Jingle Jangle is back
Die Gitarrenmodelle von Rickenbacker (aber auch die Bässe) besitzen sicherlich einen individuellen Sound und eine spezielle Optik, die sich deutlich von den Instrumenten anderer Hersteller absetzen. Unter Gitarristen scheiden sich die Geister. Manch einer fährt voll auf Rickenbacker ab, währen viele weitere Gitarristen niemals eine Rickenbacker antesten, geschweige denn spielen würden. Ich vermute, das könnte möglicherweise mit dem Alter zu tun haben, da die Rickenbacker Gitarren in den 60ern teilweise durch John Lennon oder auch George Harrison berühmt wurden aber auch später von Tom Petty, R.E.M. und einigen anderen Größen verwendet wurden. Wem „die Gnade der späten Geburt“ zuteil wurde oder anders ausgedrückt, wer zu jung ist, die älteren Herren zu kennen oder gar zu verehren, kann mit einem Rickenbacker Instrument möglicherweise gar nichts anfangen oder auch verbinden. Bei den Bassmodellen verhält es sich ähnlich, Paul McCartney spielte in seiner Zeit mit den Wings gerne mal einen Rickenbacker Bass aber auch der legendäre Lemmy Kilmister von Motörhead war ein Fan dieser Marke. Beide Herren sind nicht mehr ganz jung bzw. Lemmy musste im Jahre 2015 ja leider bereits abtreten.
Das im Jahre 1958 erstmals vorgestellte Modell 330 liefert durch das spezielle halbakustische Konzept einen warmen und runden Klang. Dieser wird durch die Rickenbacker „High Gain Single Coils“ unterstützt und ist als „Jangle-Rock“ Sound durch Bands wie R.E.M. oder Tom Petty bekannt geworden. Die Rickenbacker 330 verfügt über den klassischen Monoausgang und verzichtet auf den Stereoausgang, der nach heutigen Gesichtspunkten sicherlich auch nicht mehr benötigt wird.
Nachdem wir neulich bereits das Vergnügen hatten, die bedeutend kostenintensivere Rickenbacker 381V69 zu testen, befassen wir uns heute mit dem vergleichsweise abgespeckten Modell, der Rickenbacker 330. Dieses Modell verzichtet auf die Stereoausgänge und ist optisch vergleichsweise etwas schlichter gehalten (keine aufwendigen Griffbretteinlagen, kein dick klarlackiertes Griffbrett etc.), was sich in einem deutlich günstigeren Preis zu Buche schlägt. Unsere Testkandidatin wurde in Mattschwarz (matt black) lackiert und ist darüber hinaus auch in den Farbgebungen Fireglo, Jetglo, Mapleglo, Ruby erhältlich, falls man es etwas traditioneller mag.
Rickenbacker 330 – Facts & Features
Das Rickenbacker 330 ist ein Semi-Akustik-Modell, wurde in den USA gebaut und mit einer mattschwarzen Lackierung versehen, wie man dies ja inzwischen auch von Autos kennt. Im Lieferumfang inkludiert ist ein sehr stabiler schwarzer Rechteckkoffer aus stabilem Kunststoff, der durch eine Verstärkung mit Aluleisten sicherlich auch den harten Bedingungen „on the road“ gewachsen wäre. Öffnet man den Koffer, strömt einem zunächst ein deutlich wahrnehmbarer Lackgeruch entgegen, der dann aber nach einiger Tagen erfreulicherweise deutlich abnahm.
Das Gewicht von ca. 3,6 kg kann beruhigt als rückenschonend eingestuft werden. Für den Korpus kam Ahorn zum Einsatz, der eingeleimte Ahornhals wurde mit einem recht dicken Griffbrett aus Caribbean Rosewood versehen. Speziell sind sicherlich die Einspuler mit relativ hoher Ausgangsleistung und der Mix-Regler, der ein Überblenden beider Tonabnehmer gestattet.
Korpus
Natürlich besitzt auch die Rickenbacker 330 die typische Form, die man bereits aus den Sechzigern kennt, dazu gehören die recht großen Cutaways, die so spitz wie Spocks Ohren geraten sind. Der Ahornhals wurde eingeleimt, um ein gutes Sustain zu erzeugen. Extravagant ist sicherlich, dass man unterhalb des firmentypischen R-Saitenhalters etwas Material abgenommen hat, was dem Korpus eine leicht futuristische Note verleiht.
Das f-Loch besitzt die typische „Schnabelform“, die typisch für die halbakustischen Modelle von Rickenbacker sind.
Rickenbacker 330 – Hals
Die Sattelbreite beträgt 41,4 mm, was etwas unter dem, fast zum Standard gewordenen 43 mm liegt, welche die meisten Gitarren aufweisen. Ich persönlich bin (gerade bei Stratocaster-Modellen) ein Fan von etwas geringeren Sattelbreiten (41 mm) und hatte mich damit schnell angefreundet. Das Halsprofil des eingeleimten Ahornhalses könnte man als stabiles D bezeichnen. Bis 2017 wurde dieses Modell noch mit Griffbrettern aus Bubinga ausgestattet, ab 2017 kommt Caribbean Rosewood (Metopium Brownei) zum Einsatz. Die Griffbretteinlagen sind schlichte Dots, hier wurde also auf aufwendige Einlegearbeiten verzichtet. Das Instrument verfügt erstaunlicherweise über 24 Bünde, die aufgrund der großzügig ausgeschnittenen Cutaways mühelos erreichbar sind. Der Griffbrettradius von 254 mm (entspricht exakt 10″) fällt eher traditionell aus, was beim Spielen eine gewisss „Vintagefeel“ aufkommen lässt. Aktuelle Gitarrenmodelle besitzen meist ein deutlich flacheres Griffbrett bzw. einen größeren Griffbrettradius, um das Solospiel komfortabel zu gestalten, da die Saitenlage dann meist etwas tiefergelegt werden kann. Ich finde es erfrischend, mal wieder ein klassisch ausgerichtetes Modell in den Fingern zu haben.
Das Griffbrett der Rickenbacker 330 wurde erfreulicherweise nicht „in Glas gepackt, wie dies beispielsweise bei den sehr hochpreisigen Gitarren der Vintage-Serie der Fall ist. Die Mensur von 628 mm entspricht der von den meisten Gitarren aus dem Hause Gibson. Zwei schneeweiße Schlagbretter wurden auf zwei Ebenen montiert. Das größere Schlagbrett, das die Bedienelemente beherbergt, wurde auf der Decke der Gitarre verschraubt, während das zweite kleinere Schlagbrett parallel zu den Tonabnehmern etwas erhöht auf Abstandshüllen angebracht wurde. Dies ermöglicht eine komfortable Ablage für die Schlaghand.
Elektrik
Die Rickenbacker 330 wurde mit zwei High-Gain Singlecoil-Tonabnehmern bestückt. Diese sind sehr kräftig und dabei außerordentlich durchsetzungsfähig, wie wir später noch hören werden. Jeder der beiden Tonabnehmer ist unabhängig in Lautstärke und Klang zu regeln, die Auswahl der Tonabnehmer erfolgt klassisch mithilfe eines 3-Wege-Schalters (Toggle-Switch). Alles wurde soweit traditionell gehalten, eine Besonderheit ist jedoch anzutreffen: Das fünfte Poti, dessen Plastikknopf etwas kleiner gehalten wurde, gestattet das Mischungsverhältnis beider Pickups zu regeln, womit sich im Handumdrehen etliche weitere Klangnuancen herauskitzeln lassen, ohne dafür an beiden Lautstärkereglern drehen zu müssen. Auf ein Stereoausgang (wie bei Gitarren der Vintage-Serie) wurde beim Modell 330 verzichtet, dieser ist sicherlich auch nicht notwendig bzw. überflüssig. An der Zarge finden wir demnach lediglich eine Monoausgangsbuchse.
Hardware
Die Hardware der Rickenbacker 330 (Schaller Mechaniken, Tonabnehmerrahmen, Stegabdeckung etc.) wurde komplett verchromt. Natürlich ist auch der charakteristische ‚R‘-Saitenhalter vorhanden, der das individuelle Design unterstreicht. Der optisch individuelle Steg besitzt sechs einzelne Reiter, die sicherlich gleichfalls ihren Beitrag zum individuellen Sound der Gitarre beitragen.
Rickenbacker 330 – Sound
Bereits ohne Verstärker gespielt, fällt bereits das gute Schwingungsverhalten des semiakustischen Konzepts positiv auf. Das Instrument resoniert außerordentlich gut und erzeugt einen warmen Ton.
Eingeklinkt dürfen wir feststellen, dass die Rickenbacker High-Gain Singlecoils mächtig Druck erzeugen. Selbstverständlich muss man bei Einspulern auch mit dem charakteristischen Brummen leben, sofern diese allein betrieben werden. In der Mittelstellung, bei Parallelschaltung der Tonabnehmer verschwindet dieses Brummen wie erwartet.
Hören wir die Gitarre zunächst clean und beginnen mit dem Stegtonabnehmer:
Der Sound ist glasklar und druckvoll. Die semiakustische Bauweise, gepaart mit dem drahtigen Ton, sorgt für ein wunderbares Durchsetzungsvermögen.
So könnte der Hals-Pickup klingen, der sich auch für bluesige, jazzige Lines gut einsetzen lässt.
Beide Tonabnehmer parallel erzeugen gleichfalls einen durchsetzungsfähigen Sound mit viel „Twang“, der sich u. a. hervorragend für Rock ’n‘ Roll oder Rockabilly eignet.
Nun wird der verzerrte Kanal meines Peaveys aktiviert, wir hören einige angezerrte Rhythmuspassagen und auch hier dürfen wir uns über einen drahtigen direkten Sound freuen. Somit ist die Gitarre auch außerordentlich „Rock-tauglich“:
Nun hören wir den Halstonabnehmer mit moderater Verzerrung.
Mit höherer Verzerrung wird diese Gitarre vermutlich auch nicht konfrontiert werden, da diejenigen, die sich für ein solches Instrument interessieren, vermutlich keine „High-Gain-Metaller“ sind. Die verbauten Singlecoils sind für einen Betrieb mit viel Verzerrung eher nicht zu empfehlen, da dann das Brummen sehr deutlich wahrnehmbar wäre. Die Gitarre spielt klanglich ihre Stärken (Durchsetzungsfähigkeit, spezieller Charakter) eindeutig im klaren bzw. angezerrten Bereich aus und hebt sich durch ihren speziellen Klang sicherlich vom Mainstream ab.
Die Klangbeispiele wurden mit folgendem Equipment aufgenommen:
Rickenbacker 330 – Peavey Classic 20 MH – MESA/Boogie 1 x 12″ Thiele Box mit Creamback Celestion Lautsprecher – Shure SM57 – Apogee Duett – Mac mit Logic (etwas Delay hinzugefügt).
Klasse Test, danke dafür. Macht Lust drauf.