Von wegen hohle Nuss!
Die PRS S2 Special Semi-Hollow verbindet amerikanische Handwerkskunst mit einem dreifachen Tonabnehmer-Setup und bietet damit eine beeindruckende klangliche Vielseitigkeit. Das Semi-Hollow-Modell richtet sich sowohl an ambitionierte Hobbygitarristen als auch an professionelle Musiker, die auf der Suche nach einem flexiblen Werkzeug sind.
- Konstruktion: Semi-Hollow-Design mit geflammter Ahorndecke und klassischer PRS-Verarbeitungsqualität.
- Elektronik: Drei Pickups, zwölf Klangvarianten – inklusive Narrowfield-Pickup für funkige Zwischensounds.
- Klang: Vielseitig einsetzbar, von klaren Clean-Sounds bis zu kräftigen Overdrive-Tönen.
- Kritik: Vibratofedern erzeugen Nebengeräusche – für PRS-Verhältnisse ein unnötiges Manko.
Inhaltsverzeichnis
Erste Bewertung und Fazit vorweg
Beginnen wir doch mal ganz ehrlich: Die PRS S2 Special Semi-Hollow ist ein Instrument, das zwischen zwei Stühlen sitzt – und das durchaus erfolgreich. Wer sich für rund 3.400 Euro eine amerikanische PRS ins Haus holen möchte, bekommt hier ein Instrument, das handwerklich auf Augenhöhe mit noch deutlich teureren Kollegen agiert. Die Verarbeitung ist tadellos, die Optik zeitlos elegant, und die klanglichen Möglichkeiten sind dank des dreifachen Pickup-Setups und der ausgefeilten Schaltungselektronik beeindruckend vielseitig.
Allerdings – und das muss man in aller Deutlichkeit sagen – hat PRS es auch in diesem Preissegment nicht geschafft, das lästige Problem der schwingenden Vibratofedern zu lösen. Für einen Hersteller dieser Güte ist das schlichtweg unverständlich. Ansonsten bewegt sich die PRS S2 Special Semi-Hollow auf solidem Terrain und kann durchaus als Empfehlung für Gitarristen gelten, die ein vielseitiges, gut verarbeitetes Instrument suchen, das sowohl clean als auch verzerrt überzeugt.
Konstruktion und Verarbeitung
Die PRS S2 Special Semi-Hollow basiert auf einer durchkonstruierten Semi-Hollow-Bauweise mit einer geflammten Ahorndecke über einem gekammerten Mahagoni-Korpus. Im Gegensatz zu den teureren Core-Modellen verzichtet PRS hier auf die aufwendige Violin-Carve und setzt stattdessen auf eine asymmetrische Kante um den Korpusrand – eine kostensparende Maßnahme, die dem Instrument jedoch eine eigene optische Note verleiht.
Der eingeleimte Mahagoni-Hals kommt mit dem bewährten Pattern-Regular-Profil daher, einem gerundeten C-Profil, das für die meisten Hände komfortabel spielbar sein dürfte. Das 22-bündige Palisander-Griffbrett ist mit den klassischen PRS-Vogel-Inlays bestückt – allerdings nicht aus Perlmutt oder Abalone wie bei den teureren Modellen, sondern aus praktischem Acryl gefertigt. Die Mensur beträgt klassische 25″, der Griffbrettradius 10″ und die Sattelbreite 1 21/32“. PRS bleibt damit seinem bewährten Mittelweg zwischen Fender- und Gibson-Spezifikationen treu.
Was die Gewichtsverteilung angeht, zeigt sich hier einer der größten Vorteile der Semi-Hollow-Konstruktion: Mit gerade einmal 3 kg liegt das Instrument deutlich angenehmer auf der Schulter als die meisten Solidbody-Kollegen.
Hardware und Elektronik
Die Hardware der PRS S2 Special Semi-Hollow präsentiert sich in vernickelter Ausführung und folgt PRS-typischen Standards. Das PRS Patented Tremolo (es ist und bleibt ein Vibratosystem!) ist eine solide Weiterentwicklung des ursprünglichen Fender-Vibrato-Konzepts und arbeitet geschmeidig und stimmstabil. Die Phase-III-Locking-Tuners sind ebenfalls bewährt und sorgen für schnelle Saitenwechsel bei gleichzeitig hoher Stimmstabilität.
Klangherz des Instruments sind drei in Maryland gefertigte Tonabnehmer: In Hals- und Stegposition sitzen 58/15-LT-Humbucker, die sich klanglich eindeutig im Vintage-PAF-Spektrum bewegen. Beide verfügen über dedizierte Mini-Toggle-Coil-Tap-Schalter. Der Hals-Humbucker ist dabei in umgekehrter Orientierung montiert – die Spule mit den verstellbaren Polen zeigt zum Steg hin, da PRS nach eigenen Angaben diese Orientierung klanglich bevorzugt.
Zwischen den beiden Voll-Humbuckern sitzt ein PRS Narrowfield Mini-Humbucker, der ausschließlich für die Stratocaster-ähnlichen Zwischenpositionen des 5-Wege-Schalters zuständig ist. Damit bleibt auch die bei vielen Dreifach-Pickup-Gitarren fehlende Hals-Steg-Kombination erhalten.
In den Achtzigern kam einmal eine Modewelle auf, in der man versuchte, durch Split- und Out-of-Phase-Schaltungen das Maximum an klanglichen Variationsmöglichkeiten aus einer mit Humbuckern bestückten Gitarre herauszuholen. BC Rich präsentierte seinerzeit einige „Switch-Monster“, bei denen man binnen kürzester Zeit komplett die Übersicht verlieren konnte. Ganz so aufwendig gestaltet sich der Aufwand bei der PRS S2 Special Semi-Hollow nicht, aber auch hier lassen sich aufgrund der drei Pickups in Kombination mit dem 5-Wege-Schalter und zwei Mini-Schaltern insgesamt zwölf unterschiedliche Sounds aus dem Instrument herausholen. Lediglich der PRS Narrowfield Mini-Humbucker in der Mitte ist nicht splitbar.
Klangcharakter und Spielpraxis
Wie auch viele andere Vertreter dieser Bauweise, ist auch bei der PRS S2 Special Semi-Hollow das Resonanzverhalten dezent „akustischer“, versehen mit einem sehr knackigen Attack-Verhalten. Dieses Klangverhalten kommt insbesondere bei cleanen und dezent crunchigen Sounds zum Tragen und verleiht dem Instrument bereits trocken gespielt einen sehr hochwertigen klanglichen Ansatz.
Die 58/15-LT-Humbucker bewegen sich gekonnt auf dem Grat zwischen Klarheit und Artikulation bei cleanen und leicht angezerrten Tönen einerseits und der Wärme und Fülle vintage-gewickelter Humbucker andererseits. Bei Overdrive-Sounds behalten sie ihre Balance bei und lassen sich sowohl für moderate als auch für extreme Verzerrung einsetzen, ohne dabei ihren Grundcharakter zu verlieren. Dass dieses Instrument allerdings nicht für High-Gain konzipiert wurde, versteht sich wohl von selbst – oder?
Die gesplitteten Humbucker der PRS S2 Special Semi-Hollow klingen, wie so oft bei dieser Schaltung, nicht exakt wie echte Single-Coils, kommen dem gewünschten Klangcharakter aber durchaus nahe. PRS hat hier interessanterweise einen Widerstand zwischen die abgeschaltete Spule geschaltet, der etwas Signal der stummen Spule durchlässt und damit den Ton etwas voluminöser macht. Das Ergebnis mag nicht hundertprozentig nach einer guten Telecaster oder Stratocaster klingen, ist aber eine durchaus brauchbare Annäherung an diese Sounds.
Das eigentliche klangliche Ass im Ärmel der Hardware ist jedoch der Narrowfield-Pickup in der Mittelposition. Obwohl er nie solo zu hören ist, harmoniert er sowohl mit den Humbuckern in voller als auch in gesplitteter Konfiguration und ermöglicht diese typischen funkigen, ausgehöhlten und drahtigen Zwischen-Sounds. Die schiere Anzahl der verfügbaren Sounds ist beeindruckend – kann aber auch etwas fummelig werden, wenn man während des Spiels schnell zwischen verschiedenen Einstellungen wechseln möchte.
Kritikpunkte
Was hingegen bei einem Instrument dieser Qualitätsstufe überhaupt nicht geht, ist einmal mehr das Problem der schwingenden Federn des Vibratosystems. Es ist mir ehrlich gesagt ein völliges Rätsel, wie dieser uralte Hut heutzutage immer noch ein Thema in einem Testbericht sein muss. Insbesondere Einsteiger werden sich fragen, warum ihr Instrument ständig so klingt, als ob man beim Verstärker den Federhall aufgedreht hätte. Gerade bei einer Firma wie PRS hätte ich längst eine hochwertige Problemlösung in Form von Gummi-/Kunststoff-/Textildämpfern erwartet. Stattdessen baut der Hersteller auf das Wissen des Kunden, der dann mit Schaumstoff oder sonstigen Behelfsartikeln dieses Problem selbst in den Griff bekommen muss. Ganz ehrlich: Geht meines Erachtens gar nicht!
Positionierung im Markt
Die PRS S2 Special Semi-Hollow positioniert sich als erschwinglicherer Weg zu amerikanischen PRS-Gitarren. Für Einsteiger in die PRS-Welt mag die S2-Serie zunächst verwirrend erscheinen, da sie in vielen Aspekten den Core-Modellen sehr nahekommt und sich hauptsächlich durch weniger aufwendige Deckenhölzer unterscheidet. In puncto Spielbarkeit und Verarbeitung muss man definitiv keine Abstriche machen.
Im direkten Vergleich mit den Core-Modellen fehlen der S2 Special Semi-Hollow die aufwendigere Violin-Carve-Bearbeitung, die Perlmutt- oder Abalone-Inlays (was man aus Tierschutzgründen ohnehin nicht verwenden sollte) und das Binding der Griffbretter. Dafür bekommt man aber nach wie vor amerikanische Handwerkskunst – aus derselben Fabrik wie die teureren Kollegen.
Die große Stärke der PRS liegt in der Kombination aus tadelloser Verarbeitung, sehr guter Bespielbarkeit und enormer klanglicher Flexibilität. Zwölf verschiedene Pickup-Kombinationen sind schon eine Hausnummer – auch wenn man in der Praxis wahrscheinlich nur einen Bruchteil davon regelmäßig nutzen wird.







































Wow, die Clean- (und auch die Crunch-) Varianten klingen sehr verführerisch! Damit könnte ich was anfangen. Und soweit ganz hübsch – gerade mit dem einen Violinschlitz, der das Design schön asymmetriert – ist das Teilchen ja auch noch. Ganz abgesehen vom super Headstock, der trotz 3×3-Bauweise geknickte Saitenführung vermeidet! (Davon sollte sich Gibson mal ein Hölzchen abschneiden – gegen deren notorisches G-Saiten-Verstimmungssymptom. Aber das wäre vermutlich zu sehr Bruch mit der Trad.)
Viele Varianten eines Grundklangs ein- und demselben Instrument entlocken zu können, fasziniert mich grundsätzlich – und bei Klarklängen oder sanften Rautönen ganz besonders (weshalb ich auch anhaltend begeistert bin von meiner Ibanez AZ Premium mit den 9 Schaltungsvarianten ihrer SSH-Bestückung).
Allerdings wäre mir für die blaue Schönheit hier der Preis doch ein bis zwei Portokassenstürze zu saftig. Und das federhallige Geklapper des Vibrators ;-) ist tatsächlich eine Frechheit für diese Liga. (Meine Harley Bentons mit Vibradöngs klappern nicht so!)
Danke für den interessanten Bericht und die aussagekräftigen Klangbeispiele!
Wow! Der Look ist ja schonmal allererste Sahne.
Mit der Pickup-Konfiguration kann man ja so ziemlich alles machen was das Herz begehrt. Eines Tages.. 🫠😄