11
Befreit man das Gerät aus seiner Verpackung, hält man definitiv einen professionellen Battle-DJ-Mixer in der Hand. Natürlich wird jeder DJ zuerst einen Vergleich zum DJM-S9 anstellen. Grundsätzlich erinnern Layout, Größe und Design auch an den Vorgänger aus eigenem Hause. Breite und Höhe sind exakt gleich geblieben. Lediglich in der Länge musste Pioneer gute 4 cm draufpacken.
Der alte S9 kann also einfach zwischen den Turntables rausgenommen und der neue Pioneer DJM-S11 dort platziert werden. Im Aufbau des Mixers und den dabei verwendeten Materialien ist Pioneer DJ seiner Linie treu geblieben. Die Frage ist jedoch, ob dies der richtige Weg ist. Die Marke Pioneer DJ ist für viele DJs der Standard. Viele Clubs haben Pioneer-Technik stehen, eben weil diese Marke Wert darauf legt, ihre Produkte so einfach wie möglich für DJs zu designen und somit dafür zu sorgen, dass jeder DJ mit einem Pioneer-Produkt umgehen kann. Was Pioneer DJ jedoch außer Acht lässt, ist anscheinend die Langlebigkeit seiner Produkte. Alle DJs, Clubs und Veranstaltungstechniker kennen die Geschichten von den ständig gewechselten Cue-Tasten an CDJ-Playern. Die Frage ist also, ob nicht ein Wechsel vom billigen Plastik angebracht wäre. Denn auch der DJM-S11 besteht zumeist aus Plastik-Komponenten und dieser Werkstoff ist nicht gerade dafür bekannt, lange einer hohen Beanspruchung zu widerstehen. Auch wenn natürlich alle in der Branche diesen Weg gehen.
Ein- und Ausgänge des Battle-Mixers
Auf der Rückseite des Mixers befinden sich die altbekannten Anschlüsse. Hier finden wir die Buchse für den 3-poligen Kaltgerätestecker sowie XLR- und Cinch-Anschlüsse für den Master-Out, die Booth-Anschlüsse mit großer Klinke, den XLR-Eingang für das Mikrofon, einen Cinch-AUX-Eingang sowie die diversen Eingänge für die beiden Decks. Hier gibt es eine Neuerung, denn neben den Phono- und Line-Eingängen je Deck gibt es nun USB-Anschlüsse für CDJs oder andere Controller. Definitiv nice to have. Hier können Controller von anderen gängigen Marken angeschlossen werden oder eben auch einfach ein MIDI-Controller für Serato oder Rekordbox. An dieser Stelle werden so einige DJs sich den USB-Hub am Laptop sparen. Nicht zu vergessen sind die USB-Plugs für den Anschluss des Laptops. Ein entsprechendes Kabel liegt dem Paket bei. Leider liegt dem Paket aber eben nur das USB-B-Kabel bei. Vielleicht wäre es an der Zeit, auch ein USB-C-Kabel beizulegen, da es ja nun mittlerweile immer mehr state of the art wird .
Die DJM-S9 Benutzer werden es wissen, was hier zu finden ist. Denn hier hat Pioneer DJ keine Veränderungen vorgenommen. Getreu dem Motto „Never change a running system“. Über die Vorderseite des Mixers können die Fader justiert werden. Für die Line-Fader lassen sich hier die Curve und die Logik (Reverse) einstellen. Gleiches gilt natürlich für den Crossfader, jedoch mit dem Zusatz, dass man für den Crossfader auch noch das Feeling, also die Leichtgängigkeit, einstellen kann. Darüber hinaus befindet sich hier die komplette Steuerung des Mikrofons mit Level, Talkover, Power, 2-Band-EQ und Echo. Wie gewohnt befinden sich auf der Vorderseite ein kleiner und ein großer Klinkenausgang für die DJ-Kopfhörer.
Das Herzstück des Pioneer S11 – die Oberseite
Was direkt ins Auge sticht ist, dass der Pioneer DJM-S11 in der Mitte einen Touch-Screen von Pioneer DJ als Antwort auf Konkurrenzprodukte verpasst bekommen hat. Darüber hinaus sind die Performance-Pads deutlich größer geworden. Aber Stück für Stück. Wir fangen von unten an.
Selbstverständlich befinden sich hier Cross- und Linefader. Der Crossfader ist ein alter Bekannter. Der MAGVEL Fader Pro ist auch im S11 eingezogen. Pioneer schreibt von einer um 30 Prozent erhöhten vertikalen Steifigkeit. Im Betrieb ist dies jedoch nicht zu spüren. Vorteil: Der S9 Benutzer fühlt sich am Fader sofort zu Hause. Schade ist allerdings, dass diese gelungene Fader-Technologie auch im S11 nicht in den Linefadern zum Einsatz gekommen ist. Leider werden hier im Hause Pioneer Unterschiede gemacht, die nicht sein müssten.
Links der Fader befinden sich zum einen das Sampler-Volume und zum anderen eine Taste für ein Smooth-Echo, was über den gesamten Mix bzw. über den Sampler gelegt werden kann. Rechts der Fader ist die Steuerung der Kopfhörer. Pioneer DJ setzt nach wie vor auf einen Fader für den Cue. Dies hat den Nachteil, dass DJs, die mit Kopfhörern mixen, leider nur über den sehr kleinen Cue/Master-Regler aussuchen können, was sie hören, da man, wie es zum Beispiel bei Cue-Tasten der Fall ist, den Cue nicht einfach ausschalten kann.
Die neuen Pads für die Performance
Die über den Fadern platzierten größer gewordenen Performance-Pads sind deutlich überarbeitet worden. Neben neue Funktionen ist es vor allem nun auch beim S11 möglich, die linken und rechten Performance-Pads unabhängig voneinander zu betreiben.
Die Funktionen der Pads sind sehr vielseitig. Grundsätzlich befinden sich hinter jedem Modus-Button ein bzw. zwei weitere Modi. So kann zum Beispiel über den Modus Cue in der zweiten Ebene Pitchplay aktiviert werden. In der dritten Ebene befindet sich der Modus Gated-Cue, welcher im Wesentlichen eine Kombination aus Cue-Point und Deck-Mute ist. Solange man den Cue-Point gedrückt hält, spielt das Sample bzw. der Track. Lässt man den Cue-Point los, verstummt das Deck. Es würde den Rahmen sprengen, alle Modi einzeln zu erklären. Fakt ist, dass hier der Kreativität wirklich kaum Grenzen gesetzt sind.
Eine Funktion sollte hier jedoch noch erwähnt werden: die Scratch-Bank. Eine Funktion zum Verlieben. Dem Sampler entsprechend kann mit dem Druck auf eine Taste ein vorher in Serato oder Rekordbox bereitgestelltes Sample blitzschnell auf ein Deck geladen werden. Und besonders gut gelöst ist, dass man eben pro Sample das Keylock deaktivieren kann.
Effekte, Effekte und … Effekte
Über den Performance-Pads ist wie beim Vorgänger die Effekt-Sektion platziert worden. Je Bank (zwei gibt es) können hier 6 Hardware- und 6 Software-Effekte kontrolliert werden. Allerdings auch hier ein kleiner Wermutstropfen. Es gibt nur einen Level/Depth und dementsprechend auch nur eine Effektauswahl für beide Seiten. Dies beschränkt wieder die Möglichkeiten des Mixings. Hier hat Pioneer DJ den Fortschritt der Konkurrenz ignoriert.
Links und rechts des sichdarüber befindlichen Touch-Screens wurden 3-Band-EQ, HP/LP-Filter, Trim, die von Pioneer bekannte Auto-Loop-Steuerung, Source-Selector und die Library-Bedienung je Channel positioniert. Gerade mit Blick auf die Library-Steuerung fallen zwei sehr kontroverse Sachen auf. Zum einen achtet Pioneer DJ darauf, dass DJs ihren Mixer in der Hitze des Gefechtes leicht bedienen können. So wurde der Load-Button deutlich größer als der Back-Button designt. Früher bestand hier im Dunklen Verwechslungsgefahr. Nun lassen sich die beiden Knöpfe sehr gut voneinander unterscheiden. Was jedoch auch auffällt ist, dass Pioneer DJ nicht wirklich auf Forderungen der Kunden eingeht. In vielen Foren wurde diese Sektion immer wieder heiß diskutiert, warum Pioneer DJ die Load-Funktion nicht per Druck auf den Browse-Encoder realisiert. Denn beim Pioneer DJM-S11 ist es genauso wie bei dem S9, dass eine Betätigung von Browse genau die gleiche Funktion wie der Back-Button hat. Man hätte auf einen Knopf verzichten können und es deutlich praktikabler designen können. Dies hat man jedoch verpasst und besonders ärgerlich: Da beide Seiten die gleiche MIDI-Note senden, kann dies nicht einfach vom Nutzer gemappt werden.
Der Touch-Screen des Battle-Mixers
Aber nun zum Herzstück: dem Touch-Screen. Der Touch-Screen bildet unfassbar viele Funktionen ab. Allen voran zeigt er natürlich die mitlaufenden Wellenformen und eine Reihe von wichtigen Informationen, so dass der Blick nicht unbedingt auf den Bildschirm wandern muss.
Die Möglichkeiten der Kreativität sind deutlich gewachsen. Alle Einstellungs- und Nutzungsmöglichkeiten hier aufzuzählen, gliche einer never ending story. Einen Teil jedoch wollen wir besonders hervorheben. Pioneer DJ hat eine ganz spezielle Sache in das Mixing mit eingebracht: die Multi-Deck-Steuerung. Zum einen können nun Deck 3 und Deck 4 ganz simpel (Play etc.) über den Touch-Screen bedient werden. Zum anderen kann aber auch der Player/Controller blitzschnell auf Deck 3 bzw. Deck 4 umgestellt werden. Von dieser Funktion können wir in Zukunft noch so einiges erwarten. Wir dürfen gespannt sein.