Der neue Klassiker?
Die Meldung schlug hohe Wellen: Als im Juli 2021 ein neues elektroakustisches Rhodes E-Piano angekündigt wurde, bekamen etliche Keyboarder und Pianisten Schnappatmung, gemischt mit einer gewissen Sorge. Die Enttäuschung über das missglückte Mark 7 sitzt manchen Musikern noch in den Knochen, außerdem schwebte die Frage nach dem Preis wie ein Damokles-Schwert über den Träumen des neuen Instruments. Letztere ist mittlerweile beantwortet: Das Rhodes MK8 E-Piano schlägt mit fünfstelligen Beträgen zu Buche, was den Kundenkreis überschaubar halten wird. Nebst gutbetuchten Hobby-Musikern, denen ich das von Herzen gönne, wird das neue Rhodes MK8 auf großen Bühnen und in edleren Studios anzutreffen sein. Normalsterbliche Musiker müssten schon eine Weile sparen oder einen Teil ihres Fuhrparks verkaufen.
Inhaltsverzeichnis
Rhodes – ein Name, ein Instrument, ein Klang
Der Name Rhodes steht wie kein anderer für einen bestimmten Klang, ein Design und vor allem auch ein Spielgefühl. Die wechselhafte Geschichte des Instruments, das eigentlich als Übungsinstrument begann, dann seinen Weg zu Fender fand, jahrelang den Namen Fender trug, obwohl der Konzern schon gar nicht mehr beteiligt war und schließlich einfach nur „Rhodes“ hieß, kann man in unserem großen Rhodes Special nachlesen.
Es gibt nur wenige Instrumente, die die Geschichte der populären Musik so sehr geprägt haben wie das Rhodes. Zu nennen wären hier die Hammond B3 und andere Tonewheel-Orgeln des Herstellers, der Moog Minimoog und das Hohner Clavinet sowie das Solina String Ensemble. Der Klang dieser Instrumente zieht sich wie ein roter Faden durch die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts bis heute. Es darf die Behauptung aufgestellt werden, dass es auch diese Instrumente sind, deren Klang am häufigsten als Sample oder Physical-Modeling-Simulation in Hardware wie Software anzutreffen sind. Viele Musiker verbinden mit dem Namen dieser Instrumente auch sofort einen spezifischen Klang.
Als elektro-akustisches Piano steht das (Fender) Rhodes aber auch für ein bestimmtes Spielgefühl, das sich nur mit dem echten Instrument einstellt. Die Verbindung zwischen der Tastatur und der elektro-akustischen Klangerzeugung ist einzigartig und kann von einem modernen digitalen Instrument kaum nachvollzogen werden. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass auch heute ein „echtes“ Rhodes E-Piano bei Keyboardern heißbegehrt ist.
Der erste Eindruck
Als Vorbereitung für diesen Testbericht habe ich mein kürzlich revidiertes Stage Mark 1 Seventy Three täglich ausgiebig gespielt und bin jetzt wieder – nach längerer, sträflicher Vernachlässigung – vollends im Rhodes-Gefühl verhaftet. Und natürlich habe ich im Netz alles gelesen, was zum neuen Rhodes schon veröffentlicht wurde. Hier kurz die wichtigsten Daten:
- elektro-akustisches Piano mit Klangstäben („Tines“)
- Tonumfang: 73 Tasten (eine 88er Version ist vorerst nicht geplant)
- eingebauter Preamp mit Drive, Auto Wah („Envelope“), 3-Band-EQ (mit parametrischen Mitten) sowie Panorama-Effekt
- optional: analoges Effektbord mit Kompressor, Chorus, Phaser und Delay (tapbar)
- Anschlüsse: Stereo-Audio-Out (2x XLR und 2x Klinke), Monoausgang der Pickups („Send“, Klinke), Monoeingang (vor Preamp und Effekten, „Return“, Klinke), Stereokopfhörer (große Klinke); 2x Expression-Pedal (Klinke), USB (für Firmware-Updates des Effektblocks)
- Stromversorgung: externes 15 V Netzteil mit 4-Pin-XLR-Verbindung
- neu entwickeltes Sustain-Pedal mit mechanischer Kabelverbindung
- Gewicht: 34 kg (Keyboard, ohne Flightcase), 11 kg (Beine)
Äußerlichkeiten
Ich gebe zu, dass mir der Anblick des Rhodes MK8 eine gewisse Ehrfurcht einflößt: Das Design ist klassisch und zeitgemäß zugleich, mit matt-gebürstetem Aluminium-Panel und einem gewohnt schwarz-matten Verdeck ohne Wölbung. Form follows function. Ganz anders als weiland beim Mark 7, dessen geschwungene Form weder besonders ästhetisch noch praktisch war.
Das Verdeck wird gegen Aufpreis in zwölf Farben plus einer transparenten Version angeboten. Auch eine Silver-Metallic-Variante ist möglich, was der Kunde mit knapp 300,- Euro zu vergüten hat. Und wer auf Holz steht, kann sich für einen Tausender extra auch ein massives Walnuss-Gehäuse bestellen. Einen Überblick über alle Gestaltungsoptionen und auch die Sondermodelle bekommt man auf rhodesmusic.com.
In das Frontpanel sind zwei Bedieneinheiten eingefasst: links der Preamp, Equalizer und Panorama-Effekt und rechts das optionale Effektbord. Das Rhodes E-Piano war stets auch eine Designikone. Die Eleganz eines Stage Mark 1 ist unübertroffen. Das Rhodes MK8 E-Piano knüpft an diese Formensprache an, doch gibt es im Gegensatz zu einem Mark 1 oder 2 keinen Deckel, der das Instrument transportsicher machen würde. Stattdessen wird ein passendes Flightcase angeboten, das leider nicht als günstig bezeichnet werden kann.
Außerdem sind zum Öffnen des Instruments Schrauben zu lösen, während sich bei einem Mark 1 die Abdeckung einfach rausheben ließ, was für experimentelle Spielweisen sehr praktisch sein kann, z. B. indem man mit den Fingern die Tonebars dämpft. Wenn ich erstmal den Schraubenzieher bemühen müsste, um an die Tonebars ranzukommen, würde ich schlicht weniger häufig mit offenem Verdeck spielen. Auch Pianisten können bequem sein.
Es ist gewiss keine einfache Aufgabe, einen Klassiker neu zu gestalten, Axel Hartmanns Design wird die einen verzücken und andere zurückweisen. Doch halte ich ein klassisches Mark 1 – von etwaigen ästhetischen Fragen abgesehen – für praktischer, da das Instrument im eigenen Flight-Case untergebracht ist und Beine und Pedal im Deckel verstaut werden können. Beim MK8 ist dies etwas komplizierter gelöst.
Innerliche Jubelschreie erweckte hingegen das neu entwickelte Sustain-Pedal, das ähnlich wie beim Wurlitzer über einen Kabelzug mit der Instrumentenmechanik verbunden ist und sich dadurch nicht verstellt, selbst wenn es verschoben wird. Außerdem sorgt eine lange Gummimatte für sicheren Halt. Dies mag alles banal klingen, in der Praxis ist es eine Erleichterung, wenn man nicht mehr wie beim Fender Rhodes Mark 1 und 2 die Pedalstange mühsam justieren muss, die zudem aus der Halterung fiel, sobald das Instrument ein bisschen verschoben wurde.
Innere Werte
Ein Blick ins Innere offenbart ein gewohntes Bild mit Tines, Federn und Pickups. Alles wirkt sehr sauber verarbeitet. Eine Besonderheit ist die Klaviatur: Die Holztasten stammen vom Branchenprimus KLUGE aus Remscheid, einer Tochterfirma von Steinway, die alle namhaften Klavier- und Flügelbauer mit perfekt geformten Tasten beliefert.
Wie auch nicht anders zu erwarten, lässt sich das MK8 hervorragend spielen. Der Tastenwiderstand ist etwas leichter als bei einem Flügel und fühlt sich passend und natürlich an. Schnelle Läufe gelingen ohne jede Anstrengung, ebenso kurze Repetitionen, die zwar nicht auf dem Niveau eines Flügels liegen, aber einiges schneller gelingen als auf meinem Stage 1 von 1975. Selbstredend laufen die Tasten perfekt nach unten, ohne jedes seitliche Spiel. Kein Vergleich zu meinem Mark 1, das etwas ausgeleiert ist.
Preamp
Am Anfang der Signalkette steht ein großer Regler für die Lautstärke, gefolgt von einem Auto-Wah Effekt („Envelope“), der das Mittenband des EQs steuert. Drive regelt eine Verzerrung, ehe das Signal zum 3-Band-Equalizer mit parametrischen Mitten geleitet wird.
Der Panorama-Effekt, den man auch als Stereo-Tremolo bezeichnen könnte, wird durch die beiden Parameter Rate und Depth geregelt, wobei der verbaute LFO über vier Schwingungsformen verfügt (Rechteck, aufsteigender Sägezahn, Dreieck und Sinus). Rate und Depth lassen sich auch über ein externes Expression-Pedal steuern, jedoch nicht unabhängig voneinander.
Die Frequenz des LFOs reicht weit in den hörbaren Bereich, was den Effekt auch für experimentelle Sounds prädestiniert. Seltsamerweise sind beim Durchfahren verschiedener Frequenzen eine Art Stufen zu hören. Der Effekt wirkt etwas digital, ob dies auch technisch zutrifft, entzieht sich meiner Kenntnis.
Effekte
Das optionale Effektpanel schlägt mit knapp 1.300,- Euro zu Buche und bietet vier Standardeffekte, die immer wieder gerne am Rhodes gespielt werden: Kompressor, Chorus, Phaser und Delay. Der Kompressor bietet eine stufenlose Ratio von 1:1 bis unendlich, was ihn somit auch zum Limiter macht, während das Poti Blend den Effektanteil bestimmt. Alle weiteren Parameter wie Threshold, Attack- und Decay-Zeiten sind nicht editierbar. Klanglich macht der Kompressor ordentlich Druck, mit knackigen Attack-Zeiten und einem vollen Sound. Die einfache Bedienung mit nur zwei Parametern erweist sich dabei als Segen, alle Einstellungen klingen musikalisch. Gerade im Live-Betrieb wird dieser Kompressor nützlich sein.
Der Chorus und Phaser sind beide in Stereo mit den klassischen Parametern Rate und Depth ausgeführt. Sie klingen von dezent bis intensiv und verleihen dem Klang eine angenehme Breite. Bei hoher Frequenz sind auch experimentelle Schwurbelklänge möglich.
Bleibt noch das Delay, dessen Delay-Zeit über eine Taste getappt werden kann, aber leider nicht über ein Pedal. Die übrigen Parameter sind Feedback und Effektanteil. Weitere Funktionen wie Ping-Pong-Delay und Modulationen bzw. Filterung der Feedbacks sind nicht vorgesehen.
Klang und Praxis
Der Klang von Rhodes E-Pianos ist durch Justierung der Pickups und Klangstäbe stark wandelbar. Ob ein Instrument eher einen glockigen oder erdigen Klang hat, ist in erster Linie Einstellungssache. Im Werkszustand sei das Rhodes MK8 laut Herstellerangaben eine Mischung zwischen frühen und späteren Modellen: „The MK8 is voiced to sound like a perfect balance between the early models and later – so it has the fatness and growl of earlier models with the clarity of the later models.“
Im Vergleich zu meinem Mark 1 erscheint mir das Rhodes MK8 klarer, um nicht zu sagen: neutraler. Es klingt auf seine Weise rein, ein ungewohntes Spielgefühl, das ich mich zu Beginn leicht irriterte. Manchmal vermisste ich eine gewisse Patina im Klang, den viel beschworenen „Dreck“.
Dank der perfekt justierten Klaviatur lässt sich das MK8 sehr präzise spielen, mit einer erstaunlich großen Dynamik, die mir größer erscheint als auf meinem Mark 1, von Pianissimo bis Fortissimo, was es auch für Solokonzerte prädestiniert. Die Effekte klingen alle gut, ob sie den Aufpreis von 1.300,- Euro wert sind, ist eine andere Frage. Ein vergleichbarer Satz an Effektpedalen wäre bestimmt günstiger und hätte zudem den Vorteil, dass man sich die Effekte selbst zusammenstellen könnte.
Für Konzerte würde ich die Vorzüge eingebauter Effekte genießen, spart es einiges an Verkabelung, Transporttaschen und überhaupt an Dingen, an die man vor dem Auftritt zu denken hat. Dieses „All-in-one“-Konzept kann schon sexy sein, wenn da bloß nicht die kleinen Aussetzer im Klang wären (siehe unten).
Kleine Kritik (und Ausblick)
Ich brauche keinen Hehl daraus zu machen, dass mich das neue Rhodes MK8 haptisch wie klanglich überzeugt. Dennoch soll die Frage erlaubt sein, was man allenfalls hätte besser machen können.
Mal abgesehen von der fehlenden Abdeckung der Anschlüsse, hätte ich nichts gegen einen MIDI-Sync der verbauten LFOs und des Delays einzuwenden. Da die LFOs mit größter Wahrscheinlichkeit ohnehin schon digital gestaltet sind, wäre dies technisch einfach umzusetzen, zumal eine USB-Buchse schon vorhanden ist.
Gleichzeitig hielte ich aber auch ein passives Stage-Modell für eine sinnvolle Ergänzung der Produktpalette. Ohne Preamp, EQ, Panorama-Effekt, Kopfhörerverstärker, Netzteil und symmetrischen Anschlüssen könnte bestimmt einiges eingespart werden, was das Rhodes MK8 doch noch in halbwegs bezahlbare Regionen hieven würde. Die Einfachheit eines klassischen Stage-Modells mit einem Monoausgang und passivem Volume- und Bassregler hatte mich noch nie gestört. Im Gegenteil empfinde ich sie als erfrischend direkt. Bei einer Fender Strat erwartet auch niemand eingebaute Effekte. Natürlich ist dies alles Wunschdenken und nicht wirklich eine Notwendigkeit.
Problematisch am vorliegenden Rhodes MK8 ist hingegen, dass das Audiosignal beim Ein- und Ausschalten der Effekte kurz unterbrochen wird, was für ein Instrument dieser Preisklasse erstaunlich bis inakzeptabel ist. Dies betrifft aber nur die Effekte am rechten Panel und nicht den Panoramaeffekt. Bleibt zu hoffen, dass Rhodes-Music nachbessert.
Alternativen
Wie eingangs erwähnt, gibt es eigentlich zu einem echten Rhodes keine Alternative, weil es auf die Kombination aus Klangerzeugung, Tastatur und Haptik ankommt. Dennoch lassen wir Keyboarder, die lieber ihr Haus oder Auto abbezahlen als ihr Instrument nicht im Regen stehen. Kürzlich erst haben wir auf AMAZONA.de eine sehr gute Alternative getestet, die zwar anders als das Rhodes MK8 E-Piano digital arbeitet, aber dennoch ein tolles Spielgefühl liefert: das Crumar Seven E-Piano.
Und weil ein digitales Instrument eben oft mehr kann, muss man hier auch auf die Verwandtschaft nicht verzichten: Wurlitzer- und Pianoklänge sind ebenfalls möglich. Gut sieht das Instrument obendrein aus und ist wie ein echtes Rhodes ein Blickfang auf jeder Bühne.
Eine andere Alternative kommt von Rhodes selbst und zwar in Form von Software: Das Rhodes V8 Software E-Piano simuliert den Klang der Hardware und wurde ebenfalls von uns getestet.
Man hört einfach sofort bei jedem Soundbeispiel, dass hier ein leidenschaftlicher Profi a den Tasten sitzt. Was würde ich geben, um so performen zu können!
Wie kann man ein derart großes und teures Instrument bauen und das Netzteil nicht integrieren? Ich weiß schon, Abschirmung ggü der Tonabnehmer und so – aber in der Preisklasse muss das drin sein.
@j.keys Das Netzteil gehört wohl zu den Elementen, die am ehesten kaputt gehen, und wenn man dann einfach das externe Netztei austauschen kann, ist das schön. Man muß nicht das ganze teure, schwere, große Instrument wegschicken…ich sehe da keine Nachteil.
@mort76 Das Netzteil darf 20 Jahre nicht kaputt gehen, dann können vma mal die Elkos austrocknen.
Ich würde sogar umgekehrt argumentieren, die Wahrscheinlichkeit DASS beim Netzteil etwas kaputt geht steigt wenn dünne Kabel mit interessanten Steckern verwendet werden. Normalerweise würde ich auch noch mit Bühnentauglichkeit argumentieren, aber die Anzahl der Musiker die so ein Schmuckstück mit auf die Bühne nehmen ist wohl nicht all zu groß.
verrückt. total abgehobene Preise..
wie tevox mit dem neuen Tonbandgerät.
Uli bitte kommen… :-)
@Numitron Wenn du’s ernst meinst schau dir mal die Vintage Vibe Pianos an. Die sind immer noch nicht geschenkt aber insgesamt dann doch um einiges günstiger als das Rhodes.
Toller Test – super Beispiele, passen perfekt! Schönes Instrument, mit kleinen Mängeln und ziemlich sportlicher Preisgestaltung!
Ich besitze ein MK 1 Baujahr 1975.
Weshalb haut mich der Grundsound vom MK8 nicht vom Hocker ? Irgendwie zu neutral, farblos….
Der Preis ist einfach jenseits, überhaupt mit der „Effektsektion“.
Ich werde mir für unterwegs/Bühne ein gebrauchtes KORG SV1 um 1.000,-€ leisten.
Das Rhodes ist mir einfach zu schwer und die tastatur meines Nord EL3 zu leichtgängig.
toller Test und sehr gelungene Audiobeispiele; das freie Impro ist einfach nur zum Genießen – hmmmm- Danke