Edler VCA-Kompressor für Neve-Fans
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Der Rupert Neve Designs 543 Kompressor ist genau genommen der unspektakulärste Kompressor aus der Schmiede von Rubert Neve, dem legendären Designer für Studiotechnik. Keine FETs, keine optischen Resistoren und keine Dioden-Brücken, nein: Simple VCAs (Voltage Controlled Amplifiers) sorgen für die Verdichtung des anliegenden Signals. Da VCAs meist ohne Übertrager und andere Sperenzchen eingesetzt werden können, ist bei dieser Kompressoren-Variante auch keine Verfärbung zu erwarten. VCA-Kompressoren sind die Geparden in dieser Produktklasse: Meist extrem schnell und präzise. Schauen wir uns also mal an, ob der 543 diesem Ruf entspricht!
Worum geht es beim Rupert Neve Designs 543?
Der Rupert Neve Designs 543 ist ein Monokompressor im API 500 Format. Diese Bauform erfordert ein spezielles Gehäuse mit jeweils 16 V Versorgungsspannung und einem standardisierten Anschluss. Diese Gehäuse werden im Studioumfeld „Lunchbox“ genannt und haben meist Platz für bis zu acht Kassetten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Sie können viele unterschiedliche Cartidges in einer 19 Zoll Einheit unterbringen oder diese sogar mobil einsetzen. Leider – das muss man zugeben – sind 500er Module meist recht teuer. Gerade wenn man sie mit den vergleichbaren 19 Zoll Varianten vergleicht, die ja ein eigenes Netzteil besitzen und aufgrund der Bauform auch häufig im Stereobetrieb bzw. 2-kanalig einsetzbar sind.
Bis vor wenigen Jahren konnte man bei Rupert Neve Designs noch den 5043 Kompressor kaufen. Das ist die ½ 19 Zoll 2-Kanal-Variante des hier getesteten Gerätes. Möglicherweise ist das ½ 19 Zoll Format nicht ganz so beliebt, denn es hinterlässt letztlich immer ein Loch im Rack-Schrank oder es wird mit einer Blende verschlossen. Ich könnte mir daher vorstellen, dass der 5043 deswegen nicht mehr im Programm ist. Von Seiten des Herstellers gibt es hierzu aber keine Informationen.
Neben dem 543 hat Rupert Neve Designs lediglich ein weiteres Produkt im Angebot, das mit VCAs arbeitet, der Master Buss Prozessor. Man setzt also überwiegend auf die Neve eigenen Dioden-Brücken Kompressoren, die dafür bekannt sind, das Signal anzudicken und zu verdichten.
Die Ausstattung des RND 543 Kompressors
Der Rupert Neve Designs 543 beansprucht einen Steckplatz in der Lunchbox und jeder, der schon einen Kompressor bedient hat, findet sich sofort zurecht. Von oben nach unten werden Threshold (-30 dB bis +20 dB), Ratio (1,1:1 bis 40:1), Attack (20 ms bis 75 ms), Release (100 ms bis 2,5 sec) und Makeup Gain von -6 bis +20 dB mit den Neve typischen Drehreglern eingestellt.
Dazu findet man einige schaltbare Funktionen:
S/C + HPF setzt ein Highpass-Filter auf 250 Hz, so dass diese tiefen Frequenzen beim Signalscanning ausgelassen werden. Auf diese Weise vermeidet man ein Kompressorpumpen, wenn das Musiksignal viele tiefe Impulse (z. B. Bassdrum) hat, denn nur die Frequenzen über 250 Hz werden vom Kompressor erfasst.
F/F + F/B bedeutet Feed Forward bzw. Feed Backward. Diese beiden unterschiedlichen Modi bestimmen, ob die Signal Detection vor oder nach dem internen VCA stattfindet. Hier eine Seite, auf der (auf Englisch) die Details erklärt werden. Generell darf man sagen, dass der Kompressor im Feed Forward Modus moderner und transparenter klingt und im Feed Backward Modus klassisch und einen Hauch runder.
RMS + Peak: Durch diesen Schalter reagiert der Kompressor nicht mehr im Wesentlichen auf den RMS-Pegel des Audiosignals, sondern auch auf den PEAK-Pegel. RMS-Schaltungen sind besser geeignet, um die Art und Weise zu imitieren, wie die Ohren scheinbare Lautstärke wahrnehmen. Peak-Schaltungen hingegen neigen dazu, direkt auf die Wellenformspannung zu reagieren, was für die Vermeidung von Clipping und die Maximierung von Pegeln wichtig sein kann.
Comp In aktiviert die Kompression oder schaltet diese auf Bypass.
Link: Die meisten neuen Racks bzw. Lunchboxes der 500er Serie verfügen über einen internen Link-Bus, der es ermöglicht, zwei oder mehr 543er gleichzeitig im selben Rack zu verbinden.
Dazu verfügt der Rupert Neve Designs 543 über zwei 8-teilige LED-Ketten: Einmal für den Pegel und dann natürlich noch für den Grad der Kompression (Gain Reduction)
Neben Side-Chain Hochpass-Filter und der Feed-Steuerung hat der Rupert Neve Designs 543 noch einige für Neve typische Eigenheiten:
- Ein voll aufgedrehter Threshold bedeutet keine Kompression und erst wenn man gegen den Uhrzeigersinn zurückregelt, erhöht man die Gain-Reduction.
- Eine Ratio von 40:1 ist faktisch ein Limiter, also eine sehr harte Kompression ab dem eingestellten Threshold. Üblicherweise haben Kompressoren eine maximale Ratio von 12:1 und darüber dann eine gesonderte Knee- oder Limiter-Funktion.
- Ein Release von maximal 2,5 Sekunden ist ebenfalls nicht weit verbreitet. Selbst eine Sekunde Release-Time findet man schon selten.
Wie klingt der Rupert Neve Designs 543?
Neben dem 543 schickte mir der deutsche Vertrieb Mega Audio einen 535 Diode Bridge Compressor zu, den unser Redakteur Thilo Goldschmitz schon 2018 im AMAZONA.de Test hatte.
Diese Dioden-Brücken-Kompressoren müssen sehr heiß angefahren werden – erst dann entfaltet sich deren spezieller andickender Charakter. Schon beim Blick auf die Einstellungsmöglichkeiten zeigt sich ein Teil des Unterschiede zwischen VCA- und den Diode-Bridges-Kompressoren. So bietet der 543 einen breiteren Threshold-Bereich und eine höhere Ratio. Außerdem hat der 543 eine stufenlose Attack- und Release-Einstellung. In Sachen Ausstattung darf der 543 VCA Kompressor nur wegen dem Mix-Regler neidisch sein. Diese Möglichkeit, unkomprimiertes Signal mit komprimiertem zu mischen („Parallelkompression“) ist oft das Tüpfelchen auf dem „i“ im Mix. Für den Vergleich habe ich diesen Regler beim 535er auf 100 % belassen.
Schnell wird klar: Man hat es hier mit zwei unterschiedlichen Ansätzen zu tun, was sich natürlich auch klanglich auswirkt.
Eingebaut in eine Fredenstein Bento 6DS Lunchbox habe ich die Module in den Insert meines SSL SiX Analogmixers eingebunden und kann so die Kompression gut vergleichen. Im folgenden Klangbeispiel habe ich die Attack- und Release-Einstellung in einem Sprachbeispiel sE Electronics DCM 6 Mikrofon beschrieben und zwar in folgenden Einstellungen:
- kurzer Attack & kurzer Release
- langer Attack & kurzer Release
- langer Attack & langer Release
- kurzer Attack & langer Release
Im folgenden Beispiel habe ich einen Akkord mit der akustischen Gitarre durchgepickt (mit Plektrum). Auch hier bin ich die Einstellungen wie im Sprachbeispiel durchgegangen. Zum Vergleich danach den Dioden-Bridge-Compressor 535 im Vergleich in den Einstellungen Fast, Med, Slow und Auto:
In diesem Beispiel werden die unterschiedlichen Charaktere der beiden Kompressoren deutlich. Wobei man eigentlich nur beim 535 von Charakter sprechen kann, denn wie schon zu erwarten, ist die Klangfärbung beim 543 praktisch nicht wahrzunehmen. Während die zunehmende Kompression beim Dioden-Brücken-Kompressor immer mit einer Anhebung im Präsenzbereich und einer hörbaren Verdickung des Klanges einhergeht, so scheint der Kompressionseffekt beim VCA gesteuerten 543er wie aus dem Nichts zu kommen. Dabei spielt es beim 543 kaum eine Rolle, wie hoch der Eingangspegel ist. Das 535 braucht wirklich einiges an Dezibel, bevor der Charakter deutlich wird.
Conclusio
Wie so oft bleibt es auch hier beim Einsatzzweck und Geschmack des Tontechnikers. Wie schon Thilo seinerzeit feststellte, hat der Dioden-Brücken-Kompressor 535 einen ganz eigenen Charme und mit ihm – das muss man zugeben – bekommt man mehr „Neve-Flair“, als mit dem eher nüchternen 543, der problemlos als Universalkompressor eingesetzt werden kann, aber nicht den Schmelz des Meisters rüberbringt.


Meine Meinung zum 543: Für Neve-Fans lohnt sich die Anschaffung. Ich finde aber, dass es einige – auch günstigere – VCA-Kompressoren am Markt gibt, mit denen man sehr ähnliche Ergebnisse erzielen kann und die zum Teil sogar noch besser ausgestattet sind. Aber klar ist auch: Es hat schon seinen Grund, warum die Rupert Neve Produkte in den besten Studios dieser Welt zu finden sind.
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Danke fuer den Test. Gut gemacht. Genau wie das Testobjekt: einfach gut. Hier in den USA ist er zur Zeit (Januar 2023) etwas billiger: etwa 980,- Euro (umgerechnet) 👍
Toller Test, vielen Dank! Ich hatte auch schon das Vergnügen, mit einem 543. Für manche mag es wie ein faux pas wirken, aber ein Kompressor der so neutral agiert wie sonst nur ein Plugin ist manchmal exakt das was man braucht. Z.b. wenn man Solo-Geigen aufnimmt. Da käme mir sonst nur der Great River PWM501 in den Sinn. Wer aber doch mehr Farbe möchte, wird mit dem 535 sicher glücklich. Oder man greift als Alternative zum 535 gleich zum AML 54F50.