Spielbarkeit
Schon beim ersten Anspielen beschleicht mich ein Gefühl von Indirektheit, sprich Latenz zwischen Tastendruck und Klang. 128 Samples Latenz reichen mir meistens aus, um vernünftig spielen zu können, doch diesmal nicht. Um dem auf den Grund zu gehen, habe ich einige Samples im Wave-Editor näher betrachtet.
So zeigte sich, dass vor dem ersten Transienten der Samples teilweise bis zu 35 Millisek. scheinbares Nichts ist, d.h. man drückt eine Taste auf der Tastatur und nach 6 ms Ausgangslatenz zuzüglich 4 ms MIDI-Latenz sollte ein Ton erklingen. Doch dann kommt erstmal 35 ms nichts. Das Schlimme dabei ist, dass dieses Nichts vorm ersten Transienten von Sample zu Sample variiert, so etwa zwischen 15 und 35 ms. Damit ist das Timing Glückssache und 35 ms Latenz ist in etwa so, als würde man 12 Meter vom Piano entfernt sitzen.
Bei 6-facher Vergrößerung der Wellenform kann man erkennen, dass dieses Nichts scheinbar doch irgendwas ist, jedoch nicht musikalisch verwertbar. Es würde mich nicht wundern, wenn da eine Automatik zum Finden der Sample-Anfänge bemüht wurde. Der Spielspaß wird dadurch nachhaltig getrübt, und die Sampleanfänge von 9000 Samples per Hand neu zu setzen, ist keine schöne Aufgabe.
Vielen Dank für den Test – zu der unterschiedlichen Latenz folgende Anmerkung: Dass das Sample nicht erst bei dem klanglichen Ton startet, sondern schon davor (bei Beginn der ersten Hüllkurve) ist bewusst gemacht, da bereits durch die Mechanik bzw. den Tastendruck minimale Geräusche entstehen. Diese machen unserer Meinung nach den „realen“ Eindruck des Instruments erst komplett (bitte einmal den Beginn loopen und hören); bei einer absoluten Gleichschaltung der Ansprache würde ein künstliches Piano herauskommen, was nicht unserer Philosophie entspricht.
Durch die zusätzliche Rechner-Latenz beim Einspielen kann je nach Einstellung eine gefühlte Latenz entstehen – in dem Fall einfach die Rechner-Latenz heruntersetzen.
Jedes der Einzelsamples wurde von mir von Hand geschnitten; das wird daran deutlich, dass auch die Fade-Out-Kurve am Ende der Samples für jedes Sample individuell gewählt ist in der Länge, so dass sie jeweils optimal passt und unauffällig in die Unendlichkeit übergeht – etwas, das mit einem Batch-Prozess nicht möglich gewesen wäre.
Dass die Einzelsamples unterschiendlich beginnen, hängt damit zusammen, dass jedem Sample mit der individuellen Ansprache der Tastenmechanik Rechnung getragen wurde. Das Gesamtergebnis wurde mit verschiedenen Testern ausprobiert, um sicherzustellen, dass mit niedriger Latenz das Spielgefühl entsprechend transportiert wird. So wurde die Luthéal Piano-Library auch vom Peabody Institute der John Hopkins University in Baltimore auf der Bühne mit großer Zufriedenheit eingesetzt.
Nicolay Ketterer – realsamples
Hallo Nicolay, habe mich wirklich über Deinen Kommentar gefreut. Wäre wirklich toll wenn diese Möglichkeit noch mehr Hersteller nutzen würden. Deine Argumente sind nachvollziehbar und steigern die Wertigkeit Deiner Produkte nochmals deutlich!!!
Danke für den Kommentar, auch ich finde es gut wenn sich die Hersteller von Produkten selbst zu Wort melden, das passiert viel zu selten.
zu deiner Anmerkung:
Hört man mit hoher Lautstärke ab oder betrachtet man ein einzelnes Sample mit extremer Vergrößerung im Sample-Editor, dann zeigt sich, dass dort etwas ist, was der Tastenanschlag sein könnte. Spielt man das Sample über eine Tastatur, hat diese selbst eine gewisse Verzögerung, vom Anschlagen der Taste bis die Midi-Note gesendet wird. Dazu kommt die Rechnerlatenz. (für mich reicht 128 Samples normalerweise auch für Schlagzeugeinspielungen aus)
Spielt man nun einen Ton des Luthéal Piano, beginnt dieser mit dem originalen Tasten-Anschlaggeräusch und der dazugehörigen Verzögerung bis der Hammer auf die Saite schlägt. Das ist vom Klang her natürlich originalgetreu, doch vom Spielgefühl her ist es in jedem Fall indirekter als das Original.
Ich bewerte für ein Sample-Instrument das Spielgefühl höher, als das letzte Bisschen Originaltreue, wobei dafür auch Samples bei abgehobenem Dämpfer wünschenswert gewesen wären, zumindest beim Piano-Register.
Vielleicht bin ich da etwas kritischer als das Peabody Institute.
Robert Biernat