Perc Pro triggert einfach alles!
Die Kugeln des Polyend Perc Pro kamen mir auf der Musikmesse 2016 zum ersten Mal entgegen gehoppst und sicher sind sie vielen Messebesuchern damals aufgefallen. Als Visitenkarte verteilte der polnische Hersteller Polyend damals schwarze Gummibälle, versehen mit dem Firmenlogo. Ein einprägsamer Werbegag! Das eigentliche Produkt, das Drum-Roboter-System Perc Pro, das ebenfalls in Gestalt von schwarzen Kugeln Form bekommen hat, ist nun Inhalt dieses Tests.
Auspacken
Das gut verpackte Drum-Roboter-Set besteht aus drei „Beater Kugeln“, entsprechenden Halterungen und einer Kontrolleinheit samt Verkabelung. Ein englischer Netzstecker liegt dem Testpaket bei. Alles ist in mattem Schwarz gehalten, sinnvoll, wenn das System auch live benutzt wird. Zum Einstieg dieses Artikels empfehle ich folgendes Video, danach sollte klar sein, um was es beim Polyend Perc Pro überhaupt geht:
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Ein bisschen gruselig ist es für uns Drummer, wenn ein Schlagzeug spielt und niemand sitzt dahinter, der es bedient. Nicht mal ein spielender Roboter ist erkennbar, wie im Projekt „Compressorhead“ auf amüsante Art in Szene gesetzt. Nur eben jene besagten unscheinbare schwarze Kugeln sind am Drumset angebracht.
Die Kugeln werden über einen fünfpoligen Stecker mit dem Steuergerät verbunden.
Anbringung und Positionierung
Bei genauem Hinsehen erkennt man aus den Kugeln herausschnellende Beater, die auf die Felle (oder sonstige Objekte) klopfen. Die Beater Kugeln des Polyend Perc Pro werden mit Hilfe der hochwertigen, mitgelieferten Multiklemmen an vorhandene Stative, beispielsweise Beckenständer, Hihatständer oder Snarestativ angebracht und positioniert. Natürlich ist die Position entscheidend, was den Klang betrifft.
Bei der Snare gefällt mir persönlich eine Randposition besser, als den Beater über der Mitte zu befestigen, da dort das Fell nicht so stark wie in der Mitte schwingt. Die Reaktionsgeschwindigkeit des Fells ist im Randbereich besser, da das Fell dort eben nicht so stark in Schwingung kommt.
Die Perc Pro Beater sind in der Lage, irrwitzige Geschwindigkeiten zu übertragen, was mich beeindruckt hat. Ebenso schaukelt sich die Hihat stark auf, positioniert man den Beater zu weit außen am Rand. Auch die Bassdrum verhält sich so, daher sitzt im eingefügten Produktvideo die Bassdrum Kugel nicht mittig, sondern weiter außen am Rand. Mit etwas Geduld lassen sich recht interessante Grooves erstellen.
Sound
Gerade bei der Bassdrum fehlt mir ein kleines bisschen Bumms. Im Video fällt das nicht besonders auf. Steht man aber neben dem selbstspielenden Set, klingt der Groove unausgewogen. Auch nachdem ich Snare und Hihat dynamisch deutlich herunter reguliert habe, blieb dieser Höreindruck bestehen. Der kleine Beater vermag einfach nicht dem Punch eines regulären Bassdrum Pedals gleich zu stehen. Bei Snare und Bassdrum fällt das kaum oder sogar gar nicht auf.
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Die Steuereinheit
Das Steuergerät des Polyend Perc Pro verfügt über eine „Learn“-Funktion. Ist alles angeschlossen und drückt man einen der Fußtaster für einige Sekunden, fängt die weiße, sehr helle Diode an zu blinken. Das Modul ist nun lernbereit und wartet auf Signale. Sendet man nun ein Signal, zum Beispiel einen Bassdrumsound aus der DAW, registriert die Steuereinheit das sofort und ist jetzt fest diesem (MIDI-) Kanal zugewiesen. Natürlich lässt sich die Zuordnung jederzeit ändern oder wiederholen. Das funktioniert schnell und zuverlässig. Mehr ist nicht zu tun, als die drei Kanäle der DAW oder einem Controller zuzuweisen, dann ist Perc Pro einsatzbereit.
Wer braucht’s?
Für wen kommt das Polyend Perc Pro in Frage? Mein erster Gedanke war, Studios, die ein echtes, akustisches Set aufnehmen möchten, sich aber um die Kosten einen ebenfalls echten, lebendigen Drummer zu buchen drücken möchten, könnten sich für das Perc Pro System interessieren. Diesen Leuten sei gesagt, Polyends Perc Pro System klingt schon deswegen nicht annähernd wie ein Mensch, da sie Position der Beater gegenüber Drumsticks in der Hand eines Drummers immer gleich bleibt, also immer an die eingestellte Stelle schlägt.
Perc Pro eignet sich somit viel mehr als Ergänzung eines durch maximal vierstimmige Polyphonie limitierten Schlagzeugers. Auch als Percussioneinheit passend zum Drumsetspiel ist es sicher auf interessante Art einsetzbar. Allerdings beschränkt auf simple Anschläge, Conga Slaps fallen hier auch weg, da das System dazu nicht in der Lage ist. Ansonsten läßt sich triggern, was still hält. Hier liegt dann meiner Meinung auch das Potential des Systems. Einfach mal eine Kugel an die Heizung geschraubt oder über Gegenstände jeglicher Art gehängt. So können durchaus neuartige Soundkreationen entstehen.
Erstaunliche Geschwindigkeiten kann der Perc Pro erreichen (ok, braucht vermutlich keiner, aber macht Spaß beim Ausprobieren) und entwickelt auch ordentlich Wärme, was laut Hersteller aber kein Problem und auch kein Fehler darstellt. Tempomäßig ist er dem Mensch also überlegen, aber ums Kräftemessen geht’s ja nicht. Polyend Perc Pro soll einfach die Möglichkeiten erweitern und das tut das System zweifellos. Von daher gibt es eine sehr gute Bewertung. Idee und Umsetzung sind schon etwas Besonderes.
CV/Gate-Steuerung ist mit an Bord, ein entsprechender MIDI/CV-Wandler namens Poly ist in der Produktpalette der Herstellers enthalten. Rückseitig ist das MIDI-Trio verbaut. Ebenso bietet der Hersteller den Step-Sequencer SEQ an.
Wäre jetzt nicht der Kostenpunkt von 1.299,- Euro, läge das Polyend Perc Pro System vermutlich unter meinem Weihnachtsbaum. So allerdings als bloße Spielerei wird es doch wohl von den Leuten gekauft, die konkrete Pläne damit haben.
Ganz nett: Für vieles brauchbar.
Aber: Ghoststrokes? Gleichzeitig Rim und Fellmitte? Durch diese beiden Spielarten entsteht ja eine riesige Dynamik. Der Weg der Sticks ist ja dann auch ziemlich weit. Kann dieses Gerät diese Energie, die bei dieser Spielweise entsteht, umsetzen?
@JohnDrum Hi JohnDrum,
möglich ist beides. Ghostings sind durch entsprechend dynamische Progammierung möglich. Allerdings muß man die Werte sehr extrem einstellen und mit viel mit dem Abstand der Kugeln/Beater zum Fell/Becken experimentieren. Ich habe das im Test schon versucht, bin aber noch nicht zu einem wirklich zufriedenstellenden Ergebnis gekommen. Da fehlte die Zeit. Rimshots werden in einem PercPro Produktvideo dargestellt. Diese sind mit zwei Kugeln an der Snare möglich. Eine am Rim, eine am Fell. Wenn diese gleichzeitig Triggern, kommt es zu einem sehr Rimshot mäßigen Sound.
Die meisten Musiker wollen selbst live spielen, dieses Produkt ist technisch erstaunlich aber die breite Masse wird damit nichts anfangen können. Mir fällt jetzt spontan auch nicht so viel ein.
Naja, man könnte vieleicht solche sog. „Drum-Trigger“ (also die, die mechanisch von der Drum getriggert werden und ein elektrisches Signal ausgeben – nicht die, wo ein elektrisches Signal die Drum triggert ;) ) verwenden, um das entstandene Signal zeitverzögert (und abgeschwächt) per Perc Pro, wieder auf die Drum geben. Resultat wäre dann eine Art machanisches Drum-Delay.
Die Frage wäre noch: der Autor schreibt hier immer davon, dass sie sehr schnell angesteuert werden können. Bliebe noch die Frage, wie schnell denn und ob man damit auch Triggerfrequenzen im hörbaren Berreich erreichen könnte ;)
Aber ist wirklich zu teuer, um es sich nur für solche Spielereien anzuschaffen :/
@Triple-U Ich habe das PercPro über ein E-Drumset getriggert. Also auf dem E-Set gespielt und über das PercPro auf ein Akustisches Set übertragen. Das funktioniert ohne nennenswerte Latenz, also wirklich schnell!
Das stimmt. Ist schon sehr speziell…letztendlich auch des Preises wegen werden sich sicher nicht viele Leute zum Kauf entscheiden vermute ich.
Ach, die Idee, mit sowas einen Teil einer Roboterband (oder Ghostband, whatever) auf die Beine zu stellen, fände ich schon verlockend. Stell mir gerade vor, wie man inmitten solcher mechanischen Klopfgeister und virtuos maschinellen Keyboarder (mal weiter gedacht) auf ’ner Bühne performt. Passende Lightshow und Konzept dazu….
Bliebe auch wenigstens ein menschliches Wesen…coole Idee! Das macht bestimmt was her… :-)
Ideal um den unzuverlässigen Schlagzeuger zu ersetzen falls der Kerl mal wieder fehlt. Hehe
Gibt es unzuverlässige Schlagzeuger? ;-)
@Oliver Schulte Zicken zumindest weniger rum als Sänger und Gitarristen.
Ich glaube, dass das Gerät besonders für Live sehr interessant ist! Als dritte und vierte Hand am Set. Der Zuhörer wird sehr erstaunt sein! Im Studio ist es eher anders rum: Ich spiele etwas ein und z.B. das SD3 wandelt das Analogsignal in ein brauchbares Midi- und Audiosignal um.
Damit können nun auch Beat-Programmierer ein akustisches Drum-Set professionell spielen. Und es ist ja nicht auf Drums beschränkt; alles, was klingt, kann getriggert werden (Tischplatten, Holzfußböden etc.)…
@Son of MooG Dazu muss ich sagen dass das feeling eines echten Schlagzeugers mit diesem mechanischen Krampf niemals ersetzt werden kann. Das fängt beim einfachen Snarewirbel an und fängt beim groove spielen erst an richtig schwierig zu werden. Der Mensch aus Fleisch und Blut und wachem GEHIRN der nebenbei Witze erzählt und ein Bier säuft, der lässt sich nicht so einfach nachbauen.
Ich wüsste noch ein wichtiges Einsatzgebiet für dieses Teil:
Nachdem ich ein Mäuseproblem in meiner Wand habe: Das PercPro würde wahrscheinlich besser die Mäuse stressen als ein Ultraschallgerät. Wenn nur der Preis nicht so hoch wäre (für einen Mäusevertreiber).