Kleiner Korpus mit großem Ton
Wer hätte gedacht, dass der mich immer latent an Harry Potter Darsteller Daniel Radcliffe erinnernde Paul Reed Smith mit seinen PRS Guitars Mitte der Achtziger so dermaßen den Geschmack der Zeit traf und zu einem der ganz großen Namen des Business aufstieg. Seine Kombination von Strat und Paula Trademarks und die Einführung der „mittleren“ Mensur von 63,5 cm waren seiner Zeit aufsehenerregende Neuheiten und sicherten dem Newcomer großes Interesse bei Künstlern wie Carlos Santana oder Al Di Meola. Mittlerweile konnte der Hersteller auch durch Einführung einiger preiswerteren Modelle ein wenig seine „Zahnarzt- und Anwaltsklientel“ Mentalität ablegen, wenngleich die uns zum Test vorliegende PRS McCarty 594 Semi Hollow mit einem Ladenpreis von ca. 4500,- Euro alte Klischees bis zum Abwinken bedient.
PRS McCarty 594 Semi Hollow – Facts & Features
Wie nahezu bei allem PRS Gitarren beruht die PRS McCarty 594 Semi Hollow E-Gitarre auf einem hohen Anteil von Paula Ingredienzien, als da wären ein Korpus nebst Hals aus Mahagoni plus einer Ahorn-Decke, welche in dem mir vorliegenden Modell so intensiv gemasert ist, als ob man eine Fototapete aufgeklebt hätte. Wirklich beeindruckend, sofern man ein Freund von „Wohnzimmerschrank-Optik“ ist, wobei dieser Vergleich nicht wertend gemeint ist.
Der Hals ist im „Pattern Vintage Profile“ ausgeführt, was bedeutet, dass sich das Shaping des Halses mit den Bünden nach oben hin im Profil asymmetrisch verändert. Dieser Effekt ist allerdings nur sehr dezent ausgeführt, wir haben hier also keinen Übergang vom fetten „D“ hin zum schlanken „C“ oder ähnlichem. Der Sattel ist aus den Knochen eines toten Tieres gefertigt, während als Tuner die Modelle Modified Phase III mit einer vergleichsweise kurzen Übersetzung zum Einsatz kommen. Ob einem die oben aufgesetzten schwarzen Locking-Schrauben gefallen, sollte jeder für sich selbst entscheiden.
Das Griffbrett ist aus Palisander mit der wunderbaren Bezeichnung „Dalbergia latifolia“ und beherbergt 22 Bünde. Als Griffbretteinlagen kommen einmal mehr die Birds-Motive zum Einsatz, wobei die Assoziation zum Geflügel nach oben hin schon etwas abnimmt und mich der 21. Bund ehrlich gesagt mehr an eine Schildkröte erinnert. Als Tonabnehmer kommen die hauseigenen 58/15 LT zum Einsatz, welche sich mit einem 3-Wege-Schalter umschalten lassen und sich zudem mittels zweier Push/Pull-Potis auf Singlecoil schalten lassen, was immerhin eine Grundauswahl von 8 Sounds (Neck Humbucker, Bridge Humbucker, Neck Single Coil, Bridge Single Coil, Neck + Bridge Humbucker, Neck plus Bridge Single Coil, Neck Humbucker + Bridge Single Coil, Neck Single Coil plus Bridge Humbucker).
Dann noch eine zweiteilige Brückenkonstruktion in Tune-O-Matic Style mit einem Tailpiece, wo die Saiten auch von oben eingehängt werden können, wie man es schon bei den frühen Ibanez Gitarren der Achtziger her kennt.
Die Besonderheit dieser E-Gitarre ist die Kombination der Korpusabmessungen einer Solidbody mit dem Schwingungsverhalten von semiakustischen Instrumenten, wie es z. B. die ES-Serie von Gibson an den Tag legt. Der Vorteil gegenüber einer echten Hollowbody sind insbesondere die deutlich geringere Neigung zum Feedback, sowohl im Bass als auch im Höhenbereich und wie bei diesem Instrument die Handlichkeit einer Solidbody, welche zudem mit einem geradezu lächerlichen Gewicht von deutlich unter 3 kg erscheint. Wer jetzt allerdings hofft, die PRS McCarty 594 Semi Hollow könnte in Sachen Lautstärke an das Volume einer Hollowbody oder gar akustischen Gitarre heranreichen, muss leider enttäuscht werden. Die Lautstärke, welche die Gitarre unverstärkt erzeugt, unterscheidet sich kaum von der einer Solidbody.
Die PRS McCarty 594 Semi Hollow in der Praxis
Eigentlich erklärt es sich von selbst, aber ich sage es dennoch sicherheitshalber. Diese Gitarre ist keine Hard- oder Heavy-Gitarre, stark verzerrte Leadsounds oder gar High-Gain stehen diesem Instrument ungefähr genauso gut wie ein Bluesabend mit einer B. C. Rich Mockingbird. Hat sich wahrscheinlich schon jeder gedacht, sollte aber dennoch erwähnt werden. Wenden wir uns also primär dem Haupthabitat der PRS McCarty 594 Semi Hollow zu, sprich alles was clean oder mit einem moderaten Crunch versehen ist.
Zunächst einmal, das Resonanzverhalten des Instrumentes ist wahrhaftig sehr ansprechend. Die Kombination von Holz und Pickups lässt das Instrument unabhängig von der Wahlschalterpositionierung zu keiner Zeit bissig oder gar harsch klingen. Der Grundklang des Instrumentes ist zu jeder Zeit rund und weich, geradezu perfekt für den zuweilen arg bemühten Blues Anspruch. Nebenbei kann ein Musiker, der fast 5000,- Euro für ein Instrument auf den Tisch legen kann, wirklich den Blues haben? Wohl kaum, aber er kann dennoch, je nach Fertigkeiten, einen guten Blues spielen.
Fangen wir doch mal mit dem Halstonabnehmer an. Im Humbucker-Betrieb liefert die McCarty 594 Semi Hollow einen sehr schönen runden und weichen Sound, ganz im Stil ihrer größeren Schwestern. Allein mit diesem Sound lässt sich bereits das gesamte Jazz-Spektrum abdecken, wenngleich der Klang einen Ticken mehr Klarheit und Frische versprüht als vergleichbare ES Konsorten. Keineswegs besser oder schlechter, einfach nur anders. Geht man in den Singlecoil-Betrieb, erlangt der Sound noch einen deutlichen Schub Attack. Etwas weniger Wärme als bei einem vergleichbaren P-90, aber deutlich mehr als bei einem schlanken Vertreter der Fender Klasse.
Highlight der beiden PUs ist jedoch der Bridge-Tonabnehmer, der von der Konstruktion am meisten profitiert. Im Gegensatz zu vielen anderen Vertretern in dieser Position kommt zu keinem Zeitpunkt das Gefühl von Schärfe oder unangenehmen Biss auf. Trotz seiner Position bleibt der Klang weich und glänzt durch ein hohes Durchsetzungsvermögen, ohne wehzutun. Gerade dieser Pickup profitiert im Singlecoil-Betrieb von der Holzauswahl. Trotz Einspulerbetrieb bleibt der Klang rund und feinfühlig und verlässt nicht wie viele Strat Kollegen die Route der Geschmeidigkeit. Während viele Singlecoils in dieser Position gerne in Richtung Aggression eines Rockabilly-Sounds abdriften, was durchaus sehr willkommen sein kann, bleibt der 58/15 LT immer seinem konstruktionsbedingten Ausgangsmaterial treu und verlässt nie die Spur der Klarheit, gepaart mit einem weichen Grundklang.
Was in Einzelbetrieb schon für wohlwollendes Kopfnicken sorgte, wird in der Kombination der beiden Pickups nebst unterschiedlicher Spulenanzapfung konsequent fortgesetzt, wobei es völlig unmöglich erscheint, hier einen klaren Gewinner auszumachen. Zu groß sind die unterschiedlichen Einsatzgebiete, in denen die PRS McCarty 594 Semi Hollow ihr Zuhause finden kann. Jazz, auf jeden Fall, Blues, auch sehr gerne, aber wie wäre es denn mal mit einem Funk jenseits der Nile Rodgers Sounds? Beide PUs im Singlecoil-Modus und dann noch den passenden Amp, gerne etwas Richtung Bassman oder aber Twin/Dual Showman – und die Party kann beginnen!
Vielleicht noch ein paar Worte zum Sustain der E-Gitarre. Konstruktionsbedingt kann man von der PRS McCarty 594 Semi Hollow kein Sustain eines durchgehenden Halses erwarten. Will man aber auch gar nicht. Eine Semi-Hollow spielt man vielmehr aus der einzigartigen Kombination von Attack, Resonanz und weichem Klangbild, alles unter dem Aspekt der Feedback- und Handling-Kompensation einer Hollowbody. Jetzt aber die Überraschung, für eine Semi-Hollow ist das Sustain in der Tat beeindruckend. Man spürt regelrecht die hochwertige Verarbeitung und die grundsolide Konstruktion des Instruments.
Auch sind so gut wie keine Deadspots auszumachen, für ein aus Holz gefertigtes Instrument immer noch eine Besonderheit. Wie immer bei nahezu allen Gitarren gibt es einen Hauch von Sustain-raubendem Resonanzverhalten im Bereich um den 14. und 15. Bund auf den Diskantsaiten, aber wie gesagt, wir haben es hier mir Holz zu tun und dieses Verhalten ist völlig normal.
Grundsätzlich kann man sagen, das Instrument klingt so, wie es der Ladenpreis erwarten lässt. Es klingt sehr gut und es ist sehr teuer, basta. Den Rest muss sich jeder selber zusammenreimen, Fakt ist jedoch, dass die PRS McCarty 594 Semi Hollow losgelöst vom persönlichen Budget diesen Preis wert ist. Ob man allerdings bereit ist, diesen Preis zu entrichten, mag ich nicht beurteilen. Wirtschaftlich gesehen bestimmt nicht, denn wer sich mal die aktuellen Live-Gagen einer Blues- oder Jazzband ansieht weiß, dass man sich dieses Instrument nur unter Zuschuss eines 9 to 5 Jobs wird leisten können.
Schönes Instrument, zweifellos, aber 4,5K wär mir jetzt auch too much. Andererseits – wer als Jazzer zb eins der einschlägig beliebten Instrumente mit dem G im Logo haben will – oder muss ;-) wird je nach Modell nochmal ein paar Kohlen obendrauf legen müssen. Insofern relativiert sich das wieder.