Kanadas Bolide!
Bei dem Revv Generator 120 10th Anniversary handelt es sich um einen handgefertigten, 4-kanaligen Vollröhrenverstärker aus Kanada. Dieses Topteil für E-Gitarre bietet sehr viele Details und Features für High-Gain, Crunch- und Clean-Sounds. Wir haben den Test gemacht!
Inhaltsverzeichnis
Topteile & Röhrenverstärker für E-Gitarre – es gibt sie noch!
Wohl kaum einer aus der Musikbranche, der nicht in den letzten Jahren den Abgesang auf große und voluminöse Vollröhrenverstärker gesungen hätte. Hohes Gewicht, hoher Preis, empfindlich im Transport und große Abmessungen stellten viele Künstler auf eine schwere Probe, ob sie den besseren Klang der einfacheren Transportabilität weiterhin vorziehen würden.
Einhergehend mit dem Alltime-Klassiker „das hört doch eh keiner“ haben daher viele Hersteller ihr Portfolio in Sachen Vollröhrenverstärker zurückgefahren oder teilweise ganz eingestellt oder halten nur noch ihre stärksten Klassiker am Leben, die allerdings auch des Öfteren nur noch von ihrem Ruhm vergangener Tage profitieren.
Umso mehr ist es positiv hervorzuheben, dass einige Firmen konsequent auf die schwere Bolidenabteilung setzen. Die kanadische Firma Revv Amplification gehört zweifelsohne dazu und hat sich in den letzten Jahren insbesondere im Heavy-Bereich einen sehr guten Namen erarbeitet. Revv Amplification wurde 2014 von Dan Trudeau und Derek Eastveld in Winnipeg, Manitoba, Kanada, gegründet.


Ihr erstes Produkt, der Generator 120, wurde 2015 auf der NAMM-Show vorgestellt. Dieser 4-Kanal-Verstärker mit 120 W Leistung legte den Grundstein für ihren Ruf in der Musikszene. Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit Two Notes Audio Engineering, die zur Integration von Torpedo-Technologie in ihre Verstärker führte. Ein Beispiel hierfür ist die Generator MKIII Serie, die 2020 eingeführt wurde und als die weltweit ersten Gitarrenverstärker mit Stereo-direkt-Ausgang, reaktiver Last und Impulsantworten gelten.
Um das 10-jährige Jubiläum entsprechend zu feiern, gibt es den Revv Generator nun einer farblich leicht veränderten, limitierten Edition.
Die Konstruktion des Revv Generator 120 10th Anniversary
Als ich den Rev Generator 120 10th Anniversary auspackte, musste ich kurz schmunzeln, da mir ein Erlebnis widerfuhr, das ich bereits einmal vor circa 10 Jahren auf einer Bühne mit einem Mesa Boogie Verstärker hatte. Bei beiden Verstärkern gibt es kurz das Problem, dass man nicht genau weiß, welches die Vorder- und die Rückseite des Verstärkers ist, da auch die Rückseite mit dermaßen vielen Anschlussmöglichkeiten und Reglern versehen ist, dass man kurz ein zweites Mal hinsehen muss, zumal bei Revv auch auf der Rückseite das Firmenlogo zu sehen ist.
Bekanntermaßen wechselt der Revv Generator 120 10th Anniversary bei den unterschiedlichen Kanälen die Farbe seines Logos, das in der Mitte des Gehäuses angebracht ist. Der Amp verfügt über vier unterschiedliche Kanäle, wobei die Kanäle die Farbe Blue für Clean, Green für Crunch und zwei High-Gain-Kanäle die Farben Purple und Red haben. Alle vier Kanäle verfügen neben den üblichen 3-Band-Klangregelungen über massive Voicing-Möglichkeiten, die den Klang noch einmal in seiner Flexibilität deutlich erhöhen.
Bis auf den blauen Clean-Kanal verfügen alle Kanäle über separate Gain- und Level-Regler. In der Summe haben wir dann zwei Master-Volumen-Regler, um zwischen zwei Lautstärken hin und her zu schalten und zwei in der Summe angelegten Presence- und Depth-Regler.
Ebenfalls sehr interessant ist die Tatsache, dass obwohl der Rev Amp primär für schweres Bühnengeballer bzw. im professionellen Tonstudio zum Einsatz kommen soll, die Kanadier zudem auf eine möglichst hohe Flexibilität im Home-Recording-Bereich Wert gelegt haben. Wie bereits erwähnt, hat dieser Amp fest ein Torpedo-System von Two Notes verbaut, um gegebenenfalls einen Sound direkt ins Interface einer DAW einspielen zu können.
Die unterschiedlichen Cabinet-Emulationen kann man über einen Virtual-Cap-Regler auf der Vorderseite des Verstärkers einstellen. Zudem hat der Amp auch noch einen Bluetooth-Anschluss, um die Torpedo-Emulationen über ein Smartphone regeln zu können. Interessant ist ebenfalls der auf der Vorderseite in seiner Lautstärke regelbare Kopfhöreranschluss.
Optisch ist der Amp insbesondere für eine Anniversary-Edition sehr zurückhaltend, ja fast schon etwas bieder. Immerhin bietet das beleuchtete Logo optisch eine nette Abwechslung bei der Kanalwahl. Wer übrigens wissen möchte, warum die meisten Hersteller bei der Beschriftung die Variante „weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund“ wählen, sieht man hier. Zwar lässt sich die Reglerstellung aufgrund des breiten weißen Strichs auf den schwarzen Kappen sehr gut erkennen, allerdings sollte man die Bezeichnung der Regler auswendig kennen, da „schwarze Schrift auf verspiegeltem Hintergrund“ nur sehr schlecht zu entziffern ist.
Die Rückseite des Revv Generator 120 10th Anniversary
Wie bereits erwähnt, ist die Rückseite des Verstärkers sehr komplex aufgebaut. Wir haben neben den Standards wie Kaltgerätebuchse und Hauptsicherung die Möglichkeit, die Röhren von außen über Bias entsprechend einzumessen. Vorsicht, die Erste! Immer nur vom Fachmann machen lassen, sonst „alles kaputt“!
Zwei zusätzliche LEDs geben darüber Auskunft, sollte eine Endröhre den Geist aufgegeben haben und man nur noch mit halber Leistung die Show zu Ende bringen kann. Daneben haben wir die XLR-Buchsen des Two Notes Torpedo-Systems. Neben einem Ground-Lift-Schalter, der Brummschleifen verhindern soll, sofern man den Verstärker an eine DAW anschließt, befindet sich ein USB-Anschluss, bei dem man die entsprechenden Signale übermitteln kann. Ein Reverb-Level-Regler und ein Gate-Threshold-Regler machen ihren Job, wie man es entsprechend erwarten kann. Die Endleistung des Verstärkers ist zwischen 120 W und 10 W umschaltbar.
Sollte man den Verstärker ohne eine Box betreiben wollen, hat man einen internen Lastwiderstand verbaut, der entsprechend mit einem Druckschalter neben der Lautstärkenleistung zu aktivieren ist.
Vorsicht, die Zweite! Auf jeden Fall darauf achten, dass der Schalter gedrückt ist, wenn der Verstärker ohne Box betrieben wird, ansonsten schießt das euch den Ausgangsübertrager durch und „alles kaputt“. Dann haben wir noch einen seriellen FX-Loop und fünf Lautsprecherausgänge mit einmal 16, zweimal 8 und zweimal 4 Ohm. Zudem noch einen Anschluss für den mitgelieferten Fußschalter, zudem MIDI Thru und MIDI In.
Als besonders witzige Detaillösung gibt es eine Buchse namens Cap-Lightning, wo man die zum Amp passenden Revv Boxen anschließen kann, deren Beleuchtung dann ebenfalls mit dem Verstärker bei der Kanalwahl wechselt. Ein schönes Feature, wenn man optisch so richtig auf die Kacke hauen will.
Der Revv Generator 120 10th Anniversary in der Praxis
Es ist schon interessant zu sehen, wie sich bestimmte Eigenarten in der Verstärkertechnik trotz aller Dekaden, die mittlerweile ins Land gezogen sind, nicht verändern. Ich meine im Besonderen die Tatsache, dass Verstärker, egal wie flexibel und komplex sie aufgezogen sind, doch aufgrund ihrer Konstruktion in den meisten Fällen einen speziellen Grundsound haben. Der bisher flexibelste Verstärker in seinem Grundsoundverhalten, der mir untergekommen ist, ist der Hughes&Kettner Trident Mark III, der aufgrund der unterschiedlichen Endstufenröhren und des sehr komplexen Vorstufensystems tatsächlich eine große Flexibilität in Sachen Grundsounds aufweist.
Bei dem Revv Generator 120 10th Anniversary ist es so, dass trotz der vier Kanäle man eine ganz klare Fixierung auf einen bestimmten Grundsound erkennen kann und die lautet High-Gain. Dies bedeutet in Besonderem, dass der Grundsound des Verstärkers straff ist. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, der Sound ist extrem straff, was damit einhergeht, dass sich die Sounds im Einzelnen aufgrund der hohen Kompression zwar gut durchsetzen, der Amp aber vergleichsweise undynamisch klingt. Sprich, er geht klanglich zwar in einem moderaten Rahmen mit der Ausgangslautstärke der Gitarre mit, verdichtet allerdings sehr sehr früh und lässt daher ein dynamisches Spiel der rechten bzw. linken Hand des Gitarristen nicht wirklich zu.
Schauen wir uns diesbezüglich einmal die Sounds im Einzelnen an. Da wäre zunächst der blaue Kanal, der wie gesagt über keinen Gain-Regler verfügt, was in einem cleanen Bereich nicht wirklich außergewöhnlich ist. Sollte es bei harten Anschlägen zu leichter Sätztigung kommen, muss das in diesem Fall mit einer Rücknahme der Lautstärke an der Gitarre kompensiert werden. Inwiefern einem das gefällt oder nicht, muss jeder selber für sich beurteilen. Ich hatte bei einer normalen Les Paul nur das Problem, dass bei einem sehr harten Anschlag mit passiven Pickups es zu leichten Verzerrungen kam, die zwar nicht unangenehm waren, aber auch nicht schön weich weggebuttert wurden, wie zum Beispiel bei einem Fender Amp.
Kommen wir nun zum Crunch-Kanal. Auch wenn Grün meine Lieblingsfarbe ist, so muss ich leider sagen, dass mich der Kanal auf ganzer Linie enttäuscht. Der Kanal wirkt wie die Strophe in einem Yngwie Malmsteen Song, die nur die Funktion hat, den Song etwas zu verlängern, damit der Chef endlich zu seinem völlig überzogenen Solo kommen kann. Ähnlich wirkt bei mir der grüne Kanal bei dem Revv Generator 120 10th Anniversary.
Der Kanal ist im Prinzip genauso ausgelegt, wie die noch folgenden roten und violetten Kanäle, allerdings ohne dass er ihre Stärken übernehmen kann, sondern vielmehr nur die Schwächen aufs Auge gedrückt bekommt. Der Kanal ist sehr undynamisch, was in meinen Augen gerade im Crunch-Bereich sehr problematisch ist. Gerade hier kann man bei sehr guten Verstärkern zwischen einem fast noch cleanen und bei einem harten Anschlag einen kräftig gesättigtem Sound wählen, was bei diesem Verstärker faktisch nicht möglich ist. Man kann zwar mit dem Gain-Regler den Grundcharakter einstellen, aber der Kanal ist in meinen Augen nicht wirklich gut ausbalanciert und wird meines Erachtens auch von allen Revv Generator 120 10th Anniversary Spielern wahrscheinlich am wenigsten benutzt werden.
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Man muss dazu sagen, dass der Amp vom Werk aus vergleichsweise bass- und höhenlastig eingestellt ist. Allerdings bekommt man einen Großteil dieser Problematik mit dem in der Endstufe sitzenden, sehr gut klingenden Presence und dem moderat wirkenden Depth-Regler in den Griff. Was allerdings im Bassbereich bei den beiden High-Gain-Kanälen durch einen sehr guten Cut-Regler funktioniert, ist bei dem grünen Kanal leider nicht möglich. Man kann zwar mit dem Bassregler die tiefen Frequenzen etwas herausnehmen, rückt damit aber nicht wirklich dem mir zu stark pumpenden Bassbereich zu Leibe. Interessant ist der Klang in Kombination mit den EL34 in der Endstufe zu sehen. Der Höhenbereich ist eindeutig diesen Endröhren zuzuschreiben, aber der starke Basshub ist mit sonst nur von 6L6 oder 6550 ein Begriff, eventuell noch die 5881.
Mit dem Purple-Kanal folgt allerdings das absolute Highlight des Verstärkers. Der Kanal klingt einfach sehr gut, wenn man auf High-Gain-Sounds Wert legt. Der Kanal klingt ebenfalls sehr straff, dieses Mal allerdings äußerst positiv besetzt, da der Amp wahrscheinlich einen der besten High-Gain-Rhythm-Sounds bietet, die ich je gehört habe. Trotz des sehr hohen Verzerrungsgrades bleibt der Sound immer noch vergleichsweise transparent, setzt sich sehr gut durch und verbreitet dennoch einen ungemeinen Druck. Mit den Druckschaltern Bright, Fat und Cut kann man zudem den Sound, je nachdem, welche Gitarre man spielt und mit welchen Tonabnehmern diese besetzt ist, etc. perfekt abgleichen, um der persönlichen Soundvorstellung so nahe wie möglich zu kommen. Herausragend!
Ähnlich gut schneidet der rote Kanal bezüglich des Sounds ab, wenngleich dieser etwas weicher im Attack-Verhalten ausgelegt ist und somit wahrscheinlich in erster Linie als Solo-Kanal dienen wird.
Der von Dir ungeliebte grüne Kanal könnte einen derer Sounds machen, die für sich alleine langweilig sind, während sie in einem dichten Arrangement genau das sind, was der Song braucht.
Das Gegenstück kennen wir ja alle: Mördersound, wenn man alleine spielt, aber überhaupt nicht mehr toll im Bandgefüge.
@bluebell Nein, auch das leider nicht.
Dem Kanal fehlt die Dynamik eines Crunch Sounds, was sowohl den tonalen Reiz als auch die Durchsetzungsfähigkeit angeht.
Der Kanal klingt von der Ansprache her im Prinzip wie ein High Gain Kanal, nur mit weniger Gain. Da hat man im Purple Channel ein besseres Ergebnis wenn man den Volumeregler zurück dreht. Was übrigens für sehr viele Amps gilt 😉.
Der Purple-Kanal klingt wirklich sehr gut, und auch beim Grünen geben ich Dir recht, das klingt irgendwie flach und starr.
Rein vom Design her finde ich die REVV-Amps irgendwie gesichtslos. Das Logo, das Bedienpanel, das Gehäuse, optisch wirkt das alles etwas baukastenhaft auf mich. Muss überhaupt nichts über die Qualität sagen, aber das hat bei mir auch dazu geführt, dass ich mich auf der Suche nach einem High Gain-Amp nicht mit REVV beschäftigt habe.